Meconopsis

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

Beim Genie in Kapellen

Die Symphonie kann beginnen

Beim Genie in Kapellen


Es waren nur noch zwei andere Abiturienten als einfache Rekruten, in dieser Kompanie. Die Korporäle, Sergeanten und Offiziere waren alles gute Bekannte, die meisten sogar Schulkollegenvon mir, sogar hatte ich zu manchen von ihnen eine recht gute Beziehung, doch riet man mir mich zu hüten die persönlichen Beziehungen zur Schau zu stellen.

„Das Genie“ entsprach keinesfalls den Ansprüchen, die man normalerweise an eine solche Abteilung stellt. Die meisten der Soldaten hatten wahrhaftig keine Schulbildung und es stellte sich bald heraus, dass fast nur Nieten und Analphabeten zusammengewürfelt waren und im wahrsten Sinne des Wortes, im Ernstfall nur Kanonenfutterabgeben könnten. Von Genie war keine Spur.

Wir lernten Brücken bauen, machten auch Nachtübungen in Trier-Euren an der Mosel, wo wir eine Pontonbrücke über die Mosel bauten. Es war zwar eine schwere Arbeit, immerhin aber interessant. Auch versuchten wir einmal in stockdunkler Nacht, geräuschlos ans andere Ufer der Mosel zu gelangen. Nur einige Leuchten auf der Landstrasse spiegelten sich im fliessenden Wasser. Das hätte fast geklappt, wenn nicht Ambroise, der nicht alle Sinne beisammenhatte und dazu auch noch nicht schwimmen konnte, zu schnell aus dem Boot ins Wasser geglitten wäre und sofort auf Tauchstation ging. Zum Glück hielten seine Kameraden ihn fest bei der Hand, wobei sie ihn zum Ufer geleiten. Anscheinend schritt er dabei auf dem Flussgrund und schnappte nach Luft, wodurch das besonders in der Nacht gut vernehmbare Blubbern der Luftblasen diesen geräuschlos geplanten Landeversuch zunichtemachte.

Hätten seine Kameraden ihn nicht mit den Händen geführt, so wäre er sicherlich abgetrieben worden und ertrunken. Natürlich gaben wir den Offizieren die Schuld, weil diese davon ausgegangen waren, dass jedermann schwimmen könne.

Beim Abbau eines Pontons hatten wir bereits alle Eisenstücke auf die Lastwagen gepackt, da fiel ein letztes flaches Verbindungsstück, das die Boote zusammenhielt, nahe am Ufer ins Wasser. Um diese komplette Ausrüstung einer solchen Konstruktion aber beisammen zu behalten, damit im Notfall nichts fehle, musste dieses Stück unbedingt aus dem Wasser gehoben werden.

Es war in der Winterzeit und die Nacht brach schnell herein, da begannen die Offiziere zu feilschen. Das erste Gebot war zwei volle Tage Sonderurlaub für denjenigen, der das Eisenstück vom Grund heraufholt. Es kam mir vor wie in dem Gedicht „Der Taucher“ ...“Wer wagt es zu tauchen in diesen Schlund….“. Es meldete sich keiner freiwillig. Bei einem zweiten Versuch wurde die Freizeit auf drei und vier Tage verlängert. Niemand war bereit den Schritt zu wagen, denn das Wasser war dazu auch noch eiskalt. Als das Angebot bei einer Woche Spezialurlaub auch noch erfolglos geblieben war, da räusperte sich einer der deutschenMänner, die das Material in den Uferhallen instand hielten. Er verschwand in der Werkshalle und erschien kurz darauf in einem langen schwarzen Mantel, wie die SS ihn zu tragen pflegten. Beim Ufer angekommen legte er den Mantel ab und stand da in seiner Badehose. Dann schritt er die Schiffs - Verladerampe hinunter bis zur Stelle, wo das Stück ins Wasser gefallen war. Tief einatmend taucht er ab in die Fluten und es dauerte über durchschnittlich lange, bis wir ihn vorne an der Rampe auftauchen sahen. Man hatte bereits geglaubt es wäre ihm ein Unglück passiert. Noch bevor Rettungsmassnahmen organisiert werden sollten hatte er glücklicherweise die Wasser Oberfläche wieder erreicht. Das Eisenstück war so schwer, dass niemand damit einfach hätte, auftauchen konnte. Er musste unter Wasser den Weg zurücklegen, bis dahin wo die Laderampe den Flussboden berührt. Nur dort konnte er das Eisenstück, das gerne 40 – 60 kg schwer war an die Oberfläche bringen.

