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Das Genie im Manöver - Wir spielen Krieg

Die Symphonie kann beginnen

Das Genie im Manöver – wir spielen Krieg.


Das Genie war auserwählt beim Manöver in der Eifel den „Ennemi“,also die feindliche Gruppe zu spielen. Wir waren nur etwa 60 Mann, schnell beweglich, um gelegentlich Scharmützel mit dem grossen Heer zu organisieren. Ich muss noch vorausschicken, dass mich die angewandten Strategien ebenfalls interessierten und dass das was ich jetzt erzählen werde, mir ungeheuren Spass bereitethat.

An einem Nachmittag machten wir Siesta neben unseren Zelten im Freien auf einer herrlichen Wiese zwischen Seffern und Sefferweich, eine kleine Ortschaft mit kaum 250 Einwohnern, nördlich von Bitburg. Da kam ein Leutnant auf mich zu und bat mich mit ihm ganz privat am Waldesrand spazieren zu gehen. Dies kam mir aussergewöhnlich vor und es sollte sich auch Aussergewöhnliches anbahnen. Es war geplant, dass das Genie einen russischen Fallschirmspringer, als Spion mit Sabotageabsichten, ins feindliche Lager schleusen solle. Wahrscheinlich hatten meine guten Kollegen, die mich ja genug kannten, meine Wenigkeit zu diesem Paradestück vorgeschlagen. Der Leutnant sollte mir streng vertraulich den ganzen Verlauf vortragen und mich freundlichst bitten diese Mission zu erfüllen.

Ich sagte sofort zu, unter der einen, für meine Sicherheit absolut primordialen Bedingung, dass egal wie die Sache auch ausgehen würde keine Nachteile für mich entstehen dürften. Nur weil man mir dieses zu sicherte, willigte ich ein undmeine kurze Ausbildung zu diesem Coup begann sofort.

Gegen Abend steckte ich in einer russischen Fallschirmspringer Uniform, in meinen Hosentaschen hatte ich einige dicke Zwiebeln und unter meinem Hemd hatte man mir Lagekarten mit absolut falschen Indikatoren gesteckt. Ich sollte unbedingt bis ins Hauptquartier vordringen und dort die wahrscheinlich auf einem Tisch liegenden Pläne der Armeeführung komplett verwischen, wenn diese nicht mit Folie abgedeckt waren. Nur eine Taschenlampe sollte mir in der dunklen Nacht weiterhelfen, denn dieses Militärspiel fand in dunkler Nacht statt. Dazu hatte ich absolutes Stillschweigen zu bewahren, woher ich kam, wer ich persönlich war, wo ich angegliedert war und nur der Kolonell Albrecht persönlich sollte mit den Worten „Den Alarm ass eriwer“ mich von weiteren Verpflichtungen entbinden.

Mit einem Jeep brachte man mich irgendwohin in eine Hügellandschaft, die ab und zu vom Mond erleuchtet wurde. Eine kleine Gruppe von unserer Begleitmannschaft hatte sich dort mit Maschinengewehren niedergelassen und auf einmal begann sie, in Richtung des gegenseitigen Hügels, zu ballern. Dort hatte die grosse Truppe unter Bäumen Schutz vor den Flieger gesucht. Einige Jetpiloten, die inBitburg stationiert waren, hatten dem Ennemi ihre Hilfe als Kundschafter zugesagt.

Das Lager drüben im Wald war nicht beleuchtet und auch auf das Maschinengewehrfeuer hin schien sich nichts zu rühren. Das war aussergewöhnlich und sofort schickte man mich los. Ab sofort war ich auf mich allein gestellt. Ich sollte Leben in die verschlafene Bude bringen.

Es dauerte nur kurze Zeit, bis ich über die Lichtung im Tal war und bereits schemenhaft die dunklen Schatten, von gepanzerten Fahrzeugen, am Waldesrand erkannte. Ich hatte erwartet, dass wenigstens ein Posten zu sehen sei, so begann ich Geräusche zu machen. Ich zischte, ich pfiff, ich hustete, aber die Jungen hatten einen gesunden Schlaf, bedingt durch ein Ereignis, über das ich erst später aufgeklärt wurde.

Ich ergriff einen Knüppel, denn ich musste ja gefangen genommen werden, und schlug damit auf die Karosserie der Fahrzeuge. Da musste doch jemand wach werden, aber nur, als ich meinen Knüppel mit voller Wucht auf eines der Kettenfahrzeuge hieb, dass es im Innern dröhnte und weit hin schallte, da räusperte sich einer der drinnen schlief und wünschte mich zum Teufel, mit meinem Radau.

Niemand nahm mich gefangen. Der geschmiedete Plan schien nicht aufzugehen. Doch als ich mit dem Knüppel auf ein grösseres Zelt hieb und zu Grölen anfing: „Malo Kleber, ……nima Maslo, nima Malokka, nima Yeika kurissi soprali.....nix bonimai“, da trat ein Unteroffizier in Uniform heraus. Er hielt in seiner Hand einen Teller halb gefüllt mit Cannelloni, die er im Begriff stand zu verspeisen. Als er mich in der exotischen Aufmachung erblickte, blieb ihm wahrscheinlich eine Cannelloni im Hals stecken. Er begann zu husten, zeigte mit der Gabel auf mich und sagte: „Was machen Sie denn hier, wer sind Sie denn?“

Er kam näher an mich heran. Furchtlos, ohne Vorsichtsmassnahmen. Im Kriegsfall hätte ich ihn sofort umlegen können. Doch es ging mir ein Schreck durch die Glieder. Ich kannte diesen Sergeanten. Er stammte aus demselben Dorf wie ich. Sein Vater war, genau wie mein Vater, ein Zöllner. Schon glaubte ich, das Ende des Spielchens gekommen zu sehen. Er aber schien mich nicht erkannt zu haben, wegen der Tarnfarben, die man mir ins Gesicht aufgetragen hatte.

Er rannte ins Zelt und brachte kurz darauf noch etliche Gradierte, die sich schnell die Uniform überzogen. Dann tauchten auch schon 2 MPs auf, die mich als Radaumacher festnehmen sollten. Ich wehrte mich gewaltig und schrie immer nur russische oder ukrainischeWorte, die ich von meinem Vater gelernt hatte. Dann ging es ans Eingemachte. Ich wurde von Kopf bis Fuss untersucht. Man fand die Zwiebeln und konnte sich das nicht erklären. Man fand die falschen Landkarten und wollte diese sofort unter der Lampe kontrollieren, denn ich stellte ein Rätsel dar. Das Kommandozelt wäre für meinen Auftrag genau das richtige Ziel. Ich musste mit gespreizten Beinen mich absolut schräg gegen einen Jeep stützen, als man mich von Kopf bis Fuss filzte. Inzwischen war der Sergeant wieder bei mir. Er musterte mich und meinte: „Diesen Kerl kenne ich, den habe ich irgendwo bereits einmal gesehen, aber ich weiss nicht wo.“ Um ihn komplett in Verwirrung zu bringen, rief ich ganz laut seinen Spottnamen. „Dittchen“. Das haute ihn um. Keiner der uns umgebenden Soldaten wusste wahrscheinlich, dass dieses sein Spottname war, den nur ganz nahe Bekannte kennen konnten.

Die Situation machte mir absolut Spass, und da ich absolute Narrenfreiheit hatte, ging ich auf den Kapitän Welter zu, der sich näherte, nahm ihn bei der Nase und schrie so laut, wie ich konnte: „Minnejang“. Das war sein Spottname.

Minnejang war eine korpulente Persönlichkeit. Als er von mir hörte, dass ich seinen Spottnamen rief, da schien er aus seiner Uniform zu platzen. Ich aber schrie immer wieder russische Worte und er kam so nahe auf mich zu, dass ich seinen Atem im Gesicht verspürte. „Der Mann bekommt Bunker, sofort.“ Einer der Gradierten musste gewusst haben, was geplant war, denn er schien die Lage weidlich zu geniessen und da kam auch noch ein kleiner Cousin von mir auf uns zu und ich dachte sofort, jetzt ist alles vorbei, jetzt verrät dieser deinen Namen. Ich riss mich bei den MPs los und rannte auf ihn zu, um ihm schnell ins Ohr zu flüstern: „Aloys, Du darfst mich nicht erkennen.“ Er staunte nicht schlecht, denn er hätte mich wirklich nicht erkannt, so wie er mir später versicherte. Dann hatten die beiden MPs mich schon wieder in ihren Händen und brachten mir Handschellen an.

