Meconopsis

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Guiche - moi - Ein Strassenspiel

Die Symphonie kann beginnen

Guiche – moi.

Ein wahrscheinlich längst vergessenes und potenziell gefährliches Strassenspiel.

Die notwendigen Utensilien bestehen aus einem etwa 40 cm langen, aber handlichen Rundholz und einem etwa 12 cm langen, ebenso dickem Stück Holz, das vorne und hinten grob zugespitzt ist.

Es sind normalerweise 2 Teilnehmer im Spiel.

Der vorher durch Abzählen,oder durch eine andere Methode, bestimmte erste Spieler legt die „Guiche“, das ist das kurze zugespitzte Holzstück, auf eine Mauerkante oderauf die Bürgersteigkante, sodass eines der zugespitzten Enden über die Bordkante hinausragt.

Um zu wissen, ob jeder Spieler parat ist und das Spiel beginnen kann, ruft der Spiegel am Rundholz „Guiche“? Der, oder die Mitspieler antworten alsdann „moi“.

Welchen etymologischen Ursprung diese beiden Wörter haben, entzieht sich meiner Kenntnisse. Möglicherweise könnte es die Übernahme eines vulgären polynesischen Wortes sein, das heute beim Piercing gebraucht wird. Ich kann mir die möglicherweise aus einer Verballhornung entstandenen, wahrscheinlich nur als Laute zu bezeichnende Worte, nicht anders erklären.

Also das Spiel beginnt mit „moi“. Mit dem Rundholz haut der „Guiche“- Rufer alsdann vorne auf das kurze Holz. Die „Guiche“, schnellt empor oder wird weit wegkatapultiert. Dies geschieht so ähnlich wie beim Baseballspiel. Der Spieler am Holzstab kann aber auch kräftig unter die in die Höhe gesprungene “Guiche“ hauen, damit diese viel weiter wegfliegt, wozu es jedoch einiger Übung und Schnelligkeit bedarf.

Der andere (die anderen) Spieler steht (-hen) in geeigneter Distanz und hat (haben) entweder ihre Mütze in der Hand, um die „Guiche“ aufzufangen, oder er tut (sie tun) dies barhändig, was aber meistens mit etwas Schmerzen verbunden sein kann, wenn die „Guiche“, wirbelnd durch die Luft heranfliegt. Kann einer der Gegenspieler die “Guiche” auffangen, dann hat er einen Vorteil im laufenden Spiel gewonnen. Unter Voraussetzung einer weiteren Regel kann er seinerseits zum “Guicheschläger“ werden.

Der hölzerne Schläger wird alsdann vor die Bordkante des Bürgersteigs gelegt und der auffangende Spieler versucht durch einen gezielten Wurf den Schlagstock zu treffen. Weil er die “Guiche” aufgefangen hat (hierin besteht sein Vorteil), darf er, bevor die nächste Spielphase beginnt, drei grosse Sprünge in Richtung Rundholz machen, um näher an das Ziel heranzukommen, was also eine grössere Chance bietet, das liegende Schlagholz treffen zu können. Nur durch einen erzielten Kontakt der beiden Hölzer kann er alsdann das Spiel am Schlagholz übernehmen.

Kann die “Guiche” aber nicht von dem Mitspieler aufgefangen werden, dann muss er (oder der am Nächststehenden, bei dem die „Guiche“ zu Boden gegangen ist) von dem Punkt aus werfen,wo diese zu Boden gegangen ist. Je weiter entfernt man vom Rundholz steht, umso schwieriger ist es, das Schlagholz zu treffen.