Natürlich klatschten wir alle in die Hände vor dieser exemplarischen Leistung. Er aber liess das Verbindungsstück demonstrativ vor den Offizieren auf den Boden fallen, schlüpfte in seinen langen Mantel und verschwand in der Uferhalle.

Es wurde noch lange über diesen Zwischenfall debattiert, wie man ihn hätte vermeiden können, welche andere Möglichkeiten es gegeben hätte das Eisenstück zu heben. Der deutsche Hallenbeschäftigteaber wurde uns allen ein Vorbild, das aber kaum einer nachahmen würde.

In Capellen lernten wir auch mit Minen umgehen. Natürlich waren es nur leere Minenkörper, mit denen wir hantierten. Löcher in die Erde sprengen, um eine grosse Wasserlache abziehen zu lassen und noch vieles mehr erlernten wir praktisch und in theoretischen Stunden.

Einmal wurde uns aufgetragen mit den Minensuchgeräten, die von der Obrigkeit vergrabenen Minen aufzuspüren und auszugraben. Das alles verlief reibungslos. Als diese praktische Übung vorüber war, oblag es denSoldaten in den verschiedenen Baracken diese Minen zu säubern. Da ich die Aufsicht in der ersten Baracke hatte, wunderte es mich, dass die Insassen, die mit Wasser durch und durch gespülten Minenkörper auf die Ofenplatte stellten, um diese dort zu trocknen. Intuitiv nahm ich eine rohrähnliche Mine in die Hand und drehte sie um,um zu schauen, ob noch Wasser in deren Innern vorhanden war. Ich erschreckte nicht schlecht, als mit dem Wasser, auch eine gehörige Portion Pulver herauslief, das wahrscheinlich im Innern festgeklebt war. Ich gab sofort Alarm alle Minen von den Öfen zu nehmen und rannte zu meinem Freund dem Reserveoffizier, um ihm den Vorfall vorzutragen. Die Aufregung, die alsdann durch die Kompanie ging, war durchaus berechtigt und persönlich sagte ich ihm, dass ich ab sofort nicht mehr mit solchen Minen spielen werde. Daraufhin verdonnerte er mich persönlich dazu alle benutzen Typen mit Taschenlampe und jeglichem Handwerkszeug zu untersuchen, ob da keine Gefahren mehr vorhanden waren. In allen Minen wurden neue Sicherheitssplinte angebracht, damit man auch sicher damit hantieren konnte. Es stellte sich bei dieser Inspektion heraus, dass sogar noch eine der Minen einen Zünder besass, den man wahrscheinlich übersehen hatte, oder der nicht gelöst werden konnte.

Das brachte mir eine Verbesserung meines Taschengeldes ein. Ich wurde sofort als Soldat Erster Klasse nominiert und alle Mitinsassen dieses Lagers hatten jetzt ein Auge auf mich. Das tat natürlich gut.

Der Winter brachte tiefe Temperaturen. Bei Barfrost raste ein eisiger Wind über die weiten Flächen bei Capellen und am Morgen waren sämtliche Wasserleitungen in der Baracke nicht nur gefroren, sogar aufgeplatzt und so wie das Wasser im Strahl herausspritzte, so gefror es auch in der Luft, was ein Bild zauberte, als ob man in einem Kristallpalast war. Wer zur Toilette musste, war gezwungen den genauen letzten Moment ab zu warten, bis zu dem das Geschäft noch aufgehalten werden konnte, dann hiess es rein und los, abwischen und schnell vom Holz herunter, noch bevor der Hintere fest angefroren war. Die Zahl der Soldaten in den Baracken schrumpfte. Viele wollten in einem geheizten Zimmer übernachten und so wurden es immer beschwerlicher genügend Kohlen oder Koks herbeizuschaffen und die beiden Öfen unter hoher Temperatur zu halten. Das genügte aber keinesfalls, denn am Morgen war es üblich, dass man mit Raureif im Gesicht erwachte. Das Unterhemd im Spinnt, war wie ein Brett gefroren und die Schuhe mussten wir mit dem Gewehrkolben vom Spinntboden losschlagen, wo sie fest angefroren waren. Damals sprach man von einem Kälterekord und die gemessenen Temperaturen lagen laut Zeitungsberichten bei-37° Celsius. Eis vom Bach wurde auf den Öfen geschmolzen, um benutzt zu werden für die allmorgendliche Toilette. Die meisten, die mit schweissnasser Unterwäsche zu Bett gingen, hatten Probleme, um warm zu werden. Ich zog mich immer aus bis auf die Unterhose, wickelte mich zuerst in eine Decke und schlüpfte erst dann unter die normale Bettdecke. Bei so vielen leer stehenden Betten war es einfach, zusätzliche Decken zu benutzen.

