Inhaltsverzeichnis
Eine Anekdote fällt mir eben ein
In meinem ersten Beruf war ich Knecht
Freiwillig zur Armee (Bild mit Uniform)
Abrechnungsbuch
(Soldbuch im Bild)
Eine
zaghafte Liebeserklärung!
Bitte um Erlaubnis heiraten zu dürfen
Foto des verheirateten Ehepaares
Brief der Großeltern an die Kinder
Brief der Eltern vom 13.2.1930 an das
Ehepaar
Der Krieg scheint unvermeidlich
Geblättert
im Notizbuch I –Zur Annexion und Proklamation
Der Kampf der Ähre mit dem Wind
Jours des primevères (poésie en français)
Erennerung un Flensburg (Gedicht)
Fragmenter
– Aus de Breiwer un seng Frau
Der
beschwerliche Weg der Repatriierung.
Alphabetische
Liste der Landsleute (120), die beisammen waren, als die Fahrt nach Odessa
begann.
A Polen, e Sonndeg am Rén (Gedicht).
Der
Luxemburger Konsul Blum in Moskau erhält die Liste der Luxemburger, die
unterwegs sind.
Fragmente
aus den Memoiren von Mathias Zeimet.
Familienfoto bei der Heirat des Sohnes Albert François
Persönliche Angaben zur Ehegattin des Sohnes Albert François
Gedichte.
Liebe Kinder (Briefgedicht aus Blankenberg)
Das Alter der Hűhner im Jägerlatein
Der
toten Mutter (seine Gemahlin) zum Gedenken - 1.7.1967
Ech schreiwe Breif – 28.9.1944
Menger
Fra a mengen Kanner als Undenken aus dem Osten – 17.5.1944
Liebesgeschichte (Schlussgedicht der Memoiren)
Mit mir reiste der Tod – 18.10.1946
"...sie
trauern um mich, doch der Zug rollt aus dem Bahnhof."
von
Regenwetter Albert
Henri
Né le 31 août 1898 à
Altrier, commune de Bech, canton Echternach.
Marié le 18 avril 1927
Entré dans la
Compagnie des Volontaires à Luxembourg, le 14 janvier 1918
Nommé douanier
provisoire le 1er octobre 1926 à Niederkorn
Assermenté le 11
septembre 1926 (1927?)
Nommé douanier
définitif le 1er décembre 1927.
Déplacé le 1er février
1930 de Niederkorn à Rodange.
Reinschrift aus
meinen Tagebüchern zu Ostern 1954.
(Für die
Authentizität dieser Reinschrift der Lebensbeschreibung birgt der Autor dieser
Homepage).
Ich wollte eigentlich schön früher meine
Lebensbeschreibung anfangen, aber mir fehlte das Schriftstellertalent und ich
bitte auch heute noch die Leser dieser Zeilen auf diese Bemerkung Rücksicht zu
nehmen. Man wird nämlich nie als Schriftsteller geboren, was ich auch beweisen
will.
Mein Vater war ein Tagelöhner und meine Mutter das
Kind armer Eltern. Sie bewohnten mit den Großeltern mütterlicherseits eine
ärmliche Hütte mit Strohdach, was mein Vater aber zeitlebens in ein
ordentliches Dorfhäuschen mit Stall und
Scheune umwandelte. Er war eine Riese an Stärke und ich weiß noch aus meinen
Kinderjahren, dass er einen Hinterwagen (2-rädriger Anhänger an einem
Pferdekarren) auf den Armen trug, wohin er wollte.
Seine erste Frau schenkte ihm vier Kinder, drei
Mädchen und ein Junge. Diese Frau starb auf eine mir unbekannte Weise. Er
heiratete die Schwester seiner ersten Frau und diese wurde meine Mutter. Sie
starb aber an meinem fünften Geburtstage, nachdem sie meinem Vater drei Jungen
geschenkt hatte, wovon ich also der Jüngste war. Diese tragischen Todesfälle
gruben meinem Vater tiefe Sorgenfalten in die Stirn und als Eidam mit 7 Kindern
bei den Schwiegereltern wohnen, war auch schon zu jener Zeit ein großes Wagnis.
Wir schrieben das Jahr 1898. Es war an einem heißen
Augusttage. Man trug meine Mutter zu Grabe und mich legten sie in den Schoss
einer Schwester meiner Großmutter die sich bereit erklärt hatte mich groß zu
ziehen. Ich wuchs und gedieh allem Anschein nach prächtig. Die Pflegemutter
starb in meinem vierten Lebensjahr und nun wurde ich von den Geschwistern der
ersten Frau meines Vaters groß gezogen. Ich aß und weinte, schlief auch
zuweilen, aber meistens bin ich vor Hunger eingeschlafen. Der Vater ging
morgens fort, wohin wusste ich nicht. Vielleicht in den Wald irgendwo und wenn
es finster war kam er zurück. Ich lief ihm damals immer entgegen. Er hatte
immer ein Stück Hasenbrot in der Tasche in einem roten Taschentuch
eingewickelt. Das waren, wie ich später erfuhr, die Reste seines Vesperbrotes,
die er dann unter den kleinsten Kindern seiner Familie teilte.
In demselben Haus lebte damals noch ein Großvater, ein
kleiner gesetzter weishaariger Greis, Anfang achtzig Jahr alt. Er erzählte uns
Kinder oft von seinen Fußtouren in seiner Jugendzeit. Er ging die Strecke von
Altrier, im Kanton Echternach, bis Paris mehrmals zu Fuß hin und zurück.
Damals bestanden noch keine Eisenbahnen in der
Mehrzahl und des Schusters Rappen war das billigste Reitpferd. Er starb 1908 im
Monat Februar. Am Tage vor seinem Tode rollte er noch Faschinen in einem
Holzschlag.
Nun war mein Vater mit sieben unmündigen Kindern
allein. Das älteste Mädchen dirigierte die Hausarbeiten nach seinem Gutdünken.
Sobald sie alt und stark genug waren musste sie in fremder Leute Dienste treten
und so gingen wir der Reihe nach, sobald die sechsjährige Schulzeit vorbei war,
zu fremden Leuten in uns fremde Dörfer. Die Löhne hob der Vater auf. Sie
reichten kaum zur Kleidung von uns. Die Schulzeit oder die Freizeit während der
Schulzeit war ein Einüben in alle Haus und Feldarbeiten. Viehfüttern, Suppen
tragen in den Wald, zum Vater, Bäume fällen, Wälder ausroden und für die Saat
bestellen waren die Spielstunden unserer Kinderzeit. Die Arbeit gegen Lohn war
so spärlich, dass wir alle Gelegenheiten ausnutzten um Geld zu verdienen. Wir
dreschten tagelang mit dem Flegel das Korn auf der Tenne für die Kost. Wir
drehten die Räder der Dreschmaschine und sägten das Holz für die Schule und das
Herrenhaus. Der Lohn: Suppengrün mit einem Kartoffelgemisch und eine Mark am
Tag oder den Schnitterlohn einer Korde Holz. Damals war der Wert einer Mark
noch gleich 1,25 Frs (ca. 0,1 €).
Luxemburg stand damals im deutschen Zollverein. Die
Lebenshaltung oder Kosten waren zu der heutigen Zeit sehr interessant. Ein
fettes Kalb kostete 35 Franken. Ein flotter Anzug 125 Franken. Ein Paar solide
Arbeitsschuhe 9,50 Franken und eine Semmel 1 Sous und ein Kranz Leberwurst 1
Franken.
Das Haarschneiden besorgte mein Vater damals für das
ganze Dorf. 4 Sous pro Kopf. Es gab nur Kurzschnitt gleich einem geschorenen
Igel. Dies hatte seinen Zweck bei den Kindern, wegen der Läuse und bei den
Grossen wegen dem Schmutz. Das Kopfwaschen geschah in einem Eimer Wasser oder
an der Dorfpumpe zu zwei, der eine drückte die Pumpe und der andere hielt den
Kopf unter den Auslauf der Pumpe.
Unterhaltung für uns Kinder gab es nur einmal im Jahr,
das war am Kirchweihfest. Dann spielten die großen Jungen ein Dorftheater und
wir durften in die Kindervorstellung. Vorbedingung war das ganze Jahr fleißig
bei der Arbeit.
Ich rühmte mich zu vierzehn Jahren einer der besten
Mäher des Dorfes zu sein. Wenn die Mahd anfing gingen wir zu vier Brüder, früh
morgens beim ersten Lerchenruf auf die Wiese und die Schwaden mehrten und
mehrten sich bis zum Angelus. Dann wurde gefrühstückt und die zweite Etappe
ging los bis 11.30 Uhr. Dann steckten wir den Schleifstein in den Köcher und
schritten nach Hause. Die Tageshitze ermüdet den Schnitter und trocknet zu
schnell das Gras. Das nimmt der Sense die Schneide. Wenn die Abendsonne sich
neigte und die ersten Tautropfen sich zeigten war Fortsetzung.
Die Freizeit des Sonntags gehörte dem Messegang. Wir
hatten drei Essgänge am Tag. Das Viehfüttern, ein selbst gebasteltes Kegelspiel
mit Steinklotzen, das Knopfspiel, das Mirwelspiel, das Bockspringen auf freier
Strasse, das Eierspiel zu Ostern
(Schadderen im luxemburgischen).
Das war so: "Auf einem Holzbock legte man zwei gleichlange, glatt
gehobelte Bohnenstangen, die mit einem Ende den Boden berührten, schön
nebeneinander. Es entstand zwischen den Stangen eine kleine Rille. Man stellte
das Gerüst in einen kleinen Abhang. Nun ließ man die Eier über diese Rille
laufen. Es wurde Los gezogen, wer zuerst sein Ei laufen lassen durfte. Wenn der
Zweite sein Ei laufen lies und dieses tickte auf seinem Lauf das Ei des Ersten,
so hatte er das Ei gewonnen. Je mehr Spieler daran teilnahmen je spannender war
das Spiel. Für einen guten Läufer und zum Anspielen suchte man womöglich ein
ganz rundes mitteldickes Ei. Hat der zweite Spieler keinen guten Läufer und der
dritte, vierte und fünfte auch nicht, so waren sie arg im Nachteil. Ein ganz
geriebener Spieler suchte ein Ei mit spitzem Kopf und dickem Satz. War das Ei
über die Latten hinunter, drehte es sofort nach rechts oder nach links, demnach
wo der Schwerpunkt des Eies es hinzog. Vor allem mussten die Eier hart gekocht
und bunt gefärbt sein, sollte man ein sauberes Spiel spielen. Die Gewinnchancen
waren nicht allzu groß und Stunden lang wurde gespielt bis dass alle Eier verloren
oder vom vielen Ticken zerbrochen waren und nicht mehr liefen. Ein jeder
Spieler hatte das nötige Quantum in der Tasche oder in einem Körbchen. Alt und
Jung machte mit. Es war so ein kleines Dorffest. Die Pfingsttage ging es in den
Wald. In dem Wald da hörten wir schon als Kinder, wie man sagt, das Gras
wachsen und da wuchs nicht ein Halm Gras, das wir nicht mit Namen kannten. Das
Schneidgras, das Zittergras, der Lerchensporn, die Heide, die Einbeere, die
Himbeere, der Seidelbast u.s.w.. Alles was eine Frucht und Laub trug war mir
bekannt und wir schleckten wo etwas zu schlecken gab. Teils aus Hunger, teils
aus Wissensdrang.
Dann die kleine Dorfschule. Sie bot uns nicht viel und
doch zu viel was wir im Leben nicht verwenden konnten. Jedes Kind wusste wie
viel Kühe dass jeder im Dorf hatte ohne dem Schulmeister sein Zutun und hatte
einmal eine Sau geferkelt und sie hatte mehr als zwölf, wusste eine Stunde nach
dem Ferkeln das ganze Dorf Bescheid. Die Kuh, die am meisten Milch im Dorfe
gab, kannten wir alle und hatte ein Pferd den Pansen weh oder die Strengels so
wussten wir Kinder, das heilt der Pärdsklos sicher oder der Schinder vom
Nachbardorf. Hatte jemand einen Bienenstich oder eine Pflaume mit einer Biene
verschluckt bekam er einen Trunk von Sauermilch und im Handumdrehen war eine
Lehmauflage drauf, wenn der Stich äußerlich war. Der Schulmeister stammte
selbst aus einem kinderreichen
Elternhaus und verstand die Wünsche der Kinder im Handumdrehen. Wir
prüften seine Geduld und seine Nerven auf alle Art und Weise. Wir fingen
Mücken, ersäuften dieselben in den Tintenfässer, die in den Bänken angebracht
waren. Rollten Papierstreifen und warfen sie in alle Himmelsrichtungen im
Schulsaal, telefonierten durch ein altes Dachrohr aus einer Ecke des Saales zur
anderen. Wir ließen Schmetterlinge fliegen die wir auf dem Schulweg gefangen
hatten und sangen mit dem Lehrer, dass es eine Freude war. Begegneten er uns
auf der Dorfstrasse so grüßten wir laut und die Mütze ziehend: "Gelobt sei
Jesus Christus". In der Kinderlehre bei dem Herrn Pfarrer war es ein
Vergnügen. Dieser hatte so einen schönen Dackel der so schön Pfötchen geben
konnte. Etwas Süßes gab es für ihn, wenn er Männchen machte und die
Vorderpfoten zum Gebete zusammenlegte. Das war ein Lehrstück seines Meisters.
Die Bibel und der Katechismus wurden in der Religionsstunde herausgenommen und
dann wurden die Bilder erklärt. Etwas blieb immer in unserm Gedächtnis. Die
Bilderlosen Aufgaben erläuterte der Herr Pfarrer immer in Gleichnissen. Am Ende
der Stunde sangen wir das Lied: "Europa braucht Ruh, und wenn Europa Ruhe
braucht, so braucht Europa Ruh, Ruh, Ruh und wenn Europa Ruhe braucht, so
braucht Europa Ruh".
So vergingen meine Schuljahre ohne besonderes
Ereignis. Wir waren zu drei in der Klasse. Es waren zwei Jungen und ein
Mädchen. Das Mädchen war immer die Letzte in der Klasse, wurde aber im späteren
Leben eine tüchtige Hausfrau und die Lebensbegleiterin meines Bruders.
An den Donnerstagnachmittagen streiften wir durch Flur
und Wald zum Holzsammeln und auch zur Naturkunde. Oft machte uns der Bau eines
Dachses oder Fuchses zu schaffen. Wir krochen auf dem Boden, in den Boden, in
die Höhlen der Felsen und kletterten auf die Gipfel der Bäume. Alles was da
fleucht und kreucht wurde unter die Lupe genommen, was bei uns die Augenwaren.
Wir sahen mit unseren Augen mehr in einer Sekunde als der gelehrteste Professor
aus der Stadt an einem Tag. Diese konnte uns nicht einmal beim Anblick eines
Kuhfladens sagen, ob die Kuh mit Grün oder Dürrgras gefüttert wurde. Fragten
wir so einen Städter, mit so einer gelehrten Brille, er solle uns den
Unterschied sagen zwischen Buchweizen und Brotweizen, dann griff der Gelehrte
sich hinter die Ohren, wie wenn er eine Ohrfeige erhalten hätte! Die Kinder auf
dem Lande sind gescheiter in ihrer Art als die Städter. Wie lange brütet eine
Haustaube oder ein Hänfling, ein Rabe oder ein Stieglitz. Sind die Eier des
Zaunkönigs gefärbt oder nicht. Baut der Habicht sein Nest in eine Felsspalte
oder auf einen Schornstein? Fängt die Spitzmaus Fliegen oder frisst sie
Eidechsen? Der Salamander, ist das eine Froschart oder ein
Nachtschattengewächs? Ist die
Herbstzeitlose ein Zwiebelgewächs oder ein Laubbaum? Ja ihr Herren Schulräte
und Alleswisser. Das Leben fängt nicht bei der Atombombe an! Wenn du bei der
Kuh stehst, dann musst du wissen wohin du dich stellst, sonst haut sie dir eine
mit dem Knollen behangenen Schweif in die Veranda, dass du meinst die
Domglocken aus der Kathedrale würden dir ins Gesicht fallen oder der Merkur
oder Jupiter würden eine Polka tanzen.
Beim Viehhüten besprachen wir die Ereignisse im Dorfe,
knobelten neue „Spichten“ aus, um die Wespen zu vernichten, oder wie man die
Bremsen tötet, wie die Dasselfliege ihre Eier legt und aus diesem oder jenem
Buch.
Eine
Anekdote fällt mir eben ein.
Ein Mädchen aus dem Dorf hütete drei Kühe, eine braune
eine scheckige und eine schwarze an einem Seile. Zum Zeitvertreib sang sie das
Lied: "Mariechen saß weinend im Garten, im Grase da schlummert ihr Kind."
Wie wenn es müsste so sein, um den Hügel lag die Strasse und da kam der Herr
Pfarrer geschritten. Er hatte die Weise gelauscht, trat zum Mädchen und fragte
ob es die Fragen aus dem Katechismus auch so klar beantworten könnte, wie das
von ihr für sie so imposante Lied? Sie schwieg eine Weile, machte eine
verdutzte Miene und nickte mit dem Kopf. Der Herr Pfarrer stellte nun eine
Frage aus dem Katechismus: "Wie viel Personen sind in der Gottheit
vorhanden?" Das ging dem Mädchen über die Hutschnur. Sie musste gestehe,
das wusste sie nicht. Der gutmütige Pfarrer fing an zu erklären: "Du hast
wie- viele Kühe?". "Drei" antwortete sie. "Nun, in der
Gottheit sind auch drei Personen, Gott Vater, Gott der Sohn und Gott der
Heilige Geist, verhältst du das? Nehmen wir nun an Anna: die schwarze Kuh ist
Gott der Vater, die braune Gott der Sohn und die scheckige Gott der Heilige
Geist! Das verhältst du doch?" "Ganz gut Herr Pastor" sagte die
Anna. Der Herr Pfarrer ging seines Weges, nach etlichen tagen fügte es sich dass
die zwei sich wieder am Wege trafen. Die Anna hütete diesmal nur 2 Kühe. Als
der Herr Pfarrer in ihre Nähe kam rief sie ihm zu: "In der Gottheit sind
drei Personen. Gott Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Gott der
Heilige Geist ist aber heute nicht dabei der steht im Stall, der hat gestern
Abend ein Kälbchen bekommen." Der gutmütige Pfarrer lachte dass der Bauch
ihm wackelte und ging seines Weges. Ob die Anna es heute weiß?
So wuchs die Kindheit in die Reife, mit Scherz und
Humor, in Armut und Gesundheit. Ich als Jüngster von meinen Geschwistern hatte
oft die schwersten Arbeiten zu leisten. Ich musste vor dem Schulgehen am Morgen
die Kühe hüten, am Mittag nach der Schule meinem Vater die Suppe tragen und
nachmittags nach der Schule wieder die Kühe hüten. Mein Vater kaufte mir
gelegentlich eine Flöte. Ich nahm sie immer mit, wenn ich die Kühe hüten
musste, spielte alle Lieder die ich wusste auf meine Art. Eines Tages es war
furchtbar heiß und die Bremsen plagten das Vieh auf alle Art. Die Kühe schlugen
aus, peitschten mit dem Schwanz, stießen mit den Hörnern in den Boden und
wollten mir fortlaufen. Eine sprang einen Hügel hinunter, die anderen aber
blieben oben. Das Seil, womit ich dieselben festhielt hatte ich um den rechten
Arm gewickelt. Bei dem Sprung den die Kuh den Hügel hinunter tat, löste sich
das Seil nicht schnell genug und ich fiel hin und wurde von der Kuh den Hügel
hinunter geschleift. Alle Knöpfe meines Paletots waren ab. Ich geriet so in
Wut, dass ich mangels eines Stockes die Kuh mit der Flöte schlug. Schon beim
ersten Hieb, brach sie entzwei und mit diesem Ereignis war ich zwar ärmer an
Freude, aber reicher an Erfahrung. Mit Musikinstrumenten dressiert man keine
Kühe.
Oft durfte ich donnerstags nachmittags bei meinem
Vater bleiben. Er arbeitete damals in einer Steingrube. Hier gab es für mich
soviel Interessantes. Hier standen Werkzeuge, die oft der Traum eines Buben
sind: Pickel, Schaufel, Hebel in allen Größen, Schubkarren Holz zum
Brückenbauen und allerhand anderes Werkzeug. Alles was meine kleinen Hände
fassen konnten wurde probiert und gebraucht. Ich durfte mit einem großen
Schubkarren über die hohe Brücke Erde transportieren, mit einem Hebel Steine in
die Höhe zwingen. Pflastersteine zählen und vermessen. Verschiedene Größen
wurden da verhauen. Ich transportierte sie von einer Stelle zur andern mit dem
Schubkarren, Mein Vater wettete dann mit mir wie viel Steine dass ich aufladen
konnte. Im Anfang fünf oder sechs, später als ich größer war lud ich fünfunddreißig.
Format 10 x 15cm. Eine beachtliche Leistung die kein Bube in meinem Alter mir
nachmachte. Mein Vater zeigt mir auch die Vögel, die in einer Steingrube
brüten. Ich lernte auch ihren Gesang und ihr Gefieder kennen, suchte die
Neststellen ab und war stolz, wenn eine Bachstelze, ein Rotschwanz oder eine
Steinlerche, eine Goldammer oder sogar eine Amsel ihre Brut hoch bekam. Ich
beobachtete sie beim Füttern der Jungen. Wenn ich im Walde oder irgendwo eine
Vogelfeder fand, musste ich meinem Vater verraten welcher Vogel sie getragen
hat Oft hatte ich auch mein Vergnügen mit Eidechsen, Feuersalamander und
Molchen, Unken und Fröschen, die zahlreich in einem Steinbruch anzutreffen
sind. Der Steinbruch war ein Menschenleben in Betrieb und da gab es Gräben,
Pfützen, Spalten und Löcher die voll Wasser standen. Erde und Gestein die durch
die Zeit mit Moos und anderen Pflanzen bewachsen waren. Es war wie in einem
Urwald. Die Fortsetzung, wo die Ausbeute der Grube noch in ihrem Urzustande
war, bestand aus Mischwald mit viel Untergehölz, wie Faulbaum, Vogelbeeren,
wilder Holunder, Heidekraut, Heidelbeeren, Erdbeeren, Adlerfarn, Walddistel,
Ziest, Wacholder, hie und da eine Buche auf altem bemoosten Stock. In dieses
Unterholz hatte der Waldförster Schneisen ausgehauen um den Durchgang zu
erleichtern. Ich beobachtete auch einmal wie er einen Krammettsvogel da fing.
Ich lief zu ihm. Ja, da hingen mehrere an einem Strick. Aus Faulbaum und
Pferdehaaren hatte der Förster Vogelschlingen angefertigt und in Abständen bis
in die Schneisen aufgehängt. Er erzählte mir die Krammettvögel ziehen immer
fort, sie seien Zugvögel und für die Landwirtschaft schädlich. Der Fang sei
gesetzlich erlaubt. Doch es gäben auch Diebe die ihm die Vögel aus der Schlinge
stehlen täten. Ich glaubte es nicht gerne doch da zeigte er mir einen
Baummarder den er eben gefangen hatte. Auch seien die Wildkatzen oder die
Raubvögel, wie Elster und Habicht eifrige Diebe. Das betreten dieses Waldbodens
war gefährlich wegen der Schlangenbisse, denen man ausgesetzt war. Doch die
Vogelwelt in diesem Walde war ein besonderer Reiz für mich und auf alle
mögliche Art und Weise suchte ich sie kennen zu lernen.
Hier im Grase, Farn und Moos brüteten die Schnepfen,
Birkenhühner, Drosseln, Rotkehlchen, Eichelhäher und Turteltauben auf alten
Birken und Tannen, Eulen in Felslöchern. Habicht und Mäusebussard auf hohen
Stämmen. Überall spähte mein Auge. Grünfrösche (Laubfrösche, Anm. HR), spukten
mir ins Gesicht, wenn ich den Wald durchstreifte. Sie sitzen auf einem Aste auf
dem grünen Laub und lauern auf Mücken, In der Nähe der Grube waren auch zwei
Moore. Die Frösche im Moos sangen mir zu herrlich. An den Maiabenden hörte man
sie stundenweit. "Marx, Marx, ist der Vetter zu Haus? Nein, nein er ist
mit den Kühen aus.“ Das war so ungefähr der Text ihrer Lieder in Alt und
Basston. Mit nackten Füssen durchstreifte ich oft im Sommer die Moore in allen
Richtungen. Blutegel hingen an meinen nackten Beinen, wenn ich aus dem Moor
herauskam. Dort im hohen Schilf nisteten die Wildenten und der Fischreiher. Oh
welch eine Freude war es für mich, wenn ich von meinen Streifzügen nur
erhaschte was mein Wissen bereichern konnte. Wenn es auch nur eine Holzmade
war, eine Libelle oder ein Heupferdchen. War das Wetter zu schlecht krochen wir
in eine Felsspalte, machten Feuer und brieten Weinbergschnecken in den
glühenden Kohlen und verspeisten sie mit Hochgenuss. Gelbe Schnecken wurden von
Leuten gegessen die an Asthma oder an Gelbsucht litten. Der Wissensdrang bei
uns Kinder auf dem Lande war unersättlich. Wir wollten jedes Kraut und jedes
Unkraut mit Namen kennen. Was wo, wohin, woher mit welchen Mitteln. Wie, das
galt bei jeder Frage. Mein Vater war ein weiser Mann. Er wartete nicht, bis man
ihn frug. Er erklärte jedes Ding bis ins kleinste. Z.B. die Fortpflanzung des
Schöllkrautes durch die Ameisen, den Unterschied zwischen Mistel und Mispel,
zwischen Tollkirsche und Einbeere. Wie alt die Faulbaumrinde sein muss um als
Teepflanze gelten zu dürfen und wann der Kuckuck seine Eier ausbrütet. Wann der
Dachs seinen Winterschlaf beginnt und wo der Siebenschläfer seine Jungen hat.
Er war ein wanderndes Buch mit viel Wissen und Erfahrung. So vergingen die
Jahre.
In
meinem ersten Beruf war ich Knecht.
Ich sagte mit zwölf Jahren der Schule Ade und ging nach
C. zu einem Bauern in Verding. Mein Monatslohn waren 10 Mark. Als Gesinde waren
da ein Großknecht im Pferdestall mit fünf Pferden, ein Schweizer und ich im
Kuhstall mit achtzehn Milchkühen und fünfundsechzig Schweinen im Schweinestall.
Außerdem eine Magd zum Melken der Kühe und zur Hausarbeit und ein Brenner in
einer Branntweinbrennerei. Die Abfälle der Brennerei galten als Mastfutter für
Vieh und Schwein. Ich schlief in der Gesindekammer mit dem Schweizer, dem
Großknecht und dem Brenner zusammen.
Auf dem Gehöft wimmelte es von Ratten. Ich lernte das
Fürchten. Wenn ich abends in den Stall musste, oder auf die Futterkammer und
die Ratten mir dutzendweise entgegen kam, war es für mich ein Grausen. Mit
langen Stangen gingen wir abends auf die Biesterjagd und oft geschah, dass die
Ratten uns angriffen, anstatt wir sie. Sie sprangen gegen uns, auf den Kopf,
liefen uns am Körper entlang. Ich war erst zwölf Jahre alt und noch nicht so
stark, dass ich mir der Hand eine Ratte tot drücken konnte. Eine Maus schon,
aber noch keine Ratte. Meine mit Malz und Milch besudelten Kleider, die ich
abends an die Bettstelle hängte, war oft der Nachtisch für die hungernden
Biester. Der Schweizer, ein alter Mann in den sechziger Jahren, war gegen alle
Furcht gefeit. Er roch immer stark nach Vorschuss. Wenn er oft stundenlang
abwesend war und ich nach ihm suchen ging, fand ich ihn am ersten im
Kartoffelkeller, denn von diesem gelang man in den Weinkeller der Herrschaft
und in den Lagerkeller der Brennerei. Hier fand ich ihn oft, sehr oft schlafend
und nach Fusel riechend. Das war seine schwache Seite, der Branntwein! Er hatte
sonst keinen Anhang von Familie und er lebte sein eigenes Leben. Das war ein
großer Nachteil für mich, die viele Arbeit mit dem Vieh, die musste gemacht werden.
Wenn er auf der Strecke lag, besoffen wie ein Loch und es ans Füttern ging,
Junge, Junge dann musste ich mich sputen. Fünfundsechzig Schweine, jedes einen
Eimer Nahrung, achtzehn Kühe, jede zwei Eimer Schlempe ohne das Dürrfutter.
Mensch, spute dich. Mit einem großen Fass fuhr ich das Futter bis vor die
Stalltür, schüttete den Fraß in die Tröge. Die hungrigen Schweine schrieen in
allen Tonarten, kletterten an den Stallwänden hoch, streckten die Köpfe über
die Wände und heulten nur so bis dass der Trog gefüllt war und das Fressen los
ging. Wir hatten so ein Dutzend Eber in der Mast liegen, die gemütlich ihre
sechs Zentner wogen. Wenn ich einen nach dem andern in den Hof lies um sich
reinigen zu können, musste ich immer eine lange Stange haben und sie fest im
Auge behalten, damit ich, wenn sie Lust hatten anzugreifen, sofort Ihnen einen
Stoss an die Kinnbacken gab. Das Einstallen war oft eine richtige Kampfszene.
Ich war ja nur ein Bube, aber ich musste und wusste mich immer meiner Haut zu
wehren. Der alte Suff dem war es egal, er fragte nicht, hat das Vieh seinen
Teil oder nicht. Er war ja satt, das war das Wichtigste. Ich blieb ein Jahr auf
dieser Stelle. Oft wollte ich fortlaufen, aber es galt als eine Schande für den
Knecht und das Haus, wenn ein Gesinde nicht sein volles Jahr machte. Von
Weihnachten zu Weihnachten. Also, am Stephanstag war Stellenwechsel. Ich
kassierte noch ein paar Mark ein und trabte dem Ausgang des Dorfes zu. Meine
Waschfrau, die Frau des Dorfhirten, begleitete mich ein Stück Weges im Glauben
noch ein paar Sous zu erhaschen, außer der Reihe. Aber ich wollte meinem Vater
zeigen dass ich etwas im Jahr gespart hatte. So kam ich schmutzig bekleidet,
nach Hause. Die Schuhe waren nicht mehr einwandfrei. Sie mussten durch neue
ersetzt werden. Am anderen Tag sollte ich eine neue Stelle beziehen. Ich packte
die Kiste und zog aus.
