Meconopsis

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Nahe am Tode vorbei

Die Symphonie kann beginnen

Nahe am Tode vorbei


Im Herbst desselben Jahres lud Heini mich ein mit ihm, auf seinem neuen Motorrad, eine Spritztour zu machen. Es war, kurz bevor die Dämmerung hereinbrach, als wir auf der alten Strasse bei Dippach bergab in Richtung Luxemburg fuhren. Am Strassenrand lagen bereits die ersten Blätter, die von den hohen Bäumen gefallen waren. Es begann alsdann, auch noch zu nieseln. Auf der ganzen Strecke überhaupt kein Verkehr. Wir fuhren in der Mitte der Chaussee.

Das neue Motorrad war beachtlich schneller als der alte Kasten und Heini streckte in seinem Übermut alle Vier in die Luft. Doch dies wurde uns zum Verhängnis. Es musste ein abgebrochener Ast gewesen sein, der auf der Strasse lag, der den freihändigen Fahrer aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Wir näherten uns gefährlich dem Strassenrand, wo die nassen Blätter sich ins Geschehen einmischten und ehe wir uns umgesehen hatten, war es passiert.

Ich spürte, wie ich über die nasse Wiese rollte, und konnte mich wieder aufrichten, ohne dass ich irgendwo Schmerzen verspürte. Also hatte ich sicherlich nichts gebrochen. Das Licht am Motorrad brannte noch, der Motor drehte noch, und Heini kroch zu seinem Lieblings Spielzeug und drehte den Zündschlüssel. Die Lenkstange war gebrochen und im ersten Augenblick bestand keine Aussicht auf Hilfe. Da merkte ich erst, dass ich mein Beret nicht mehr auf dem Kopf hatte. Ich suchte an der Aufprallstelle und entdeckte meine Kopfbedeckung, die etwa 20 Zentimeter tief in der feuchten Erde steckte. Ich musste also vom Sozius katapultiert worden sein, etwa 10 Meter weit in die Wiese, als die vorderen Räder in den Strassengraben fuhren. Dann ist wahrscheinlich ein Überschlag erfolgt, wobei ich mit dem Kopf voran im Sturzflug zu Boden ging. Zum Glück hat der feuchte Wiesengrund den Aufprall abgefangen. So hätte ich mir sicherlich das Genick brechen können, doch hatte ich Unermessliches Glück auf meiner Seite.

Wir sassen anschliessend tatenlos am Strassenrand, salbaderten über den Unfall, waren froh, dass nichts Schlimmeres passiert war, denn nur die linkewar beim Streifen eines der Strassenbäume abgebrochen.

Im Halbdunkel näherte sich ein Licht auf der Strasse. Es war ein einsamer Fahrradfahrer auf dem Heimweg. Heini stellte sich mitten in die Strasse um den Radfahrer anzuhalten, um ihn zu bitten uns Hilfe zu schicken, doch dieser wechselte sein gemütliches Kurbeltempo in einen plötzlichen Sprint und raste in völliger Panik an Heini vorbei.

Wer bleibt schon in der Dämmerung vor einem wildfremden Menschen stehen, der breitspurig im Wege steht, wie Heini sich fast immer gab, wenn er etwas zu sagen hatte, und dazu in seiner dunklen Lederkleidung um Hilfe bettelte. Der Reflex war absolut normal und weit und breit war keine Seele zu sehen.

Dass das Motorrad noch funktionsfähig war, wussten wir, doch ohne eine Lenkstange, war es unmöglich zu fahren. In der Not frisst der Teufel Stubenfliegen. Heini begann, nach einem auf dem Boden liegenden Ast zu suchen, den er in die beiden offenen Röhren der hohlen Lenkstange stecken konnte. Mit etwas Glück konnte er das Ganze zusammenhalten und gleich ging es im ersten Gang los und wenn auch spät, wir kamen jedenfalls nach Hause.

Meiner Mutter war es gleich aufgefallen, dass meine amerikanische Windjacke auf dem Rücken komplett voll grüner und brauner Streifen war. Diese rührten von meinem Gleitflug über die Wiese, doch den Unfall beleuchten, das konnte ich meiner Mutter nicht antun. Ich gab vor, wir hätten uns bei einem plötzlich einsetzenden Regenguss unter einen Baum geflüchtet und die Streifen würden sicherlich von der Rinde des Baumes herrühren. Die gute Frau schluckte diese banale aber zu meinem Glück für sie plausible Erklärung und damit hatte sich’s.

Ich muss aber einen weiteren Unfall hier beschreiben den Heini etwas später mit seinem neuen Motor mit Beiwagen hatte, als er an die Maas zum Fischen fuhr. Im Beiwagen hatte seine etwas rundliche und dazu gewichtige Frau Platz genommen mit dem Kleinkind auf ihrem Schoss.

Die Fahrt führte durch kleine Dörfer, doch Heini hatte so einen Raserfimmel, dass er das Motorrad mit dem schweren Beipack nicht richtig in eine Kurve lenken konnte. Ihm war Glück im Unglück hold, denn das Gefährt rannte nahezu ungebremst auf einen eisernen Strassenlampenmast drauf.Das Verbindungsgestänge des Seitenkarrens zum Motorrad brach glatt ab und Heini landete geradewegs in einem Misthaufen. Der Seitenkarren mit seiner Frau und dem Kind aber rannte auf dem einzigen Rad in einen Bauernhof hinein und geradewegs durch die offen stehende Tür des Hausganges, wo er sich zwischen den Wänden festklemmte.

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