Meconopsis

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Militärmanöver in Sissonne

Die Symphonie kann beginnen

Militärmanöver in SissonneNach meinem regulären Militärdienst musste ich noch einige Male zurück in die Kaserne, um an verschiedenen Manövern teil zu nehmen. Zu diesem Zweck stand der Luxemburger Armee neben deutschen Übungsgeländen, auch das französische Militärgelände bei Sissonne, sowie auch ein Teil der dortigen Kaserne zur Verfügung. Mein grüner Marinesack, den ich zuhause aufbewahrte, war schnell wieder gepackt, weil die Kleidungsstücke frisch gewaschen und sogar geplättet, zuhause aufbewahrt wurden. Nur das Gewehr, sowie ein Paar Schuhe, die bereits von verschiedenen Leuten ausgetretenworden waren, erhielten wir bei unserer Ankunft in der Kaserne. Ich fand diese Zuteilungnicht apart hygienisch, da man sich auf eine solche Manier eigentlich unkonventionell einen Fusspilz zuziehen kann.Bereits am ersten Tag nach meiner Ankunft in der Kaserne. auf dem "Härebierg", eine abgeflachte Anhöhe nahe Diekirch, an dem jeder Einberufene irgendeiner Kompanie oder Abteilung zugestellt wurde,stellte man fest, dass meine Persönlichkeit nicht in den Personallisten erfasst worden war. Ich war also nicht im Voraus "affektiert" worden. Das löste für mich eine Reihe von aussergewöhnlichen Beschäftigungsmethoden aus, die absolut keinen Bezug zu einem militärischen Manöver hatten.Alle einberufenen Uniformierte hatten bereits erfahren, welcher Abteilung sie für drei Wochen angehörten, da stand ich noch Mutterseelen allein auf dem Exerzierfeld und die Obrigkeiten mussten die graue Masse in ihren Köpfen von strategischer auf bürokratische Denkweise umstellen, um auch mich in irgendeiner Abteilung unter zu bringen. Man beschloss also mich in die Reparaturwerkstätte, kurz genannt "die Garage", zu verbannen. Als ich mich bei meinem dortigen Vorgesetzten meldete, war natürlich dessen erste Frage, welchen handwerklichen Beruf ich denn erlernt habe. Jeder, der meine Memoiren bis hierher gelesen hat, weiss, dass ich kaum als Mechaniker infrage kommen konnte.

Milchmann, Metzger, Depositär und Koch, das waren Sparten, in welchen ich bereits nebenberufliche Erfahrungen gesammelt hatte. Da ich also diesbezüglich keine zufrieden stellende Antwort geben konnte, ärgerte man sich über die fehlerhafte Vorarbeit der Planer und Organisatoren. Ich wurde kurzum zum Nichtstun verpflichtet, und da in der Reparaturwerkstätte keine Stühle zum Sitzen vorgesehen waren, fand ich schnell die Fetzenkiste, mit der ich vorlieb nehmen wollte und musste. Aber auf Fetzen kann man nur dann sehr gut sitzen, solange diese sauber sind und nicht zu sehr nach Fett und Schmieröl duften, denn der Griff nach einem frischen Handabwischer färbte sich langsam aber sicher auf die vorhandene Putzwolle ab. Auf diesem geräumigen Sitzplatz konnte ich gelassen und ungestört in den Tag hinein träumen, ohne durch das Befehlsgeschrei von Korporalen und Sergeanten, die dauernd ihrer beruflichen Pflicht nachkommen mussten, aus meiner durchaus gemütlichen Lage gebracht zu werden. Natürlich wurde es dort für mich schnell nahezu unerträglich, ja stink langweilig, so beschloss ich denn mich bei den jeweiligen Handwerkern, um zu sehen, die den ganzen Tag über vollauf in Aktion waren, was ihnen alles an handwerklichem Können abverlangt wurde. Ich lernte die Bezeichnungen mancher Arbeitsgeräte kennen, sah zu wie man mit Feile, Schweissapparat, Hammer und Zange arbeitete, aber auch wie man sich ganz spezifischer Handwerkerutensilien bediente, um spezielle Arbeiten zu verrichten. Ja, ich lernte ganz allgemein, was sich so alles in einer Militärgarage tut. Leider konnte ich nicht einmal in der Materialausgabe helfen, da die technischen Bezeichnungen der Ersatzstücke, die man brauchte für Lastwagen, Panzer, Jeeps oder Commandcar, mir absolut spanisch vorkamen, weil nicht alles Material mit der archivierten Inventur- oder Katalognummer