Es war auch besonders schwer im grossen Esszelt die Esswaren einigermassen warm zu halten. So funkelten die Brotstücke bereits in der Hand, wenn man sie zu sich nahm und bereits nach dem ersten Eintunken, in den doch heissen Kaffee, war dieser bereits zur Hälfte abgekühlt. Es herrschten zu dieser Winterzeit sicherlich keine angenehmen Bedingungen und nur mit einigem Verstand konnte man sich vor der eisigen Kälte schützen.

Natürlich ging der Drill weiter und die PSP-Brückenstücke wurden auf und abgeladen. Sechs Mann mussten immer bei einem Stück zugreifen und das Kommando lautete dann „à bras ferme“, worauf gleichmässig angehoben wurde. Bald hatten wir dies alles im Griff und dampften in der eiskalten Luft. Es gab keinen Schnee. Blauer Himmel strahlte über uns und der kommandierende Offizier, der oben auf dem Lastwagen stand,liess ab und zu eine Zigarettenpause zu. Als ich ihn nach so einer Kommandoaktion anschaute, fiel mir, auf dass seine Ohren auffällig weiss waren. Ich ging zu ihm und liess alle militärische Achtung fallen, um ihn aufmerksam zu machen. „Reibe jetzt keinesfalls an deinen Ohren, denn sie werden abbrechen, weil sie gefroren sind.“ Er wollte bereits hinlangen, um zu fühlen, was da los war, aber ich hielt ihn am Arm fest. Geh jetzt in die Kantine und reibe deine Ohren zuerst ganz vorsichtig mit Branntwein ein, aber lass dich nicht erschrecken, wenn es zu brennen anfängt. Das wird ein Zeichen sein, dass wieder Leben in deine Ohren zurückkehrt.“

Er verschwand schnell und tat, was ich ihm angeraten hatte. Als er nach einer viertel Stunde zurückkam, waren seine Ohren rot, wie gekochte Krebse, und er kam auf mich zu, schüttelte mir die Hand und bedankte sich herzlich für meine Aufmerksamkeit. Ich sollte eigentlich hier kurz bemerken, dass er zu meinen Zöglingen gehörte, bei einem Pfadfinderlager, das wir in Einsiedeln in der Schweiz hatten. Dort hatte sich bereits eine Freundschaft angebahnt.

Zu dieser Zeit verstarb die Mutter meiner Freundin. Dummerweise verstarb auch der Luxemburger Staatsminister Pierre Dupont am 23. Dezember 1953. Das bedeutete Kasernierung aller Soldaten. Kein Ausgang, kein Urlaub. Ich wollte aber unbedingt der Abendmesse mit Gesang beiwohnen, gelesen für die Mutter meiner Geliebten. Also beschloss ich, über die Mauer zu gehen. Das war in Capellen einfach zu vollziehen. Ich war zuständig für die erste Baracke, worin auch Ambroise untergebracht war. Er musste an diesem Abend die Wache schieben, genau bei meinem gewagten Ausgang. Ich bearbeitete ihn vor meinem Weggehen ausreichend, so jedenfalls, wie ich es mir vorstellte. Den Stubenbericht mit den Insassen fälschte ich, weil ich den Sekretär kannte, der seinen Dienst im Büro der Kompanie machte. Wir waren gute Freunde und er wohnte im Nachbarort und hatte mir sein Fahrrad bereits am Bahnübergang abgestellt, damit ich nach Hause fahren konnte. Ich brauchte also nur am nächsten Tag meinen Namen nachträglich auf die Präsenzliste zu setzen, was durchaus machbar erschien.

Als ich zu später Stunde zuhause eintraf, herrschte sofort grosse Bestürzung, weil ich gegen die militärischen Vorschriften verstossen hatte. Man liess michaber keinesfalls aus dem Hause und verbot mir überhaupt vor die Tür zu gehen. Um meiner Geliebten aber zu zeigen, dass ich zuhause gewesen bin und nur von meinen Eltern zurück gehalten wurde, mich in der Kirche zu zeigen, schrieb ich einen kurzen Brief und warf diesen in den Briefkasten meiner Freundin. Ein Familienangehöriger aber, der ebenfalls der Messe beiwohnte, hatte jedoch bereits meiner Freundin klar gemacht, dass ich zuhause wäre und man mir leider verboten habe mich irgendwo in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich war natürlich extrem wütend über meine Eltern, heute aber weiss ich, dass es nicht die beste Idee war, denn mit Sicherheit hätte jemand sich ein Vergnügen daraus gemacht, um mich zu verraten.