Das Haus in das ich einzog lag längs des Dorfweges, in
Colbett. Es war ein altes Bauernhaus mit Dependenzen. Auf der Strasse gegenüber
lagen der Pferdestall und der Geräteschuppen mit dem Backhaus. Ein großer
Haufen Mist lag vor dem Hause und wartete auf die Wegfuhr. So um Neujahr sind
die Felder oft nass und dreckig und da bleibt das Gespann im Hof. Ich stieg
eine hohe Haustreppe hinauf, drückte die Türklingel und trat auf den Flur.
Alles altmodisch. Die Wände weiß getüncht. Ein schmaler Streifen überlängs den
Steinplatten war pechschwarz. Der Flur durchschnitt das Haus in der Mitte und
landete in der Küche. Rechts im Flur eine Zimmertür und das Treppenhaus um in
das Oberhaus zu steigen. In der Küche links um die Ecke, führte eine Tür in die
Wohnstube, die sehr groß war und aus der Stube führte noch eine Tür in eine
Kammer. Der Meister des Hauses, der mich im Hausflur empfing, führte mich
zuerst in die Dienstbotenkammer, die rechts des Hausflures auf gleicher Höhe
lag. Ich durfte mein Gepäck ablegen und dann machte er mich mit den
Hausinsassen bekannt. Da waren Urahne, Großmutter, Mutter und sechs Kinder.
Drei Mädchen und drei Buben: die Schwester der Mutter, der Vater der Mutter,
der Hausherr oder Vater der Kinder und ich. Zusammen dreizehn. Komische Zahl,
aber der vierzehnte Kostgänger war unterwegs. Die Tradition des Hauses war
streng katholisch. Man hörte selten ein lautes Wort im Hause und im Gehöft. Der
Viehbestand richtete sich nach dem Ackerland das so um zwanzig Hektar lag. Der
alte Herr im Haus gab seine Ratschläge und diese wurden meistens so ausgeführt,
wie befohlen. Der junge Herr kam von außen, was ich gleich feststellte. Die
Familienfeste in diesem Hause waren für mich sehr interessant. Es wurde ein
Ochse geschlachtet und ein Schwein. Es wurde gekocht und gebraten und am
Festtage selbst strömten Gäste aus der Familie, vom Enkel bis zum Urenkel, vom
Kind bis Kindeskind herbei. Von Nommern, von Gladbach, von Bech von Berburg Von
Hemsthal, von Olingen mit Kutsche und Pferd, mit Frau und Kind kamen sie. Es
wurde gemeinsam vor Tische gebetet dann ging es ans Essen. Zähle die Häupter
aller Lieben, siebenzig, achtzig, ja wie viel waren es und wenn der Tisch, der
zum Bersten beladen war, leer war, dann war es Dienstag oder Mittwoch und die
Gäste waren wieder alle abgereist. Wenn man sich dann unter den Rauchfang
stellte konnte man wieder das Blaue des Himmels sehen. Die Würste und Schinken
hatten sich getrennt. Wohin waren die meisten? Die abziehenden Gäste mussten
jeder einen großen Kuchen mit nach Hause nehmen, für die, die nicht mitkommen
konnten. Wie viele Feste waren es so? Kindtaufe, Kommunion, Sterbefall,
Kirchweih, Erntedankfest und so weiter. Der alte Herr im Hause in den Siebziger
Jahren damals, war der Bauer vom Scheitel bis zur Sohle. Bei diesem und von
diesem lernte ich das Mähen, die Sense wetzen und Dengeln, den Mist verteilen
auf dem Acker, dass jede Scholle ihren Mist bekam, die Fütterung des Viehs mit
Maß und Gewicht. Er war die Seele der Familie und als Ratgeber bei Krankheiten
des Viehs, weit und breit bekannt. In diesem Haus verbrachte ich nun ein Jahr
ohne nennenswerten Zwischenfall. Ich schnürte das Bündel und zog zu Weihnachten
wieder nach Hause. Ich sollte nun ein Handwerk erlernen. Mein Vater war von
Beruf Anstreicher, Tapezierer, Gipser und Steinmetzen. Er übte all diese Berufe
der Jahreszeit gemäss aus. Im Winter war er Steinmetzen, Steingrubenarbeiter.
Im Sommer Anstreicher und alles andere. Auch Landwirt oder Kleinbauer zur
Schaffung des täglichen Brotes und der Milch für uns Kinder. Die älteste
Schwester war in der Zwischenzeit verheiratet und hatte im Nachbarsdorf eine Familie
gegründet. Die Zweitälteste auch schon und die Dritte war zu Hause. Sie führte
die Wirtschaft. Später verließ sie das Elternhaus auf eine mir unbekannte Weise
und lebte in fremdem Land. Ihr Schicksal ist mir nicht bekannt. Die Brüder
standen auch in fremden Diensten bis auf den Ältesten. Es war eine Notzeit im
Elternhaus. Ich wollte das Handwerk des Vaters als Anstreicher erlernen, zog
wieder von Hause fort nach einem Dorfe namens Crauthem. Der Meister, bei dem
ich lernen sollte, war halb Landwirt, halb Holzhauer und was noch, aber
Anstreicher! Ja, aber nur im Sommer. Ich half im Walde Stöcke ausheben. Ich
verwundete mich an einer Hand, konnte monatelang nicht arbeiten und dann suchte
ich mir eine andere Stelle. Ich lernte schnell und mein Meister war sehr
zufrieden mit mir. Im Winter musste ich wieder nach Hause wegen Mangel an
Arbeit. Im Frühjahr trat ich wieder bei einem anderen Meister ein. Es dauerte
ein paar Jahre, dann wollte es das Schicksal, dass der Meister mich entliess.
Ich hatte Unglück mit einer Kulissenleiter. Sie rutschte mir über die
Dachrinne, zerschlug eine Doppeltreppe, die unter der Leiter stand und schlug
während dem Fallen verschiedene Sprossen kaputt und ein großer Topf mit Ölfarbe
spritzte über die farbig getünchte Fassade und verursachte Kleckse überall.
Eine Mehrarbeit die nicht zu bezahlen war. Resultat! Auf der Stelle musste ich
meine Arbeit verlassen. Ich ging noch ein paar Tage mit dem Vater des Meisters.
Dieser war auch Anstreicher. Es ging aber nicht, denn die Leute hatten nun
keine Schlafgelegenheit mehr. Ich schlief immer mit dem Meister in einem Bett.
Er war mir aber zum Todfeind geworden und ich musste das Haus verlassen.
Es war im Jahr 1916. Im ersten Weltkrieg. Arbeit! Ja
Arbeit! Wir wurden alle wieder ärmer und vom Handwerker zum Tagelöhner und wie
ich schon eingangs erwähnte, der Mann für alles. Was nur Arbeit hiess wurde
übernommen. Mähen, Dreschen, Holzschneiden, Waldarbeiten, Straßenarbeiten,
Weinbergarbeiten, Lohschleissen und was es alles noch gab. Der Hunger machte
sich fühlbar. Alle Lebensmittel waren rationiert. Woher nehmen und nicht
stehlen? Wir rodeten einen Hektar Wald, säten darin Heidekorn. Im Herbst bei
der Ernte, war die Not gebrochen. Wir aßen jeden Tag Heidekornmehlklösse
(Sterzelen) wir sparten das Mehl und die Kartoffeln. Ja, einen Winter hielt ich
aus, dann zog ich weiter ins Ösling zu einem Grossbauern mit 375 Hektar Land.
Da gab es Arbeit in Hülle und Fülle. Große Lohhecken, große Obstgärten. Das war
nur ein Teil, das andere war die Landwirtschaft. Ich muss unbedingt diesen Mann
schildern. Er war Großkapitalist. Er war zugleich Wirt, Gemeindeeinnehmer,
Kohlenhändler, Baumaterialienhändler, Bahnhofsvorsteher, Immobilienhändler und
Landwirt mit so einem großen Areal Wald, Wiesen und Felder. Er stand in den
vierziger Jahren und hatte eine Frau mit sechs Kindern wovon das älteste
Mädchen 21 Jahre und der jüngste Sohn 5 Jahre alt waren. 2 Mädchen und 4
Knaben. Der älteste Knabe hatte zu der Zeit wo ich da war, neunzehn Jahre. Es
war im Jahr 1917. In diesem Jahr starb auch mein guter Vater an unheilbarer
Nierenentzündung Mein weiteres Schicksal sollte sich in diesem Jahr
entscheiden. Der Krieg schlug überall schwere Wunden und die Arbeit wurde wegen
Mangel an Rohmaterial immer spärlicher. Es kam die Armut und dabei die
Arbeitslosigkeit. Mit 19 Jahren ist man so ein wenig aus den Kinderschuhen
heraus und man überlegt wie, wo, wo und auf welche Weise eine
Existenzmöglichkeit in Aussicht ist. Einige rieten mir, das Handwerk hätte
goldenen Boden, Ja aber wie viele Handwerker hatten den Pinsel auf die Mansarde
gelegt oder verlegten sich auf Bildmalerei nicht nur zum Zeitvertreib. Aber
wenn Mangel in der Haushaltskasse war, wurde die Schippe in die Hand genommen
und man arbeitete als Straßenarbeiter. Ein Bruder meines früheren Meisters war
Militär. Dieser riet mir die Militärlaufbahn zu ergreifen. Die Freiwilligen
Kompanie in der Heimat Luxemburg zählte damals zweihundertfünfzig Mann und eine
Beförderungsmöglichkeit in der Kompanie war wie ein Zwirnfaden, wo man kein
Ende sah. Aber eines war doch interessant, man war von der Strasse, bekam die
nötigen Kleider und Essen und das war in der armen Zeit ein großer Vorteil.
Mein Herr Bauer, dem ich von meinem Vorhaben unterrichtete stimmte mir bei, stellte
mir ein schönes Führungszeugnis aus und am 14. Januar 1918 wurde ich unter die
Fahne gerufen.
Eine Aufnahme in die Freiwilligen Kompanie galt zu der
Zeit als eine besondere Ehre, denn das Strafregister musste blank sein. Die Führung
tadellos, gesundheitlich ohne Makel, eine vorgeschriebene Größe von 1,65 m
musste stimmen. Ich war Vollwaise und stand unter Aufsicht eines Leumundes,
wegen meiner Minderjährigkeit. Ich achtete nicht darauf. Ich setzte mir nun
einmal in den Kopf: "Hier heißt es aushalten und folgsam sein bis zur
letzten Konsequenz. Die Ausbildungszeit dauerte 6 bis 8 Wochen. Ich bestand
dieselbe tadellos und wurde am 1. Mai schon in die Gendarmerie detaschiert, von
wo ich jedoch bereits nach 10 Tagen wegen 4 Tagen strengen Arrests zurück in
die Kaserne musste. Die Obrigkeit der Gendarmerie hatte in meinen Augen viel an
Respekt verloren. Ich musste diese Strafe unschuldig und ohne Entschuldigung
hinnehmen. Bloß weil ich dem Herrn Wachtmeister nicht
Folge geleistet hatte als er mir einmal den Auftrag gab 4 Korden Buchenholz zu
schneiden und klein zu machen. Er konnte und durfte mich nicht dazu zwingen. Er
konnte mich nur wegen einer Tat anzeigen, die ich getan haben könnte und wo ich
ohne Zeugen war. Er kontrollierte einen Dienstgang bei Nacht. Als ich meinen
Dienstgang zu Ende führte und durch Unterschrift im Büro bescheinigen wollte,
legte er mir die Anzeige vor Augen. Ich kannte das Resultat im Voraus.
Sofortige Ablösung mit 4-tägigem strengem Arrest.
Bei meiner Rückkehr in die Kaserne, ließ mich der Herr
Hauptmann rufen und gab mir einen gehörigen Rüffel. Ich saß meine Strafe ab
ohne Widerrede. In der Kaserne war ich ein vorbildlicher Soldat nach dem Urteil
meiner Vorgesetzten. Nach etlichen Monaten kam ich wieder zur Grenze und zwar
nach Bollendorf. Der Zweck dieser Grenzwoche bestand in der Überwachung der
Wehrmachtsangehörigen, die über die Grenze gingen und Lebensmittel mit ins
Reich schleppten. Die Anordnung gab der für Luxemburg zuständige Oberheerführer
Tessmas, zurzeit in der Stadt Luxemburg im Hauptquartier. Der Krieg trieb noch
immer sein Unwesen und die Luft dröhnte vom Grollen der krepierenden Granaten,
aus der Frontlinie im nahen Frankreich. Die Deutschen versuchten mit allen
Mitteln die Front zu durchbrechen aber glücklicherweise hielt die Festung
Verdun stand. Ein moderne Waffe zu der Zeit waren die dicke Berta und der
schlanke Heinrich. Es waren Kanonen mit langen Schussrohren, deren Schussweite
bis 80 Kilometer betrug. Paris als Hauptsstadt von Frankreich stand ja sogar
zeitweilig unter dem Feuer dieser Geschosse. Die Stadt Luxemburg und sein Land
lagen nur in der Besatzungszone und wurde sonst nicht viel von den Truppen
belästigt. Die Lebensmittelversorgung, die die große Frage war, lag in den
Händen des Ernährungsministers und die geheime Polizei hatte die Aufsicht über
die Ablieferungspflichten der Produzenten. Mancher Bauer musste Strafen
bezahlen wegen Unterlassung seiner Pflichten und mancher Hamsterer wurde neben
seinem Geld auch noch seiner gehamsterten Ware entledigt. Ablieferungszwang
bestand für Kartoffeln, Obst und Getreide. Die Hamsterei stand in voller Blüte.
Mangelwaren wie Karbid, Petroleum, Zwirn, Leder und Wolle waren die
begehrtesten Tauschmittel und bei den Bauern eine große Mangelware. Damals war
die Elektrizität noch in den Kinderschuhen. Beförderungsmittel gab es nur auf
der Eisenbahn und mit den Fahrrädern. Autos gab es sehr selten. Erstens wegen
der hohen Anschaffungskosten und zweitens wegen Benzin und Ölmangel. In den
Küchen gab es auch kein Speiseöl. Der Salat wurde mit Rahm oder saurer Milch
zubereitet. Der Import lag im ganzen Land lahm und exportieren konnte das Land
nur Minette. Selbst diese wurde noch fast alle im Lande verhüttet. Alles für
die deutsche Wehrmacht. Das gab den Franzosen Anlass unsere Hüttenwerke zu
zerstören und sie mit Fliegerbomben zu belegen. Es gelang aber nicht, denn die
Fliegerei war damals nur erst im Anfangsstadium ihrer Entwicklung.
Einmannkampfflugzeuge gab es, nur ab und zu sah man einen Doppeldecker mit zwei
Mann Besatzung. Die Flughöhe war auch nicht bedeutend, so dass man mit dem
bloßen Auge noch unterscheiden konnte welcher Nationalität es war.
Fliegerbomben fielen in Esch an der Alzette und in Clausen bei Luxemburg. Diese
waren für die Clausenerbrück bestimmt, fielen aber in die Häuser und auf den
freien Platz in Clausen. Es gab einige Tote und Häuserschaden. Die Aussichten
des Kriegsendes wurden von Monat zu Monat besser. Jedermann glaubte nicht, dass
ein neuer Winter noch vor Kriegsende eintreten könnte. Die Not war groß und das
Volk kriegsmüde. Die Brotration, die nur noch 200 Gramm betrug, war nicht genug
zum Leben. Feldbohnen mussten gemahlen und das Mehl zu Brot verbacken werden.
Das Brot war schwarz und lehmig. Viele Leute wurden krank wegen Vitaminmangel.
Im Oktober 1918 ging ich zurück in die Kaserne. Grosse Ereignisse standen
bevor. Die Truppen im deutschen Heer verweigerten den Gehorsam und wollten
nicht mehr zur Front. Die blieben im Etappengebiet und viele streikten schon.
Am 1. November brach die Front zusammen und die Deutschen rückten zurück in die
Heimat. Der geordnete Rückmarsch begann. Zerlumpt und abgemagert zerschunden
und gebrochen, so zog die einst so eingebildet stolze Armee durch alle Dörfer
des Landes, der Our, der Sauer und der Mosel zu und hinter ihnen die
siegreichen, Franzosen, Amerikaner, Kanadier und Engländer. Sie nannten sich die Alliierten. Beim
Einmarsch in die Hauptstadt Luxemburg kannte der Jubel des Volkes keine
Grenzen. Bei Merl liefen sie den Franzosen entgegen. Wir Soldaten wurden sofort
im Lande auf die größeren Dörfer detachiert um den Rückzug der Deutschen zu
überwachen, denn es kam oft zu Schlägereien und Diebstählen. Ich war zu dieser
Zeit in Roodt an der Syr. Einmal wurde ich in ein Bauernhaus gerufen, wo die
Deutschen Soldaten ihre Pferde in eine Scheune eingestallt hatten, ohne den
Willen des Eigentümers. Die Pferde fraßen alles was zu fressen war und nach
kurzer Zeit hatte der Eigentümer einen enormen Schaden. Ich verwies die
Deutschen aus der Scheune heraus und machte sie für den Schaden verantwortlich.
Ob sie bezahlt haben entzieht sich meiner Kenntnisse, denn ein paar Tage
später, rückte ich wieder in die Kaserne ein. Ich wurde dann nach
Untereisenbach detachiert, wo wir das Überwachen des Geldhandels übernahmen.
Das deutsche Geld, das im Lande zirkulierte wurde eingezogen und durch
Luxemburger Währung ersetzt. Das deutsche Silbergeld 1/2 Mark, 1 Mark, 5 Mark
wurde in der Luxemburger Sparkasse in Säcke
gesammelt und abgeliefert. Das deutsche Goldgeld blieb noch in Währung,
war aber nirgends mehr zu sehen. Im ganzen Land und bis an den Rhein standen
die alliierten Truppen. Im politischen Leben unseres Landes sollte auch eine
Änderung eintreten. Die Großherzogin Marie-Adelheid soll während des Krieges mit
den Deutschen geliebäugelt haben, sogar der deutsche Kaiser soll bei ihr zu
Besuch gewesen sein? Die Sozialisten und die Liberalen des Landes kneteten aus
diesem Ereignis ein Verbrechen und sie wollten vor allem die Absetzung der
Herrscherin. Um diesen Gedanken ausführen zu können musste zuerst
Unzufriedenheit unter das Volk gebracht werden. Einige Abgeordnete kaperten
sich Militärpersonen und sprachen ihnen vom fremden Militär, von dem hohen Lohn
in der alliierten Armee, von dem verbesserten Drill gegenüber dem deutschen,
von der freien Zeit und dem Sport in der Kaserne u.s.w. Die Militärpersonen
hörten sich andächtig diese interessanten Dinge an und ein Feldwebel wollte die
Idee in der Kaserne in die Tat umsetzen. Flugzettel wurden gedruckt und verteilt.
Es wurde zum Streik aufgerufen. Die Militärkommandantur ließ den Feldwebel
verhaften und einsperren. Es entstand ein Tumult ohne gleichen. Die Soldaten,
denen die Flugzettel so schöne Versprechen machten, bliesen Sturm und befreiten
den Feldwebel aus seinem Kerker. Ein Soldatenrat wurde eingesetzt, enthob die
Offiziere ihres Amtes und sandte eine Delegation mit ihren Forderungen an die
Regierung. Nach kurzem Beraten wurde eine Verbesserung der Militärlage
versprochen. Zuerst aber sollte jedoch eine Volksbefragung stattfinden. Das
Volk stand den Forderungen sympathisch gegenüber und eine Kollekte sorgte für
die Finanzierung des ganzen Vorhabens. Wie gesagt die Sozialisten und Liberalen
in der Kammer nutzen diese Gelegenheit aus und luden die ganze Geschichte auf
die politische Karre. Der Sturz der Herrscherin sollte stattfinden und damit
soll die ganze Geschichte in den Soldatenkrisen zusammenhängen. Sie maßten sich
sogar an, die Politik so weit zu treiben und die Republik auszurufen. Die
Gendarmerie die anfangs der Revolte mit den Militärs solidarisch war, zog sich
nun in den Hintergrund und legte alle Verantwortung für ein solches Vorgehen
ab. Somit zwangen sie die Soldaten zu kapitulieren und sie verhafteten sogar
die Rädelsführer. Ein schweres Fiasko für die Soldaten aber eine schäbige
Réussite für die Herren Deputierten. Die Soldaten die an der Grenze standen,
erklärten sich natürlich auf einem Fragbogen solidarisch mit den Forderungen
des Soldatenrates, wurden also auch solidarisch mit diesen entlassen. Die
Klerikalen im Lande, sogar einige Würdenträger riefen die Bauern auf, die
Soldaten mit Gabel und Rechen zum Dorf hinaus zu jagen. Sie seien Bolschewiken
und Revolutionäre. Die Stimmung im Lande stand auf höchster Tour. Es siegte
jedoch der Verstand. Die Freiwilligenkompanie in Luxemburg wurde aufgelöst und
die französische Militärbesatzung rückte in die Kaserne ein. Ein Möbelwagen der
Firma Reuss, Spediteur in Luxemburg beförderte die entlassenen Soldaten bis zum
Bahnhof, wo diese in verschiedene Zugrichtungen verschwanden. Beim Transport
aus der Stadt erscholl das Lied: " Mus i denn Mus i denn, zum Städtle
hinaus, und du mein Schatz bleibst hier."
Nachfolgendes Dokument stammt aus dem
Abrechnungsbuch von Regenwetter Albert Heinrich,
Soldat 1. Klasse.
Grossherzoglich-Luxemburgisches
Gendarmen- u. Freiwilligen-Korps
Freiwilligen
Kompagnie.
Diese Eintragung war eine Diskriminierung
sondergleichen. Das Soldbuch war von 1918 bis 1930 im Gebrauch und jedermann
konnte die ungeheure Anschuldigung lesen und sich dabei denken was er wollte.
Wie aus den Memoiren ersichtlich hatte Albert Regenwetter absolut nichts mit
dieser Sache zu tun. Er wurde als „Mitgegangen, Mitgehangen“ abgefertigt. Aus
heutiger Sicht eine für den Staat und seine Dienststellen beschämende
Angelegenheit.
(Anmerkung von HR)
Die Politik, ja die Politik im Lande missbrauchte ein
Häuflein Soldaten um zu ihrem Ziel zu kommen. Das Resultat war schäbig und ein
Hohn auf die Herren Abgeordneten der damaligen Zeit, die allein Schuld daran
trugen.
Ich bin wieder zu Hause und mittellos. Wir schreiben
Januar 1919. Die gebratenen Äpfel sind alle und überall schaut ein Hasser einem
in die Augen. Ja, dieser war auch Revolutionär. Ja, so stet es in allen Akten.
Aus der freiwilligen Kompanie am 15. Januar 1919 entlassen, weil die
Freiwilligenkompanie ihr Engagement durch schwere Insubordination und
revolutionäre Umtriebe gebrochen hat! Wer gibt einem solch verkommenen Menschen
noch Arbeit? Ja, tags zuvor noch stand ich in Untereisenbach auf der Brücke im
Staatsdienst als treuer Landsmann und heute? Ja, wer war Schuld an diesem
Fiasko? Bücher wurden über diese Geschichte geschrieben, aber nirgendwo steht
das mea culpa.
In dieser schweren Zeit des Kriegsendes, des Umsturzes
und der Arbeitslosigkeit erreichte mich eine Nachricht von meinem früheren
Meister. Dem Großgrundbesitzer und homme à tout faire. Ihm starben in einem
Zeitraum von 14 Tagen fünf Kinder an einer unbekannten Krankheit. Wer kann
soviel Leid ertragen? Das ganze Streben dieses Mannes galt nur den Kindern eine
Existenz zu schaffen und ihnen ein schönes Leben zu bereiten. Aber der Mensch
denkt und Gott lenkt! Was da nicht alles genörgelt und gesprochen wurde. Manche
Leute erzählten von den Sünden der Väter, wie ein Mann als Jüngling bei einem
Grossbauer um die Hand seiner Tochter anhielt. Der Jüngling, ein Schuster von
Beruf, fand bei dem Bauer jedoch kein Gehör! Der Bauer jagte ihn vor die Tür
mit der Bemerkung er sei nicht im Stand eine Frau zu ernähren viel weniger noch
eine Familie zu gründen.
Der Jüngling geriet in Wut und erwiderter: "Gut,
Meister, ich gehe jetzt fort in die Fremde und wenn ich zurückkomme und ihr
seid noch am Leben, werde ich euch mit meinem Golde totschlagen, wenn ihr mir
die Tochter nicht gebet." Ohne Gruß schritt er fürbass. Im Dorf erzählt
man, der Hannes ist von Hause fort und keiner weiß wohin. Andere wussten mehr
und sagten: " Er ist über den großen Pull." Damals bestand das
Ausreisefieber im Lande. Es mag um die fünfziger Jahre gewesen sein. Alles
wollte nach Kalifornien in die Goldgruben arbeiten gehen. Viele Leute reisten
oder wanderten aus der Heimat ins Ungewisse. Auch unser Hannes soll dabei
gewesen sein.
Nach etlichen Jahren kam er als steinreicher Mann
zurück und ging zum Bauer um das Mädchen zu holen. In der Stube angekommen,
schlug er mit dem Goldsack auf den Tisch dass es nur so krachte und der Bauer
war ganz paff. Er hatte noch nie soviel Geld beisammen gesehen. Er klopfte dem
Hannes auf die Schulter und sprach: "So ist es gut, ich hatte nicht
gedacht, dass du so ein tüchtiger Junge seiest. Ich gebe und vertraue dir meine
Tochter an und wünsch euch beiden viel Glück und Segen."
Aus dieser Ehe soll nur ein Kind geboren sein und
dieser war der Vater der fünf so unerklärlich verstorbenen Kinder. Nur der
Jüngste überlebte seine Eltern und Geschwister. Sogar dieser hatte nicht viel
Glück, denn auch er wurde als Jüngling operiert. In den Sagen der Alten
Vorfahren liegt oft Wahrheit. War der Hannes einwandfrei zu seinem Vermögen
gekommen? Ich will das Schicksal einer ehrbaren Familie nicht angreifen. Ich
war und bin des Lobes voll, vor solchem Leid und solcher Energie. Die Nachricht
machte mich wochenlang traurig, obschon meine persönlichen Ereignisse mir Leid
verursachten. Es war kein Vergleich zu diesem Schicksalsschlag. Diese
Erinnerung will mein ganzes Leben nicht aus meinem Gedächtnis. Ich habe sie
alle so gut gekannt. Alle waren so gut zu mir gewesen. Ich konnte mein eigenes
Elend eine Zeitlang vergessen. In meinem Elternhaus waren fünf Amerikaner im
Quartier. Ich hatte nun Gelegenheit amerikanisch zu lernen. Das Soldatenleben
in der Armee interessierte mich sehr stark. Ich durfte die Gewehre in
Augenschein nehmen. Machte den Yankees, wie sie genannt wurden, Gewehrgriffe
vor, machte Gewehr über, präsentierte, nahm Gewehr bei Fuß, legte zum Zielen an
u.s.w. Ich gewann ein großes Zutrauen bei den Soldaten. Ich durfte sogar mit zu
einem provisorischen Schiesstand. Die ganze Kompanie wurde auf mich aufmerksam.
Ich schoss genau, so genau wie einer der ihrigen. Es machte mir riesigen Spaß.
Ich erlernte auch das amerikanische Exerzierkommando: "Right shoulder
arms, left shoulder arms“, u.s.w. Ich speist mit ihnen in der Kantine, rauchte
und kaute amerikanischen Tabak und in meinem Innern erglühte der Wunsch mich
als amerikanischer Soldat anwerben zu lassen.
Im Februar 1919 war auf dem Glacisfeld in Luxemburg
ein großes amerikanisches Pferderennen. Sechs Amerikaner luden mich ein mit
nach Luxemburg zu fahren, sie würden mir Freifahrt und Kost bezahlen. Ich ging
mit. Es war ein schöner Tag. Was da geboten wurde, so was hatte Luxemburg noch
nicht gesehen. In meinem Jünglingsalter war es für mich eine Augenweide
sondergleichen und ich kam zu dem Entschluss Amerikaner zu werden und mich
freiwillig in die Armee zu melden. Ich machte später die nötigen Schritte. Ich
ging sogar bis zur höchsten Kommandostelle in Europa, General Pershing. Leider
bekam ich einen abschlägigen Bescheid. Eine Anwerbung von Europäern, sei zwar
erlaubt aber nur für die Dauer der Besatzung in Europa. Eine Einwanderung
dieses Militärs nach den U.S.A. sei nicht zulässig. Ich war enttäuscht, denn
ich sah mich schon in Amerika als M.P. der Armee und eine Karriere in Aussicht,
wo mancher mich beneidet hätte. Träume sind Schäume! Bleib im Land und ernähr
dich redlich, wenn auch hungrig.
Ein armer Bauer aus dem Nachbardorf hatte sich ein
Pferd erstanden und stand im Begriff damit nach Hause zu fahren. Mein
Heimathaus war das letzte im Dorf. Als das Pferd nun keine Häuser mehr sah
wollte es nicht mehr weiter. Es hatte ein Fußleiden und zögerte auf diesen Fuß
zu treten. Es wollte nicht mehr weiter. Der Bauer hatte das Pferd zum
Schlachten gekauft. Was nun? Es gab nur einen Weg. Hinein in unsere Scheune und
geschlachtet und dann auf einem Karren nach Hause. Gesagt getan! Der Bauer, die
sechs Amerikaner, meine Freunde und meine Brüder, berieten nun wie das Tier zu
töten sei. Die Wahl fiel, tot durch Erschießen. Wer sollte nun der Täter sein?
Das Los fiel auf mich! Ein Amerikaner stellte mir einen Browning zur Verfügung.
