Meconopsis

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Das Treppenhaus

Die Symphonie kann beginnen

Das Treppenhaus.


Zurück zum Treppenhaus, dessen Holzstiegen und auch das Geländer uns beiden lange Zeit als Rutschbahnen dienten. Von hier konnte man gerade aus in die Küche gelangen. Das Geländer war zwar beliebt als Rutschbahn, war aber viel zu steil, ergo zu schnell und führte meistens zu Verletzungen. Wenn man sich aber auf einen Teppich setzte, den man mit beiden Händen zwischen den Beinen festhielt, dann waren die Holztreppen zwar eine holprige Angelegenheit, doch recht lange beim Rutschen beliebt, zumal wenn die Witterung uns zwang im Haus zu bleiben.

Die Küche war recht geräumig, mit einen schwarzem Abwaschbecken, das aus einem Schieferblock gehauen war. Der Abfluss befand sich unterm Küchenfenster, der durch die Aussenmauer in die Kanalisationsröhre führte, die sich unter dem Kellerboden befand. Ausserdem befand sich in der Küche eine grosse Kochmaschine von der Marke Küppersbusch mit seitlichem Warmwasserkessel und Backofen. Auch gab es damals bereits einen als Luxus bezeichneten Gasherd mit 2 Brennern. Von der Decke herunter hing eine Leuchte mit Porzellanschirm. Man konnte sie in der Höhe verstellen, was am Abend beim Lesen besonders günstig war. Die Abgas- oder Kaminröhre war mit Silberbronze gestrichen und war erst unter der Decke an den Kamin angeschlossen. Diese lange Ofenröhre gab zusätzliche Wärme an das hohe Zimmer ab.

Gehen wir aus der Küche in die normale und auch sehr gemütliche Stube. Dort ratterte manchmal tagelang die Nähmaschine meiner Mutter. Es war eine Singer mit Fussbetrieb. Auch lauschten wir dort gerne Radio. Wir hatten einen Telefunken und der stand in Augenhöhe auf einem Schrank. Besonders gerne hörten wir uns Hörspiele an, die bei Radio Beromünster auf Kurzwellen gesendet wurden, aber auch im Krieg wurde dieses Radio in Betrieb genommen. UKW Empfang gab es damals noch nicht. Es kam erst viel später. Im Krieg wurde nur mit der leisesten Lautstärke gehört. Besonders die Ankündigung der BBC - London mit ihrem dumdumdumdum hatte viel und merkwürdige Resonanz und musste absolut unterdrückt werden, damit kein Nachbar aufmerksam werden konnte. Mein Vater machte sich öfters die Mühe (wenn er zuhause war), und brachte den Apparat ins Elternbett, wo er dann unterm Bettzeug den „Feindsender“ abhörte. Obschon man dies vor uns Buben verschweigen wollte, wussten wir genau, was vor sich ging. Ich kann mich erinnern, dass ich meiner Mutter einmal anlässlich einer Tracht Prügel, damit gedroht hatte ich würde den Leuten erzählen, dass mein Vater den Engländer höre. Das hatte einen gewaltigen Schock ausgelöst. Ich glaube schon, dass eine für mich vorteilhafte und auch nachhaltige Wirkung nicht ausgeblieben ist. Die gewählte Sendestation wurde stets schnellstens wieder gewechselt, denn genau das war es, was die uns besuchenden Spitzel immer wieder ergründen wollten. Auch in Rodingen gab es die so genannten gefährlichen Nazianhänger, die zu allem fähig waren. Einige von diesen „Landesverrätern“, besonders jene die manchen, ihnen ungenehme Bürger, bei der SS angezeigt hatten, wurden von der Rodinger Volksjustiz gelyncht, als die „ewig siegreichen Truppen“ mit einem „strategischen Rückzug“, aus dem Luxemburger Land vertrieben waren.Doch aus dieser Zeit noch einiges später.

In den beiden Wohnstuben gab es mehrarmige Deckenleuchten, die einzeln oder global geschaltet werden konnten. Ein Feuer wurde in der Kochmaschine und bei kalter Witterung in der alltäglich gebrauchten Wohnstube unterhalten wo sich ein gewichtiger, gusseiserner Dauerbrenner, mit ein der nahezu zwei Meter langen Ofenröhre befand. Die Marke hiess Oranier.Diese Ofenröhre diente weniger als Dekor, war dagegen eine exzellente und zusätzliche Wärmespende. In der besten Stube stand ein ähnlicher Dauerbrenner, ebenfalls mit langer Ofenpfeife. Dieser Ofen wurde aber nur selten unter Feuer genommen, sodass die Tür die sich zwischen den beiden Stuben befand, zur Kältebrücke wurde, besonders im Winter. Wenn in diesem Ofen ein Feuer angezündet wurde, gab es zuerst eine höllisch beissende Dampfentwicklung, weil der Kamin kalt war und es etwas dauerte, bis sich der Aufwind in Gang setzte. In Erkenntnis der Sachlage hat mein Vater dann immer als Vorbereitung etliche Zeitungen in der Ofenröhre verbrand, bis der Aufwind mächtig zu heulen anfing. Wurde die Zwischentür zur grossen Stube geöffnet, verflüchtete sich die gesamte Hitze von Küche und der „Kleinen“ Stube in die unbeheizte „Grosse“ Stube,was aber auch ein Vorteil hatte wenn einmal schnell aufgeheizt werden musste. Diese „Grosse“ Stube trug im täglichen Sprachumgang die grosszügige Bezeichnung „Salle à manger“.

Auf dem ersten Stock befanden sich drei Zimmer, davon zwei vom Treppenhaus aus zu erreichen. Ein grosses Fenster das viel Licht ins Treppenhaus schüttete, konnte man nur öffnen, wenn man auf einen Stuhl stieg, um bis an den Griff zu reichen. Die Treppe war in zwei geteilt und ging in einem Zwischenabsatz nach oben. Bei diesem Absatz befand sich ein Fenster, das man nicht öffnen konnte und nur etwa 0,20 m über dem Treppenabsatz und etwa 0,60 m hoch war. Vor diesem kleinen Fenster lagen wir oft auf dem Bauch, um ungesehen das Geschehen auf der Strasse zu überschauen. Von aussen waschen konnte man dieses Fenster nur, wenn man auf der Terrasse auf eine Leiter stieg, was sehr umständlich und ausschliesslich eine Angelegenheit von uns Burschen war. In etwa 1,80 m Höhe begann dann das grosse Doppelfenster, welches man zwar von innen öffnen und beidseitig putzen konnte, aber nur indem man wiederum eine Leiter zu Hilfe nahm.

Das Elternschlafzimmer, mit einer in drei Teile geteilten Fensterwand, lag zur Strasse hin. Das Kinderschlafzimmer hatte ein Fenster auf der Südseite, von wo man den kleinen Garten überblicken konnte und auf den geräumigen einstöckigen, daher recht geräumigen Kaninchenschuppen sah.Im dritten Zimmer, vom Elternzimmer aus zu erreichen und das auch ein Fenster auf den Hinterhof besass, befand sich neben einem Waschbecken, eine mannslange Badewanne aus weis lackiertem Zink, ein Gasofen zur Wasseraufbereitung mit eingebauter Dusche sowie ein guter Ofen, der schnell Hitze von sich gab, wenn er in Anspruch genommen wurde. Das geschah in der Regel jeden Samstag, dann war nämlich Waschtag. Dies war also bereits eine recht luxuriöse Ausstattung, was „vor dem Krieg“ nur wenige Häuser aufzuweisen hatten. Meine Eltern waren besonders stolz auf diese Dienstwohnung, die mein Vater aber keinesfalls gratis benutzen durfte. Dabei muss ich in Erinnerung rufen, dass mein Vater eine Uniform trug. Er war Douanier, also Zollbeamte, im Volksmund mit „Heckeschösser“ bezeichnet,im Dienste des Staates und sein Verdienst war recht mager, was wir ständig zu hören bekamen. Die Dienstkleider bezog er von einer „Organisation“, die sich „Kleidermasse“ nannte. Seine Stiefel oder Schuhe mitLedergamaschen mussten manchmal herhalten, wenn ich mich zuhause verkleidete und meine Elternzum Lachen bringen wollte. Dann zog ich auch den bis auf den Boden ragenden Uniformrock über und setzte die steife Kappe auf, unter welcher ich mich kaum noch orientieren konnte. Sogar den 5cm breiten Lederriemen mit Anhang, Gummiknüppel (matraque) und Revolver legte ich mir zweimal um den Bauch gewickelt, als Panzgurt um und stakste so, allen Zuschauern imponierend, durch die Küche.

Mein „grosser“ Bruder hatte wahrscheinlich wenig Verständnis für solchen Schabernack. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass er zu den amüsierten Zuschauern gehörte.

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