Nach der Totenmesse wurde das Fahrrad meines Freundes zum Teil demontiert und in unser Auto geladen. Meine Eltern begleiteten mich bis zur Bahnschranke in Capellen, wo ich das Fahrrad wieder zusammenbastelte und daraufhin schlenderte ich langsam in Richtung Lager. Ich wollte geräuschlosam Posten vorbei, doch ich konnte Ambroise nicht ablenken. Er hatte mich natürlich erkannt. Ich drohte ihm noch einmal mit Tod und Teufel, wenn er mich verpfeifen würde. Am nächsten Morgen wurde die Liste der anwesenden Barackeninsassen von mir wieder geändert und damit war diese Episode gelaufen.

Der Tod von Staatsminister Duponghatte auch Nebenerscheinungen beim Genie. Es hiess auf einmal ein Peloton des Genies aus Capellen müsse die Parade „klopfen“,anlässlich des Staatsbegräbnisses. Dieses Gespräch schien sich zu bewahrheiten, denn auf einmal stand wieder strammer Drill auf dem alltäglichen Programm. Natürlich war ich keinesfalls begeistert davon, dass man uns alle wegen eines Staatsmannes kasernierte und nun sollten wir auch noch in kürzester Zeit gedrillt werden, um in aller Öffentlichkeit eine Show abzuziehen. Es hätte mir wahrscheinlich nichts ausgemacht, wenn nicht die Witterungsverhältnisse bei diesem Drill absolut nicht in Betracht gezogen wurden. Wir marschierten Stunde für Stunde wie eine verblödete Bande, denn unter uns gab es mehrere jener „Motorlouis“ die gleichzeitig mit dem linken Arm und dem linken Bein und dann mit dem rechten Arm und dem rechten Bein nach vorne marschierten. Es war ihnen nicht beizubringen, wie die Arme geschwenkt werden müssen. Dabei ging ein Schneeschauer nach dem anderen mit kräftigem Seitenwind auf uns nieder. Erst war die linke Körperseite mitsamt dem Gewehr komplett weiss, dann wieder die rechte, je nachdem in welcher Himmelrichtung wir auf der schmalen Strasse marschierten. Die Kritik des Unteroffiziers wurde immer heftiger.

Als er einmal eine kurze Zigarettenpause einlegte, entwickelte ich mich zum Anstifter einer Verschwörung des ganzen Pelotons. Da der Sergeant uns gedroht hatte, er würde uns nächstens „robben“ lassen, wenn es nicht bald mit dem Gleichschritt und den gemeinsamen Kehrtwendungen klappen würde, fand ich meine Stunde gekommen, um diesem sturen Drill ein Ende zu setzen. Mir war bereits klar dass bei so vielen Nieten, die nicht einmal rechts von links zu unterscheiden wussten, man noch bis tief in die Nacht hinein drillen könnte, ohne auch nur den geringsten Erfolg, die erwünschten Verbesserungenzu erzielen. Meine Taktik war einfach und zu meinem Erstaunen willigte jeder ein, mitzumachen. Als das Ende einer der vielen Zigarettenpausen gekommen war und Rassemblement gepfiffen wurde, rührte niemand sich vom Fleck.

So was hatte der Sergeant noch nie erlebt. „Jungens wisst ihr was das bedeutet, wenn man den militärischen Befehl verweigert, das bedeutet Militärgericht!“ Er versuchte es noch einmal. Niemand rührte sich von der Stelle. „Wenn ihr jetzt nicht auf der Stelle losmarschiert, dann werde ich den Oberstleutnant zu Hilfe rufen, der wird euch schon soweit bringen, dass hier marschiert wird, andernfalls bleibt nur das Robben, die einzige Lösung.“

Genau das hatte ich mir vorgestellt. Genau diese Worte wurden von allen Soldaten verstanden. Wir warteten nur auf diesen Befehl. Und ich hatte ihnen versprochen, dass wir dann unbedingt genau alle Befehle ausführen sollten. Alles, was man von uns "in extremis" verlangte. Ich kannte die Mentalität dieser Vorgesetzten, die kaum über den Tellerrand hinaus schauen konnten. Es kam wie vorher gesehen. Der Sergeant verlor die Nerven, rannte zurück in die Baracken und von Weitem sahen wir bereits den aufgeregten Oberleutnant, der in schnellen Schritten sich des Pelotons näherte und unterwegs noch die letzten Knöpfe seiner Uniformjacke zuknöpfte und seine Kopfbedeckung noch mehrere Male zu Recht rückte.