Ich fasste das Pferd, das in der Tenne stand mit dem Halfterknopf, zielte auf
die Stirn und drückte los. Der Schuss ging zu hoch, schlug in der Stirn ein und
kam hinter dem Nacken wieder heraus. Das Pferd, ein wenig erschreckt, riss sich
aus meiner Hand, drehte sich um sich selbst und spazierte in der Scheune umher.
Ich rüstete zum zweiten Schuss. Diesmal zielte ich auf die Schläfengegend, von
links nach rechts. Die Kugel traf, denn ich schoss 20 cm vom Ziel. Das Pferd
blieb wie versteinert stehen. Was nun? Ich wollte aber nicht zum Tierquäler
werden, lief in unsere Stube ergriff ein langes Schlachtmesser in der Schublade
und stach damit das Pferd ins Herz. Soweit das Messer reichte. Hoch im Bogen
spritzte das Blut auf den Platz vor der Scheune. Wie angewurzelt blieb das
Pferd stehen. Das Blut floss immer langsamer. Da plötzlich sank der Körper zur
Seite und fiel, die Einfassung des Scheunentores mit sich reißend auf die
steinerne Tenne. Ein Sprung und schon stand es wieder da, aufrecht, machte
einen Sprung vorwärts auf die Strasse, fällt nieder, wieder auf, nochmals
nieder und da sprangen wir ihm auf den Kopf und drückten diesen zur Erde. Es
schlug mit allen vieren um sich, wie toll, bis auf einmal die blutleeren
Körperteile wie nasse Säcke zu Boden fielen und tot war das arme Biest. Mit
einem Flaschenzug zogen wir den toten Körper in die Scheune zurück. Kein
fremder Mensch hatte eine Ahnung dieser aufregenden Szene. Die Haut wurde nun
vom Körper abgedeckt und das Fleisch zerteilt. Da durfte ich zum ersten Mal in
meinem Leben Pferdefleisch essen. Ich muss gestehen es war tadellos. Bei dieser
Gelegenheit erzählte mir ein Amerikaner, dass ein Soldat mit Namen Dempsey, er
war Champion im Boxen der ganzen Welt, in Sandweiler bei Luxemburg einen
Maulesel, der sich bockig stellte mit der bloßen Faust totgeschlagen hat. Man
muss die richtige Stelle wissen wo die Lebensader im Körper sitzt. Dann ist es
einfach. Ich nahm mir aber vor nie mehr Pferde zu erschießen. Es war etwas
Gutes an der Geschichte. Ein großes Stück Fleisch fiel für mich ab, und wir
hatten ein paar Tage wieder Fleisch im Hause.
Die Amerikaner lebten in Saus und Braus. Sie hatten
Geld. Sie kauften ab und zu ein Spanferkel, brieten es in unserm Backofen, fein
knusprig und aßen Pommes-Fritten dazu mit dem nötigen Bier und Wein. Als Soldat
erhielt ein Amerikaner eineinhalb Dollar, das waren unserer Währung nach 7,50
bis 8 Franken. Wir erhielten als Soldat 5 Sous bis 1 Franken den Tag. Das war
ein haushoher Unterschied. Die Verpflegung war bei den Amerikanern gratis. Wir
(als Soldaten) hatten aber allerhand Unkosten. Erste Ausrüstung, Zuschuss zur
Kleidermasse. Menage, außerordentliche Abzüge u.s.w. Nach Verrechnung aller
Abzüge bekamen wir noch 5 Sous den Tag ausbezahlt. Wir schämten uns fast es
weiter zu sagen. Außer dem Sold hatten die Amerikaner Gelegenheit zu
Vorzugspreisen Schnaps, Zigaretten, Lebensmittel und Kleidungsstücke ein zu
kaufen. Bei uns war das alles noch Mangelware und streng rationiert. Ich hatte
Gelegenheit von einem Amerikaner ein Paar Schuhe zu kaufen und die meinigen zu
begraben. Man las irgendwo in einer Zeitung folgende Anzeige: " Die
Familie Wichs und Kinder, Scarabée und Pilo, Reibebürste und Putzlappen bringen hiermit die traurige Nachricht, dass
es Manitu dem großen Geiste gefallen hat in einen besseres Jenseits abzurufen.
Unser ältestes Paar Schuhe wohlversehen mit allen Regeln der Flickkunst,
ausgezeichnet mit den Schuhriemen erster, zweiter und dritter Klasse, gefallen
im Dienste fürs Vaterland. Die Beisetzung geschieht in aller Stille auf dem
Schutthaufen. Man ist gebeten von allen Blumen und Kranzspenden ab zu sehen.
Die trauernden Hinterbliebenen."
Und stolz wie Oskar trampte ich mit meinen Amerikanern
blitzblank gewichst im Monat Mai wieder zurück zur Kaserne. Mein Engagement
dauerte drei Jahre und ich war eingeschrieben als Forstkandidat. Im Laufe des
Jahres wurden wir zum Examen zugelassen. 15 Soldaten und 6 Zivilisten stritten
sich um die Siegespalme. Das Resultat war schäbig. 15 Soldaten fielen durch den
Korb und die 6 Zivilisten wurden zur Forstschule in der Kaserne zugelassen. Die
Examenkommission blieb sich nicht konsequent. Sogar ein Mitglied der Kommission
hatte sich geäußert: "Solange ich Major bin, kommt kein Mitglied der
Freiwilligenkompanie in eine Staatsverwaltung. Honni soit qui mal y pense. Das
Bleiben in der Kaserne war nun für mich ein Zeitvertreib und ich war von dieser
Zeit an Abschiedskandidat. Alle Gelegenheiten den Drill zu schwänzen wurden
angenommen. Das Kartoffelschälen wurde eine meiner Leidenschaften. Ich wurde
sogar zum Hilfskoch und später zum Koch befördert. Als Koch hatte ich allerhand
Vorteile. Ich verdiente mehr, hatte mehr freie Zeit und bekam besser zu essen.
Ich legte viel Eifer für meinen Beruf an den Tag. Ich bekam öfters eine
öffentliche Belobigung für Sauberkeit, Zubereitung und Sparsamkeit im Haushalt.
Meine Leidenschaft für Blumen fand doch manchmal Genugtuung. Ich sammelte auf
dem Felsen der alten Festung, Metzviolen, Flieder, Veilchen, Vergissmeinnicht
u.s.w. auch manchmal Feldblumen: Kornblume, Kornrade, Natternkopf, Feuerblume
u.s.w. um den Offizierstisch zu schmücken, wo täglich die Kostprobe des
Menageoffiziers stattfand. Einmal hatte ich Pech. Mein Freund und ich, wir
machten oft Spaziergänge bis in die Vorstädte der Hauptstadt. Wir sprachen dem
Alkohol ein wenig zu stark zu und mussten mit fremder Hilfe zur Kaserne
gebracht werden. Mein Ansehen bei dem Herrn Hauptmann sank dadurch bis auf den
Gefrierpunkt. Ich musste meine Charge als Koch aufgeben. Von morgens früh bis
zum Mittag, bis der Fall richtig geklärt war. Die Geschichte endete mit einem
Verweis des Herrn Hauptmann. Er dachte auch: "Wer niemals einen Rausch
gehabt, das ist ein armer Mann."
Die Jahre vergingen pfeilgeschwind. Meine drei Jahre
sollten bald zu Ende sein und ich war entschlossen die Militärlaufbahn auf zu
geben. Der Herr Hauptmann ließ mir sagen: "Er sei mit meinen Diensten
immer zufrieden gewesen und ich sollte seinem Rat folgen und meine Kandidatur
umändern als Zollaufseher. Die politische Seite des Landes sprach von einer
Zollunion mit Belgien. Falls dies Wirklichkeit werden sollte, hätten über
hundert Soldaten Gelegenheit in die Staatsdienste zu kommen. Es kam auch
soweit. Ich änderte meine Kandidatur als Abschiedkandidat auf Zollaufseher und
am 1. Mai 1921 wurde ich nach der Stadt Ettelbrück zum dortigen Zollamt
detachiert. In der Wilhelmstrasse bei der Familie Koster-Wirto (?) nahm ich
Quartier. Mein Chef war ein griesgrämiger älterer Beamte, dem ich nichts nach
hatte, aber er war mir gar nicht sympathisch. Ich weinte nicht, als ich einen
Monat später nach Weiswampach detachiert wurde. Dort blieb ich neun Monate.
Hatte ein gutes Kosthaus und wurde immer von der Tochter des Hauses serviert,
die ein hübsches Mädchen war und eine schwache Seite für Uniformen hatte. Die
Liebenswürdigkeiten der Tochter wollte ich mit kleinen Hilfsarbeiten in der
Wirtschaft belohnen. Es hatte aber, was ich ausdrücklich bemerke, keinen
Hinterzweck. Es war mehr Sucht nach Bewegung und Erlernen und Auffrischung der
landwirtschaftlichen Kenntnisse, meiner Kindeszeit. Der Liebhaber der Tochter
des Hauses war ein Grossbauer der einen großen Misthaufen mit allem Drum und
Dran sein Eigen nannte. Einmal half ich heim Kartoffelausheben. In der Nähe war
ein Jäger auf der Jagd. Als Gesellschafter hatte er einen Hund und zwei Kinder
bei sich, die bei ihm in Ferien waren. Ich kannte den Jäger sehr gut. Er war
Hotelier und
Lebensmittelgeschäftinhaber. Er jagte, der Hund bellte und die beiden
Kinder spielten Versteck hinter Ginsterbüschen. Da fielen ein Schuss und
zugleich auch ein markerschütternder Schrei eines der Kinder. Wir liefen sofort
hin und da lag das fünfjährige Kind hinter einem Ginsterstrauch mit einem
Wadenschuss im linken Bein. Die ganze Wade war durch den Schrotschuss ganz
zerfetzt bis auf die Knochen. Eine grässliche Wunde. Mit einem Taschentuch band
ich sofort das Bein oberhalb des Knies ab um eine Verblutung zu verhindern. Wir
spannten die Ochsen an und fuhren sofort mit dem Kinde nach Hause. Doch es war
schon zu spät. Der Arzt kam auch zu spät. Die Wunde hatte sich wegen Mangel an
Desinfektion vergiftet und das Bein musste amputiert werden. Traurig. Solche
Hasen bringen den Jäger ums Latein und nicht lange dauerte es und er hing auf
dem Mansardenzimmer an einem Strick. Nicht der Hase, aber der Jäger! Die
Prozesskosten brachten ihn bis an den Rand des Abgrundes und er machte in einem
Anfall von Schwermut seinem Leben ein Ende. Traurige Geschichten. Was? Wenn man
zur Jagd geht lässt man fremde Kinder zu Hause und lässt die Hunde jagen.
Im Februar 1922 ging ich zurück zur Kaserne und wie
ich später erfuhr starb der Liebhaber der Tochter meines Kostgebers an einer
Typhus Epidemie.
Im Juni 1924 kam ich nach Mondorf und blieb 6 Monate
dort. Mondorf ist ein Kurort ersten Ranges und die Gegend ist so richtig um
manchem Zöllner ein Schnippchen zu schlagen. Mein Chef in Mondorf war ein
leidenschaftlicher Briefmarkensammler, was mich auch auf diese Idee brachte.
Ich sammelte und kaufte, was meine Börse erlaubte. Dass ich aber schon im Jahr
1923 in Rodershausen, wo ich 6 Monate war, auch Briefmarken sammelte, will ich
nicht verheimlichen, aber nur so nebenbei. Damals sammelte ich Ansichtskarten,
Notgeld und hartes Geld. Viele hundert Notgeldscheine hatte ich damals in
meiner Sammlung. In Deutschland bestand im jähre 1923 eine Geldinflation.
Einmal ging ich zu Post ins nahe Dasburg auf deutscher Seite und kaufte
Briefmarken für 10 Luxemburger Franken. Der Postmeister gab mir seinen ganzen
Bestand an Briefmarken. Es waren Provisorien von 50 Mark aufwärts bis 5
Milliarden. 27 verschiedene Werte in 100 Stück Bogen. Das war einmalig. Die
Provisorien wurden abgeschafft. An ihre Stelle traten die Rentenmark und der
Rentenpfennig als Einheit. Die deutsche Währung wurde stabilisiert. Die
Geschäfte mit dem Reich wurden wieder auf Goldbasis getätigt.
Im Sommer 1923 verbrachte ich 3 Monate in Hosingen. In
diese Zeit fiel auch die Bekanntschaft mit meiner zukünftigen Frau.
Weiswampach, den 8.
Januar 1923 an die Cousine Lilly
Ich will dir
mitteilen, dass ich gut angekommen bin und mich ganz gesund und munter fühle,
aber wie du siehst ich bin ein wenig aufgeregt, die Finger zittern mir aber es
ist doch lesbar, nicht wahr. Jetzt muss ich dir die allerneueste Nachricht
mitteilen. Als ich heute Morgen in den Bahnhof kam, begegnete mir ein Kollege,
der mir sagte, ich würde diesen Monat noch abgelöst werden. Ich musste mich
aufrecht halten, sonst hätte ich einen Schlaganfall bekommen. Hätte ich das
doch gestern gewusst so wäre es anders gegangen als Madame Milius sagte sie
täte den Herrn Hauptmann Krantz kennen und könnte als ein Wort einlegen. Du
weist Lilly, ich war jetzt im Himmel, dass ich aus der Kaserne war und jetzt
geht's aus dem Himmel wieder in die Hölle. O Jammer, o Verdruss, was unsereiner
sich peinigen muss. Was soll ich anfangen. Komme ich in die Kaserne, so zieht
es mich Tag für Tag tiefer in den Abgrund. Jetzt war ich bald ein Mensch, jetzt
werde ich wieder ein Stück -------. Denn die Kaserne verdirbt einem nur die
guten Launen und bringt nur Zorn und Kopfzerbrechen. Ich dürfte nicht mehr in
den Rollingergrund kommen, um keinen Verdacht zu erregen und trotzdem dass ich
denn nahe an meinem Glücke wäre, wäre ich doch gezwungener Weise, doch so fern.
Wann leuchtet mir mal hier auf Erden die Sonne. Die Sonne des Glücks, die Sonne
des Friedens, ja in ihren Strahlen möchte ich nur stehen, aber nein. Ach
-------- wie ist es im Leben so hässlich eingerichtet, dass bei den Rosen
gleich die Dornen stehen. Man ganzes Leben lang ging mein Weg nur über Dornen
und Disteln, mein Herz sitzt mir im Halse, ich kann nicht mehr, warte ein
wenig, bis auf der anderen Seite:
So, Lilly, ich
wollte fragen, welches Urteil hat Familie Milius über mich gefällt. Ich glaube
meine witzige Laune hat mir einen Strich durch meine Rechnung gemacht. Wüste
ich wie es wäre, ob ich Sympathie bei Ihnen habe oder nicht. Lilly, du wirst so
gut sein mir alles zu schreiben, was ich bei meinem Benehmen da angestiftet
habe. Sage mir, im Namen meiner, der Familie und besonderes Fräulein Sybilla
meine wärmsten Danksagungen für das zarte Mitleid, das sie mit einem armen
Soldaten hatten. Ich werde sie in meinen Gebeten nicht vergessen. Hätte ich einmal
doch das Glück in meinem Leben in eine Familie zu sehen, wo Vater Mutter und
Kinder nur eine Person sind. Wie fühlte ich mich so heimisch. Ging doch ein
Zucken durch mich wie Feuer und Kälte. Ich war daheim, aber ein Wort, das mir
auf dem Herzen lag, dürfte ich nur im Munde verschlucken, als es wagte über
meine Lippen zu kommen. Es war das Wort, vielmehr die Worte: "Lieber
Vater, liebe Mutter, wie bin ich so glücklich euch wieder zu sehen.“ Aber meine
Mutter, Gott segne sie und mein Vater, war er nicht ein Ebenbild von Herrn
Milius, hatte er nicht die nämliche Laune in Gesellschaft, lustig und froh,
trotz seines Elends. Doch sehe in jetzt vor mir, es war so. Ich träumte von ihm
ich sagte ihm alles. Ich war bei ihm. Er verstand mich, er gab mir seinen Segen
und verschwand. Hab Dank lieber Vater ich bin namenlos glücklich dich wieder
gesehen zu haben. War es mein Vater, der im Himmel ist, oder war es ein vager,
der mich noch beschützen will. Nein es war mein Vater. O hätte ich noch einmal,
wie Fräulein Sybilla die Gelegenheit Vater und Mutter zu sagen. Aber nein. Es
ist eine beneidenswerte die Fräulein Billa da geniest. Weist du Lilly, du weist
genug. Teile diese Zeilen mit Fr. Billa, wenn es ihr angenehm ist und dann will
ich wenden und auf ein anderes Thema kommen.
Auf baldige Antwort
wartet, dein Cousin
Albert.
***
Mein Kostherr damals war ein Siebzischjähriger. Er war
ein genialer Mensch in seiner Art. Seine Frau war gut 3o Jahr jünger und hatte
durch diesen Altersunterschied manch schwere Stunden. Sie klagte mir oft ihr
Leid, ja sie erzählte mir Episoden aus ihrem Eheleben. Ihr Mann war ein
Wirtessohn und sie eine Wirtstochter.
Nebenbei betrieben sie Landwirtschaft, was während des Kriegs 1914 -
1918 sehr zustatten kam. Sie erhielten zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen.
Der Mann war egoistisch veranlagt und nebenbei ein leidenschaftlicher
Alkoholiker. Sein Körper musste das sinnige haben, koste es was es wolle. Bei
Ausbruch des Kriegs im August 1914, war er so weitsichtig, dass er für seinen
Bedarf voraussichtlich ein Fuder Branntwein einlegte. Wie lange der Krieg
dauerte konnte er nicht wissen. Als Wirt kaufte er absatzgemäß die nötigen
Quantitäten nebenbei. Sein Vorrat durfte nicht für seine Gäste sein. Nein, nur
für ihn allein. Im dritten Kriegsjahr, erzählte mir seine Frau war die Gurgel leer und ein neues Quantum
sollte eingelegt werden, war aber wegen der Bezugsscheinpflicht nicht möglich. Die Trunkenheit wurde ihm zum
Laster. Die Frau, eine hausehrliche Haut, weinte oft bittere Tränen in meiner
Gegenwart. Ich musste oft zusehen, dass der Mann dreimal am Tag betrunken war
und zwar so sehr dass er nicht mehr unterscheiden konnte was gut und was
schlecht war. Als ich im Hause war, waren die Kinder 12 und 14 Jahr alt. Zu
jung um all das Elend zu begreifen. Da lag der Vater geistesabwesend in der
Weinstube unter dem Tische, die Gäste gingen ein und aus. Das Mädchen servierte
die Gäste. Die Mutter war mit dem Sohn auf dem Feld. Das Vieh brüllte in dem
Stall nach Futter. Die Früchte im Feld, das Heu sollte eingefahren werden, die
Runkelrüben gehackt, die Kartoffeln gehäufelt, die Kostgänger ihre Kost haben
und die Mutter allein mit ihren Kindern. Der Vater im Säuferwahnsinn murmelte
Worte in den Bart, sammelte seine fünf Sinne zusammen, kroch die Stiege hoch,
legte sich ins Bett und nach einer Stunde Schlaf griff er wieder zum
Schnapsglase und trank, trank, bis er eines Tages den Atem im Alkoholrausch
aushauchte. Wenn er nüchtern war, diese Stunden waren ja selten, war er ein
brauchbarer Mensch. Ich kam einmal nachmittags vom Dienst. Er rief mich zu sich
und stieg mit mir in sein Schlafzimmer. An einer Wand an einigen paar rostigen
Nägeln hingen ein alter Mantel und einige Bilder. Sonst war sein Bett das
einzige Möbelstück. Wir traten zu dem Mantel hin. Er sprach kein Wort, nur
lächelte er mir zu. Er knüpfte den Mantel von einem Nagel los und was sah ich?
In einer Nische in der Wand hing an einem Haken ein feister Hase an einem
Strick. Also, zu dem Laster der Trunksucht, gesellte sich auch die Leidenschaft
des Wilderers. "Mir entkommt keiner!" sagte er zu mir und schob die
weiße Tonpfeife von rechts nach links im Munde. "Er wird dir gut
schmecken!" Ich bemerkte: "Es ist aber Schonzeit!" "Lieber
Junge", antwortete er, "Wenn ich ihn nicht fange, fängt ein anderer
ihn und was heißt schon Schonzeit für so einen dicken Rammler." Ich war
meiner Sache sicher, dass das Wildern eine gesetzeswidrige Tat war. Ich wollte
aber nur der Frau und den Kindern nicht auch noch diesen Schmerz und die
Schande aufladen und behielt es für mich als ein Geheimnis.
In dem Haus war auch der Wachtmeister der Gendarmerie
in Kost. Anderntags, es war um die Mittagszeit. Ich trat als erster ins
Esszimmer, hinter mir der Wachtmeister. Er zog tief Atem, als er zur Tür
eintrat las ich in seinen Augen. Er hatte Zweifel was es zu Mittag geben würde.
Der Wirt saß in der Ecke beim Kolonnenofen, die Knie übergeschlagen, die Pfeife
im Munde und spukte ab und zu in den Aschenkasten, der vor dem Ofen stand. Das
junge Mädchen servierte die Speisen. Wir setzten uns an den Tisch und aßen ohne
lange Umschweifungen. Wir sprachen vom Wetter und seinen Launen. Draußen wehte
ein kühler Ostwind und die Hasen humpelten über die jungen Kleefelder. Es war
so um Markustag. Stumm saß der Wirt, horchte nur ob nicht ein Wort soll fallen.
Als er den Namen Hasen hörte zuckte er zusammen. Er glaubte sicher schon von
dem Herrn Wachtmeister in Verhör genommen zu werden. Aber nein! Der Herr
Wachtmeister aß mit gutem Appetit, putzte sich mit der Serviette den Mund,
grüßte und ging zur Tür hinaus. Die Sonne schien so freundlich auf die
Türschwelle und er blieb zu einem kleinen Schwatz mit dem Gegenüber stehen. Ich
trat auch auf die Schwelle. Aber da konnte der Herr Wachtmeister ein Lächeln
nicht verdrücken und fragte mich: " Na hatte es geschmeckt?" Ich
antwortete mit fragender Mine: "Und wie! Prima!“ Er fügte hinzu: "Was
soll man da machen?" Er hatte es heraus geschmeckt. Der Hasenpfeffer war
zu pikant. Die Sache verlief im Sand. Ich war zufrieden. Kann man mit einem
kleinen Unglück eine Katastrophe vermeiden, so soll man es tun. Trinker sind
oft hinterhältige Leute. Man soll sie nicht reizen. Sie scheuen vor keiner Tat.
Nach etlichen Wochen war's. Ich saß im Esszimmer und las meine Zeitung. Vor der
Tür auf der Strasse brüllte eine Kuh. Ich schaute auf die Uhr. Es war um die 2
Stunde nachmittags. Es war draußen ziemlich heiß und ich fragte mich, sollen
die Kühe schon zur Weide? Ich öffnete das Fenster und sah ungefähr ein Dutzend
Kühe, herrenlos in der Strasse. Was heißt das? Ich trat auf die Strasse, hörte
jedoch in der Wirtsstube, dem Esszimmer gegenüber einen heftigen Wortwechsel.
Ich wusste die Frau war mit den 2 Kindern in den am Dorfausgang liegenden
Garten, zum Hacken der Runkelrüben. Also ist der Wirt allein zu Hause und wahrscheinlich
war er wieder besoffen. Ich lauschte im Flur und hatte Recht. Der betrunkene
Wirt hatte das Wort in der Wirtschaft und wie ich hörte, ging es um einen
Kuhhandel. Ein Kuhhändler trieb eine Herde Jungvieh, die er im nahen Belgien
gekauft hatte vor sich her und war zu einem Glas Bier eingetreten. Das ging
mich nun nichts weiter an. Ich trat in die Stube zurück und las weiter meine
Zeitung. Nach einer Weile verstummte das Gespräch in der Wirtsstube. Ich hörte
den Viehhändler aus dem Stalle des Wirtes eine Kuh herausholen und eine andere
an deren Platz stellen, dann war wieder alles still im Haus.
Es wurde 5 Uhr. Das Vieh sollte auf die Weide, doch es
war kein Mensch zu Hause. Ich lugte in die Wirtsstube hinein. Da lag der Wirt
unter dem Tisch im tiefen Schlafe, betrunken wie noch nie. Ich war fassungslos
über solch eine Tatsache. Ich konnte aber nichts ändern. Ich durfte nicht in
diese Verhältnisse eingreifen. Es wurde Abend. Die Frau kam mit den Kindern
nach Hause. Sie ging sofort in den Stall um zu sehen ob der Herr Hausmeister
mit den Kühen auf die Weide sei. Die Wirtsstube durften sie oft wegen Mangel an
Gästen ein paar Stunden am Tag schließen. Doch was war das? Ein Herz
zerbrechendes Weinen kam an mein Ohr und aus dem Stall in die Küche stürmte die
Frau und schrie "Paul, Paul, Paul". Doch kein Paul antwortete. Sie
kam zu mir ins Esszimmer und schrie wie wahnsinnig: " Mein lieber Mann,
kommen sie doch einmal schnell in den Stall und schauen sie was mein Mann heute
Nachmittag wieder gemacht hat. Die beste Kuh ist fort, die beste Kuh ist fort
und wohin, wohin. Eine magere Geiß steht da, sehen sie, sehen sie! O wäre ich
doch tot! Dieser Mann bringt mich ins Narrenhaus. Ich werde verrückt!"
Ich ging in den Stall. Ja, die Kuh war fort. Ich
kannte alle ihre Kühe. Eine magere Kuh stand an der Stelle und wurde von den
anderen beäugt und beschrieen. Sie wollten sagen: "Was machst du mageres
Luder hier, wo kommst du her?
Die Frau saß auf dem Melkstuhl und weinte, weinte,
dass es mir ans Herz ging. Ich griff sie am Arm und führte sie in die Küche,
tröstete sie. Ich brach Holz, zündete das Feuer an, Es wurde Zeit das Abendmahl
bereit zu stellen. "Liebe Frau", sagte ich, "Ich bereite das
Abendmahl, sorgen sie für das Vieh."
Sie stellte mir Eier, Speck und Kartoffeln hin und
ging in die Wirtsstube. Sie ahnte dass er drin läge, der alte Suff. Doch da war
er nicht. Sie ging in sein Schlafzimmer. Da lag er mit den Kleidern und den
Schuhen mit Kuhdreck beschmutzt auf dem sauberen Bett. Sie schöpfte tief Atem.
Erdrosseln möchte ich ihn. Doch es lohnt sich nicht. Ich bereitete mein
Abendessen, speiste und ging auf meine Diensttour.
Ich machte mir so meine Gedanken und sah vor mir ein
Bild, das ich einmal im Flur des Kriminalgebäudes in Luxemburg sah. Eine Frau
steht auf der Türschwelle ihres Hauses. Auf dem Arm trägt sie ein Kind. Ein
zweites etwas größeres schaut zur Mutter hinauf und sagt: " Mutter, der
Vater liegt da.“ Neben ihnen lag der Vater, besoffen in der Strassenrinne.
Warum gibt es kein Alkoholverbot im Lande? Was nützt
ein Trunkenbold dem Volke? Wie viel Leid verursacht ein Trunkenbold in seiner
Familie, in der Gesellschaft und wie versündigt er sich an seinen
Nachkommen? Was wird das Erbe der Kinder
von ihren Eltern sein? Verkrüppelung, Verblödung, Irrsinn, Tobsucht, Fallsucht,
Trinksucht usw. O gäbe es doch ein Schutzgesetz in dieser Hinsicht. O
Branntwein du lüdrig Kraut, du hast schon manchen in den Dreck gehaut.
Am andern Morgen. Es klopfte an meine Schlafzimmertür.
Ich erwache und rufe herein! Da stand der Wirt wieder nüchtern an meinem Bett
und bat mich ihm zu helfen. Er erzählte mir den Hergang der Geschichte, bis zu
dem Moment, wo er nichts mehr wusste und seine Beine und sein Geist ihn im
Stich ließen. Ich konnte mir die Sache
ganz genau vorstellen. Also, das kam so, nicht wahr: " Der Kuhhändler trat
in die Wirtschaftsstube und fing an mit Ihnen zu handeln. Im Anfang
interessierte sie der Handel sehr und sie sollten für ihre Kuh ein Stück Geld
heraus bekommen und eine andere Kuh an deren Stelle. Über den Überpreis wurden
sie sich nicht so recht einig. Nein. Gut, nun gab der Händler Ihnen eine Tour
Schnaps, noch eine und noch eine und nun war die Ziege fett. Er ging in den
Stall, band die Kuh los, setzte die andere an die Stelle und machte sich mit
seiner Herde weiter. Waren sie mit in den Stall? War der Händler allein oder
waren sie zu zwei? Sie waren zu zwei. Wo wohnt der Händler und was ist er von
Nebenberuf?
"Er war allein in den Stall und er wohnt neben
dem Bach, wenn sie von H. nach H. gehen wollen." "Gut". Ich
stand auf, zog mich an, frühstückte, miet mir beim Nachbarn ein Fahrrad und
rannte so schnell ich konnte zu dem Viehhändler. Glück hatte ich, er war zu
Hause. Ich stellte nun dem Händler folgende Fragen: "Von wo kamen sie
gestern mit der Viehherde?" "Aus Neubelgien!" "Hatten sie
für die Einfuhr dieses Viehs eine Einfuhrgenehmigung?" "Ist nicht
nötig!" "Sind die Kühe frei von allen Krankheiten? Wo haben sie das
Attest des Tierarztes?" "Ich habe keine!" "Nun, sie haben in
Hosingen bei einem Wirt eine Kuh vertauscht." " Ja", "war
der Mann bei diesem Handel zurechnungsfähig und hatten sie Zeugen?"
"Er hatte getrunken, das hat er ja immer. Jedenfalls war er einverstanden
und Zeugen brauchen wir keine."
Ich bat nun den Händler mit mir nach Hosingen zu
fahren um die Geschichte zu klären, andernfalls ich Strafanzeige gegen ihn
beantragen täte, wegen unerlaubter Einfuhr von Parkvieh und Übertretung der
damit zugehörigen Bestimmungen. Der Mann versprach zu kommen. Ich fuhr voraus
und telefonierte dem Tierarzt. Dieser kam sofort und untersuchte die Kuh. Sie
war 75 % tuberkulös. Gerade noch gut genug für den Schinder. In der Wirtsstube
waren die Worte noch nicht verhallt, da trat der Viehhändler ein. Dieser musste
sich nun eine gehörige Lektion Moral von dem Tierarzt gefallen lassen.
Er wollte den Händler zwingen die vertauschte Kuh
wieder zurückzubringen. Doch das ging nicht mehr. Der Händler hatte dieselbe an
den Schlachthof verkauft. Man telefonierte an den Schlachthof. Leider zu spät.
Die Kuh war schon geschlachtet. Man konnte sich nicht einigen und es kam zu
einem Prozess, der viele Jahre dauerte und noch manche Kuh gekostet hat. Die
Ursache war: Der Branntwein!
Ich verließ das Haus und ging nach Rodershausen zum
Nachbardorf. Es liegt im Ourtal so fein säuberlich an einen Berg gelehnt. Die
Einwohner sind durchweg brave Landleute die sich schlecht und recht durchs
Leben schlagen. Nach sechs Monaten kam ich wieder zur Hauptstadt. Das
Kasernenleben war so ein Durchgangslager für Ruhebedürftige. Es galt ja
exerzieren, aber was war das für so alte Kämpen. Ein Zeitvertreib. Es war wieder Wechsel an der Grenze und so
kam ich nach Mondorf, wie ich andeutete. Dort lernte ich Briefmarkensammeln. Dort
steht das Denkmal Grüns, des stärksten Menschen Luxemburgs, ich möchte sagen
der ganzen Welt. Seine Taten sind in Büchern niedergeschrieben. Ich habe von
ihm gelesen und seine Taten bewundert. Sie waren zum Nachahmen empfohlen, aber
bis heute war noch keines da, der dem Herkul Grün seine Taten übertrumpfte.
Hätten wir, es war in meinem Leben oft der Wunsch, 250000 Grüne Herkules im
Lande! Wir ständen heute anders. Mondorf ist weltberühmt durch seine
Heilquelle. Die Menschen suchen die Gesundheit. Sie wissen nicht mehr, dass sie
gesund waren und die Gesundheit ruiniert haben. Überlege einmal Mensch was
warst du einmal stark, jung, gesund. Eines fehlte dir, du warst zu schwach im
Fleische. Keiner Versuchung konntest du widerstehen. Du wurdest der Sklave
deiner Leidenschaften. Wie viel trankest du ohne Durst zu haben, wie viel aßest
du ohne Hunger zu haben. Du wolltest auffallen! Du wolltest etwas gelten. Du
saßest auf Veranden und glänztest vom fetten Zins und strahltest mit hochmodern
angefertigten Kleidern! "Hier bin, was willst du von mir?" Heute, ja
heute befehligt der Herr Arzt. Er verschreibt dir Kuren, deine Kleidung, er
verordnet dir Schlafens- und Aufstehzeit. Er schaut dir in den Mund und steckt
dir das Thermometer in den Hintern und erklärt dir klipp und klar, dass dein
Körper eine Zusammensetzung von Billionen Bazillen ist. Diese haben das
Bedürfnis gepflegt zu werden. Tust du das nicht, entsteht eine Krankheit und
das kann dein Tod sein. Drum bedenke Mensch dass du ein Häuflein Erde bist und
du zur Erde zurückkehrst, von der du genommen bist. Kuren können ja interessant
wirken, doch ist es interessanter im Leben aufzupassen, dass es nie zu einer
Kur zu kommen braucht. Anstatt Trinkkuren, mache Durstkuren, anstatt Esskuren,
mache Hungerkuren, ich versichere dir dein Körper ist dir dankbar. Vergiss nie
im Leben, dass das ganze Weltall der Ebbe und Flut unterliegt und der
Lebenslauf ein Lauf nach den Sternen sei.
Brief datiert:
Weiswampach am 24. September 1922
Geehrtes Fräulein!
Obschon nie mein
Auge Sie gesehen hat, nie mein Ohr auch nur den leisesten Ton von Ihnen gehört,
dennoch will ich Ihnen ein paar Worte zukommen lassen (Hier eingefügt ist ein
welker Klatschmohn) indem ich meine Cousine Lilly als Vermittlerin nehme. Wer
sind Sie? So lauteten die Gedanken die mich diese Nacht zum Schlafe einwiegten.
In dem Paradiese des Herrn hier auf Erden steht in dem Schatten eines
umfangreichen Baumes ein verlassener Rosenstock. Seine Knospen haben sich noch
nicht entwickelt, denn es fehlten ihm die nötigen Sonnenstrahlen. Schon oft hat
die Sonne mit ihren Strahlen ihm entgegen geleuchtet, aber noch keine waren
stark genug um ihn zum Blühen zu bringen. Er sieht schwach aus. Seit Jahren her
ist er nicht mehr gepflegt worden. Keine Nahrung wurde ihm verabreicht. Nur
immer musste er sich begnügen mit dem was die Erde ihm an dieser verlassenen
Stelle verabreichte. Ausdauern scheint er zu sein, sonst müsste er bei dem
leidvollen Leben unbarmherzig zu Grunde gehen. O ja, welch ein trauriges
Dasein. O Rosenstock bist du den nicht Wert dass man dir Nahrung gibt, dass du
deine Knospen öffnen kannst, dass man deine Blüten küssen kann, dass man sie
pflücken kann, dass du die Zierde einer lieblichen Wohnstube sein kannst, dass
dein Duft sich nachträglich ausbreiten kann über ganze Generationen die jetzt
verblüht sind, dass ein liebevolles Herz sich an die ergötzen kann, dass du an
einer sonnigen Stelle, anstatt in dem Schatten verblühen musst. Könntest du
nicht die Zierde eines Gärtchens sein, wo eine geschickte zierliche Mädchenhand
dich pflegen, dich begießen, dich bepflücken und dich in Ehren halten wird? Ja
könntest du dann diesem Menschen keine Freude machen? O doch! Aber nein! Denn
du bist verkommen, du bist zu stachelig, zu dünn, zu eigensinnig, zu schlecht
dass man noch hoffen kann einen gesunden Zweig von dir zu sehen. Kein
freundliches Gesicht schaut dir entgegen. Keine r hegt den Wunsch dir nahe zu
treten, keiner will dich lieben. Warum? Warum? Hast du dich so schlecht in
deiner Jugend entartet? Weil unglücklich derjenige ist der sich inmitten seiner
Jugend einer hoffnungslosen Liebe hingibt. Unglücklich derjenige ist der sich
einer süßen Träumerei preisgibt ohne zu wissen wohin seine Chimäre ihn hinführt
auch dass ihm Vergeltung gegeben wird. Schlaff im Nachen liegend entfernt er
sich immer mehr vom Ufer. In der Ferne bemerkt entzückende Täler grüne Wiesen
seines Eldorados. Die Winde nehmen ihn in der Stelle mit weg und wenn die
Wirklichkeit ihn erwacht, so ist er weit entfernt von dem Ziel, das er
erstrebt; er vermag weder seinen Weg zu verfolgen noch auf seine Schritte
zurück zu kommen. Es fehlt ihm die Ruhe, die Unbesorgtheit welche aus dem Leben
einen Spiegel macht worin sich alles kämmt und vorüber alles schleicht. Sieht
er einen lieben Menschen, zieht sich seine Kehle zusammen, er erstickt als
erhebe sich sein Herz bis zu seinen Lippen. Erblickt der Jäger im Walde die
Hirschkuh die mit kleinen Schritten auf dem trockenen Laub einherschreitet, so
klopft ihm unwillkürlich das Herz, er erhebt ganz leise seine Waffe, ohne einen
Schritt zu tun, ohne Atemzug. Doch warum bin ich denn also? Sagt nicht ein
altes Sprichwort, dass alle Meister sich gleichen. Warum gibt es denn so wenig
Liebe die sich gleicht.
Doch mein Fräulein,
stellen sie sich einen Seiltänzer vor mit silbernen Halbstiefeln, schwebend
zwischen Himmel und Erde. Rechts und links alte kleine zähe Figuren, magere und
leichtere Phantome, gewandte Schuldner, Verwandte und Buhlerinnen, eine ganze
Legion von Ungetümen hängen sich an seinen Mantel und ziehen ihn nach allen Seiten
hin, damit er das Gleichgewicht verliere. Des phrases redondantes de grands mots enchaînés cavalcadent autour de lui.
Eine Menge austeere
Vorhersagungen machen ihn blind durch seine Hügel. Er führt seinen leichten Weg
weiter vom Occident bis zum Orient. Schaut er nach unten so dreht sich sein
Kopf, schaut er nach oben so verfehlt er den Schritt. Es geht schneller wie
der Wind um alle Hände die um ihn ausgebreitet
sind vermögen nicht einen Tropfen aus dem fröhlichen Becher, welchen er zu
seiner Einzigen trägt umzustoßen. So gestaltet sich mein Leben.
Daran werden sie
nun mein Bild erkennen.
Dans notre vie,
l'hirondelle est l'image.
Nous sommes ici bas
des oiseaux de passage.
Et quand la mort vient
nous fermer les yeux.
Nous prenons notre
cœur vers le séjour des cieux.
Ich will mir
erlauben Ihnen zum Dank ein viel
sagendes Blümchen mit zu senden.
Au revoir,
Mademoiselle, je finis avec mes salutations les plus sincères.
Regenwetter Albert.
Am 11. September 1926 wurde ich vereidigt um in die
Zollverwaltung ein zutreten.
Am 1. Oktober 1926
wurde ich als provisorische Zollaufseher in Niederkorn ernannt.
Am 1.Dezember 1927 erhielt ich meine definitive
Ernennung als Zollbeamte.
Ein anderer Brief -
an Sybilla ohne Datum
Ech hu ké Mönsch
méi op der Welt
Kén Hérz méi dat
mech gär
Keng Platz vun der
ech soe kéint
Dat et meng Hémecht
wär.
Verehrtes Fräulein
Sybilla.
Neulich ging ich an
meinem Garten vorbei, wo meine Blumen blühen. ich pflückte die schönste, legte
sie in ein Buch, trocknete sie und hier ist sie..
Voilà, ach welche
Schönheit war es als ich sie pflückte, den Namen kenne ich nicht, ist egal, die
Blume nahm ich und nehme sie zum Vorbild meiner Jugend. Ich erlaube mir das
Vergnügen vielmehr die Freude ihnen die Blume zu schenken. Sie sagten sie
würden die Blumen nicht lieben, aber mein Herz ist wie eine Blume und gerade
wie diese, also fassen sie es so auf, wie wenn sie mein Herz geschenkt bekämen
im Sinne einer Blume. Würden sie vielleicht Liebe für die Blume und hätten Sie
auch Liebe für mein Herz. Wäre es nicht der Fall, was ich nicht wissen kann,
dass sie Liebe fänden, schicken Sie gefälligst mir mein Kleinod retour. Werfen
sie nur bitte nicht weg, denn sonst spielen Sie mit Männerherzen. Entschuldigen
Sie bitte Fräulein Billa, wenn ich ein Wort soll schreiben, was sie beleidigt:
Vor vielen Wochen
las ich doch in einem Brief von meiner Cousine, die im Auftrage von Ihnen
schrieb, dass Sie geneigt wären bei der kalten Jahreszeit an einem alten
kränklichen Rosenstock noch Rosen zu züchten. Es schien mir gleich unglaublich.
Doch zum zweiten Mal muss ich im Bedauern feststellen, wie Sie sich bei mir
ausdrückten, dass Sie keine Freundin von Blumen wären. Also muss ich Sie zum
Vielsprecher hinstellen, denn sie sprechen viel und halten wenig. Aber jetzt
muss der Rosenstock verdorren, denn Sie haben gestern Abend ihm alle Pflege
versagt. Doch nehmen Sie Vernunft an und nun sollte ein Knospe entspringen, so
stören sie mich daran dann schenken sie mir die Freude die Blume zu sehen, denn
ich bin ein Freund davon. Doch sie zweifeln an diesem Entspriessen, aber Frl.
Billa, noch sind die Tage der Rosen. Habe eben einen Vers aus einem Lied
gefunden:
Ein Herz, das sich
mit Sorgen quält
Hat selten frohe
Stunden
Es hat sich schon
sein Teil erwählt
Es kann kein Glück
mehr finden
Drum glücklich ist,
wer das vergisst, was einmal nicht zu ändern ist.
Sie stellen oder
wollen sich hinstellen als Pflegerin eines Rosenstocks. Der Rosenstock im
Schatten, bin ich. Und gleich wie ein Kind zu seiner Pflegerin Liebe hat, so
habe ich auch Liebe zu Ihnen. Aber sonst kann ein Kind auch nichts geben als
Liebe. Also nur Liebe habe ich zu Ihnen und sonst nichts. Könnten Sie von
dieser Kleinigkeit gebrauch machen, oder besser gesagt, wäre Ihnen mit meiner
Liebe für Ihre Mühe gedankt. Wenn ja, dann richte ich an Sie untertänigst den
Wunsch diese Zeilen zu beantworten. Mein erster Schritt ist getan. Tun Sie auch
den ersten.
Et huet én alt am
Liewen eng schwéier Stonn
Mer zidderen an mer
biwen, verléieren Hoffnung schon
Ma no der éischter
Schauer, kent nés déi golde Sonn. kennt nés déi golde Sonn.
An no all Léd an
Trauer och nés eng glëcklech Stonn, eng glëcklech Stonn.
Bon soir et gét an
den Dengscht.
Albert
Die Jahre vergehen. Ich lande im Hafen der Ehe.
(Interessant ist hier einzufügen, dass Albert damals noch bei seinen
Vorgesetzten um Erlaubnis betteln musst um heiraten zu können. – Dazu gehört
dieses Dokument - Brief an die Zollverwaltung - 26.1.1927 . - Anmerkung von
Heng 1. : Sowas muss man sich heute einmal vorstellen!!
Concernant la demande
en mariage du douanier provisoire Regenwetter Albert.
Monsieur le Directeur
des Douanes E/V.
Je soussigné
Regenwetter Albert, Henri douanier provisoire à Niederkorn, vient respectueusement
prier, Monsieur le Directeur des Douanes de vouloir bien lui accorder la
permission de se marier avec la Mademoiselle Sybille Milius, fille de Mathias
Milius et Katherine Felzen, demeurant à Rollingergrund.
Il ose espérer,
Monsieur le Directeur que sa demande sera prise en considération. Dans cet
espoir il a l'honneur d'être de Monsieur le Directeur le plus dévoué
subordonné.
Regenwetter Albert
Henri
Douanier
provisoire.
Wir schreiben 1927. Die Ereignisse der Jahre vorher
waren eintönig und nicht von besonderer Wichtigkeit. Es gaben gute und
schlechte Tage. Helle und frohe Stunden. Das Alleinsein hat doch etwas an sich.
Man fühlt sich überall zu viel. Man findet kein Verständnis in der Gesellschaft.
Die große Masse sucht nach Glück, nach Glück! Der Krieg sollte es bringen! Die
Truppen sind wieder zu Hause, sie ruhen aus, oder sie sitzen an der
Generalstabskarte und suchen neue Wege und Methoden doch das Glück zu finden.
Die Geschäfte die nach dem Krieg auf Hochtouren liefen, beginnen einzurosten.
Die Preise steigen und mit ihnen der ganze Lebensstandard. Die Arbeitslosigkeit
greift um sich. Man greift zum Notbau von Anlagen und einige Jahre später
erschien die Morgenröte einer Hochkonjunktur am Horizont. Die hohen Herren
hatten den Dreh entdeckt. Sie bauten auf lange Sicht. Häuser, Kasernen, Kirchen
usw. Die Löhne der breiten Masse stiegen und mit ihnen der Umsatz. Ein Maurer
der bei 8 Stunden Arbeit 120 Franken verdiente trank täglich 80 Flaschen Bier,
ist gleich 80 Franken. Blieben noch 40 Franken für Kost und Verpflegung. Die
Ausfuhr unserer Minette erreichte eine Rekordhöhe. Auf den Industrien liefen
die Bestellungen in Massen ein. Hohe Produktion bedingt hohen Lohn. Hoher Lohn
bedingt wieder hohen Umsatz. Ganz Kluge sahen in diesem Geschehen wieder einen
zweiten Weltkrieg. Der Index stieg immer höher.
Brief der Grosseltern an die Kinder
- 21.7.1929
Rollingergrund, den 21.Juli 1929
Liebe Kinder!
Euren Brief haben wir heute Morgen
erhalten und will ich ihn auch gleich beantworten. Ich sollte immer schreiben
aber es ist von einem Tag zu andern verlängert worden aber heute hätte ich doch
geschrieben. Ich war bei dem Neugebauer gewesen mit der Uhr und dem Ring und
der sagte er würde dir raten du solltest die Uhr nicht mit dem Armband machen
lassen, das wäre nicht mehr modern. Du solltest sie mit einem schwarzen Band
machen das wäre mehr stark wenn die Enden an dem Armband nachgeben, dann
hättest du immer zu flicken und nun wartet er auf Antwort.
Mit den Lohnen? den bekommst du die
andere Woche und Gurten die ich abgeben kann sollst du auch haben aber so viele
kann ich nicht zusammen flicken und da werde ich dir sie besorgen vom Licht von
Stampel unser Anna und Mari bekommen ihre auch von ihm und Anna soll diese
Woche noch zu unserer Anna kommen zum Kleid anprobieren und dann werde ich mit
Ihm sprechen und dir schreiben wann einer kommen soll. Sonst ist noch alles
beim Alten. Janny hat auch jetzt einen ganzen Monat frei und da wissen sie noch
nicht wie sie es machen sollen mit Josy. Herr dein Wille meine Freude. Jetzt
muss ich aber bald fertig machen den der Vater setzt bei mir und will zu essen
haben er sagt er will auch schlafen gehen er wird auch müde den ganzen Tag von
einem Stuhl zum andern.
(hier eingefügt mit zittriger Hand:
"Grüsse von Vater un.....)
Vater schickt euch auch einen Gruss
wie ihr seht er will noch schreiben aber es geht nicht mehr. Hoffentlich wird
das Klima bald wieder besser, wenn er wieder ein paar Zähne hat nun will ich
schliessen und
Euch alle drei herzlich grüssen und
küssen
Vater und Mutter.
Es war 1928. Ich bezahlte in
Niedercorn, Schulstrasse 11, zweihundert Franken für eine Vierzimmerwohnung,
bezog monatlich achthundertundfünfzig Franken Gehalt und wartete am Schluss des
Monats auf den Geldbriefträger. Der Verdienst lief nicht parallel mit den
Ausgaben und man musste sich nolens, volens an der Leine halten.
Wir bekamen unser erstes Kind. Ein Junge. Er wurde
freudig aufgenommen, obschon es ein Leidensweg für die Mutter war. Das Leben
einer Familie bekommt erst Zweck, wenn Kinder kommen. Alles dreht sich um das
Kind. Ist das Kind zufrieden, gesund und schläft es gut, sind Vater und Mutter
auch zufrieden, auch wenn die finanzielle Lage auch nicht so rosig ist. Der
Segen des Himmels ist mehr wert als alles irdische Vermögen. Meine Dienstzeit
war an Tag und Nachstunden gebunden. Ich kam oft spät nach Hause. Wenn ich die
Haustür aufschloss und es war Ruhe im Haus, dann wusste ich, dann wohnte noch
immer das Glück im Hause.
Die Diebe waren anderswo am Werk. Einmal kam ich nach
Mitternacht nach Hause. Die Strasse lag damals noch im tiefsten Dunkel. Ein
paar Katzenaugen leuchteten mir von der Türschwelle meiner Wohnung entgegen.
Ich wollte sie verscheuchen. Sie lief am Nachbarhaus vorbei, machte auf einmal
so einen großen Seitensprung, den ich mir nicht erklären konnte. Ich griff nach
meiner Taschenlampe, schaltete ein und leuchtete die Stelle ab, wo die Katze
den Seitensprung getan hatte. Ich gewahrte in der Kellerluke des Nachbarhauses
einen Mannskopf und es hatte den Anschein, wie wenn einer sich dort erhängt
hätte. Doch beim Näher Zusehen stellte ich fest, dass der Kopf und die Arme in
Ellenbogenstellung waren. Der Mann wollte rein, hing aber zwischen Himmel und
Erde. Seine Füße hatten den Boden des Kellers noch nicht erreicht, als ich ihn
in seinem Tun überraschte. Ich gab Alarm an dem Schlafzimmerfenster des
Nachbarn und als dieser gewahr wurde dass ein Dieb in seinem Hause sei, war das
Aufstehen um Mitternacht das Werk einer Minute. Sofort wurde auch die Polizei
alarmiert. Als diese eintraf, erkannte sie in dem Dieb, einen lang gesuchten
Einbrecher. Er wanderte hinter die schwedischen Gardinen für einige Monate. Die
Aufmerksamkeit meinerseits belohnte mir der Nachbar am folgenden Sonntag mit
einer Flasche Rebensaft.
Im Jahre 1928 lief durch den Süden des Landes die
erste elektrische Straßenbahn. Die erste Fahrt war ein Ereignis für die
anliegenden Dörfer; Düdelingen, Kayl, Rümelingen, Schifflingen, Esch, Beles,
Obercorn, Differdingen, Niedercorn, Niederkerschen, Petingen, Rodingen. Alle
Menschen die arbeiten wollten, hatten Gelegenheit. Die Transportschwierigkeiten
waren abgeschafft. Geld wurde nun massig verdient. Es entwickelte sich ein
großer Wohlstand unter der Bevölkerung. Eigenheime wurden gebaut.
Industrieanlagen vergrößert. Lohn- und Mietverträge abgeschlossen, ja alles
lebte in Saus und Braus.
Brief der Grosseltern an die Kinder
- 13.2.1930 in alter deutscher Schrift
Rollingergrund den 13.2.1930
Liebe Kinder!
Jetzt wird es aber bald Zeit dass
ich Euren Brief beantworte. Ihr denkt gewiss wir wollten nicht mehr schreiben,
aber jeden Tag war etwas anderes zu machen bis wir wieder in unserer Ordnung
sind und da ist das Schreiben immer aufgeschoben worden. Jetzt sind wir wieder
in unserem alten Geleise und sind auch alle beide froh. Unsere neuen Einwohner
ziehen auch nicht ein bis es nicht mehr so kalt ist und sie haben den halben
Monat Miete bezahlt und wollen dann erst für März kommen. Es ist aber auch
schrecklich kalt. Der Vater bekommt es auch nirgends warm genug, Wir waren die
drei Fastnachtstage bei die Kinder essen aber dann sollt ihr gesehen haben was
ich ihn eingewickelt habe wann wir abends nach Hause gingen. Gestern haben wir
die ??Götsch?? begraben und wenn sie gesehen hätte dass sie so viele Kränze
hatte, dann hätte sie gesagt, das ist Mutwill weil sie sagt immer sie sollten
kein ?? machen für sie von 1000 Fr. dass wäre nicht nötig. Wenn es nicht mehr
so kalt ist dann bringe ich auch den Hühnern ihren ?? dann legen sie vielleicht besser, unsere
legen auch noch nicht viel 2-3 aber es ist noch immer zu kalt. Wir haben auch
schon oft an Albert gedacht wann er des Abends raus muss und es ist so kalt auf dem Berg
? wann hier die haben das Bett in die Küche aufgepflanzen sie haben ?
umso 13 Grad Kälte. Es war gut, dass ihr damals mit dem Kleinen hier waret denn
bei dieser Kälte hättet ihr nicht kommen können
wenn ihr heute hier gewesen wäret, dann hättet ihr Waffeln bekommen. Der
Vater hatte sich welche bestellt aber ich habe welche gebacken wir haben genug
für 3 Tage. Unsere obere Nachbarin muss auch noch immer das Zimmer hüten sonst
weiss ich aber nichts mehr zu schreiben und will nun schliessen und euch alle
drei herzlich grüssen und Küssen
Vater und Mutter.
Regenwetter
Albert François, der älteste Sohn, wurde
am 23 Juni 1928 in Niederkorn geboren.
Am 1. Februar 1930 wurde ich nach Rodingen versetzt.
Die Station Niedercorn wurde aufgehoben. Wir siedelten nach Rodingen um und
wohnten in der Longwyerstrasse. Die Häuser in dieser Strasse standen damals
noch vereinzelt. Die Fonderie, ein Zweig der Hüttenwerke, gab vielen Arbeiter
Gelegenheit zur Arbeit und aus dieser Ursache waren die Wohnungen rar und
teuer. Wir bezahlten 400 Franken monatlich. Der Eigentümer war ein Wirt aus der
Hauptstadt. Als wir in dieser Wohnung waren, kam 1932 unser zweiter Sohn (den
wir bereits als Heng I. vum Ieweschten Béinert kennen gelernt haben) zur Welt.
1934 zogen wir um und wohnten dann gegenüber dem Kasino in der Nähe des
Bahnhofes. Es war eine Dienstwohnung mit sieben geräumigen Zimmern. Die Miete
war nicht hoch und wir konnten monatlich ein paar Franken sparen. Wir lebten
ruhig im Lande. Nennenswerte Ereignisse kamen nur aus dem Auslande. Die Politik
der Unzufriedenheit hatte in den Nachbarländern, vor allem in Deutschland,
Wurzeln geschlagen und die Zeitungen brachten Schlagzeilen von Aufruhr und
Streik. Es fehlte überall an der richtigen Führung. Das Radio, eine Erfindung,
die zu dieser Zeit schon eine achtbare Stellung einnahm, hielt mit Ton und Bild
die Welt in Spannung. Die sensationellsten Berichte kamen aus Deutschland. In
der Industriegegend des Landes aber fehlte es nicht an Arbeit. Die Dividenden
stiegen. Grosse Summen wurden für Arbeiterwohnungen investiert. Ganze Blöcke
Häuser wurden gebaut. Schöne Gärten wurden angelegt. Die Gemeinden ließen
Schwimmbäder einrichten. Der Sport wurde auf der ganze Linie unterstützt und
gepflegt. Vereine wurden gegründet in allen Hinsichten. Hundesportverein,
Gartenbauverein, Basketballklub, Schwimmsportverein, Briefmarkensammlerverein
usw. um nur einige zu nennen. Zur geistigen Ausbildung wurden auch
Studienzirkel ins Leben gerufen. In den Schulen die neu erbaut oder vergrößert
wurden, ließ man Lesestuben einrichten. Wer sparsam war konnte sich ein
Eigenheim erwerben. Die Sparkassen liehen Geldbeträge zu niedrigem Zinsfuss
aus. Man gründete sogar eine Gesellschaft für billige Wohnungen. Das Leben
wurde zum Vergnügen.
Der Krieg scheint unvermeidlich
In Frankreich jedoch sprach man immer von der
Maginotlinie. Dieses Wort sollte ein Begriff werden für künftige Krieg und
Generationen. Millionen wurden votiert. Es wurde gebaut, niedergerissen und
wieder gebaut. Der Stolz der Nation wuchs von Tag zu Tag. Man ahnte etwas. Es
ging ein Geist im Volk herum, der dunkelbange Fragen stellte, alle Lust ward
stumm, wohin auch nur sein Schatten fiel. Das Gespenst eines zukünftigen
Krieges.
In Deutschland
hatte sich ein Mann an die Spitze des Landes gerungen. Adolf Hitler, war sein
Name. Er stammte aus Braunau am Inn in Österreich. Die Politik dieses Mannes
war die Gründung der N.S.D.A.P. die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter
Partei. Sie sollte die einzige Partei im Dritten Reich werden die noch Geltung
hätte. Das sollte und musste gelingen. Die Partei selbst wurde so ausgebaut,
dass auch die entfernten Mitglieder ein Amt im Staate hatten und war es auch
nur Blockwart, Zellenleiter, Blockleiter, Ortsgruppenleiter, Gauleiter,
Bereichsleiter. Ja der ganze Aufbau war eine Leiter und oben auf der Leiter saß
der Führer mit seinem Stab und dirigierte das ganze Volk nach seinem Gutdünken.
Polizei und Propaganda taten das ihrige um die Nichtwilligen für die große
Sache mürbe zu machen. Das Programm der NSDAP war nur für den deutschen
Arbeiter. Es sprossen Wohnungen aus dem Erdboden, jedes Haus erhielt einen
Garten. In der Peripherie der Grosstädte wurden Anlagen gebaut. Schwimmhallen,
Sportsfelder wurden angelegt. Man gründete die Bewegung Kraft durch Freude, die
deutsche Arbeitsfront und dergl. Das ganze Volk stand Kopf. Der Führer
versprach: "Jedem Reichsdeutschen ein Eigenheim. Jedem arbeitenden
Deutschen ein Auto, genannt Volkswagen.“ Ferienfahrten wurden organisiert. Das
ganze Volk war voller Begeisterung für seinen Führer. Doch ein Sprichwort sagt:
"Woher nehmen und nicht stehlen." Doch das sollte die Führung
schaffen und die setzte auch die Hebel in Bewegung. Der Kurs der Außenpolitik
lag auf Raummangel. Das Volk schrie nach Raum. Ja, die im Kriege 1914-1918 an
die Westmächte verlorenen Gebiete sollten wieder an das Reich angeschlossen
werden. Die Parole lautete: "Deutsch ist die Saar." Die Lautsprecher
schrieen es in alle Welt. Eupen und Malmédy sollten wieder Deutsch werden. Die
Politik der Partei ließ das Volk nicht zur Ruhe kommen. Es wurden
Reichsparteitage aufgezogen und Forderungen gestellt! Es bestand nun in dem
Ausland kein Zweifel mehr, der deutsche Michel will wieder los. Sie sangen im
Chor im Reich: "Wohlauf Kameraden aufs Pferd, aufs Pferd, hinaus in die
Freiheit gezogen, im Kampf allein ist der Mann noch was wert, da wird das Herz
noch gewogen“ usw. Die westlichen Staatsmänner hielten Konferenzen ab. In Belgien verunglückte der König. In
Frankreich entwickelte sich der Szawiski Prozess. In Italien wurde der König
abgesetzt. Auch dort stand ein Führer,
"Mussolini!", an der Spitze des Volkes. Sensation folgte
auf Sensation. Die ganze Welt lag in
Spannung. Nur ein Fünkchen genügte und die Welt sollte in Brand stehen. Nicht
die Waffen fehlten, nein, nur das Pulver! Um dieses Pulver balgten sich nun die
Nationen. Im Eiltempo wurde gegangen. Die Räder wurden auf Volltouren gestellt. Die Fabriken arbeiteten
Tag und Nacht. Zuerst für die eigene Sicherheit, dann für die Verteidigung und
dann für die Eroberung. Deutschland baute die Siegfriedlinie. Vom Brenner bis
zur Nordsee. Frankreich die Maginotlinie vom Atlantischen Ozean bis zum
Mittelmeer. Auch die kleinen Völker mussten mit in den Wettlauf der Rüstung.
Unser Land baute Grenzsperrungen und Bunkeranlagen. Belgien erneuerte seine
Festungsanlagen usw. So lag die Welt in Spannung und in der Ruhe vor dem Sturm.
Der kleine Mann auf der Strasse kümmerte sich wenig um die Weltgeschehnisse
aber die Haute Volée straffte die Zügel und politisierte auf Verteidigung und
Angriff.
In unserem Lande wurde gerüstet für die
Unabhängigkeitsfeier die 1939 stattfinden sollte. Bis ins kleinste Dorf hinein
regten sich patriotische Menschen, zur Organisierung von Festlichkeiten in
diesem Jahr. Ja was sollte nicht alles aufgeboten
werden. Die Hauptstadt soll eine Allee von Triumphbögen sehen, wie keine andere
Stadt es nachmachen könnte. Jedes Haus seine Fahne, jedes Dorf seinen
Umzug. Jeder Kanton sein Fest und die
Hauptstadt selbst. Ja, da soll das Herz vor Entzücken stehen bleiben. Das soll
uns keiner nachmachen. Hundert Jahre frei und unabhängig. Hundert Jahre
Wohlstand. Hundert Jahre Dynastie. Das ganze Land im Taumel der Freude, im
Taumel des Glücks. Im Vorhimmel der Seligkeit. Es kam auch so. Aber hinter
diesem Vorahnen schlich die grässliche Fratze des Krieges an den Grenze des
Landes entlang. Stein auf Stein. Wall auf Wall türmten sich die Festungen und
es war nur eine Frage der Zeit und die Welt sollte in Flammen stehen.
Es war 1938 im Sommer auf Maria Himmelfahrtstag. Ich
hatte zu einem kleinen Dorffest verschiedene Verwandte eingeladen. Ich hatte
morgens noch Dienst. Während meiner Dienstzeit wurde mir unwohl. Ich setzte
mich in den Schatten einer Hecke. So gegen zwölf Uhr sollte ich nach Hause. Ich
verspürte dass mein Zustand sich verschlechterte. Mit Mühe erreichte ich das
Haus. Ich täuschte gute Miene vor, ging mit zu Tisch aber beim ersten Löffel
Suppe stellte sich Brechreiz ein. Ich musste ins Bett. Man rief den Arzt, der
in der Nachbarschaft wohnte. Nach seinen Aussagen musste ich im Bett liegen
bleiben. Man legte mir ein Senfpflaster auf die linke Schulterseite. Ich durfte
nichts essen. Ich ahnte eine schwere Krankheit. Ich lag schweißgebadet im Bett.
Die Gäste im Haus fanden nicht die richtige Stimmung. Sie verabschiedeten sich
frühzeitig und nun lag ich krank danieder. 8 Wochen lang! Lungenentzündung mit
Nierenentzündung. Der Arzt, ein erfahrener Mann versicherte mir jedoch eine
komplette Genesung.
Ich stand abgemagert auf und versuchte wieder zu
gehen. Das Krankenbett hatte mir fast alle Kräfte entzogen. Langsam fing ich
wieder an meine Diensttouren ab zu schreiten. Der Appetit kam wieder und damit
auch die Kräfte. Der Mensch stirbt nicht, wenn er will. Die Freude hält die
Seele gesund. Ist die Seele gesund, ist auch der Mensch nicht zum Sterben
krank. So durfte ich wieder sehen wie in meinem Dienstbereich sich die Erde
wandelte. Wie große Betonmauern sich in die Weg stellten, wie längs der
französischen Grenze Löcher in den Boden gegraben wurden. Drahtverhaue liefen
durch den Wald und Hecken. Spione patrouillierten täglich an der Grenze
entlang. Man flüsterte ja man sprach schon offen: " Soll es Tatsache
werden? Ist es nicht anders möglich?“
Wir im Ländchen rüsteten zum Fest 1939. Freudenschüsse
böllerten im Land. Fackelzüge erhellten die Dunkelheit der Nächte und
bengalische Feuerwerke verzierten das Firmament. Alles tanzte vor Freude auf
den Strassen, in den Häuser. Die Hauptattraktion war der folkloristische Umzug
durch die Strassen der Stadt. Da wanderte ein Jahrhundert alte Geschichte an
unserem Auge vorbei, in Wort, Bild, Pferd, Waren, Autos, Ritter und Knecht,
gepanzert und getarnt. Da sah man Raubritter der alten Burgen im Land, die
Lehnsherren der Schlösser, die Grafen und Herzöge usw. Ein Augenschmaus
sondergleichen. So hielt die Fürstin Großherzogin Charlotte ihren Umzug durch
die Stadt. Nur ein Lachen und Lächeln, stundenlang, ein Winken und Grüssen,
ohnegleichen von allen Seiten. Das Volk stand auf dem Gipfel der Freude.
Weitaus griffen die Kundgebungen des Volkes ihrer Herrscherin zu Liebe. Der
Rauch der Freude sollte und wollte kein Ende nehmen. Da brachte die Zeitung die
Meldungen von einer Dreierkonferenz in München. Chamberlain, Daladier, Hitler.
Und wie vom tropischen Fieber getroffen, verstummten alle Lieder des Volkes und
die Fahnen an den Hauswänden fingen an zu weinen. Sie ließen sich sogar in
Fetzen vom Winde verwehen. Wohin? Das große Fragezeichen. Die
Meinungsverschiedenheiten der Völker wurde auf der Münchener Konferenz
eingehend besprochen, aber nicht aus der Welt geschafft, denn am 10. Mai 1940,
beim ersten Sonnenstrahl, der ins Land fiel, standen bis an den Hals bewaffnete
deutsche Soldaten an der Grenze unserer Heimat. Telegraphische Nachrichten
liefen in alle Richtungen. Der Feind ist da, der Feind ist da, der Preuße ist
gelandet. Es war kein Bluff, es war Wirklichkeit. Ich hatte an diesem Tag
Frühdienst von 4 Uhr bis 12 Uhr mittags. Um 4.30 Uhr schon wussten wir an der
westlichen Ecke des Landes, dass die deutschen schonungslos die Grenze
überschritten hätten und sogar mit Waffengewalt die Hindernisse geräumt hatten.
Kurz nach diesen Meldungen begann der Verkehr auf der Strasse auf Hochtouren.
Alles stürmte zur französischen Grenze. Die meisten Reisenden waren jedoch
auffallenderweise Juden. Die Judenverfolgung der Nazipropaganda brachte diese
Menschen zu Verzweifelungstaten. Alles ließen sie im Stich. Nur das Auto und
das Notwendigste drin. So schnell wie möglich zur Grenze. Die Habgier und
Machtgier des deutschen Führers, ließ unsere Herrscherin auch über ihr
Schicksal und das Schicksal ihres so geliebten Volkes nachdenken und wie es mir
schien war die Angelegenheit nicht so einfach. Was, wo, warum, mit welchen
Mitteln, wie, wozu, wann!! Die Fragewörter überstürzten alle Pläne unserer
Zukunft. Da mag einer in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht
gefällt. Die Hände in den Schoss legen und zuschauen war nicht die Aufgabe des
Augenblicks. Es hieß handeln und sogar sehr schnell handeln. Nach reiflicher
Überlegung setzte sich nun die Herrscherin mit Gefolge in den Wagen und fuhr in
der Masse der anderen Autos getarnt, auch bis zur französischen Grenze. Die
letzten Ratschläge und Beratung fanden in meiner Gegenwart hier an der Grenze
noch statt, Telefongespräche ausgewechselt. Es wurden Hände geschüttelt, Tränen
getrocknet, Wünsche geäußert und in diese spannende Augenblicke erschallen aus
der nahen Wirtsstube gegenüber des Zollbüros, an der Rodinger Grenze, die
Propagandarufe des deutschen Propagandaministers Goebels. Im Zollbüro saß
unsere liebe Großherzogin mit verkrampften Herzen und horchte und urteilte.
Jedes Wort des deutschen Propagandaministers, das ja bewusste Lügen waren, ließ
die Hautfarbe der Herrscherin um einen Ton blasser erscheinen. Tränen rollten
über ihre Wangen. Ich sah es selbst, ich spürte es selbst, ein Vater, eine
Mutter, sie sollen sich entscheiden. Die Kinder, die Eltern, das Volk, das
Land: "Wo ist Gerechtigkeit?" Mein liebes Land, mein liebes Volk,
meine liebe Heimat, soll oder muss ich dich verlassen? Das Herz schlug mir bis
zum Hals. Ich ahnte die schweren Herzschläge in der Mutterbrust unserer lieben
Großherzogin in diesen Augenblicken. Seine königliche Hoheit, der Herr Prinz
Felix, der Herr Gemahl, schien auch dasselbe Empfinden zu haben, denn die
Unruhe trieb ihn aus und ein. In diesem Moment der nahen Verzweifelung
schrillte das Telefon. Ich nahm ab. Hallo hier Rodinger Grenze."
"Hier Gendarmerie Rodingen. Letzte Neuheit. Die Deutschen Stuka haben
zwischen Petingen und Niederkerschen Fallschirmspringer abgesetzt. Die
Mannschaften sind motorisiert und können zu jeder Zeit bis zur französischen
Grenze vorstoßen. Vorsicht ist geboten. Schluss." Der letzte Augenblick
unserer Herrscherin sollte kommen, wo sie unserem und ihrem Lande Ade sagen
soll. Sie verlässt das Büro und schreitet langsam und schweren Herzens zu ihrem
Wagen. Ein letztes Mal geht ihr Blick nach Nordost in Richtung Luxemburg. Die
hochsteigende Sonne des 10. Mai küsste noch einmal de tränenden Augen unserer
lieben Herrscherin. Ein gewaltiges Motorgrollen setzte alle in Staunen. In
geringer Höhe über die gestauten Fahrzeuge in der Strasse, sauste eine
Stukamaschine hinweg. Alles stieg ein und schon hob sich die Zollschranke am
französischen Zollamt. Die Strasse war frei. Ade! Ihr alle, auf Wiedersehen.
Gott schütze uns alle. Es war 7.40 Uhr. Die Autos rollten über die Grenze.
Wohin? Minuten später, lag die Strasse Rodingen Longwy in tiefster Einsamkeit.
In den Lüften jedoch entbrannte ein Luftkampf zwischen deutschen und
französischen Fliegern. Es war ein gewagter Anblick, denn die Kugeln zischten
nach allen Richtungen. Ich war allein im Zollbüro und dachte an alles nur an
nichts Gutes. Die Ruhe vor dem Sturm setzte nun ein. Da wieder das
Motorengeräusch. Ich trat auf die Strasse. Von Longwy her rückte eine
motorisierte Kolonne Soldaten unserer Grenze zu. Ich öffnete den Schlagbaum
einseitig mit der Bemerkung, dass sie
anhalten müssten. Einige Soldaten waren doch so waghalsig und fuhren weiter.
Der Kommandant der Truppe, allem Anschein ein Kapitän trat auf mich zu und fragte
nach Richtung und Ziel. Ich machte ihn auf eine Grenzverletzung aufmerksam und
sofort gab der Mann Befehl an seine Truppe sich zurück zu ziehen. Von Mann zu
Mann ging der Befehl, bis zur Spitze, die schon bis zu den ersten Häusern in
Rodingen vorgedrungen waren. Sofort begann der Rückmarsch und in kurzer
Zeitspanne war die Strasse wieder frei. Einige Verwundete gab jedoch schon und
der grausame Krieg hatte begonnen. Wo, wann und wie soll er enden? In den
Lüften kreisten die Spähflieger. Ab und zu fiel ein Schuss aus den
Schützengräben längs der Grenze. Der Zeiger der Uhr rückte auf Mittag zu. Ich
überlegte ob es möglich wäre nach Hause zu kommen oder nicht. Ich zog die
Uniformjacke und die Mütze aus, band alles auf mein Fahrrad, stieg auf und fuhr
nach Hause. Nicht weit von dem Zollbüro war eine dicke betonierte
Straßensperre. Daneben ein Wärterhäuschen. Ich hatte zu allem die Schlüssel.
Die französischen Soldaten hatten aus dem Wärterhäuschen das Mobiliar auf die
Strasse gestellt. Ich stellte alles wieder unter Dach, sperrte die Tür, schloss
das betonierte Tor der Strasse und fuhr auf die Ortschaft zu. Die Strecke
beträgt ungefähr 600 Meter bis zu den ersten Häusern. Auf der Hälfte des Weges
lief ein großer schwarzer Hund über die Strasse. Plötzlich überschlug er sich.
Eine Kugel hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Wo kam die Kugel her? Ich
konnte es nicht wissen. Ich fuhr vorsichtig dem Dorf zu. Am Eingang winkte mir
ein deutscher Soldat zu halten. Ich hielt und stellte fest, die Strasse lag
voll Tellerminen. Ich erklärte meine Fahrt und der Soldat ließ mich nach links
zur Fonderie abbiegen. Ich bog ab, fuhr dem Bahnkörper entlang bis gegenüber
dem Bürgerkasino. Dort schlich ich durch eine Hecke, durchquerte die
Parkanlagen und dann die Strasse und war endlich bei Frau und Kindern.
Das Mittagsmahl wollte nicht recht munden. Die
Aufregung hatte den Appetit verscheucht. In den Parkanlagen gegenüber unserer
Wohnung fuhren schwere Deutsche Batterien in Tarnstellung. Die Kastanienbäume
boten Schutz vor Sicht der Flieger. Jedoch wurden sie entdeckt und die
Kanonenrohe der französischen Linie wurden auf das Ziel eingestellt. Ich sagte
noch zu meiner Frau: "Du wirst sehen, in der Nacht werden wir einen Spaß
erleben!" Kaum war die Sonne hinter den Bergen, ging das Schiessen los.
Wir wollten nicht ins Bett. Wachend sieht man früher die Gefahr. Wir nahmen uns
ein Bett aus dem Mansardenzimmer und stellten es in der Stube auf. Die zwei
Jungen sollten dort schlafen. Wir beide sollten bis Tagesanbruch wachen. Ich nahm im Lehnstuhl Platz. Meine
Frau setzte sich an den Küchenherd, strickte und betete um Gottesschutz zu
erflehen.
Da plötzlich sauste eine Stichflamme am hinteren
Stubenfenster vorbei. Ein Einschlag. Ich sprang auf, riss sämtliche Kleider von
dem Kleiderhaken und trug dieselben mit dem Lehnstuhl in den Keller. Die Kinder
standen auf, kleideten sich notdürftig und folgten mit der Mutter. Es dauerte nicht lange und
ein kräftiger Schlag lies das ganze Haus erzittern. Ein Einschlag ins Haus.
Steine, Sand, Gips und Mörtelsplitter flogen im Treppenhaus von einer Mauer zur
andern. Sogar Möbelstücke flogen dazwischen. Fast alle Fensterscheiben im Hause
waren in Scherben, infolge des Luftdruckes. Im Keller empfanden wir eine eisige
Kälte. Ich stieg zum ersten Stock um Decken zu holen zum Einwickeln. Da bot
sich mir ein schreckliches Bild. Das Schlafzimmer der Kinder glich einem
Schutthaufen. Alles war kaputt bis zur Decke. Das eiserne Bett, der Schrank,
die Waschkommode alles lag in Scherben und Splitter am Boden. Die Vorhänge
waren aus dem Hinterhaus durch das Vorderhaus geflogen und hingen in Fetzen auf
der Hochspannungsleitung. Ja, selbst diese hing zerfetzt an den Masten herab.
Wir blieben bis Tagesanbruch im Keller. Gegen vier Uhr früh erschien ein uns
unbekannter Mann, schaute sich um im Haus und verschwand ohne ein Wort zu
reden. Dann kam der Herr W. unser zweiter Nachbar und meldete uns schon vor der
Tür was geschehen ist. Keiner antwortete ihm da wir zuerst nicht wussten, wer
es war. Er stieg zum Fenster herein und rief nun in das Haus: "Lebt ihr
noch?" Wir erkannten nun seine Stimme
und nun kam er zu uns in den Keller. Er sagte: "Was seit ihr so
schwarz im Gesicht, was ist geschehen? Kommt mit mir nach Hause! Wir stiegen
nun mit nach oben und übersahen die Zerstörung im Hause! Es wurde noch immer
geschossen. Deshalb blieben wir nicht länger in der Gefahr und flüchtete in den
Keller des Nachbarn. Gegen Mittag ward es ruhig im Haus. Wir stiegen nun in die
Wohnung und sammelten alles Brauchbare zusammen. Man sprach von einer
Evakuierung. Am Mittag sollte ein Zug ins Ösling fahren. Wir machten das
Mittagessen zurecht, aßen ein wenig und begaben uns bis nach Petingen Bahnhof.
Ein Verbleiben in der Wohnung hatte für den Moment keinen Zweck. Man wusste
nicht wo die erste Schlacht sich abspielen würde. Wir erreichten mit
Hindernissen den Bahnhof, stiegen ein, nachdem ich mein Fahrrad in die
Güterhalle gestellt hatte und fuhren ins Ungewisse. Der Zug, der die größtmögliche Zahl von Wagen
angehängt hatte, war zum bersten voll. Wohin geht der Weg! "Ich weiß es
nicht!" Doch wir fuhren, das war
die Hauptsache, aus dem Bahnhof, dort war es ziemlich gefährlich, denn
aus der nahen berühmten Maginotlinie
begannen die Geschütze zu donnern. So ein Bahnhof ist immer ein strategisch
wichtiges Ziel. Die Richtung Attert wurde eingeschlagen. Gott sei Dank. Wir
sind aus dem Schlamassel heraus. In Steinfort machten wir Rast. Dort wurde ein
Imbiss eingenommen. Der Durst plagte die Kinder usw. Dann ging es bis Bissen an
der Attert. Dort sollten wir aussteigen. Nun, wohin jetzt? Wir entschlossen uns
mit einem Berufskollegen mit dem Taxi bis nach Altlinster bzw. nach Heffingen
zu fahren. Dort hatte ich Verwandte. Es ist immer besser im Lande zu bleiben
bei Verwandten, als nach Frankreich ins Unbekannte. Ein Glück, sämtliche
Plätze, waren schon für andere Evakuierte aus Kayl requiriert. Wir waren zwar
nicht willkommen, aber besser noch Verwandte als Fremde im Hause, so dachte
mein Taufpate. Am anderen Tag, war das hohe Pfingstfest woran in der Eile
niemand mehr dachte. Wir gingen zur Kirche in Heffingen. Ja in der Kirche
mussten wir weinen. Wer konnte das Leid all der Evakuierten verstehen? Nach der
heiligen Messe wurden vor der Kirche noch die letzten Ereignisse besprochen.
Ich wollte noch eine Rede halten aber die Worte blieben mir in der Kehle
stecken. Ich musste weinen. Warum? Ja, über den Fortgang der Regierung und der
Großherzogin aus dem Lande zirkulieren die tollsten Gerüchte. Ich kannte die
richtige Sachlage, konnte aber nicht jedem die Geschichte erzählen, denn nicht
alle Bürger sind für das Hören einer Wahrheit empfänglich. Ich hielt mein
Wissen in Schranken und es war auch gut so. Was ich nicht weiß, macht mich
nicht heiß. Doch in diesem Geist lag die Wurzel einer patriotischen Entgleisung
mancher Luxemburger. Sie kritisierten
alles. Eine Herrscherin soll ihr Volk nicht in der Not verlassen und auch nicht
die Regierung. So wurde gesprochen! Wer aber die Verhältnisse und Tatsachen aus
dem Weltkrieg 1914-1918 kannte, der gibt schon der Regierung und der
Herrscherin Recht. Eine Hilfe für uns
konnte nicht aus dem Osten kommen. Nein, und noch einmal nein! Der
Nationalsozialismus strebte nach Eroberung und Einverleibung aller umliegenden
Staaten und eine Hilfe aus Russland. Nein, Mensch, das war und ist ein
Rassenproblem und einfach undenkbar. Es war ein nobler, geschickter und
überlegter Gestus, der Großherzogin mit ihrer Regierung das Land zu verlassen
und irgendwo die nötigen Demarchen für eine Hilfe zu veranlassen, sei es
wirtschaftlicher, finanzieller oder sogar kriegerische Natur. Die Erfahrung
sollte uns das alles lehren. Es vergingen sechs Wochen ohne nennenswerte
Ereignisse. Ich meldete mich zum Roten Kreuz und auf diese Weise hatte ich
Gelegenheit verschiedene Fahrten zwecks Evakuierung einer Apotheke in Rodingen
auch zu meiner Wohnung zu gelangen und noch verschiedenes Bettzeug zu
evakuieren. Es gelang mir alles bewegliche Leinen und Bekleidungsstücke aus dem
Haus zu bekommen auf Grund meines Passierscheines vom Roten Kreuz. Sonst
verliefen die Tage wie wenn nichts geschehen, nur flogen die Stukas ohne
Unterlass mit Verstärkung und Munition an die Front und manchmal sogar über die
Dächer der Häuser. Ein Mann der mit einer Kuh am Seil auf der Weide war, fiel um
vom Luftdruck einer tief fliegenden Maschine. Das war ein Fliegen hin und her,
sogar die Vögel in der Luft waren des Lebens nicht mehr sicher. Eines Tages nun
kam von der Wirtschaftskammer die Nachricht dass wir wieder nach Hause dürften.
Die Arbeit sollte für uns Beamten wieder beginnen. Zwar nicht im Zollwesen,
wohl aber im Wirtschaftsleben. Ich fuhr nach Rodingen und bereitete alles für
die Rückreise vor. Es war keine leichte Arbeit. Dann stellte ich mich dem
Wirtschaftsamt zur Verfügung. Wir machten die Bestandsaufnahmen in den
Ortschaften Niedercorn und Differdingen. Die Zerstörung in diesem Gebiet war
einfach unbeschreiblich und ein gesunder Mensch versteht das nicht. Das was
verwüstet wurde, da ging der Wert in die Millionen. Ein Beispiel will ich zitieren.
Bei einem großen Konsumgeschäft in Niedercorn stand eine Baumölpumpe. Die Pumpe
natürlich im Laden. Die Zisterne war aber außen und mit Vorbedacht bis an den
Rand gefüllt. In die Öffnung im Laden ließ man Wein, Branntwein, Essig usw.
laufen, das massig in den Regalen stand, nur um die Menge Speiseöl unbrauchbar
zu machen. Im Laden selbst war ein Wirrwarr, wo man weder einen Anfang noch ein
Ende der Arbeiten sah. Kaffeebohnen, Reis, Erbsen, Linsen, Hühnerfutter, Mehl,
lagen so hoch im Raum, dass es einem zu den Stiefeln einlief. Mercerie,
Rubanerie, Kurzwaren aller Art lagen zerstreut und in Massen in dem
Durcheinander der Körnerfrüchte. Mache hier eine Bestandesaufnahme! Einfach ja
einfach undenkbar. Tausend Hühner herein, dass diese zuerst die Körner
aufpicken und dann das Mehl und den Kaffee und die Tausende Hosenknöpfe und
Zwirnfäden, Schuhriemen, Taschentücher und Arbeiterhosen. Ja, wer frisst das? O
heiliger Bimbam. Wer kann nur so ein Durcheinander anstiften? In einem anderen
Haus schoss sogar ein Soldat in ein Heiligenbild an der Wand. Waren es
Franzosen oder waren es Deutsche? Schwer zu beurteilen. Jedenfalls Millionen
Werte gingen der Vernichtung entgegen. Was hätte ein Dorf mit diesen
Lebensmittel noch gemacht, wenn sie sauber gewesen wären. Monatelang hätten wir
in Saus und Braus leben können, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre. Nach der
Bestandsaufnahme die etliche Wochen in Anspruch nahm, durften wir wieder auf
unsere Posten, aber nur für einige Tage. Die Wehrmacht konnte keine Verwendung
finden, denn wir galten als Ausländer und für sie waren wir nicht zuverlässig.
Wir wurden also unseres Amtes als Zollbeamten entbunden und fanden
Beschäftigung im Wirtschaftsamt. Ein Gauleiter Gustav Simon übernahm die
Führung im Lande. Alles wurde verdeutscht. Wir mussten Reihweise nach
Traben-Trarbach in die politische Umschulung. Was da alles geboten wurde
übertraf allen Blödsinn. Rassenfrage, Raumfrage, Grenzfrage, Weltanschauung.
Geschichtslehre, Heldenlehre und Heidenkult usw. Man durfte absolut nicht realistisch
sein. Alles Wahre wurde mit Absicht verkannt und verleumdet. Sogar die
bedeutenden deutschen Liberalen mussten verschwinden, weil sie nicht
nationalsozialistisch genug waren. Man wollt die ganze Welt ummodeln, sogar die
Erschaffung der Welt wollte man dem Führer zumuten. Ein bisschen absurd war der
ganze Aufbau der Parteitheorie. Einmal, gelegentlich eines Spazierganges nach
Bernkastel von Traben Trarbach aus, hatte ich Zwiesprache mit dem
Schulungsleiter. Wir unterhielten uns über die Demokratie. Er behauptet die
Demokratie sei ein Übel im Volk. Ich fragte ihn: "Weshalb singen sie denn
die Lieder der wahren deutschen Demokraten." "Kommt gar nicht in
Frage" sagte er. Ich fragte ihn: "Kennen sie Uhland? Oder das Lied, ich hab einen
Kameraden!" "Ja!" " Also wissen sie auch, dass Uhland
gelegentlich einer Kaiserkrönung in der Paulinuskirche in Frankfurt am Main,
den Ausspruch tat: " Kein Herrscher, wird über Deutschland walten (?), der
nicht mit einem guten Schuss demokratischen Öles gesalbt ist.“ Er entgegnete: "nein, das wusste ich
nicht." "Also sehen sie. Lernen sie zuerst die deutsche Geschichte
und sie werden interessante Feststellungen machen." Wir sprachen über
vieles andere aber fanatische Menschen lassen sich nicht überzeugen und
streiten alles Wahre ab, da es gegen die Prinzipien geht.
Zur Annexion an Proklamatioun
Keng Verspriechen an keng Gewalt
konnten eis Trei zur Hémecht briechen. Haut ass onst Land durch e Machtsproch
un t'deitscht Reich ugegliedert, ass Freihét an ärt Gleck den 10ten Mé 1940
zesummegebrach. Den 30. August hun t'Preisen hirem Verbriechen un dem letzeburger Land t'Kroun opgesât. Ons
Jongen sin an déi verhâsst preisesch Uniform gestach gin an sollen t'Waffen
drôen géint hir Briddder déi an den Arméien vun den Alliéierte fir t'Freihét an
Independenz fu Letzeburg hirt Liewen hirgin. Ons dâper Jongen wössen wât hier
Pflicht ass. T'Äntwert déi t' Letzeburger Vollek op t'Proklamatioun vun der
Annexioun gin huet ass én héroescht Bekenntnis zur Hémecht an et ass emsoss dat
t'preisesch Ligepropaganda heihannen versicht och Är Ei'er ze stielen an gléwen
ze din dat 72000 hätten t'freiwölleg Aglidderung an t'deitscht Reich verlangt.
Mat dém secheren Sieg vun den Alliéierten erstét och nés onst léiwt frei
Letzeburger Land. Déi Opfer déi mir fir ons helleg Gidder brengen, machen ons
Hémecht nach méi léiw. Ons Nationalhymn ass haut wouer gin, Letzeburg ass on
Hémecht fir déi mir heinidden alles wôen. Méi wéi jé schléit mein Herz fir all
déi jénesch déi fir t'Hémecht leiden an bludden mussen a fir mein léiwt
Letzeburger Vollek. A méi wi jé sin ech secher dass den Herrgott, zu dém ech
och dagdéglech bieden, seng Hand iwert onst Land hällt.
Das Programm des Tages war ja an sich interessant.
Frühsport, Singen, Morgenkaffee. Politik bis Mittag. Essen, Ruhe, Politik,
Essen, Sport, Ruhe. So vergingen die Tage. Null weniger Null bleibt Null, denn
wir fanden an dem ganzen Lehrgang nicht
das mindeste Interesse. Die politischen Redner, die es massig in Deutschland
gab, überstimmten unser ganzes Land und es verging nicht eine Woche, wo nicht
irgendwo eine große Rede gehalten wurde. Verordnungen auf Verordnungen regneten
auf das Volk hernieder. Wir sollten und müssten doch deutsch werden, denn
unsere Ahnen seien doch Deutsche gewesen und in unsern Adern fließe doch
deutsches Blut. Ei wie geistreich. Ist die Ziege in Albanien auch deutscher
Abstammung, weil sie in Albanien genau so meckert wie in Berlin? Komisch
was? Doch der Apfel des Adams im
Paradies war doch ein deutscher Apfel. Blödsinn im Riesenformat. Ich will nicht
mehr ein Wort darüber verlieren, denn es wäre eine Todsünde, die Menschen so zu
Leithammeln. Als ich von Traben-Trarbach zurück war, sollte ich die
Preisüberwachung in den Gemeinden, Petingen, Küntzig übernehmen. Zuerst sollte
ich den deutschen Gruß "Heil Hitler" lernen! Das sei äußerst wichtig.
Ein Beamter soll in der Volksgemeinschaft mit dem schönsten Beispiel voran
gehen. Ich gab mir Mühe das zu tun, nur nicht als vorbildlicher Nazi oder Arier.