und deren Materialnamen bestellt wurde. Natürlich lernte ich manche Ersatzteile mit ihrer gebräuchlichen Bezeichnung kennen, was eigentlich nicht ungelegen kam, so wusste ich bald, wie die verschiedenen Bremsen aussahen, welche vielseitigen Formen von Bremsbelag es gab, was Simmerringe sind, wie Ventile erneuert werden, ausgediente Auspuffrohre abmontiert, Dichtungen in allen Dimensionen ausgetauscht, Spiegel repariert, Reifen montiert und sogar funkelnagelneue Motoren zum ersten Mal in Betrieb genommen wurden.. Das alles war gewiss nicht uninteressant, wenn ich nicht immer wieder verdächtigt worden wäre, ich würde mich vor jeglicher Mitarbeit drücken, weil ich nicht in einer Arbeitsbekleidung steckte. - man konnte mir auch keine besorgen, weil mein spezieller Fall in diesem Planspiel nicht vorgesehen war. Ich hätte allzu gerne mit Hand angelegt, allein um dem stumpfsinnigen Dasitzen zu entgehen, doch war ich eher ein Hindernis, als eine wirkliche Hilfe. Ich konnte nur moralische Unterstützung anbieten, indem ich den Kollegen Soldatenwitze erzählte. Das brachte natürlich etwas Stimmung in diese Alltagsmonotonie. Doch auch dabei konnte ich mir nicht einmal schmutzige Finger holen, um diese vorzeigen zu können. Ich fühlte mich wie ein edles und vollauf unnützes Staubkorn im Getriebe dieser Reparaturwerkstatt, inmitten einer sehr beschäftigten Armeeabteilung. Ich kam mir nahezu vor wie der Bewohner eines anderen Sterns, eine ArtBig Brother, der manchem Spezialisten bei dessen Arbeit über die Schultern schaute. Es gab auch welche denen dies nicht gefiel, denn es hatte sich schnell der Verdacht verbreitet, ich könne eventuell ein Schnüffler oder sogar ein Aufpasser sein. Schliesslich hatte es sich schnell herumgesprochen, dass ich ein Beamte sei, der von der Eisenhütte kam. Manche Kollegen beneideten mich in meiner Statistenrolle, weil ich eigentlich tun und lassen konnte, was mir eben zusagte.Meine militärische Mission in diesem Manöver bestand demzufolge ausschliesslich darin, beim alltäglichen Appell "Ja" zu rufen und den ganzen Tag über physisch präsent zu sein. Eine geistige Anwesenheit war nicht vorausgesetzt, so war ich denn einberufen zum Nichtstun, meine Gedanken aber konnten weit weg sein, etwa zuhause, bei der Freundin, oder sogar beim Verfassen von Liebesbriefen oder beim schwärmerischen Schmieden von Gedichten. Auch in einer solchen Mission kann man eine gewisse Ausdauer entwickeln. Ich war also ein ganz besonderer, sogar ganz spezieller Extrafall, wie er wahrscheinlich noch niemals in einem Manöver aufgetreten war.Zu meinem Vorteil bauten sich allen Gegensätzlichkeiten zum Trotz, zwischen Handwerker- und Beamtendasein (die mir später im Leben noch viel krasser auffielen)einige Freundschaften auf, die für etwas Abwechslung sorgten. So hatte ich den eher angenehmen Vorteil mich an manchen der alltäglichen Probefahrten zu beteiligen, um die reparierten Wagen, auf deren wieder erlangte Fahrtüchtigkeit zu testen. Das ergab für mich jedes Mal eine Spazierfahrt, denn wir fuhren durch die umliegenden französischen Dörfer und Felder, oder wir brachten einen dringend benötigten Wagen wieder zurück, an die mir unbekannte, aber nicht weit entfernte "Front".Eines Tages wollte ich wissen, wie gut oder schlecht man in einen Kettenfahrzeug sitzt, das man als Chenillette bezeichnete, während dies schnell über hügeliges Feld braust. Ich erhielt also die ausdrückliche Erlaubnis, mir dieses Gefühl unter die Haut gehen zu lassen. Man hatte bei einem der in der Garage abgestellten Kettenfahrzeuge das Kettenwerk auf der linken Seite vollständig erneuert. Jetzt musste es ausprobiert werden. Das, was mir alsdann unter die Haut gehen sollte, erfolgte aber auch im wahrsten Sinne der Worte, und dies weit über meine Vorstellungen hinaus intensiv. Die beiden Kollegen in der Führerkabine warnten mich aufdringlich, bei dieser speziellen Probefahrt keinesfalls die mir zugewiesenen