Wird das Schlagholz nicht getroffen, dann wird die nächste Phase des Spiels eröffnet. Der Spieler am Holz tritt dann wieder in Aktion. Durch Anheben der “Guiche” mit einem gezielten Schlag kann er die “Guiche” wieder weiter entfernt vom Platz des Spielbeginns schleudern. Als Variation darf er dies solange wiederholen, bis er einmal die “Guiche” mit dem Rundholz verfehlt. Normalerweise wird aber vom Punkt des ersten Zubodengehens die Entfernung gemessen. Mit dem Schlagstock in der Hand wird die Länge des Holzes so oft zusammengezählt wie der Schläger, der als Messgerät dient, hintereinander gereiht die gesuchte Strecke ergibt, bis zu dem Punkt, von wo aus das Spiel ausging. Die zusammengerechneten Schlagstocklängen ergeben das Resultat dieses Spieles.
Die Resultate von allen Spielen (desselben Spielers) werden bis zum definitiven Spielende zusammengezählt. In der geläufigen Sprache nennt man die Schlaghölzer „Bengelen“. So kann man weit über tausend Bengelen zusammenzählen, denn es gibt noch eine hochinteressante Variante, die meistens genutzt wird, um die Gesamtzahl der erreichten Bengelen weiter zu erhöhen. Wenn nämlich vor dem ersten, weiten Abschlag der Spieler am Holz es fertigbringt, die “Guiche” vor sich in der Luft, ein oder mehrere Male zu treffen, bevor er sie weit wegschleudert, dann wandeln sich die gemessenen Bengellängen in Halbbengelen um. Kann er noch ein zusätzliches Mal die “Guiche” in der Luft treffen, bevor sie zu Boden fällt, dann werden nur Viertel einer Bengellänge, so als ob sie eine ganze Länge hätten,zusammengerechnet. Das Maximum ist natürlich noch durch zusätzliche Schläge zu erreichen, was dazu führt, dass man alsdann mit „Spengelskäpp“ (Nadelköpfe) rechnet, wobei natürlich das Spiel beendet wird, weil dabei astronomische Zahlen entstehen und esgeradezu unmöglich wird, das zu berechnen.
Dann beginnt wieder ein neues Spiel. Sind mehrere Spieler beteiligt, dann wird durch Abzählen wieder gewählt, wer ans Schlagholz darf. Es ist kein ungefährliches Spiel, denn wenn man zu nahe beim Abschlag steht, wo es natürlich einfacher ist, die „Guiche“ zu fangen, dann kann man schon die “Guiche” an den Kopf bekommen. Die gute Taktik besteht also für den Mann am Holz, entweder die “Guiche” so weit als nur möglich zu schlagen, oder aber auch nur einen kräftigen Schlag vortäuschend, die “Guiche” in angemessener Nähe zu Boden gehen zu lassen, von wo aus es bereits schwierig wurde die “Guiche” noch zu fangen oder um von dort aus den Bengel zu treffen. Das Spiel kann auch auf eine bestimmte Bengelenzahl begrenzt werden, z. B. auf 1000 oder 10.000. Gewonnen hat derjenige, der beim Zusammenzählen seiner Bengelen, dieses im Voraus gesetzte Limit als Erster erreicht hat. Mein Bruder und ich spielten sehr viel “Guiche”.Im Laufe der Spiele gewinnt man eine gewisse Fertigkeit, nicht nur im Abschlagen, sondern auch im Auffangen oder im Werfen der “Guiche” in Richtung Holz.
Wie man wohl ahnen kann, waren mein Bruder und ich also bereits gute Spieler geworden. Doch der Ehrgeiz trieb einen jeden von uns voran. So ereignete sich das, wasbei so undurchsichtig gefährlichen Spielen immer den jähen Abbruch bedeutet. Eines Tages knallte mein Bruder so heftig unter die “Guiche”, in der Absicht mir das Auffangen unmöglich zu machen. Die “Guiche” sauste unerreichbar hoch über meinen Kopf, über die Straße hinweg, und schon klirrte es hinter mir. Glasscherben fielen zu Boden, als ich mich umdrehte, um zu sehen, was denn da geschehen war, da fiel auch noch der letzte Glasteil des Reklamezeichens aus seiner Halterung zu Boden, das wie eine große Muschel geformt war, und über jeder der beiden Pumpen, der sich dummerweise gerade dort befindlichen Shellstation als Beleuchtung angebracht war. An diesem Abend leuchtete also eine der beiden überdimensionierten weißen Muschelschalen nicht mehr.
Es ist nicht auszuschließen, dass ich so schnell ich konnte, ins Haus rannte, um meiner Mutter den Vorfall zu klatschen. Darauf hin befand sich mein Bruder arg in der Bredouille. Meine Mutter kam hoch erschrocken auf die Straße und wollte gerade in die Garage eintreten, um sich dort zu entschuldigen und sich an zu bieten, um den angerichteten Schaden zu bezahlen. Da trat Herr Fonk, der Besitzer dieser Tankstelle, des Taxibetriebs und zugleich Reparaturwerkstätte bereits mit einem Besen und einer großen Schaufel aus der Garage um die Scherben zusammenzufegen. Da unsere beiden Familien gute Beziehungen zueinander pflegten und die lieben Leute mich manchmal bei ihren Ausflügen in ihrem wunderbaren Renault mitnahmen, fand Herr Fonk es als keinesfalls angebracht sich über unsere Draufgängerei aufzuregen. Er konnte meine Mutter damit trösten, dass die Shellfirma den Schaden beheben werde, was bereits in den darauf folgenden Tagen geschah. und zwar kostenlos. Trotzdem war für uns ab sofort das “Guiche” Spiel verboten, denn meine Mutter malte sich bereits aus wie viele Hausfenster in der Nachbarschaft zu potenziellen, wenn auch ungewollten,Zielscheiben werden konnten.
In den darauf folgenden Tagen machte wird uns bei Herrn und Frau Fonk wieder beliebt und pumpten der damals noch seltenen Klientel den benötigten Sprit mit der Handpumpe in die Messbehälter, die in doppelter Anfertigung vorhanden waren. Die Besitzer schauten mit Vergnügen zu und waren nur darauf bedacht zu kontrollieren, ob wir auch die Messbehälter stets bis oben hin füllten, bevor wir den nächsten Handgriff taten. Durch Änderung eines Hebels, in entgegen gesetzter Richtung, floss die gepumpte Flüssigkeit in den Tank des parkenden Wagens aus, während sich in dem anderen Behälter die nächsten Liter durch kräftiges Pumpen füllten.
Das Kassieren des Geldes aber übernahm der Hausherr selber.

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