Meine Tage sollten deshalb gezählt sein. Meine geheimen Zeichen wurden von den
guten Luxemburgern bald verstanden. Es fiel mir recht schwer einen Bürger
anzuzeigen, der gegen seinen Willen und Charakter handeln musste und ich zog
aus dem ganzen Getue das Fazit der Selbstbefriedung. Alle Lebensmittel und alle
Textilien, ja überhaupt alles was Namen hatte war kriegswirtschaftlich
beschränkt und unterlag der Bezugscheinspflicht. Es gab jedoch unter
Luxemburgern immer eine alte Siddel oder Schrank, wo noch mancher Ladenhüter
auf den Käufer wartete. Solche Gelegenheiten wurden immer ausgenutzt und oft
zum persönlichen Vorteil. Zu einer Anzeige fehlte mir das
nationalsozialistische Temperament. Es ging, wie es gehen musste. Ein
Geschäftsmann aus Rodingen beklagte sich bei der Gestapo (Geheimen Staats
Polizei), dass ich den deutschen Gruß nicht erwidern täte! Ein Beweis dafür,
dass ich ihn auch nicht anwandte! Ein höherer Preisüberwachungsbeamter aus Köln
kam zur Untersuchung. Ich muss sagen: "Dieser Mann war Beamte, hatte aber
für unsere Luxemburger Belange eine schwache Seite und gab mir den Rat in
Zukunft vorsichtiger zu handeln.“Ein dummer Mensch kann raffiniert
handeln." Ich merkte mir die Worte.
Ich stellte nun auf meinen Kontrollgängen fest, dass die Gestapo sich auch
zeitweilig in die Preisüberwachung einmischte, ja sogar oft Anzeige wegen
Preisüberschreitung erstattete, aber nur in den Geschäften, die als gute
deutsche Patrioten bekannt waren und für schmierige Geschichten kein Interesse
hatten. Auch die Gestapo ging oft durch Hintertüren fort, dann war die
Schmierwurst daran schuld, die nicht genügend Platz in der Tasche fand. Der
schwarze Markt suchte sich Käufer auch bei den oberen Zehntausend. Bis in die
kleinste Ortschaft schleicht er ein. Keck und kühn wurden landwirtschaftliche
Produkte, wie Speck, Eier, Mehl gehamstert. Ich verstand auch hinter die
Kulissen zu sehen und nutzte manche Gelegenheit aus. Im geheimen war im Land
eine patriotische Resistenz gegründet worden, welche den Zweck hatte die patriotischen
Gefühlt zu stärken und zu erhalten. Auf
meine Art konnte ich dieser Resistenz oft einen Hinweis oder einen Dienst
erweisen, der für diese von großer Wichtigkeit war. Es war auch sehr wichtig
die Luxemburger kennen zu lernen die Verräter an ihrem Lande wurden und nur an
dem Untergang unserer Dynastie und unserer Sitten und Gebräuche interessiert
waren. Es wurde mir aber zum Verhängnis, denn ich musste die
Preisüberwachungskontrolle aufgeben, wegen "nicht bieten von Gewähr".
Das Wort Gewähr wurde zum Begriff. Ich machte mir keine Illusionen und hockte
wieder mit meinen Kollegen in einer verlassenen Stube beim Kartenspiel. Nur
während der Bürozeit. Außer der Dienststunden, die tatsächlich in einem
Register figurierten, waren wir immer zu Hause tätig und arbeiteten für uns in
der Familie und ließen Deutsche Deutsche sein.
Geblättert im Notizbuch - Der Kampf der Ähre
mit dem Wind.
Stolz ragt sie da, die schöne Ähre. Wer hat sie aufgebaut?
Wie ein Hochhaus steht sie da. Etage um Etage wuchs sie hoch. Als der Stamm
oder der Halm zur Hälfte gewachsen war, kroch sie heraus, ganz struppig wie
Bartstoppeln. Nur nicht anrühren. Ja, wer sollte auch. Nur der Odem Gottes
konnte sie bestreichen. Sie wuchs immer höher. Da fing sie an zu blühen. Zarte
Blütenstäbchen hingen an ihr herunter, doch da kam der Wind des Hochsommers.
Der rüttelte sie kräftig, wehte sie hin und her. Das ließ sie sich gefallen. So
wurde sie vom Blütenstaub der Nachbarin befruchtet. Ein Ährenrausch weht durch
das Feld. Es wuchs in ihr das Korn das uns da schönes Mehl beschert.
Immer tiefer neigt sie ihr stolzes Köpfchen, infolge der
Schwere. Am Horizont zeigt sich eine dunkle Wolke. Ein Gewitter kommt. Zuerst
ein Rauschen von ferne. Es ist der Wind. In Blitzesschnelle kommt er angerannt
und flugs hinein in das Ährenfeld. Er fasst die Ähren beim Schopf, schüttelt
sie hin und her, bald links bald rechts, bald nach unten bald nach oben.
Ausreißen will er sie. Aber nein sie steht fest. Gottes Schöpfung kommt ihr zu
Hilfe. Doch da fällt der Regen auf ihr Haupt, in die Haare an ihrem Stamm
entlang. Immer tiefer neigt sie ihr Haupt. Immer noch fällt der regen, immer
noch bläst der Wind. Sie muss sich ergeben. Kampflos legt sie sich der Länge
nach zur Erde. Der Wind war Sieger.
Dahinter ein Fragment:
Der Kampf zwischen Ähre und Winde
Doch da kroch etwas an ihrem Stamme hoch. Was ist das? Eine
Pflanze? Ja, sie wollte auch hoch hinaus, Aber wie? Ja, zuerst legte sie ihr
Köpfchen zart an ihren Stamm, drehte im Halbkreis und schon hing sie fest, In
stetem Drehen geht es nach oben..........
Im Januar 1942 erhielten wir nun vom Gauleiter Simon
in Luxemburg eine Abordnung nach dem Hauptzollamt Aachen. Von meinen Kollegen
aus Rodingen war ich allein. Wir fuhren ungefähr 25 Beamte zusammen bis Aachen
im Monat Februar 1942. Von dem Hauptzollamt Aachen wurden wir in die
verschiedene Bezirke verteilt. Ich kam in den Regierungsbereich Aachen, Station
Herbesthal, eine Eisenbahngrenzübergangsstelle zwischen Deutschland und
Belgien. Wir fuhren also los. 21 an der Zahl bis Herbesthal. Es war zur späten
Stunde am Tage und die Besorgung eines Quartiers war kein leichtes Unternehmen.
Ich landete mit einem Kollegen in einem Hotel Kreusch auf dem freien Platz in
Welkenrad, Belgien. Herbesthal und Welkenrad sind zwei zusammen liegende
Dörfer, die nur durch die Landstrasse getrennt sind. Rechts ist Herbesthal und
links Welkenrad. Komisch, vor dem Krieg muss ein Dienstleisten doch schwer
gewesen sein in diesen Dörfern, denn das Überschreiten der Grenze mit
Schmuggelware war ja nur ein Katzensprung von einem Haus in das andere. Zwei
gegenüber die sich gut gekannt haben konnten sich wertvolle Dienste leisten,
denn es gibt ja immer Waren, die große Preisunterschiede aufwiesen.
Geschmuggelt wird ja immer, einerlei was. Hauptsache ist man hat was gekauft
und dem Zöllner ein Schnippchen geschlagen. Ob der Schmuggel sich finanziell
gelohnt hat, das gehört auf ein anderes Blatt. 1942 war ein sehr strenger
Winter. Schon auf unserer Reise nach Aachen mussten wir feststellen, dass der
Schnee oft Meter hoch lag. Von unserm Ösling angefangen bis Aachen. Wahre
Schneeberge. Auf der Station Kaltererberge war der R.A.D. im Begriff die
Bahngeleise des Bahnhofes frei zu machen. Sie türmten den Schnee Etagenweise so
hoch wie das Stationsgebäude. In Welkenrad, das ziemlich flach liegt, war der
Schnee auch flach verteilt. Auf den Dächern, in den Höfen, auf den
Bürgersteigen oft über 2 Meter hoher Schnee. Alles Wasser gefroren und die
Klosettanlagen in den Bedürfnisanstalten der Gastwirte und Hotelbetriebe waren
Seen von Schmutz und Morast. Bei Tauwette lief das Wasser die Dachrinnen
entlang in den Hof. Der Kanal in den Strassen war durch Schnee und Eis
verstopft und zu gefroren. Ein Betreten der Strasse bei Nacht war ein halsbrecherisches
Unterfangen. Da nebenbei alle Strassen wegen Fliegergefahr verdunkelt waren.
Ich wohnte in der Dreihimmelstrasse bei Witwe Lehanne. Ihr Mann war als
Eisenbahner verunglückt und gestorben. Sie hatten keine Kinder. Nur zwei kleine
Möpse und ein adoptiertes kleines Mädchen, waren die Hausinsassen. Mit
wohlwollenden Referenzen stellte ich mich der Dame vor. Sie durchschaute mich
auf Herz und Nieren, ob ich nicht vielleicht ein deutscher Spitzel sein könnte.
Obschon so nahe an der Grenze, konnte sie die Deutschen nicht leiden. Schon
wegen ihres Führers und dann wegen der aggressiven Haltung der Deutschen. Sie
wollten die ganze Welt erobern und von Belgien wollten sie ein gutes Stück ins
Land hinein, direkt ans Reich anschließen und die Grenze hatten sie schon bis
nahe an Verviers verlegt. Kein Mensch kann der Übermacht Widerstand leisten,
aber im geheimen darf man doch seinen Feind fühlen lassen, dass man mit seinem
Tun nicht einverstanden ist. Die Belgier in diesem Gebiet sind Wallonen und
streng katholisch. Sie hassten die Nazis überall. Ich hatte als Luxemburger
aber ein bisschen Aussicht bei Madame Lehanne ein Obdach zu finden. Wir grüßten
uns gegenseitig, stellten uns Fragen: "War es zum Beispiel interessant
dass die Deutschen 1940 im Juni nicht über den Ärmelkanal setzten? Ja das war
der entscheidende Punkt in dem großen Krieg, dessen Ende nicht vorauszusehen
war, der aber durch diesen strategischen Fehler Hitlers, damals entschieden ein
Sieg der Alliierten bedeutete. Solche Sachen wurden immer gerne von den Feinden
Deutschlands gehört. Sie hieß mich willkommen und führte mich zu dem fälligen
Zimmer. Ich bezahlte 20 Mark für ein Woche Kost und Logis. Ich war ganz
zufrieden. Ja, ich befand mich sogar sehr zufrieden. Wir sprachen zusammen
französisch. Frau Lehanne hatte trotz ihres vorgerückten Alters noch Sinn für
Humor. Sie liebte Musik und Literatur. In einer Ecke in der guten Stube stand
ein minderwertiges Radiogerät. Die Hauptsache war es funktionierte und brachte
uns ab und zu noch interessante Stunden. Interessant waren immer die Sendungen
des "Feindsenders". Dann stand einer vor der Tür und einer hinter der
Tür Posten, ob nicht ein Gestapo in der Nahe war. Der Dienst bei den Deutschen
im Bahnhofsgebäude Herbesthal war oft eintönig, manchmal aber auch interessant.
Wir arbeiteten auf Wechselschicht. Frühschicht, Mittagsschicht und
Nachtsschicht. Beim Wechsel von Frühschicht auf Nachtschicht, gab es immer
einen freien Tag. Dann nahm ich einen Ruhetag dazu und war dann frei von
Samstagmittag 12 Uhr bis Montagabend 10 Uhr. In dieser Zeit fuhr ich nach Hause
zur Frau und Kindern. Wenn wir montags wieder zurückfuhren, wurde unterwegs
gehamstert, um die Lebensmittelkarte ein wenig zu bereichern. Eine anständige
Wurst und ein Pfund Brot fielen immer ab, wenn wir auf dem Umsteigebahnhof
Ulflingen ausstiegen. In Ulflingen wohnen noch Leute, die unsere Lage
verstanden hatten. Wir fuhren nicht aus Vergnügen nach Deutschland, sondern auf
Kommando der Wehrmacht und dem Gauleiter Gustav Simon. Wenn wir zu Hause waren
hatten wir allerhand Neuigkeiten erfahren, so dass wir wieder frischen Mut und
neue Hoffnung mit zur Arbeit nahmen. Doch bald wieder befreit zu sein. Die
"feindlichen" Fliegerangriffe setzten immer reichlicher ein. Und man
munkelte schon von einer Ausradierung der deutschen Städte. Eines Tages hörte
ich morgens gegen 9.30 Fliegeralarm. Es entstand ein Luftkampf zwischen Bomber
und Jäger. Ich stand auf und sah in den Lüften einen Apparat in Flammen. Ein
Herunterfallen war ja gewiss, doch wohin? Fallschirmspringer hingen in der
Luft, also war doch jemand in dem Flugzeug. Ich zählte 6 Mann. Dann kamen die
Reste der Maschine gefallen. Ein Flügel und der Rumpf mit dem Motor. Dieser
fiel unweit des Kirchhofs im Nachbardorf in einen Obstgarten. Der Pilot saß
noch am Steuer. Eine Kugel hatte ihm den Kopf durchbohrt. Der Flügelteil fiel
in eine Wiese. Die anderen 6 Männer wurden beim Landen gefangen genommen,
obschon die Leute ihnen bereits Zivilkleider gegeben hatten. Sogar wurden diese
Leute auch verhaftet, wegen Liebesgaben an den Feind. Die Deutschen, so musste
man verstehen, waren ein spezielle Sorte
von Leuten, besonders die Gestapo. Stand man auf einem guten Fuß mit diesen
Kerlen, dann konnte man unbesorgt sein. Doch wir Luxemburger waren immer darauf
aus diesen Herren eine Nase zu drehen. Eine oder manche Gelegenheit bot sich
uns schon immer. Einen großen Vorteil hatten wir. Wir kannten die französische
Sprache und bei vielen Gelegenheiten gingen wir sogar soweit die Gestapo zu
hintergehen und aus zu kundschaften. Die deutschen Beamten hatte eine gewisse
Neigung zum Schwarzhandel, aus der Ursache, weil im Reich gewisser Mangel an
Waren herrschte, weil Deutschland schon seit 1934 rüstete und alles für die
Wehrmacht war. In Belgien dagegen waren die Geschäfte noch voll gestopft mit
Waren. Diese Leute waren froh zu verkaufen zumal die alten Ladenhüter von vor
dem Kriege. Ein Erlass des Finanzministeriums gab den Beamten an der Grenze die
Erlaubnis 20 Mark den Monat in ausländische Devisen um zu tauschen und ausländische
waren ohne Zollformalitäten einzuführen. Diese Erlaubnis war ein Fingerzeig und
aus 20 Mark wurden 200 Mark und aus 200 Mark im Monat wurden es 200 Mark die
Woche. So entstand ein gewisses Schieberwesen unter den Beamten und mancher
wurde wegen Devisenvergehen strafversetzt. Wie viel Beamte blieben ihrer
Aufgabe als Hüter der Gesetze treu? Sie waren in der Einzahl. Ich möchte sogar
behaupten dass es das nicht mehr gab. Einmal hatte ein Beamter das Unglück bei
der Rückkehr aus Belgien von der Gestapo angehalten zu werden und revidiert zu
werden. Sein Quantum an Kaffee war ein bisschen übertrieben. Bei der
Untersuchung stellte sich laut einer Agenda heraus, wo die Namen seiner
Abnehmer figurierten, dass seine Abnehmer sich in den größten Städten Deutschlands,
sogar in Berlin befanden. Er war
Mitglied einer Schieberbande und trotzdem Reichszollbeamte. Die Zivilisten
hatten zu solchen Machenschaften nicht die nötige Courage. Ich tat Dienst im
internationalen D-Zug. Paris, Lüttich, Aachen, Köln. Das Revidieren des
Speisewagens bei der Ein- beziehungsweise Ausfuhr des D-Zuges unterlag meinem
Dienste. Gelegenheit zu Schiebereien hätte ich genug gehabt, aber das war mir
direkt zuwider und ohnedem hatte ich kein Interesse irgendeinem Deutschen in
dieser Hinsicht einen Gefallen zu tun. Von dem Hauptchef der Deutschen Beamten
wurden die Luxemburger Beamten oft als Musterbeamten vor der Front ihrer
deutschen Kollegen gelobt, obschon sie Zwangsdienst verpflichtet waren. Das
Benehmen der deutschen Beamten gegenüber dem Publikum war zu rabiat und zu
befehlerisch und sie waren zudem leicht zu bestechen. Die wirtschaftliche Not
und Armut im eigenen Lande bildeten zu diesem Benehmen die Basis. Wer mit dem
Stock erzogen wird, zahlt wieder mit dem Stock heim. Das deutsche Volk fing
jedoch an hinter die Kulissen der Nazipartie zu sehen. Sie stellten fest, dass
in der Führung doch ein gewisser Mangel an Intelligenz und Bildung herrschte
und ließen sich in diesem Fahrwasser weiter treiben. Es benutzte jede
Gelegenheit der Partei ein Schnippchen zu schlagen, ohne zu ahnen, dass dieses
Benehmen in der Außenwelt als eine Schwäche der Nation gewertet wurde. Die
Westfront wurde immer stärker und die Fliegereinsätze ins deutsche Reich nahmen
an Ausmaß so schnell zu, dass sogar kleine Kinder auf der Strasse sagten:
"Die radieren unsere Städte aus!" Dieser Spruch kam her von einem
Ausspruch Görings: " Wir werden die englischen Städte ausradieren."
Doch nicht allein die Fliegerangriffe in Deutschland nahmen zu, nein, auch die
Westfront geriet ins Wackeln und bei Stalingrad im Osten entschied sich die
Entscheidungsschlacht zum Nachteil der Deutschen. Es begann unter der
Zivilbevölkerung eine Panikstimmung. Alles rannte zu den Banken, revidierte
seine Konten, suchte Devisen zu kaufen und zu tauschen, ja sogar amerikanisches
Gold wurde auf den Markt geworfen, nur um die Moral des deutschen Volkes zu
schwächen.
Brief - an den Neffen Mathias
Durch Zufall fand ich zu Hause einen losen Brief von dir,
den du an die Tante gerichtet hast. Es waren nur wenige Zeilen. Doch lieber
Mathias aus den Papierfetzen entsteht ein Brief, ein Blatt. Ja, dieses Blatt.
Ich will mir dieses Blatt einmal festhalten. Ja, ich stelle mir vor: "Ein
Baum steht irgendwo auf festem Grund. Der Herbstwind kommt und rüttelt und
schüttelt an dem Baum. Die Äste biegen sich. Doch der Stamm steht fest. Die
Äste werden mit aller Wucht des Sturmes hin und her geschüttelt. Sa auf einmal
reißt ein Blatt ab, es fliegt vom Winde getrieben über Baum und Strauch, bis es
hinter einen Hügel oder einen Giebel liegen bleibt. Ich sehe zurück zum Ast,
zum Zweig wo das Blatt saß. O welche Freude es ist schon eine neue Knospe da,
die wartet auf eine warme Sonne. Vorüber, das alte, das neue steht in der
Knospe. Nur nicht verzagen, immer frisch wagen. Ich weiß ja eigentlich nicht wo
du dran bist. Schreibe mir mal! Du weißt ja bestimmt meine Adresse. Einfach.
A.R. Herbesthal, Drei Himmel 42. Du musst schon verstehen, Mathias. Die Welt
ist schön und groß, aber ein Fleckchen drauf ist schöner als alles andere und
das ist das Fleckchen Erde, wo deine Wiege stand. Man muss schon in der Fremde
sein, um zu erfahren, was die Heimat wert ist, Sonst wünsche ich dir das Beste.
Habe Mut und vergiss deine Lieben zu Hause nicht. Auf ein frohes Wiedersehen.
Auf ein frohes Wiedersehen.
Es grüßt dich bestens
Dein Onkel Albert.
Ich muss hier einen interessanten Fall erwähnen. Jeden
Tag passierten in Herbesthal verschiedene Züge voll gestopft mit ausländischen
Arbeitern, die uns Reich verpflichtet wurden. Diese Leute waren gemischten
Alters und gemischter Nationen. Auf irgendeine Werbestelle im Ausland wurden
sie geworben. Diese Leute brachten nun für die Übergangszeit die nötigen
Mundvorräte und auch Rauchwaren mit. Bis zu einem Kilo Tabak durften sie
zollfrei einführen. Ein besser gekleideter Herr präsentierte sich nun bei
solcher Gelegenheit auch zur Kontrolle. Der revidierende Beamte durchsuchte den
Koffer, fand aber nichts Gesetzwidriges. Er hob den Koffer auf, mutmaßte ein
etwas komisches Gewicht und dreht den aus Holz gefertigten Koffer rundum und
stellte fest, dass die Bretter mit Holzschrauben festgehalten wurden. Er ahnte
wegen des Gewichtes einen Doppelboden unterm Kaffee und dreht mit einem
Schraubenzieher flugs die Bodenschrauben los. Während dieser Arbeit musterte er
unauffällig seinen Klienten. Dem kollerten die Schweißperlen von der Stirn in
den Bart und der Beamte zog die Schlussfolgerung seine Arbeit könnte Erfolg
haben. Die Schrauben waren nun gelöst und das Bodenbrett des Koffers belüftet.
Da lag der Inhalt. Eine fest gepresste Lage Tabak feinster Sorte. Der Beamte
stolz wie Oskar über seinen Fund rief sofort den höheren Chef und fragte diesen
um weitere Instruktionen. Der Tabak sollte beschlagnahmt werden und der Mann
eine Kaution stellen. Um nun einen Beschaubefund ausstellen zu können musste
der Tabak gewogen werden und zwar netto. Als der Beamte nun den Tabak auf die
Waage legen sollte, fiel aus einer Handvoll ein kleines in Zeitungspapier
gefaltetes Päckchen heraus. Man löste das Papier. Was entdeckte der Beamte
alsdann? Er sollte fast in die Schwäche fallen. Ein Geldstück aus purem Gold.
Die Augen des Beamten wurden immer größer. Das war ja interessant. Der Chef
wurde gerufen, es entstand ein Auflauf unter den Beamten, ein jeder wollte das
Goldstück sehen. Ein höherer Chef übersetzte den Aufdruck der Münze. Eine fünf
Dollarmünze amerikanischer Herkunft. Die Gestapo lugte über die Schultern der
Zollchefs hinweg und es ging von Mund zu Mund. Ein amerikanischer Spion,
amerikanisches Geld, amerikanischer Jude. Ins Loch mit ihm. Nein noch nicht. Es
war gegen 4 Uhr nachmittags. Der operierende Beamte nahm sich nun den Mann zur
Seite und wog dann weiter an seinem Tabak. Da fielen noch 14 solche Säckchen
aus dem gepressten und fein geschnittenen Tabak heraus. Ich selbst war Zeuge
aus allernächster Nähe. Der Beamte durfte auf seinem Beschaufund notieren. 2 kg
Tabak Feinschnitt. 15 goldene Münzen und zwar 10 Goldmünzen im Werte von 5
Dollar und 5 Goldmünzen im Werte von 10
Dollar. Der Beschaufund wurde dem höheren Vorgesetzten überreicht und zugleich
der in Betracht kommende Schmuggler. Dieser wurde nun einem eingehenden Verhör
unterstellt, wo ich als Dolmetscher figurierte. Der Mann, von Geburt Pole, gab
an diese Münzen auf dem schwarzen Markt in Antwerpen erstanden zu haben und
hätte sie mit deutschem Geld gekauft. Er wollte nach Warschau reisen und dann
die Münzen wieder veräußern, womöglich an einen Zahntechniker. Die Untersuchung
wurde in die Länge gezogen denn die Zollfahndungsstelle und die Gestapo sollten
in ihren Fahndungsbücher nachschlagen ob nicht ein Pole so und so mit Namen
drin figuriert. Am anderen Tag kam der Entscheid. Der Mann der bei Wasser und
Brot auf einer Holzpritsche die Nacht hinter verriegelter Tür verbracht hatte, machte
ein erstauntes Gesicht. Die Goldmünzen waren nebst dem Tabak beschlagnahmt.
Außerdem erhielt der Mann eine Geldstrafe, die dem gleichen Werte der
Goldmünzen in deutscher Währung entsprach. Die Münzen blieben beschlagnahmt.
Der Mann musste ohne Tabak und ohne Geld abziehen. Als der Mann fort war,
schloss der Herr Zollinspektor den Geldschrank auf, holte die schönen gelben
Münzen hervor und zählte und zählte. Er stellte auf dem Schaubefund 15 Stück à
5 $ und fünf Stück à 10 $ fest. Es waren aber nur 14 Stück von 5 $ und 4 Stück
von 10 $. Da hatte ein deutscher Kohlenklau seine Hand wieder im Spiel. Jede
Nachforschung nach dem Goldstück blieb ergebnislos.
So ward es Herbst im Jahr 1943. Die Sabotage im
eigenen Land zeigte ihre Spuren öffentlich. Ich erhielt einen Brief aus Polen
von einem Kollegen. Er schreibt: " Wie ich gehört habe bist du schon
längere Zeit nach hierher versetzt! Du bist immer noch nicht hier, wie kommt
das? Bist du krank oder was ist los? Ich warte auch dich, wenn du nicht kommst
dann vergehe ich vor Langweile. Schreibe mir Bescheid. Dein Freund R. Je. , den
kenne ich. Aber wie kommt der auf den Gedanken, dass ich nach Polen versetzt
sei? Sollte ich auch noch in diesen sauren Apfel beißen, nach Polen und Frau
Kinder allein zurücklassen. Nein, was so ein Regime nicht alles anstiften kann.
Es wird wohl nicht wahr sein.
Bei der Rückkehr nach Herbesthal sah ich auf dem
Güterbahnhof in Eupen mehrere hundert Kirchenglocken stehen, die dem
Umschmelzen bestimmt waren. Na so weit ist es schon. Ich fasste mir wieder
Courage und ich erzählte dass ich genau dasselbe im Weltkrieg 1914-1918 erlebt
hätte. Als der Kaiser damals den Befehl gab die Glocken in Kanonen umzugießen,
war bald das Ende da und der Kaiser musste ins Exil. Ich tröstete mich bei
diesem Gedanken und sagte mir: " Wenn du nach Polen gehen musst, dann kann
es nicht für lange sein. Alles deutet darauf hin, dass der Krieg bald
entschieden war. Tag darauf sitze ich im Speisewagen des Schnellzugs Köln -
Paris mit dem Herrn Oberkellner zusammen. Es war ein erfahrener bejahrter Mann
und einer der aus einer Humorkiste alles erdenklich Wissenswerte schöpfte.
Voller Freude und Talent erzählte er mir von der Kurzsichtigkeit seiner
Landsleute und behauptete nach einem Jahr sei alles vorbei, dann hätten die
Deutschen nicht einmal eine Stadt mehr, wo sie einen Sieg feiern könnten. Was
der Amerikaner kann, davon haben unsere Dummköpfe keine Ahnung. Z.B. diese
Wagen, d.h. die Speisewagen der Mitropa werden in Wisconsin in Amerika gebaut.
Am laufenden Band kommen die fertigen Wagen aus der Fabrik heraus. Wie viel, darüber schweigt der
Amerikaner. Aber ich kann Ihnen nur sagen, so fliegen auch die Flugzeuge am
laufenden Band aus der Fabrik. Ich habe in dieser Fabrik in Wisconsin
gearbeitet. So etwas gibt es in Deutschland nicht. Der amerikanische Präsident
Truman (Roosevelt?) hatte es schon öfters am Rundfunk gesagt. Doch das, was der
Feind sagt, war Opium für das deutsche Volk. Ein Freund brachte mir
Photographien, wo die Glocken aus dem Turm der Pfarrkirche geholt wurden. Der
ganze Hergang wurde von der Dachkammer eines gegenüber liegenden Hauses
verfilmt. Sehr interessante Aufnahmen. Ich kann sie vielleicht als Zeugen
gebrauchen, denn das deutsche Volk sollte ja nicht wissen und nicht glauben,
dass es schon so weit ist. Dass die Rohmaterialien knapp werden und dass die
Propaganda anfängt öffentliche Lüge zu werden. Die Heumahd ist im Gange. Ich
gehe vor Langeweile mit einem Bauer ins Heu. Arbeit ist doch ein Vergnügen. Man
soll immer arbeiten und gerne. Ohnedem war es eine Pflicht oder Nächstenliebe
im Ernteeinsatz. Ich machte diese Arbeit aus Neugier. Ich wollte Einsicht
bekommen ins Innere eines Bauernhauses in Belgien. Wie die Arbeit geleistet
wird, wie die Mahlzeiten sich gestalten und wie die Ablieferungspflicht
eingehalten wird. Ein Streifen dieses belgischen Landes war ja in den Kreis
Eupen einverleibt und so waren die Einwohner an die Pflichten und Rechte der
Kreisleitung gebunden. Ich war nun bei verschiedenen Bauern Gast zum
Mittagessen und zum Abendessen. Die Hauptmahlzeit bestand aus Weißbrot, Kakao
mit Rahm. Abends gab es dasselbe. Kartoffeln und Gemüse, das gab es nur selten.
Einmal in der Woche wurde Eintopf serviert. Dann gab es Kartoffeln. Ein Acker
mit Kartoffeln sah man nur in Kriegszeiten. Sonst überhaupt nicht, denn die
Milchprodukte sind in dieser Gegend billig und reichlich. Die Käsefabrikation
war überall im geheimen im Schwung, und ich durfte in einem Keller solch eine
Käsefabrik in Augenschein nehmen. Meine nächste Heimfahrt sollte mich mit einem
Dutzend solcher Käse beschweren. Die Buben sollten außer der Kartenration noch
etwas anderes bekommen, das ihnen sehr gut schmeckte. Fromage de Herve nennen
ihn die Belgier. In der Schublade meiner Nachtkommode roch es beständig nach
Käse. Hm Käse. In der Hungerzeit 1943 noch so viel Käse zu haben war eine extra
Zugabe der göttlichen Vorsehung. Diese Quelle sollte mir nicht mehr versiegen,
solange ich in Herbesthal war. Gott sei gedankt und auch den braven Leuten. Ich
muss noch erwähnen, dass die Leute in dieser belgischen Gegend noch Anstand,
Nächstenliebe, Religion und vor allem einen überzeugenden Glauben haben. Solche
Gottesverehrung kannte ich nicht. An jeder Straßenkreuzung findet man ein Kreuz
oder in einer Nische eine Pieta. In jedem Hause eine kleine Hauskapelle, wo die
Familie gemeinsam den Rosenkranz betet oder eine andere Andacht verrichtet.
Erstaunend ist das Benehmen des Volkes in der Kirche. Da gibt es kein Schwatzen
wie hier im Lande. O nein, tatsächlich müssten wir uns in dieser Hinsicht
schämen. In dieser Pfarrkirche in Welkenratz durfte ich jeden Sonntag auf die
Empore hinauf und im Verein mit dem Kirchenchor Gottes Lob singen. Einmal
sollten wir eine vierstimmige Messe vortragen. Der Komponist war einer aus dem
Dorf, gesetzten Alters aber im wahrsten Sinne des Wortes ein Künstler. Der
Komponist sollte auch die Messe dirigieren. Er war aber nicht auf diese Ehre
gefasst und lag beim zweiten Läuten zur Messe noch im Bett. Man hatte einen
Sänger geschickt, dass er kommen solle um die Messe zu dirigieren. Er sprang
aus dem Bett, zog die Hose an, die vom Samstags auf dem Stuhl hing, schlüpfte
in einen Pullover und schon tauchte er auf dem Dirigentenstuhl auf. Das
Asperges war eben gesungen. Er schwang den Dirigentenstab, wie wenn er hundert
Mal die Messe geprobt hätte. Er durfte sich auf die Sänger verlassen, es waren
erprobte Kämpen, ungewaschen und unrasiert tat er sein bestes. Nach der Messe
beim Ita Missa est, verschwand er wieder aus der Kirche ohne das Tantum ergo ab
zu warten. Er wollte sich keine Blöße geben. Das Anhören der Messe war ein
richtiger Augenschmaus. Die Akustik in der gewölbten Kirche war wundervoll.
Erbauend waren immer die schönen Andachten von den
Geistlichen. Sie waren auffallend fromm, diese Herren. War es aus Überzeugung
oder nur um dem Gerede der Deutschen ein Ende zu setzen, die behaupteten, die
Klerikalen Geistlichen seien nur Genießer und Egoisten, die sich eine Freude
daraus machten die Glaubensgenossen zu verdummen mit ihrer Ewigkeitstheorie und
ihrer Papstlehre. Es ist ja bekannt, dass es viele Religionen in der Welt gibt,
aber eine Religion, die die Nationalsozialisten lebten und predigten, ist nur
einmalig und kann keine Ewigkeit haben. Jeder religiöse Mensch sieht sich den
Satzungen seiner Religion unterstellt. Ob Jude, Protestant, Orthodox,
Anglikaner, Evangelische oder Katholik. Alle ehren oder verehren ihr Oberhaupt,
sogar die Nationalsozialisten verehren ihren Führer und in jedem Haus und
überall hängt ihr Götze und sie rufen alle: "Heil, Heil." Er
verbietet aber der NSDAP den Privatleuten ihren privaten Bedürfnissen zu
dienen, also ist die Theorie der Nazis ein Raub an der Freiheit des
Einzelbürgers. Um sich konsequent zu bleiben, müssten sie die deutsche Sprache
korrigieren oder vielmehr ausmerzen, denn viele Sätze und Wörter sind
überflüssig. Z.B. 'was du ererbt von deinen Vätern erwirb es um es zu
besitzen.' 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!' 'Was du nicht willst dass
man dir tut, das füg auch keinem andern zu!' So sprechen die deutschen Lexikons
und singen die deutschen Dichter. 'Freiheit die ich meine, ist der helle
Schein' oder 'üb immer treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab und weiche
keinen Finger breit von Gottes Wegen ab!' Bände sprechen von der Freiheit des
Menschen, von der Freiheit des Körpers und der Freiheit der Seele. Doch die
NSDAP wirft alles Schöne in der
deutschen Sprache über Bord. Sie glaubt nicht mehr an die Schöpfung, an die
Gerechtigkeit, nicht mehr an die Freiheit. Das Gemeine geht vor allem und
Gemeinnutz geht vor Eigennutz. So sprach einst in Traben Trarbach ein Hosenmatz
zu mir, als ich ihn aufmerksam machte auf
einen Diebstahl, den er just begehen wollte: " Mein lieber Herr,
die Äpfel die da hängen, gehören dem Herrn, dem der Garten gehört, sie gehören
aber auch mir, denn sie gehören dem deutschen Volk und ich gehöre auch zum
deutschen Volk. Es ist Gemeinnutz. Es ist kein Diebstahl. Da hat jeder ein
Recht davon zu essen." Ich musste tief Atem holen und schweigen! Da gab es kein fünftes Gebot mehr, da war
alles erlaubt. Man sieht die Lehre der NSDAP in eingefleischtem Format, in
einem Körper von ungefähr 12 Jahren. Die Früchte dieser Theorie leben und
wachsen in den Zuchthäusern, in den Kazetten in den Gaskammern, Es schreien die
Seelen aus der Ewigkeit nach Gerechtigkeit und der Krieg, der grausame, geht
weiter und fordert täglich Millionen Menschen aller Rassen und Nationen zum
Opfer. Warum? Die große Frage. Wer löst sie oder wer will sie lösen. Das
Geschrei und Gebrüll der deutschen Führung reißt das Volk der Deutschen in den
Abgrund. Die Sirenen heulen, das Radio heult, die Propaganda heult, die Kinder
heulen, die Eltern heulen, die Kanonen heulen und der blinde Hass faucht über
die Grenzen und im eigenen Lande gegen die Führung, gegen die Blockleiter, Zellenleiter,
Ortsgruppenleiter, Bezirksleiter, Gauleiter, Reichsbereichsleiter,
Oberbereichsleiter, Propagandaleiter, Justizministerium, Finanzministerium usw.
"Halt ein, wir gehen zugrunde." "Nein, wir kämpfen bis zum
letzten Mann!" Verordnungen regneten vom höchsten Stabe aus in alle Gaue
und Zellen. Sogar jeder Wagen und jedes Rad trug die Aufschrift: "Räder
müssen rollen für den Sieg!".
Im
Notizbuch geblättert –
Jours des primevères (esquisse)
Il est un bonhomme en Angleterre
C'est le charmant jour des
Primevères
Qui revient au mois de mai
Et qu'on nomme le Primrose day
Tous les amoureux Soleil en tête
Portent un joli bouquet de fête.
Or Jenny ce matin
Offrit à son cousin
Les plus jolies fleurs du jardin
Car il paraît que ces fleurs
Sont un gage de mariage.
Maintenant sur une plage
De la Manche
Le Tommy a son air des Dimanches
Un Tommy marche a petits pas
Une Miss lui donne le bras
Grand Dieu, j'ai peur j'ai petite
chose.
Alors Madame vous êtes guérit
Je n'ose croire à tant de bonheur
Mais surtout des fleurs
Répond- t- elle tout bas avec
candeur?
Sur mon cœur j'avais mise
Les Primevères, pour moi si chères.
Sur le long de la tamise
Ils sont allés tous les deux
Goûter leurs odeurs exquises
Du Printemps qui grise
Toutes les fleurs chéries
Semées dans les coins ombreux.
Deux mois après, sur le quai bien
triste
Jenny pour ne pas pleurer résiste
Elle dit tout a changé
Leur cousin s'est engagé.
Good by crit-il et dans la Somme
Le Tommy sera bientôt un homme.
Croire à tant de bonheur
mais surtout les fleurs
répond tout bas avec candeur.
Et comme vous êtes ma femme
La grande victoire avant tout.
Il garde comme oriflamme
Le bouquet de flamme
Pour revenir vainqueur.
I love you, I love you.
"Achtung, Achtung, eine Sondermeldung. Gestern
versenkte unsere Ubootwaffe auf der Höhe von Calais 650000 Bruttoregistertonnen
englischen Schiffraumes. Verschiedene Mannschaften der Besatzung, die sich in
Booten retten wollten, wurden gefangen genommen." Soweit der Wehrmachtsbericht.
Die Musik setzt ein und die Zuhörer setzen eine schönere Miene auf. Ich denke
bei mir: " Soll es wahr sein?" Tagtäglich bringt der Rundfunk solche
Meldungen. Komisch dass das Volk nicht rechnen kann. Man versenkt in 2 Jahren mehr
englischen Schiffsraum als die englische Flotte auf zuweisen hat.
Verlustmeldungen hört man überhaupt nicht. Z.B. dass die Stadt Hamburg bei
einem Fliegerangriff über 40000 Zivilpersonen verloren hat, darüber schweigt
der Rundfunk. Die Luxemburger Kameraden
in Herbesthal aber wurden versetzt bis auf 3 Mann. Alle anderen wurden im Reich
verstreut auf die verschiedenen Finanzbezirke. Ich durfte noch bleiben. Ich
riskierte auf diese Chance eine fahrt nach Verviers um dort Einkäufe zu
besorgen. Ich bewunderte in Verviers den Bestand der Waren in den Kaufhäusern.
Die aparte Bedienung und die Aufmerksamkeit der Persönlichkeiten, beim Abhören
der Sprachendialekte. Ich sprach in Verviers nur französisch. Mein Freund der
mich begleitet war ganz entzückt von den Offerten die uns gemacht wurden. Bei
der Rückkehr stiegen wir auf der dem Bahnsteig entgegen gesetzte Seite aus dem
Zug, durchliefen die Unterführung, dann auf die entgegen gesetzten Seite des Bahnhofs in ein Holzlager und waren
aus dem Blickfeld der kontrollierenden Gestapos verschwunden. Was dem einen
recht ist, ist dem anderen billig. Warum ist nur der Weg für die Deutschen
Beamten frei. Entweder wir haben die gleichen Pflichten und Rechte oder man
soll uns nach Hause schicken.
So vergeht der Alltag und der Herbst 1943 hält seinen
Einzug. Die Welt liegt noch immer in Spannung. Deutschland hat Amerika den
Krieg erklärt. Eine delikate Sache. Für diese Tat zeichnet verantwortlich die
deutsche Führung. In Afrika geht die deutsche Wehrmacht den Krebsgang, die
Wehrmachtsberichte wurden immer kürzer und General Rommel wird nach Berlin
gerufen. Ob er diese Reise zur Kopfwaschung unternahm? Darüber lachten die
Westmächte, die eine Truppenlandung im Westen vorspiegelten. Sie gaben eine
Landung bekannt, wann und wo wurde verschwiegen, den der Gegner sollte nicht
wissen, wo sie angreifen.
(Anmerkung: Über die dann erfolgte Versetzung von
Albert, nach Flensburg an der Dänischen Grenze hat er nichts in diesem Bericht
geschrieben. Er hat nur ein Gedicht hinterlassen).
Den drëssigsten Juni ass am Land
Vir allem den Zöllner recht gut
bekannt
Et gouf gesôt, sie missten wuel oder
gutt
Eraus, enner de groussen Hutt.
Sou gong t'Noricht da vun Duerf zu
Duerf
A jiddfirén sicht no der Wallis, nôm
Kueref.
No der Hâm, dem Speck an der Wûscht,
An ofgespuert gouf munech Kûscht.
All Mensch wéss wann e muss
t'Hémecht verlossen
A Frâ a Kanner dohém soll lôssen
Dât gét muncher engem emt t'Hirz
Ouni ze zielen dén déiwe Schmierz.
Esou gôen da fort an aller Fréi
An dem Dall do schlofen nach t'Kéi
Kén Niéwel nach an de Grënner
Et gâpst am Bett och nach
t'Gesënner.
Sie hun gewâcht déi vill onglecklech
Mammen
Déi an der Nuecht ké Schlôf konnte
fannen.
Sie sôn sech, elo sin mir verlôs
A begléden hire Mann bis op
t'Stross.
Kanner am Nuetshiem, setzen an der
Kichen
No Wieder an Trouscht sie an all Eck
da sichen
Sie denken zesummen, wéi soll et elo
goen
Soll da keng frédeg Stonn méi ons
schlôen.
An t'Pappen am Hérz zerdrekken e
Fluch
No hém nach wéinken, gin dann op den
Zuch
Ze gôe mam Mann op den Zug zum Geléd
Wuel muencher Frâ erklärt sech
berêt.
Den Zug gét of, nu sëtzen dann
t'Jongen
Dén én dé lâcht, dén âner zielt
t'Bongen.
Esou weider gét et iwer Bierg an
Dall
Geschwënn schenkt t'Sonn dann
iwerall.
Esou kommen se vun Esch, Béteburg,
vun der Stât
An och déi an t'Ausland elo si
versât
Sie fannen sech als Komerôden
zesummen
Ké wellt sech senger Hémecht
schummen.
Résen am Summer ass wirklech schéin
Wann Böscher a Flouer an t'Blumme
bléin
Kann Nuets an am Dâch én sech ergëtzen
Besonnesch wann t'Blummen am Dâ
mueres glëtzen.
Bekannt schengt ze sin, all Bâm a
Stross
Dach no e puer Stonnen hun t'Land si
verlôss
Em t'Feier am Wierk, t'Eisen dét
glousen.
Dât Land wou all Hierz dru gehangen
Si verlôss hun mat Suergen an Bângen
Wou si verliewt hir Kannerstonnen
U Frâ a Kanner si ware gebonnen.
O Mamm, léif Mamm, kennst du onst
Léd
Beschirm ons, komm ons zum Gelét
Komm o komm, an hëllef wieren
Dat net muncher Kannd sech dét
verieren.
Friem klengt schon t'Sprôch rauh
bléist de Wand
An déiwer Erënnerung bleit
t'Hémechtsland
Awuer meng Léiw, awuer alleguer
doiwer
Den Zug dé saust an t'Preisescht
eriwer.
1942
(an anderer Stelle wurde die
Fortsetzung -unvollendet?- gefunden)
Verschwonnen ass t'Land hanner dem
Mâcher Bereg
Am Owesroud lues munch Tréirer
Kierech
De Jang dé sét hei richt et no Wein
Elo kommen mir geschwönn un de
Rhein.
Geschwenn war Tréier och passéiert
Mir guewen du eppes besserm beléiert
Wât t'ganz Reingegend obweist vu
Flouer
Dat ass bei ons an der Kirch de
Kouer.
Weistecker esou weit wé t'A geseit
An Gromperen an Romelen derniewen
Wou do e Baurenhaus och leit
Do wéilt ech sin den Iewen.
Flach wéi en Dösch a riecht wöi e
Bried
Keng Heck nemmen Marksteng tertöscht
Do huet secher beim Angelusgebied
Den Künstler den Ährelieser
erwöscht.
Vu fären nu luest a blôe Band
An Uebstbém, mat Heiser Däch driwer
Alles wéit sech am Oweswand
An den fridlechen Nuetsschlôf iwer.
Dach léist net schlôfen och dat
Gefill
Wât jidderén hällt wâch
Du geseis zu Köln an der Staat esou
vill
Verbrannten Heiser a munch verlosse
Gemâch.
Den Zug léft eran a grouss Hâlen
Séi schwätzen vun "schöneren
Zeiten" genug
Am Damp, am Rouscht, sie erkâlen
Am da Nuets, an da Schold ass frieme
Besuch.
O schéine Strôm, du schéine Rhein
Wât sét de Schöpfer derzou
Ganz bestemmt huet hien vun dengem
Wein
Geschmacht mûnch Schoppen entzwou.
Hie wollt bei dir wunnen am schéinen
Doum
Vun do rifft a wenkt en der zou
Gidverengen seint, gidverengem sei
Loun
Dann ass och Fridden, an t'Welt ass
a Rouh.
Mir sëtzen an de Gare op der Wallis
um Kurff
A kucken déi Leit déi do gin
An denken dann un onst klengt Duerf
Dach an der Friemt mir jo sin.
Dat dauscht, a peift an donnert esou
domp
Wann déi sëlegen Zig era fueren
Dach néirens geseis de en Zoppekomp
Wou's de kéins mam Läffel dra
fueren.
Duerfir denkst du onwillkürlech un
de Mô
An léist munch Steck verschwannen
Wât op der Rés du hei ant do
Aus dem Bagage konns glannen.
T'Fahrt gét wieder, an t'deischter
Nuecht
Durch t'Ruhrgebidd, durch
t'Lüneburger Heide
Gesäwelt Zaldoten stin Wuecht
Op Schrett an Trett, ewou é gét.
Stire fenkelen um Owendhimmel
Derzweschent de Mound als Geléd.
An t'Welt am éiwege Klackegebimmel
Wéss net, em wât dat et gét.
Agesonk an de Schlôf, an déiw
Ass dësen oder dé Komerôd
En âneren dem Virwetz zu leiw
Eraus sech bei t'Zugfënster wôt.
Virun den Ân lâfen mir allerhand
Biller
Belîcht vun hellem Moundeschein
Erwechen am Hérz allerhand Gefiller
Wéi wann é wär beduselt vum Wein.
Fragment
Aus de Bréiwer un seng Frâ
.....doriwer ze schwetzen....Ech sin
alt froh fir iech, dat dir alt e beschen Geméiss kritt dohém. An da mat denger
Wäsch. Ech sin froh Billa. Et wärt jo och alt nach eng Kéier dén Dag kommen, wo
ech dir hellefen kann, a wann net, dann hälls du dir eng Wäschfra firun. Nôm
Krich da göt alles anescht. Jo Mami, wann ech bei dir wir, ob éngem Nu wirs du
t'Önnescht t'Iewescht gedréint. Du muss net mengen, dat ech dech net méi
packen. O, dach an du gléws net, wat ech flenk gi sin. Ech gief schon iwer deg
sprangen, wann du op dem Buedem léigs. Elo lâchs de, gelt. Awer et ass esou.
Den Här Forisch de sollt och an Urlaub fueren, awer op der leschter Minutt muss
hien den Urlaub aussetzen. Vleicht nëmmen vir e puer Dég. Billa, ech brauch dir
jo neischt vum Krich ze erzählen, du wés jo Beschéd. An ech och. De Reinert de
wärt e Sonndeg dohém fortfueren. Et kann én net wessen, wéi alles
gett............
Als klenge Jong, e Johrer âcht
Do hun ech meng Kommioun gemâcht
Wochen scho virdrun hun ech geduecht
Wat Mamm a Papp op t'Seit mir
geluecht.
An ech hun och emmer missen denken
Wât soll de Petter an t'Gédel mir
schenken
Vleicht ëppes fir op de Kapp?
Am léiwsten eppes fir an de Grapp.
Glécklech wuer ech, wéi ech hât
gesin
Dat am Kostüm fir allem Täschen dra
sinn.
All Bouf huet eppes an der Kopp
An huet fir muenches gär eng Stopp.
Et siew fir t'Sûen, Pobeier oder
Dreck
Wât kuckt én do no engem Fleck.
Esou hun ech gewârt op dén Abléck
Wou erföllt guew mei Wonsch a mein
Gléck.
Nu stong ech gebotzt do wéi e Prënz.
Klôr am Härz an Täsche fir t'Mönz.
Ech konnt bâl net verquessen
Ech hun missen Mamm a Papp kessen.
Et wâr fir mech e glëcklechen Dâg
Wéi t'Gédel guf mir de gewönschte
Sâch.
Eng Auer, mat Zären, an déi richteg
gét
Sie huet u mein Gili se du gemét.
Ech héiren se an der Täsch och
ticken
A gleich sôt do den Nôper, lôss mech
émol kicken.
Haut droen ech meng Auer iwerall nô
Vleicht liewt nach meng Auer, wann
ech net méi sin dô.
Soll ech vleicht firun der Auer
stirwen,
Da bleiwt et én Undenken fir meng
Irwen.
Albert
* * *
In der zweiten Hälfte des Monates Oktober erhielt ich
durch den Gauleiter eine Versetzung nach Lubninitz, genannt Loben.
Oberfinanzbezirk Troppau. Ich konnte es kaum fassen. Die Verordnung lautete mit
Frau und Kinder. Mein Gott was habe ich nur verbrochen. Muss ich diesen
Kalvarienberg gehen? Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Der Herr Amtmann
drückte sein Bedauern aus, aber so will es die Oberfinanzverwaltung. Ein Zitat
des Oberreichsleiters Dr. Hugo Rössner fiel mir ein und ich tröstet mich in
diesen Worten: " Genau so wenig wie ich einen Baum dadurch befreie, dass
ich ihn aus dem Boden reiße, in dem er wurzelt, genau so wenig kann ich einen
Menschen dadurch befreien, dass ich ihn aus seinem Volkstum löse." Wie ich schon erwähnt habe gibt es in der
deutsche Sprache wunderschöne Sätze, aber bei diesen Sätzen bleibt es und die
ausführenden Idealisten sind von der Weltbühne verschwunden. Man liest ab und
zu ein Buch, wo der Herausgeber ein Deutscher ist, das geniale Gedanken
enthält. Wo ist der Mann zu suchen? "Im Ausland!" Z.B. Thomas Mann,
in seinem Buch 'die Buddenbrooks'.
Also, musste ich abreisen (und auf Wohnungssuche gehen
- die Familie sollte nachreisen), die Abschiedszenen von meiner Frau und meinen
Kindern will ich wissentlich verschweigen, denn sie waren ein Ausguss von
Schimpf und Schandwörter auf die deutsche Führung, dann wieder eine Szene der
Rührung, ein Erguss von Tränen und Wehklagen der Kinder; "Vater bleib bei
uns". O tätet ihr die Weltgeschichte alle kennen. O tätet ihr alle den
Schöpfer der Welt und den Lenker der Schicksale kennen, welch ein Bittgang täte
man organisieren, dass doch ein für allemal die Geißel aller Kriege aus der
Welt verschwinden täte. O wie schön wäre es doch, gäbe es doch nur ein Reich,
eine Religion und einen Himmel. Aber wie tief sind die moralischen Empfindungen
der Menschheit gesunken. Die Menschen sind zu Bestien geworden. Ohne
Überlegung, ohne Liebe, ohne Daseinsberechtigungsglaube! Willenlose Geschöpfe
einer grenzenlosen Diktatur. Gerechtigkeit, habe Mitleid mit deinen Getreuen.
Alles Wimmern, alles Weinen und Wehklagen half nichts. Widerstand leisten war ein viel größeres
Elend hervorbringender Unsinn dessen Folgen kaum auszudenken waren. Die Beweise
brachten die nach Gerechtigkeit schreienden Menschen hinter den Drahtverhauen
der deutschen Gefängnisse. Mit Gott im Geleit ging ich mit Koffer und mit Gram
geladenen Herzens zur Bahn. Stockfinster liegt die Strasse. Sie trauert um
mich. Die Strasse trauert um mich, die Nachbarn sie trauern um mich, die
Kameraden sie trauern um mich. Doch der Zug rollt aus dem Bahnhof.
Zu Hause weint eine treue liebe Frau mit zwei
unerwachsenen Jungen, die den Ernst des Lebens noch nicht kennen. Gebe Gott
ihnen die Gnade der Ausdauer in ihren Hoffnungen auf ein Wiedersehen. Behüte
euch Gott, alle drei, wir müssen scheiden. Vorbei fliegen die heimatlichen
Gefilde im Morgengrauen, bis zur Stadt Luxemburg, wo ich auf dem Bahnsteig auf
Anschluss auf den D.- Zug nach Berlin warten musste. Wie viel tausend Gedanken
meinem Kopf durchkreuzten, das versteht nur ein Familienvater, der seine
Liebsten verlassen muss, für wie lange? Ungewiss. Endlich verscheucht der Zug
mit seinem Rollen die Gedanken und uns die nackte Wirklichkeit wieder vor Augen
bringt. Du musst einsteigen, bitte, einsteigen bitte, der Zug fährt gleich ab.
Hinein in die eiserne Umgebung des Zuges, hinein in die Sprache des Feindes,
hinein in das unbekannte und gehasste Land der Nazis. Ein Pfiff und schon
faucht die Maschine Riesenwolken in den Äther, als wollt diese schon zeigen:
"Seht, wir sind die Macht, wir erobern die Welt. Was wollt ihr armseligen
Geschöpfe? Kommt ins Reich, Heim ins Reich, kommt, kommt! Wasserbillig als Grenze
sieht aus meinen Augen noch ein paar Tränen rollen, gewidmet meinen Lieben zu
Hause, meinen Vorgesetzten und meiner Herrscherin, die wie ich die gleiche Wege
ging: " Ins Ungewisse der Welt, Freiheit oder Sklaverei."
Der D-Zug, der voll gestopft von Passagieren war, hat
nichts Anziehendes. Die meisten Reisenden scheinen eine weite Reise zu machen,
denn viele Stationen waren schon passiert und kein Mensch machte Anstalten aus-
oder umzusteigen. Hier die Reiseroute die ich fahren musste: Rodingen, Luxemburg,
Trier, Weingerode, Boulay, Kochum, Koblenz, Niederlahnstein, Bad Ems, Diez,
Limburg, Giessen, Marburg, Seesen, Magdeburg, Berlin, Potsdam Stadt, Berlin
Zoo. Umsteigen und Abfahrt Berlin Zoo 7.43 Uhr zweiter Tag. Frankfurt an der
Oder 9.45 Uhr, Guben 10.08 Sagon 11.00 Liegnitz 12.15 Breslau 13.14 Oppeln
14.32 Molopanne? 16.40 Voswalde 17.00 Uhr Umsteigen. Voswalde ab 19.39 Wildfurt
1953 Uhr. Pawenkau 20.04 Lipie 20.13. Loben 20.18 Uhr. Hier aussteigen. Strecke
in Kilometer Eisenbahn 1200 Kilometer. Also, Geduld und Ausdauern bringen
manchen Menschen zum Ziel. Trier und Weingerode bis Boulay waren mir aus meiner
Traben-Trarbach Reise bekannt. Aber dann kam mir unbekanntes Gebiet. Die
Reisenden, die überall in den Wagen zusammen gewürfelt waren sprachen sehr
wenig. Warum? Ich konnte es nicht erraten.
Auf meinem Stehplatz lenkte ich meine Gedanken auf die Landschaft und
nahm wenig Notiz von meinen Nebenmenschen bis zum Einbruch des Abends. Da
wurden auf einmal alle Reisenden gesprächiger und einer fragte den andern nach
seinem Reiseziel. Inmitten dieser Gespräche heulten irgendwo die Sirenen auf.
Haha, die Amis. Koblenz ist in Sicht. Da hörten wir im Zug die ersten
Detonationen von Sprengbomben. Gott hilf uns, wir fahren in den Abgrund. Nein,
stopp, der Zug hält auf freier Strecke. Alles aussteigen, Luftschutzkeller
aufsuchen. Wir stiegen aus, wohin, in die dunkle Nacht die durch die brennenden
Häuser der Stadt Koblenz erleuchtet wurde. Wir durften alsbald wieder
einsteigen. Der Angriff war sicher zu Ende. Wir erreichten Berlin gegen
Mitternacht. Ich suchte meinen Anschluss Berlin Zoo und geriet mit einer Dame
in ein Abteil, wo wir Sitzgelegenheit hatten. Müde und abgespannt schlief ich
fast bis Breslau, wo ich dann etwas zu mir nahm, denn auch der Körper fordert
seine Rechte. Die Dame war über die feisten Brötchen die meine Liebste mir
eingepackt hatte ein wenig erstaunt. Ganz bestimmt glaubte sie ich wäre ein zur
Wehrmacht ziehender Metzgermeister. Ich will sie dabei lassen. Sie verriet mir
aber sie sei Hochschulstudentin und fahre bis Oppeln. Wir verabschiedeten uns
in Oppeln, einer dem andern Glück wünschend. Ich stieg in einen anderen Zug und
war wieder allein. Ich las auf dem Eisenbahnwagen: " Polen haben in diesen
Wagen keinen Zutritt. Ich war nun in Polen. Ja welches Polen? Die Oder/Neiße
Linie machte hier die Grenze früher. Heute hatten die Deutschen ein ganzes
Stück von Polen annektiert, wie wir bei uns in Luxemburg. Alle Polen die
Deutsch sprachen wurden ins Reich einverleibt, gewollt oder ungewollt. So saß
ich allein in einem Wagen. Später gesellte sich zu mir ein
Wehrmachtsangehöriger, der zur Ostfront fuhr. In den anderen Wagen saßen viele
Polen die in ihrer Muttersprache redeten. Ich verstand natürlich kein Wort. Die
Fahrt bis Vosswalde war eintönig. Die Strecke von Berlin nach dem Osten
überhaupt ist nicht abwechslungsreich. Alles Gelände ist ziemlich flach und die
Bebauung der Felder verlangt schon vielseitiges Können. So sieht man in
Liegnitz große Gurkenfelder. Breslau, Oppeln, große Zuckerrübenfelder.
Inkarnatklee, Korn und Mischlerfrucht wechseln ab. Die ganze Strecke ist arm an
Wald desto reicher an Wild. Wo nur ein Wäldchen ist sieht man ganze Rudel
Rotwild. Vosswald also, alles aussteigen nach Tschenstochau umsteigen. Ich
stieg um und sah auf meinem Fahrplan nach der Fahrzeit. Noch 40 Minuten und ich
werde am Ziel sein. Jetzt fährt der Zug durch große Wälder, die reich mit
Unterholz bewachsen sind. Die Stationen wo der Zug hielt, waren keine Gebäude,
also waren hier nur Dörfer und die Bahn eine so genannte Kleinbahn. Wildfurt,
Pawenkau, Lipie, Loben. Ich stieg aus. Es war 20.20 Uhr. Nun, wohin. Natürlich
zuerst dem Ausgang zu. Eine Überraschung, der Freund von mir der in Loben schon
längere Zeit war, war auf dem Bahnsteig und fiel mir auf einmal um den Hals.
Ach da bist du und schon griff er nach meinem Koffer. "Bestimmt bist du
müde Albert, wie? Jetzt bin ich froh, jetzt bin ich nicht mehr alleine. Ich
darf wieder meine Muttersprache reden und ich weiß, der versteht mein Leid und
meine Sorgen, denn der kennt meine Heimat. Meine Frau und meine Kinder sind bei
Verwandten evakuiert. Meine Dienstwohnung ist kaputt geschossen. Ich wohne hier
bei Frau Schronzik. Sie ist Witwe mit 4 Kindern. Ihr Mann ist im Gefängnis. Wo,
weiß ich nicht Er führte mich durch Gassen und Gässchen bis vor ein großes
Haus. Hier ist das Hauptzollamt, hier müssen wir nun rein. Er stieg eine breite
Treppe und zog einen Gong. Es war gegen 9 Uhr abends und dann sind alle Läden
zu und nur der Hauswart an der Telefonkabine ist wach. Auf die Rede meines
Kameraden wurde der Riegel geschoben und ein Heil Hitler ließ uns eintreten. Wo
wohne ich nun? Heil Hitler. Der Deutsche gewaltige Herr Zollbeamte ließ uns in
die Telefonkabine eintreten. Kaum da drinnen schrillte die Telefonglocke. Hier Hauptzollamt Loben. Achtung, Achtung.