Handgriffe loszulassen, weil ich sonst der Gefahr ausgesetzt sei, durch Aufprallen schwer verletzt zu werden. Man warnte mich immer wieder aufs Neue, dass ich mich eher krampfhaft auf derSitzbank festhalten müsse. Da all ihre Vorwarnungen so intensive waren, stellte sich bei mir bereits eine gewisse Vorahnung ein und ich begann zu zögern, ob ich das Experiment wirklich über mich ergehen lassen soll.Ich entschied mich entgegen aller vernünftigen Argumente, am Ende doch für die Probefahrt, kletterte noch unbesorgt in den offenen Mannschaftskasten der Chenillette, an dessen beiden Seitenstücke über den Raupen, sich jeweils eine breite Bank befand. Der Raum mitten zwischen der linken und rechten Bankreihe war absolute frei. Es kann möglich sein, dass diese Chenillette ein aussergewöhnliches Kriegsfahrzeug war, in welchem man auch Munition transportieren konnte. Es war mir nicht möglich die Fabrikationsbezeichnung dieses Fahrzeugs ausfindig zu machen. Zu meinem Erstaunen gab es auch keine Rehling, in der Mitte dieses Kastens an welcher man sich hätte festhalten können. Festhalten musste ich mich an der Seitenwand. Wahrscheinlich wurden die transportierten Soldaten im Ernstfall genau instruiert, wie sie sich fest zu halten hätten.Einen Sicherheitsgurt habe ich nicht vorgefunden! Was jedenfalls klar war, es handelte sich um ein wendiges, sehr schnelles und gepanzertes Fahrzeug, das Geschwindigkeiten bis zu 50 km/St. zuliess. Es scheint mir als ob es mit einem Maschinengewehr des Typs Bran ausgerüstet war.Dann ging es ohne Verzug los, hinaus aus der geräumigen Garage. Auf der Dorfstrasse war dieses Kettenfahrzeug, in welchem etwa ein Dutzend Soldaten in Kampfkleidung Platz nehmen konnten, noch recht erträglich. Ich hielt mich auf der glatten, stahlhart gepanzerten Bank fest, so gut ich konnte, ahnte aber bereits was auf mich zukommen würde, denn neben mir sass niemand, der mich seitlich polsterte. Auf beiden Körperseiten hatte ich demzufolge enormen Spielraum, was so viel bedeutete, wie dass ich nicht nur das Auf und Ab meines Körpers abfedern musste, sondern auch das zusätzliche Hin- und Herrutschen auf der Bank, den Fliehkräften entgegen steuernd,die michschnell abwechselnd mit ungeheurer Wucht nach links oder nach rechts zogen oder drängten. Dann erst ging es hinein ins holprige Gelände. Ich erhielt kurz vorher noch einmal die ausdrückliche Warnung, ich dürfe auf keinen Fall meine Handgriffe loslassen, weil ich sonst aus der "Chenillette" geschleudert würde. Ein Glück, dass ich von Natur aus bereits damals reichlich gepolstert war, denn das was jetzt mit mir geschah empfand ich recht bald als äusserst qualvolles Erlebnis. Als dann zusätzlich das Geländefahrzeug während der Fahrt noch beschleunigte und obendrauf auch nochdie Fahrtrichtungen unerwartet und eckig veränderte, da dachte ich bereits, dass ich dieser gewaltigen physischen Anstrengung, mich trotz aller Widerwärtigkeiten auf meinem Sitz zu halten,nicht länger standhalten könne.Die Situation ist nahezu unmöglich zubeschreiben, wenn man bedenkt, dass es mir kaum möglich war, mich auf dem Sitz fest zu krampfen. Ich wurde brutal vom Sitz gehoben, und prallte mit enormer Kraft wieder zurück, während dessen ich seitlich abzurutschen drohte, wogegen ich mich nahezu überhaupt nicht wehren konnte. Hinzu kam, dass mein Rücken hinter mir, an der gepanzerten Stahlwand zu zerschellen drohte. Ich musste ab und zu beide Augen schliessen, weil der geografische Horizont, der offensichtlich meinen Gleichgewichtssinn fest im Griff hatte, sich ständig und unerwartet schnell veränderte. Bald sah ich die Bäume am nahen Waldrand im normalen Zustand und aufrecht stehend, dann nahezu horizontal am Boden liegend, mal nach links, mal nach rechts geneigt, als fege ein Taifun teuflisch schnell die Richtung wechselnd hindurch, um sogleich wieder ihre Position in meinem Gesichtsfeld zu verändern. Es drohte mir Schwarz vor den Augen zu werden.In