Als er bei uns ankam, liess er sofort eine Kanonade los und drohte er würde uns bei dem Sauwetter durch den Schlamm robben lassen, wenn wir nicht auf der Stelle seinem Kommando gehorchen würden. Er schrie, so laut er konnte. Er schrie aus Leibeskräften zum Rassemblement. Niemand rührte sich. Jeder wartete auf den äusserst spannenden Augenblick in welchem die Parade der Pioniere, der öffentliche Auftritt des Genies mit dem grossen Staatsmann zu Grabe getragen werden sollte.

Niemand kam den Befehlen nach, bis dem Offizier schlussendlich der Geduldfaden riss und er wie ein Tollwütiger schrie: „Na, ich habe euch gewarnt. Ihr habt es nicht anders gewollt. Jetzt werdet ihr einmal sehen, was robben bedeutet.“

Am Strassenrand lag eine grosse Freifläche, auf welcher viele Lastwagen, jeweils hügelweise Erde, vermischt mit Steinen, ausgeleert hatten. Alle Hügel hatten so schöne Schneekappen und da hinein sollten wir beim nächsten Kommando. Auf die Erde, in den Dreck. Mit dem Gewehr nur soviel Erdklumpen wie nur möglich in den Gewehrlauf, auf das Gewehrschloss, die Schuhe, die Bonnets. Wir hatten uns vorgenommen uns so ungeheuer mit Dreck zu versauen, dass es Tage dauern würde, bis das alles wieder gereinigt war.

Das unsere Aktion auslösende Kommando kam alsdann wie erwartet. Blindwütig schickte er uns hinein in diese Schlammschlacht und ich bin mir sicher, er hatte nicht einmal einen einzigen Augenblick daran gezweifelt, dass wir seinem Befehl auch mit Widerwillen gehorchen würden. Und so was nannte sich Leitfigur einer Kompanie. Von Vorausschau der sich anbahnenden Folgen hatte er nicht den Schimmer einer Ahnung.

Wahrscheinlich jedoch wunderten sich die beiden, wieso wir auf einmal alle zu so einem blinden Gehorsam gekommen waren. Vielleicht wird erst dem einen oder dem anderen bei der Lektüre dieser Zeilen klar, in welche Denkfalle ich die beiden gelockt hatte.

Der Leser kann sich vorstellen, wie schwer es manch einem fiel, mit seinen verklumpten Schuhen sich noch vorwärts bewegen zu können. Schade, dass niemand ein Foto von uns gemacht hat. Nach kurzer Zeit wurde es dem Leutnant klar, dass er in unserem aktuellen Zustand kaum noch an Drill denken könne. Er verdonnerte uns, zurück in die Baracken zu gehen. Er forderte uns auf binnen 2 Stunden wieder blitzblank gesäubert auf derselben Strasse, erneut anzutreten.

Da hatte er aber die Rechnung ohne den Gärtner gemacht, denn die Duschen liessen einen solchen Andrang, dazu noch in einem aussergewöhnlichen verdreckten Zustand, überhaupt nicht zu. Bald waren die Abflüsse verstopft. Draussen regnete und schneite es noch immer abwechselnd und keine Wäsche konnte zum Trocknen aufgehängt werden. Die Schlafräume waren in kürzester Zeit in so einem verdreckten Zustand, dass es unüberschaubar geworden war, wann die Soldaten diese voluminöse Mammutwäsche bewältigt haben werden. Allein der Zustand unserer Gewehre erforderte viel zu viel Platz auf den Tischen, der gar nicht vorhanden war. Totales Chaos herrschte bis spät in die Nacht hinein. Dem Leutnant war nach 2 Stunden sofort glasklar, dass wir seine Forderungen nicht einmalbis zum nächsten Mittag nachkommen könnten. Es dauerte noch bis zum Abend am nächsten Tag, bis alle Uniformen einigermassen sauber waren. Die Schlafstellen waren wieder aufgeräumt, aber trockene Wäsche zu produzieren war eine Illusion.

Die Parade wurde anlässlich des Staatsbegräbnisses von der Garde aus Walferdingen „geklopft“. Mit welcher Begründung unser Leutnant dies durchsetzen konnte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich habe aber noch einige kleine militärische Erlebnisse, die nicht unbedeutend für mich waren und davon etwas später auch eine, die zur heutigen Zeit einen kleinen Skandal ausgelöst hätte.

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü