Meconopsis

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Besoffen

Die Symphonie kann beginnen

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Es war auch zu dieser Zeit, als man mich zum ersten Mal mit ins Wirtshaus nahm, zu den lieben guten Freunden! Ich wurde natürlich kostenfrei bedient, denn Taschengeld gab es sehr wenig und dieses wurde immer wieder in Literatur investiert. An diesem Abend ging es ganz besonders lustig zu. Bei viel Limonade und manchem Schluck Bier kam ich weit über die Runden, bis uns ein wohl betuchter Bauer zu sich nach Hause einlud, für die berühmte „Schlofdrëpp“. Damals rauchte ich schon Zigaretten, aber öfters die Pfeife, in welcher ich die Tabaksorte „Clan“ verdampfte. Allein die Verpackung des Tabaks in einer mit schottischem Muster dekorierten Hülle und natürlich auch der süssliche Duft nach Karamell hatten es mir angetan. In der guten Stube dieses herrschaftlichen Hauses versanken wir in schwere Polstersessel und vor uns stand eine herrlich dekorative bemalte chinesische Vase, in welche wir unsern Unrat, d. h. auch die Zigarettenaschen, die Stummel sowie abgebrannte Streichhölzer warfen. Es hat mich sehr gewundert, dass der Hausherr dabei mitmachte. Schliesslich handelte es sich ohne Zweifel um ein Kunstobjekt, denn zu jener Zeit waren chinesische Vasen in diesem Format, sie war ca. 80 cm hoch und dickbauchig, wahrhaftig ein selten gesehenes Porzellangefäss.

Dann kam die so viel gerühmte Schlofdrëpp. Man sprach so blumig von der gesunden Weinheffen und es bedurfte schon eines herzhaften Schluckes, um das Glas in einem Dreh hinunterzukippen. Es blieb nicht bei einem Glas. So einen Feuerbrand hatte ich noch niemals erlebt, doch irgendein Rumoren im Haus setzte dem Zauber bald ein Ende. Wir hatten mit unserm Radau die Hausmeisterin aus dem Schlaf geweckt und diese bat uns keine zweimal, ihr Haus auf der Stelle zu verlassen. Doch, da es noch nicht die gewohnte Zeit zum Nachhausegehen war, entschlossen wir uns ein letztes Glas in der Wirtsstube nahe der Kirche von Oberkorn zu genehmigen. Unterwegs machte mir das Gleichgewicht bereits zu schaffen und ich ertappte mich beim Reden von unmöglichem Unsinn. Dort angekommen traf ich auf Lex, einen bekannten Solo Trompeter, aus der Militärkapelle, was soviel bedeutete, dass wir gemeinsamen Heimweg haben würden. Ich hielt mich mit Limonade einigermassen im Gleichgewicht, doch als es auch hier wieder zur berühmten Schlofdrëpp kam, diesmal einem hausgebrannten Quetsch, da verliessen mich die Sinne komplett.

Ich weiss nur noch dass, Alex und ich unterwegs nach Hause Arm in Arm gingen, weil wir gleichermassenmehr, in der Lage waren die Richtung zu halten. Es hatte geregnet und die grossen Pfützen, nachdem wir deren Tiefe bereits einige Male ausprobiert hatten, umgingen wir geschickt, indem wir gezielt hineintreten wollten. Die meisten Tritte gingen so neben die Wasserlöcher und nach etwa einer viertel Stunde erreichte ich unsere Wohnung.

Ich kam, ohne zu wissen wie, geräuschlos in mein Bett. Dieses jedoch verwandelte sich allsogleich in einen fliegenden Teppich, auf welchem ich zu schweben begann und mich kaum noch festhalten konnte. Ich spürte auf einmal, dass die Getränke sich in meinem Gedärm nicht zu vertragen schienen. Bier, Limonade, Weinheffen und Quetsch schienen sich mit aller Macht selbstständig machen zu wollen. Ich war noch geistig gegenwärtig genug um mich aufzuraffen und mit dem Arm über das Geländer gestülpt und mit den nackten Füssen über die Kanten der hölzernen Treppen, donnerte ich zum Parterre hinunter, wo sich unser WC befand.

Auf den Knien liegend spukte ich die grausam riechenden Streithähne aus.

Oben hörte ich wie mein Vater sich über das Treppengeländer neigte und herab rief: „Sauf nicht mehr als du vertragen kannst.“Er hatte die Sachlage sofort erkannt. Wahrscheinlich hatten sich Spuren der Alkoholgeister nach oben verflüchtigt, die ihm sofort verrieten, was da vor sich ging.

Ich hatte schon daran gedacht mich vor seiner Bestrafung zu schützen und wollte bereits reflexartig hinter mir die Tür absperren, doch diese eher gleichgültige und die Situation überschauende Reaktion meines Vaters erreichte genau den schwachen, den empfindlichstenNerv meiner Psyche. Ich begann, mich regelrecht vor meinem Vater zu schämen. Er hatte enormes Verständnis gezeigt für meinen bisher einmaligen Schwächeanfall, und dabei blieb es.

Nein, es ist nicht dabei geblieben, denn ich war so wütend über meine eigenen Unzulänglichkeiten geworden, dass ich mir schwor. Dies war das erste und das letzte Mal, dass mir so etwas passiert. Und ich habe es bis heute durchgestanden. Ich bin seither niemals aus eigenen Stücken in ein Wirtshaus eingekehrt um in Gesellschaft von Saufkumpanen, den meistens nicht existierenden Durst zu stillen. Mein Vaterwar mir da ein grossartiges Vorbild. Er meinte zu diesem Thema ganz einfach: „Wer nichts im Leben wird, der wird Wirt. Von meinem Geld wird keine Wirtsfrau sich einen Pelzmantel kaufen können.“

Es haben später, aus beruflichen Gründen, verführerische Situationen ergeben, die kräftig an meinen guten Vorsätzen nagten und das, weil ich bei der alljährlichen Vergabe der Dienstuhren, bei der Firma HADIR, den organisatorischen Teil zu besorgen hatte, was immer wieder Einladungen weckte, mit Kameraden und Bekannten zu prosten..

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