Gedanken sah ich mich schon,mit tausend Knochenbrüchen im Lazarett liegen. Ich fand aber nicht einen Augenblick, um mein eingegangenes Experiment zu bedauern. Die Kollegen im Führerstand blickten öfters nach hinten,um zu kontrollieren, ob ich immer noch „im Sattel“ war und dann begannen sie die tollsten Wendemanöver auf der Stelle zu vollziehen. Heute muss ich als Vergleich unweigerlich an das bekannte Bullen- oder Pferdereiten denken, bei welchem man solange wie nur möglich auf dem bockigen Tier im Sattel sitzen bleiben soll.Es riss mir nahezu beide Arme von den Schultern. So weit, wie das bei diesen plötzlichen Richtungs- und Geschwindigkeitswechseln geschah, waren meine Beine wahrscheinlich noch nie gespreizt gewesen, um am Boden einigermassen Halt zu behalten. Ich musste mich gewaltig anstrengen,um mich gleichzeitig auch seitlich abzustützen. Die bei rasanter Fahrt entstandenen Fliehkräfte wirkten so enorm auf meine physische Gegensteuerung, dass mir fast die Sinne zu schwinden drohten. Ich schrie so laut ich konnte, man solle stoppen, ich wäre am Ende meiner Kräfte, ich möchte aussteigen, doch die ohrenbetäubenden Motoren- und Kettengeräusche verschlangen mein erbärmlichstes Schreien. Ich musste diese qualvolle Tortur bis zum bitteren Ende über mich ergehen lassen. Wahrscheinlich genossen die Kollegen in der Führerkabine, meine immer misslicher werdende Lage. Doch auch sie hatten wahrscheinlich mit dem bockigen Gefährt die gleiche Mühe.Als wir wieder glücklich auf der ebenen Strasse angelangt waren, um zurück in die Garage zu fahren, konnte ich wieder einigermassen normal atmen. Meine sieben Sinne rückten langsam an ihre gewohnten Verankerungen im Gehirn zurück.
Ich stieg völlig erschöpft aus dieser Foltermaschine. Noch heute ist es mir unverständlich wieSoldaten es überhaupt überstehen können in so einem Fahrzeug transportiert zu werden. Das grenzt meines Erachtens bereits an Tollkühnheit. Doch kann ich mir auch vorstellen, dass man schon zustimmt, wenn man im gegnerischen Feuer, über diesen Weg die eigene Sicherheit erhöhen kann, um schnell den Ort des Schreckens zu wechseln.Als ich mich am Abend entkleidete, da bemerkte ich erst welche Aufpraller ich durch gestanden haben musste, denn ich hatte überall an den Armen blaurote, sogar blutunterlaufene Flecken. Wo an meinem Körper ich mich selber betrachten konnte sah ich nur Prellungen feststellen. Man sagte mir mein Rücken sehe multikolor aus, wie eine Schmiererei eines Freizeitpinslers. Beide Seiten meiner Knie waren dick geschwollen und das beste Stück, das man normalerweise zum Sitzen gebraucht, weigerte hartnäckig seinen Dienst, sogar in gemütlicher Verfassung auf meiner Fetzenkiste zu tun. Ich musste mich äußerst vorsichtig niederlassen, denn überall verspürte ich Schmerzen, die ich natürlich zu unterdrücken genötigt war, um nicht dem Gelächter der Kollegen zum Opfer zu fallen. Dies war mir eine gute Lehre. Damals hatte ich meine Schlussfolgerung schnell gezogen. Niemals mehr eine Probefahrt in solch einer Chenillette, die regelrecht zur äusserst gefährlichen Tortur werden kann.Was mich eigentlich am meisten verleitet hat diese kurzen Episoden aus dem Manöver schriftlich fest zu halten, das war ein beachtenswertes Ereignis, welches sich am Tag des Abschieds ereignete.Es spielte sich ab, wie an einem einheimischen Fest, im dem kleinen Städtchen Sissonne. Die Soldaten hatten freien Ausgang, niemand kann auch nur ahnen, was das in Wirklichkeit bedeutet. Alle Wirtshäuser der Ortschaft waren gerammelt voll von meist Luxemburger Soldaten und deren Angehörigen, vermischt mit den neuen Bekanntschaften aus der französischen Kaserne, wo der Tausch von Luxemburger Zigaretten gegen den bereits oben erwähnten Rotwein der Marke Pinard florierte. Oder man tauschte einen Becher voll Kaffee gegen einen Becher voll Pinard. Das war so die Regel. Meine bereits gestapelte Zigarettenration wechselte den Besitzer für einen