Es rumorte in allen Fahrzeugen und die Soldaten wurden wach, doch ich wollte noch einen Coup landen. Ich riss mich los und rannte in den Wald in Richtung Kommandozelt und kam nur bis bei einen kleinen Bach. Meine Verfolger waren nahe an mir dran. Ich ging ins Wasser. Zum Glück war der Grund des Baches steinig, doch ich watete knietief hindurch. Auch auf der anderen Seite tauchten Verfolger auf. So rannte ich durch das Bachbett, die Verfolger auf beiden Ufer, denn keiner wagte sich ins Wasser. Meine kniehohen Stiefel, die man mir verpasst hatte, waren zum Glück wasserdicht.

Ich peilte das grosse Zelt an, wo ich die Kommandozelle vermutete. Doch da galt es noch einen glitschigen mini Wasserfall zu bezwingen und hier verliessen mich die Kräfte. Man hatte mich eingeholt.

Ich war natürlich zum Gesprächsthema geworden. Jedermann rätselte was dies zu bedeuten habe. Dabei geriet der Geruch von den Cannelloni mir wieder in die Nase und ich verspürte so eine absolute Lust, dass ich mich zielstrebig dem Kessel mit den Teigwaren näherte. Kapitän Welter war immer noch hoch entrüstet über meine Frechheit. Der Sergeant grübelte, von woher ich ihn kenne. Auch mein „Kleiner Cousin“, wusste nicht woher er mich, aus seinem Bekanntenkreis kennen würde. Ich sagte ihm aber noch einmal ins Ohr: „Aloys, du darfst mich auf keinen Fall verraten, wenn du mich erkannt hast.“

Jedes Mal, wenn wir uns später im Lebenbegegnet sind, dann dachten wir sofort an diesen nächtlichenSpass im Manöver zurück. Leider wird eine solche Begegnung sich nicht wieder ereignen. Aloys ist vor einigen Tagen im Alter von 90 Jahren gestorben. Obschon er ein gradierter Offizier war, haben wir uns immer vorzüglich verstanden.

Ich fand dummerweise den Dreh nicht, um zum Kommandozelt zu gelangen, denn es hätte mich wirklich gefreut, die strategischen Aufzeichnungen auf den Plänen zu sabotieren.

Es dauerte eine Weile da regte sich etwas auf dem Hauptweg im Wald. Die Soldaten salutierten, die Graduierten salutierten, Kapitän Welter salutierte und die Commandcar blieb unweit von mir stehen. Aufbeiden Seiten des Wagens befand sich eine weisse Fahne. Das waren die Schiedsrichter und aus dem Jeep dahinter stieg ein elegant gekleideter Militär. Er schüttelte um sich herum viele Hände und kam geradewegs auf mich zu.„Den Alarm ass eriwer“! Das war das abgemachte Losungswort und jetzt erst ging das Fragen nach wie, was, wo, richtig los. Man erzählte dem Kolonell, was sich ereignet hatte. Der Kolonell zog mich beim Ärmel in seinen Wagen und bemerkte knapp: „Sie haben ihre Sache ausgezeichnet gemacht. Ich bringe sie zurück zu ihrem Peloton!“

Ich wollte mich aber schlaumachen, warum keine Wachen hier aufgestellt waren und warum alles so tief geschlafen habe, ohne auf die Maschinengewehrsalven und später auf meinen Radau hin zu erwachen. Der Kolonell meinte alsdann: „Wir hatten gestern Abend eine traurige Anfahrt zum Nachtlager. Ein Personenwagen ist in der Hanglage umgestürzt und wir hatten dabei 2 Tote zu beklagen. Kein Wunder, dass die Leute hier reaktionslos auf dem absoluten Nullmeridian hocken.“

Darauf hinwar es auch Essig mit meiner Freude, am nahezu perfekten Erfolg. Der Kolonell brachte mich zurück in unser Lager. Er drückte mir noch einmal seine Zufriedenheit aus, gab den Obrigkeiten meiner Kompanie zu verstehen, dass alles nahezu perfekt gelaufen sei, und machte sich mit den Schiedsrichtern wieder auf den Weg.


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