kirgisischen Kris, ein Dolch mit geschlängeltem Messerblatt, der mir später jedoch abhandengekommen ist. An dem Tag hatten auch manche französischen Soldatenden Tag vor der "quille" erreicht, was deren Entlassung bedeutete und ebenfalls zum Feiern Anlass gab. Man kann sich also schon ein klares Bild ausmalen welche, eher durch Alkohol potenzierte Stimmung, in dem kleinen Sissonne vorherrschte. Das schöne Wetter trug zusätzlich dazu bei, sowie auchdie feierliche Kranzniederlegung am Monument des unbekannten Soldaten. Ich kann nicht wiedergeben, welches Monument dies eigentlich war, das auf dem Hauptplatz des Dorfes errichtet und an diesem Tag prachtvoll mit der Trikolore und vielen Blumen geschmückt war, denn wahrscheinlich wird, wie das in vielen Ländern gepflegt wird, der Gefallenen aus dem letzten und dem vorletzten Weltkrieg, vielleicht sogar auch noch anderer Gefechte gedacht wird, die in nahezu jeder französischen Grenzortschaft in Erinnerungen an die Kriege und Schlachten zu finden sind. Es ist immer etwas Heldenhaftes was gefeiert wird. Der aussen Stehende weiss natürlich, ob dies gerechtfertigt oder zutreffend ist! Das Volk versuchte eben wohlweislich übers ganze Jahr genügend Anlässe zum Feiern zu haben, was stets mit freien Tagen verbunden war.Zu diesem Ereignis war auch die Luxemburger Militärkapelle speziell angereist. Auf deren Programm stand ein Konzert, das in der Hauptstrasse, auf den Treppen der Eingangshalle eines markanten Gebäudes abgehalten werden sollte. Als das Konzert begann, war es bereits dunkel. Die Strassen waren gerammelt voll,von Zuhörern, die aber keinesfalls still an einem Ort stehen blieben. Es war ein reger Betrieb, wie in einem Ameisenhaufen, als die ersten Takte der Kapelle erschallten. Strassen, Plätze und sogar die Gassen waren hell erleuchtet. Der Platz, wo die Musikanten standen, war reichlich mit Scheinwerfern bestrahlt.Manche Anwesende hörten aber sehr aufmerksam, der in hohem Grade künstlerischen Darbietung zu. Gerade hatte man die Darbietung des "Feuervogels" oder war es die "danse du sabre" (?) ich kann es nicht mehr nachvollziehen, da gab es plötzlich einen lauten Knall und die ganze Ortschaft fiel in stockdunkle Finsternis. Zuerst ertönte aus aller Mund ein "oh" der Bedauerung, doch die Musikanten spielten unbeirrt in der absoluten Dunkelheit genau so weiter, als ob sie den Dirigenten vor sich sehen würden. Jedermann kennt sicherlich das wahnsinnige, ja furiose Tempo dieses Stückes doch die Musikanten gerieten nicht aus dem Gleichgewicht. Sie standen das Tempo und die Noten meisterhaft durch, bis zum Schluss. So etwas hatte ich noch nie erlebt und manch einer der dabei war, wird wohl das gleiche Urteil abgeben können. Dies war eine hervorragende Leistung der Luxemburger Militärkapelle.Man kann sich kaum vorstellen wie alsdann die Reaktion der Menschenmenge war, die hoch erstaunt den Abbruch erwartet hatte und jetzt eine so glanzvolle Leistung miterlebte. Kaum waren die letzten Noten verstummt, da brach ein gewaltiges Geheul der Masse aus, das meines Erachtens dem ungezügelten Geschrei des Publikums anlässlich eines Open AirKonzertes keinesfalls nachstand. Dann kam die Beleuchtung glücklicherweise wieder zurück. Die Strassen und Gassen waren wieder hell beleuchtet und die Darbietung ging weiter. Jedes Mal begleitet von rauschendem Beifallklatschen und jaulender Zustimmung. Ein kleines Feuerwerk wurde anschliessend, auf dem nahen offenen Feld abgebrannt. Danach begann erst eine richtige Sauferei der übermütig gewordenen Soldaten. Das Gelage und für andere Leute das nur bescheidene Fest, dauerte bis gegen Morgen. Der Tag der Heimfahrt aus dem Manöver war wahrscheinlich für viele durch einen erbärmlichen Katzenjammer gekennzeichnet, dem man natürlich keinesfalls mit geeigneten Mitteln begegnete. Manche hatten ihre Wasserbehälter mit Pinard von ihrem französischen Kollegen aufgetankt, die dann bei der Heimfahrt geleert wurden.
Die luxemburgische Armee hatte jedenfalls auch auf diesem Gebiet bis zum letzten Mann durch gestanden.Mir persönlich blieb dieses Manöver, das ich nahezu wie ein Aschenputtel verstoßen, aber angenehm auf Fetzen sitzend hinter mich gebracht hatte,jedenfalls bis heute in sehr guter Erinnerung. Es war das letzte Manöver an welchem ich habe teilnehmen müssen. Danach wurde die obligatorische Militärzeit von 1 Jahr auf eine Dauer von 6 Monaten reduziert.Es sollte sich für mich doch noch einen unerwartet dramatischen Abschluss ergeben, denn am Vorabend unserer Rückfahrt hatte ich mir beim Ofenanzünden die Finger und Unterarme gesengt oder eher verbrannt, weil ich in meiner unerfahrenen Einfalt dem nicht brennen wollenden Abfall im Ofen nachhelfen wollte, mit einigen Tropfen Benzin. Doch die wenigen Tropfen genügten schon, dass in der Bude nahezu eine Explosion ausgelöst wurde. Ich hatte unterschätzt und keine Ahnung dass Benzin eine so hohe Ausdehnungsgeschwindigkeit mit Explosionskraft hat.

Bei erneutem Stromausfall rannte ich in stockfinsterer Nachtins Lazarett, wo die Notaggregate für Strom sorgten. Das Erste was man mir verabreichte war eine gehörige Zurechtweisung und dann erst eine Calcibronat Spritze, nebst allerlei Verbandzeug. Wenn ich mir heute überlege, dass dieses Produkt heute wegen seiner Wirkungslosigkeit in die Liste, der nicht von der Krankenkassezurückerstatteten Medikamenten aufgenommen wurde, dann muss ich mich wieder ärgern. Dabei brach ich sofort in Schweiss aus. In kurzer Zeit war ich nass, wie aus dem Wasser gezogen. Da ich wissen wollte, was es mit diesem Produkt auf sich hatte, nahm ich mir den Beipackzettel zur Hand. Als die Stromzufuhr wieder funktionierte erfuhr ich zu meinem Entsetzten, dass dieses Produkt (es waren 10 ccm) in einer Zeitspanne von 10 Minuten, also 1 ccm pro Minute hätte gespritzt werden dürfen. Da der diensthabende Sergeant ein Klassenkamerad von mir war, aus der Primärschule, und er mir diese Hitzebombe verpasst hatte, rannte ich wieder zurück und suchte das Büro, auf, wo er seinen Dienst verrichtete.Er war natürlich nicht froh zu hören, dass er seine Arbeit nicht kunstgerecht gemacht hatte, doch versprach er mir mit gekreuzten Fingern, selbstverständlich bei all den anderen Spritzen gut auf zu passen. Es war mir bewusst, dass der Oberarzt ihm hätte beibringen müssen wie Calcibronat gespritzt werden muss.

Jedenfalls sass ich bei der Heimfahrt im PKW auf der hinteren Bank,mit beiden Armen, in grellen weissen Bandagen gewickelt. Die Leute, welche an der Strasse standen, bedauerten mich inständig, während meine Kollegen, sich einen Spass daraus machten eine Menge Klosettpapierrollen bei der Vorbeifahrt abrollen zu lassen.Ein Manöver kann auch ohne Kampfeinsatz eine hohe Vielfalt von Facetten haben, bei welchen man seine Lebenserfahrungen ganz sicher fruchtbar erweitern kann.(Verfasst Anfangs Januar 2005 während eines Besuches bei meinem Sohn Mike in Champaign, Illinois, USA).

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