Streng geheim! Sträflinge ausgebrochen. Ich buchstabiere: S, wie Sophie, T, wie
Tante A, wie Adam, N wie Niklaus, I wie Isaak, S, wie Sohle, L wie Laub, A wie
Arbeit, U wie Ullrich, S wie Sommer usw. Es interessierte mich wenig, wie der
Mann hier Stanislaus Pietrokowa, politischer Gefangener ist in der Nacht um
7.30 Uhr aus seiner Zelle entflohen. Waffengebrauch anwenden, gefährlicher
Bursche usw. Na endlich waren die mir aus Herbesthal bekannten Meldungen vorbei
und der Mann führte uns zwei Treppen hoch und einen langen Gang in das
Fremdenzimmer des Gebäudes. Dieses Zimmer dient nur vorübergehenden Gästen als
Quartier, wie Finanzpräsident aus Troppau, Hauptamtmänner von den Nebenämtern.
Dieses Zollamt unterstand einem Oberregierungsrat mit Namen Siederleben. Ein
eisernes Feldbett mit zwei Decken und Leinzeug, ein kleiner Tisch und ein
Feldstuhl waren das ganze Mobiliar. Hier soll ich Wohnung nehmen. Die beiden
Berufskollegen verabschiedeten sich mit einem guten Nachtgruß und nun war ich
allein. Die Fenster waren alle wegen Abdunklung verblendet und abgeschirmt. Das
interessierte mich wenig, Ich zog mich aus, machte es mir auf dem Feldbett
bequem und ich begab mich zur Ruhe. Ob ich bald eingeschlafen bin weiß ich nicht
mehr, auf jeden Fall mein Wecker weckte mich am anderen Tag um 6.30 Uhr. Es ist
der 3. November 1943. Nach Beendigung meiner Morgentoilette stellte ich mich
auf der Türschwelle des Hauses auf Lauer, um meinen Kameraden zu begrüßen. Wir
gingen dann in die Kantine in den Kellerräumen des Gebäudes und er stellte mich
der Kantinenführerin, einer Frau gesetzten Alters vor. Die Frau hatte noch zwei
dienstverpflichtet Polinnen als Gehilfinnen bei sich. Ich gab vorsichtshalber
die nötige Brot und Buttermarken ab. Dann ging's ins Haus zum Herrn des
Kameraden, zum Herrn Oberregierungsrat Siedersieben zwecks Vorstellung. Diese
Vorstellung dauerte eine halbe Stunde.
Die Fragen die mir gestellt wurden, sollten mich auf Herz und Nieren prüfen ob
ich als Beamte oder Politiker kein Anlass zu Bedenken gäbe. Ich stand dem Herrn
Regierungsrat Antwort auf alle Fragen, wie ein Luxemburger sie geben kann, der
von seiner Heimatliebe, seinem Elternhause, seiner Herrscherin und vor allem
seinen Glauben noch ein bisschen Treue bezeugen will.
"Was halten sie von der NSDAP?" "Das
ist ein Buch mit sieben Siegeln und ich werde mich hüten Politik zu machen.
Politik ist für mich ein unsauberes Mädchen, das keine saubere Wäsche anhat.
Ich kann ihnen nur versichern, dass ich auf Grund meiner Religion als Katholik
meine Rechte und Pflichten so auszuführen wünsche, wie meine Gebote und mein
Innerstes mir vorschreiben. Für alles andere übernehme ich keine Verantwortung
und keine Gewähr."
Mit Gruß Heil Hitler und Handschlag wurde ich
entlassen und der Rest des Tages sollte mir dienen mir ein Zimmer zu finden
oder eine Wohnung, wie auf meiner Versetzungsverordnung stand. Mein Kamerad
durfte mich begleiten. Es klingt vielleicht komisch aber diese Suche dauerte 7
Tage. Alles Verfügbare an Raum war vermietet, sogar viele Einzelzimmer an ganze
Familien in einem Raum. Abends machten wir zusammen einen Kirchenbesuch. Das
Nachtessen bestand aus kaltem Kartoffelsalat mit einer Tasse Tee. Am andern Tag
bezog ich meine Dienststelle im Büro No. 11, Strafsachen. Zwei Herren saßen
hier, einer in Zivil, der andere in der Uniform eines Zollinspektors. Drei
Tische, ein Schrank, eine Blumenetagere drei Stühle und verschiedene Sorten
Blumenstöcke zierten den Raum. An einer Wand hing eine große Karte, mit Angabe
der annektierten Gebiete Polens und die Namen der Zollaufsichtsposten. Eine Tür
führte ins Zimmer nebenan. Dort saß mein Kamerad. Dort war die Kartei der
Schmuggler untergebracht. Ich muss sagen sie war in einem großen Kasten fein
klassiert und war sehr umfangreich von A bis Z.
Von Achinowskij bis Zebrakowsky. Die polnischen Namen endigen fast alle
mit kij, die Vornamen fast alle mit Laus, wie Stanislaus, Wenzeslaus, Nikolaus.
Die Heiligen die auf unserem Wandkalender figurieren sind mit wenigen Ausnahmen
auf dem polnischen Kalender unbekannt. Die Mädchennamen endigen fast alle mit
A. Anna, Emma, Eustaschia, Appolonia, Agrippina Zawelowitsch usw. Soweit die
Arbeit meines Kameraden. Ich bekam nach Begrüßung Anweisung von dem Herrn in
Zivil, ich soll auf dem leeren Stuhl Platz nehmen. Ich tat es. Ich wurde nun
Zeuge eines Zwiegespräches mit den beiden Herren über unser Land.
Der Herr Zivilist war 1914 - 1918 im Krieg durch unser
Land marschiert. War in englische Gefangenschaft geraten, machte dort
Bekanntschaft mit einer englischen Schullehrerin auf einem Bauernhof und wollte
dort heiraten. Was dazwischen kam konnte er uns nicht mehr so genau sagen. Das
Gedankengut eines Deutschen zu der Zeit stark begrenzt. So behaupteten sie
sogar als sie in Luxemburg einmarschierten im August 1914, sie wären in den
Vorstädten von Paris. Da lasen sie irgendwo auf einer Bedürfnisanstalt die
französischen Worte "Hommes et Dames" und schon trugen Briefe die
Nachricht nach Hause sie wären schon in Paris. Das so nebenbei. Die Unterhaltung
der beiden Herren wurde nun unterbrochen, der Herr in Uniform verließ das
Zimmer. Der Herr in Zivil öffnete den Schrank und entnahm demselben einen
kleinen Volksempfänger, drehte auf Berlin und horchte den Wehrmachtsbericht.
Interessanter Fliegerangriff auf Hamburg. Schwere Schlacht um Stalingrad.
Heftige Nahkämpfe um El Alemein. Italienischer Vorstoß in Jugoslawien. 50000
Bruttoregistertonnen englischen Schiffsraums versenkt, usw. Soweit der
Wehrmachtsbericht vom 4. November 1943. Ob es war ist, sagt der Herr in Zivil.
"So, nein!" Er hatte die wunde Ader in seinem Innern getroffen. Er
war kein fanatischer Nazi. Er glaubte nicht mal die Hälfte von dem, was das
Radio brachte.
Wir gingen dann wieder auf Zimmersuche. Erfolglos. Ich
schrieb an meine Kostgeberin in Herbesthal. Meinen Lieben zu Hause hatte ich
schon am ersten Tag geschrieben.
Am 5. November fiel der erste Schuss. Den ganzen Tag
wieder auf Zimmersuche. Abends gingen wir jeden Tag zur Kirche, denn es war
Vorweihnachtszeit und da gab es Roratemesse und Andacht. Loben besitzt 4
Kirchen. Also bestand Abwechslung genug. Es befand sich aber noch eine 5. dort,
aber diese war baufällig und wurde nicht mehr besucht. Am 6. November war es Samstag.
Morgens gingen wir auf Zimmersuche und nachmittags machten wir einen
Spaziergang in der Umgebung der Stadt. Diese ist sehr romantisch. Grosse
prächtige Waldungen, die endlos scheinen, trennen die Stadt von den umliegenden
Dörfern. Die Stadt besitzt eine große Kaserne, eine große Irrenanstalt ein
Oblatenkloster mit gewaltigen Dependenzyen, was vor dem Krieg ein Seminar war,
für polnische Priester, ein Arbeitsamt, ein Wirtschaftsamt, große Bauernhöfe in
der Peripherie der Stadt und Wald, viel Wald, wo jeder Naturfreund auf seine
Rechnung kommt. In denWäldern sind verschiedene Moore oder kleine Seen zu
sehen, die noch aus der Eiszeit stammen. Damals war das große Oberschlesische
Land bis weit ins polnische Land hinein
Meer, das Zechsteiner Meer genannt. Heute sind noch vereinzelte Seen und
Moore Überreste davon. Die Erdkruste ist alles Flößsand mit Meeresfossilien
vermischt. Auf unserm Rückzug zur Stadt fiel mein Blick auf einen freien Platz,
wo ein Marterpfahl stand. Da ich erstaunt war, erklärte mein Kamerad Théo mir
dass ich noch erleben werden, dass hier eines Tages ein Pole baumeln wird, der
hier erhängt wurde. Da war ich aber auf einmal sprachlos. Ich fragte:
"Gibt es das wirklich?" Er antwortete: O, das ist keine Seltenheit!
Hier ist Feindesland, hier kannst du das Gruseln lernen." Wir gingen
schweigsam zu unseren Quartieren. Am
andern Tag, es war Sonntag, gingen wir zusammen in 2 Messen am Vormittag. Dann
gingen wir zusammen auf Suche nach einem Speisehaus. Hotels und Restaurants
waren immer überfüllt von korsettstrammen Persönlichkeiten mit gesäbeltem
Auftreten. Daneben die Offiziersdame, denen man von weitem schon ansah, dass
ihr Verstand und ihr Anstand eine große Lücke in der internationalen
Gesellschaft markierten. Das verstehe ich überhaupt nicht, wie ein Mensch an
einem so großen wahnsinnigen Fanatismus leiden kann. Da soll die Medizin
einfach machtlos sein. Bei einigen Hotels hätte man ein Schild anbringen können
mit der Aufschrift: "Hier haben nur Offiziere mit ihren Damen Zutritt."
So war es im Hotel "zur stillen Klause", im "Schützenhaus"
und noch andere. Man musste wenigstens eine Stunde Zeit haben um ein Kosthaus
an dem Sonntagen zu finden. Alles überfüllt mit Militär und ihren Damen. Die
Kantinen waren sonntags geschlossen und eine Wirtschaft ohne deutschsprachiges
Personal gab es nicht mehr in der Stadt. Man musste sich also sputen. Meine
Reisemarken waren fast alle und ich musste mich umsehen. Ich ging am 10.
November endlich zum Meldeamt und zum Wirtschaftsamt, mich anmelden und zum Empfang
der Lebensmittelkarten. Ich schrieb einen Brief nach Hause und ging wieder auf
Zimmersuche. Am 11. November endlich fand ich eine Schlafstelle bei einer
polnischen Familie. Das Zimmer war klein und kalt. Eine Bettstelle ohne viel
Gedeck, ein Stuhl und viel Kälte waren im Raum. 2 Türen 2 Fenster und ein
Kachelofen bis an die Decke gemauert. Aber nichts für drin (zum Brennen) Ich
sollte mich hier heimisch fühlen? Na, was hab ich denn verbrochen? Kann ich
dafür dass Luxemburg so klein ist, dass es dem großen hungrigen Löwen nicht
Widerstand leisten kann.
Also, ich wohne in einem großen Hause! Ich überzeugte
mich ob die Türen sich absperren ließen, packte meinen Kram aus und legte mich.
Ich durfte in aller Ruhe mein Nachtgebet verrichten. Ich schlief ein in
Gedanken an die Heimat und an meine Familie. Was bietet ein fremdes Land einem
Fremdling in Kriegszeiten? Nun, Gott soll mich beschützen.
Der Wecker weckte mich am 12. November in der Frühe.
Alles war dunkel im Haus. Sollen denn hier keine Leute wohnen? Ohne mich viel
umzusehen begab ich mich zum Amtsgebäude in die Kantine, denn dort nahm ich,
mit Ausnahme der Sonntage, meine Mahlzeiten ein. Dann meldete ich meinem
Bürochef ich müsste zum Wirtschaftsamt. Ich schrieb noch einmal schnell einen
Brief nach Hause und nahm ihn mit zur Post. Ich ging, bekam auf dem
Wirtschaftssamt einen Bestellschein für 1 Ei, besuchte noch den
Kolonialwarenhändler nebenan und kaufte mir Suppenwürfel, Kaffee, Brot und beim
Fleischer Schmierwurst. Diese Sachen sollten mein Abendbrot für Samstagabend
sein. Ich ging dann zurück zum Amt und schaute zum Fenster hinaus auf den Hof.
Da liegt die Kreisleitung, da wohnt der Herr Direktor der Irrenanstalt. Da
laufen ein paar Irrsinnige im Garten, die ab und zu ein paar irrsinnige Anfälle
bekommen. Da füttert eine Frau im Hof ein paar Gänse. Da liegt die Garage der
Dienstwagen. Ein Beamter geht mit Spritkannen ein und aus. Da weiter versperren
hohe Bäume mir die Sicht. Eintönig was? In dem Amtsgebäude waren untergebracht,
die Finanz- oder Steuerverwaltung, die Zollverwaltung mit allem Drum und Dran.
Das Eichamt, die verschiedenen Magazine. Ein Dépôt von beschlagnahmten Waren.
Einen großen Keller als Dépôt der Wehrmacht oder Grenzschutzpolizei. Eine große
Kantine mit Esszimmer und einem großen Luftschutzraum. Mächtiges Haus, mit
dreidimensionalen Persönlichkeiten bewohnt. Hast du eine Ahnung, was hier ein
und aus ging? Wie viel Fluch und Rache hier ausgehaucht wird? Die polnische
Bevölkerung bekam von diesem Hause aus Bildung und Recht beigebracht und
abgefordert. Der deutsche Staat brauchte Geld und nochmals Geld und zahlen muss
der Pole. Da regneten Steuerbescheide an die polnischen Bauern, Strafsachen an
die Schwarzbrenner, Peitschenhiebe auf
verstockte Sünder. Wer kann all das schildern, ohne nicht ein Stossgebet für
das arme polnische Volk zu verrichten. Dass Gott ihm die Gnade der Ausdauer
verleiht und nach diesem Krieg wenigstens mit Gerechtigkeit rechnen zu dürfen.
O gäbe es doch bald ein Ende. Ich ging am Sonntagnachmittag meinen gewohnten
Spaziergang und machte nur Charakterstudien an polnischen Passanten. Ich ging
zu Frau Schranzig, die Hauswirtin meines Freundes Théo. Dort erfuhr ich, dass
die Bevölkerung in 3 Kategorien eingestuft sei. Die erste sind die Deutschen,
die in Polen ansässig waren, vor dem Kriege, die zweite die Polen die von
deutscher Abstammung sind, aber in Polen geboren sind und die dritte, die
reinrassigen Polen. Diese Stufen wurden in allen Hinsichten beibehalten. Auf
den Kleiderkarten, Brotkarten, usw. Auf
eine extra Zuteilung wie Eier, Orangen, Schokolade usw. hatten die reinrassigen
Polen kein Recht. Gespinstwaren gab es für die Polen fast keine. In dem
Generalgouvernement, das Stück Polens, das nicht von den Deutschen
bewirtschaftet wurde, gab es noch ziemlich alles, was Namen hatte. Somit
entstand notgedrungener Weise ein reger Schmuggel zwischen dem besetzten Polen
und dem freien Polen. Frau Schranzig gehörte zur Kategorie 3. Aber aufgrund
ihres Berufes als Hebamme gewissermaßen unentbehrlich. Sie kam und ging zu
allen Leuten, ob Deutsche, Deutschsprachige oder Polen. Die Not kannte hier
kein Gesetz. Sie wusste ihre Stellung auch aus zu nutzen. Ihr Mann war in
Gefangenschaft. Vier Kinder zu Hause und Hunger überall Hunger. Sie kaufte
Hühnerfutter bei den Bauern. Erhielt aber Brotgetreide bei den Selbstversorgern
und eine zusätzliche Ration Mehl. Wenn auch nur ein Pfund. Viele Pfunde gaben
eine Menge und so konnte sie ab und zu einen Mohnkuchen backen für ihre Kinder.
Manchmal fiel auch ein Stück für mich ab. Die Polen sind sehr gutherzig und
halten viel auf Nächstenliebe, vorausgesetzt, dass es kein Feind von Ihnen ist.
Wir sind als Katholiken ja alle Kinder Gottes und so gibt der Pole, der zu 90 %
katholisch ist, seinem Nächsten gerne etwas ab, wenn er es nur entbehren kann.
Sonntag den 14. November 1943. Heute ist das Fest des Hl. Stanislaus in der
Oblatenkirche. Er ist der Schutzpatron der Oblaten. Um 10 Uhr morgens und um 7
Uhr abends feierliches Hochamt mit Festpredigt. Die Festpredigt bei den Oblaten
war immer ein Ohrenschmaus, denn die Herren Oblatenpatres sind ganz gewandte
Missionsprediger und ein Nazi hätte hier bei so einer Predigt einen ganzen
Haufen Moral hinzulernen können. Rücksichtslos flossen die Worte von den Lippen
des Predigers an diesem Tage. Der heilige
Stanislaus habe uns viel zu sagen. Wir sollen denselben versuchen nach
zu ahmen. Am 15. November erhielt ich meine Löhnung. 100 Reichsmark. Tags
darauf fiel so reichlich Schnee, wie ich ihn zu Hause nie gesehen habe. Ich
bezahlte auch meine Übernachtungen im Fremdenzimmer des Zollgebäudes. 7
Reichsmark. Als Dank erhielt ich von zu Hause Butter und Käsemarken, die mich
wieder ein bisschen aufmunterten. Es bestand in dieser Hinsicht immer ein
Fehlbetrag in meinem Haushaltsbudget. Ich schrieb sofort einen Dankesbrief
zurück. Die Arbeit in dieser Woche war ganz monoton. Überhaupt fand ich an dem
ganzen Getue kein Interesse. Ich lebte und dachte nur an meine Lieben in der
Heimat. Ich schrieb an Verwandt und Bekannte. Am 22. November an die Katherinen
zum Namenstag nach Herbesthal und in den Rollingergrund (die Schwester meiner
Frau), auch meine so genannte Patin in Heffingen wurde nicht vergessen. Alles
hatte seinen Zweck und seinen Hintergedanken. Auch meine Steuerkarte sandte ich
nach dem Finanzamt Köln.
Heute bekam ich einen Bezugsschein für 10 Zentner
Briketts. Ich war für eine Weile glücklich aber, wo war der Lieferant der sie
liefern konnte? Ich konnte keinen finden. Alles ausverkauft. Ich lies zu
gleicher Zeit meine Gemüsekarte abstempeln. Es gab ein Pfund Zwiebeln. Zwiebeln
sind ein begehrenswertes Gemüse, wenn man sich erkältet hat. Am Samstag, den
27. November erhielt ich auch meine Reisekostenentschädigung 80 Reichsmark. Am
28. war Heldengedenkfeier in der Kirche. Was wir unter Helden verstehen ist
etwa anderes. Ich fühlte mich unwohl und hatte zum Wochenanfang Husten,
Schnupfen und Fieber. Ich aß meine Zwiebeln und nahm beim Zubettgehen eine
Bayer Kreuztablette. Ich schrieb an François (meinem Sohn) einen Brief zum
Namenstag. Ich erhielt meine Löhnung 75 RM-. Ich erhielt einen Brief aus der
Front von Mathias und habe auch sogleich geantwortet. Ich bin noch immer krank.
Draußen liegt hoher Schnee. Die ganze Woche Stubenarrest. Am 5. Dezember war
eine schöne Lichtenprozession in der Kirche. Die Oblaten Kirche liegt in einer
Parkanlage, die mit hohen Eisengittern verschlossen ist. Gegenüber dem Eingang
zur Kirche liegt ein Mächtiger Felsen. In diesen Felsen ist eine Lourdesgrotte
eingehauen. Das ganze gibt ein wundervolles Bild. Am Boden ein kleiner Teich
und die kleine Grotte der Bernadette und ein mächtiger Opferstein im Zentrum
der Anlage. Blumenarrangements sind zu jeder Jahreszeit in der Grotte zu sehen.
Hier sitzen zu jeder Zeit Dutzende polnische Frauen um zu beten. Warum?
Wahrscheinlich für den gefallenen Vater oder den im KZ lebenden Sohn. Hier in
Polen wird das Leid immer groß geschrieben, das bezeugen die Tränen die die
Wangen der Beterinnen benetzen. Wie viel Leid so eine Mutter hat, wer kann das
ermessen? Ich schreibe nach Hause und die zu Hause schreiben mir, wöchentlich
zweimal. Sie klagen ihr häusliches Leid, ich klage das meine, aber es ist nicht
eine Unze desjenigen der weinenden Mütter, hier in Polen. Am. 8 Dezember ist
Maria Empfängnis. Ein hohes Fest bei den Oblaten. An diesem Tag hatte ich die
Gnade 5 heilige Messen zu hören und eine Abendandacht. Das Gebet allein kann
mich stärken in meiner Sehnsucht nach meinen Lieben zu Hause. Es vergeht ja
keinen Tag nicht einmal eine Stunde, ich möchte sagen mein Geist war und ist
ständig zu Hause. Nur mein Leib ist in Polen. Das Fest des Hl. Nikolaus des
Patrons der Pfarrkirche in Loben war eine Abwechslung für mich. Kirchen
besuchen ist eine interessante Beschäftigung. Hier kann man Charakterstudien
machen. Ich verbrachte viele Zeit in dieser Kirche. Zu Hause oder in meinem
Quartier war alles kalt und eintönig. Ich klopfte an die Wohntür der Hausfrau
und zahlte meine Miete. 25 Reichsmark, den Monat. Schon einen Monat in diesem
Quartier. November, Dezember, kein Funken Feuer, kein sich erbarmendes Herz.
Alles öde und abgestumpft. "Danke", sagte die Hausfrau und schloss
wieder die Tür. War ich ein Feind von ihnen? Es sah so aus. Es ist auch
verständlich. Die Frau ist allein mit zwei Kindern. Ein Mädchen von 17 Jahren
und ein Junge von 12 Jahren. Der Mann im Arbeitslager Kupfermühle als
Dienstverpflichteter polnische Beamte. Ein älterer Junge in der deutschen
Wehrmacht. Ein großes Haus. Alle Räume, bis auf 4 zwangsvermietet, an 7 fremde
Mieter. Bäckerei mit Laden, Photograph mit Atelier. Etagenwohnungen und
Kellerwohnungen. In den schönsten Zimmern hausten die Deutschen. In den
Kelleräumen und Dachstuben die Polen. Ja, auf dem Dachboden hauste eine
polnische Frau mit einer Geflügelfarm. Gänse und Hühner. Durch Zufall
kontrollierte ich einmal einen Wasserbehälter der unter dem Dach aufgestellt
war. Dieser Behälter speiste das ganze Haus mit Trinkwasser. Eine Wasserleitung
in der Stadt gibt es nicht. Nur Ziehpumpen. Solch eine Pumpe pumpt Tag und
Nacht das Wasser in diesen Behälter. Ich gab mir Mühe um mit diesen Leuten
Freundschaft zu schließen. Die Sache war aber noch zu jung. Abwarten denke ich
und abtasten. Sind sie deutschfreundlich oder deutschfeindlich? Im letzten
Falle lässt sich ja mit diesen Leuten reden. So vergehen die Tage mit Schreiben
von Briefen an hin an her bis zum 21. Dezember, wo ich um 19.20 Uhr nach Hause
in Urlaub fahre.
Ich habe Urlaub bis zum 7. Januar 1944. Die Reise nach
Hause war eigentlich ein eindrucksvolles Ereignis. In der Nacht in fremdem
Lande reisen ist immer spannend. Von Oppeln bis Berlin saßen wir zu 4 in einem
WC eines Wagens auf unsern Koffern. Ein Feldwebel der als Kurier aus der
Ostfront kam und zwei Damen. Bis Berlin
blieben wir beisammen, dann reisten wir verschiedene Strecken weiter.
Ich kam gut zu Hause an. Die Weihnachtstage 1943 verbrachte ich im
Krankenzimmer und musste meinen Urlaub bis zum 15. Januar verlängern. Mit
schwerem Herzen reiste ich dann zurück und am 17. Januar schrieb ich schon
wieder nach Hause, dass ich gut angekommen sei. Am 19 erhielt ich wieder
Löhnung und ich war wieder im alten Gleise. Fast jeden Tag schrieb ich einen
Brief. Am Samstag, den 5. Februar machten mein Freund Théo und ich einen
Spaziergang in die Schneelandschaft. Mutlos und stumm marschierten wir
stundenlang, ein jeder mit seinen Gedanken allein. Wir gingen an einem
Forsthaus vorbei. Ein Hund bellte und die Gänse schlugen ins Zeug wie wenn wir
Feinde wären. Alles das störte uns nicht. Wir gingen weiter bis dass der Tag
sich zu neigen begann. Da dachten wir nun sei es weit genug. Lasst uns umkehren
sonst sind wir nicht bei Tage zu Hause. Wir drehten um, gingen aber einen
anderen Weg zurück. Diese führte im Zickzack durch undurchforstetes Waldgebiet.
Auf einmal war es dunkel. Nur das Leuchten des Schnees ließ uns den Weg noch
erkennen. War es überhaupt ein Weg oder nur ein unbepflanztes Waldstück, eine
Schneise. Auf einmal hört der Weg auf. Das bedeutet: Wieder umkehren. Da
springt ein Wildschwein aus dem Dickicht über die Lichtung. Hier wird es jetzt
ungemütlich. Wir gingen und gingen. Da hörten wir in der Nähe Motorengeräusch.
Da ist die Landstrasse. Drauf los, in diese Richtung. Bald landeten wir auf der
Strasse. Ja wohin, nach rechts, oder nach links? Gegenüber, stand ein hohes
Holzgerüst. Ein Ausgucksturm oder ein Schiesstand für Jäger. Wir standen da und
rätselten. Da tönten Glockenschläge durch die Nacht. Horch, woher kommen die?
Aus dieser Richtung, also nach links. Wir gingen nach links. Da stand ein
Kilometerstein. Wir zünden ein Zündholz an und lesen "Loben 7 Km“. Also, marsch, marsch. Wir hatten nichts zu versäumen,
nur der Magen knurrte. Die polnische Waldluft die macht rote Backen und
hungrigen Magen. Nach einer guten Stunde Marsch sahen wir wieder die ersten
Lichter der Stadt. Mein Freund Théo wurde wieder ein bisschen gesprächiger. Er
sagt: "So etwas geschieht uns aber nicht mehr." Es war auch ein
unüberlegter Spaziergang. Der Wald in Polen ist immens groß und zu dieser Zeit
wimmelte es drin von Partisanen und Freischärlern. Wie leicht hätte uns können
ein Leid geschehen. Ich muss gestehen, wir hatten gute Schutzengel gehabt.
Der 6. Februar war Sonntag. Draußen Schnee und Eis.
Nach den Messen und dem kargen Mittagsmahl in der "Stille Klause" gab
es am Nachmittag bei Frau Schranzig allerlei Kurzweil. Abends Lichterprozession
in der Oblaten Kirche. Die ganze Woche verging ohne nennenswerten Zwischenfall.
Briefe schreiben. Am 11. Februar erhielt ich einen Brief aus Potsdam vom
Kollegen Schwachtgen. Interessant aber noch immer aussichtslos. Ich kaufte am
14. Februar Luftpostmarken und schickte sie (für meine Sammlung) nach
Hause. Am 17. Februar war eine
Gründungsfeier des Oblatenordens. Dieser Orden wurde 1816 in Frankreich von
einer Gruppe Adliger gegründet. Die Feier verlief feierlich aber zeitgemäß,
denn auch den Oblaten fehlte es an der nötigen Schmierwurst. Am 24. Februar
feierten wir das Fest des hl Mathias. Ich schrieb an Mathias (Zeimet) an die
Front. Am 26. Februar ging's wieder in den Wald. Am 29. Februar ließ ich meine
Schuhe ersohlen und zahlte 4,50 RM. Im Vergleich von zu Hause billig. An diesem
Tag erhielt ich Besuch von 2 Soldaten. Dieselben waren in Loben
Lazarettinsassen. Der eine mit einem schweren Kopfschuss, der andere mit einem
Streifschuss. Erster war aus Differdingen und der andere aus Sandweiler. Sie
erzählten ihre Geschichten und wir die unsrigen. Null von Null geht auf. Leid,
Elend Not. Die großen Drei, und der verdammte deutsche Gesetzgeber, der uns
unter die Furtel nahm.
Am 1. März wurde mein Bürochef, der sich im Trauer
befand, versetzt. Er bekam die Nachricht, dass sein Sohn auf dem 'Felde der
Ehre' gefallen sei. Er war ein Draufgänger und war erst kürzlich mit der
Nahkampfspange ausgezeichnet wurden. Der Vater war untröstlich denn die
Parteileitung gab nur eine Vermisstenmeldung ab. Also wurde der Vater von der
Partei belogen. All Respekt für diesen Vater. Die Tränen der Trauer um seinen
Sohn haben mich gerührt. Ich musste Herrn Forisch mein Beileid ausdrücken,
obwohl ich gegenüber Deutschen immer zurückhaltend war. Herr Forisch stellte das
Bild seines Sohnes auf seinen Schreibtisch und so wurde er (stummer) Zeuge all
unserer Gespräche und Handlungen. Er hörte mit uns das Radio ab, das
Kommentieren der Sondermeldungen, die Rückschläge an den Fronten sogar das
Lispeln, wenn die Meldungen des Londoner Rundfunks kommentiert wurden. Es wurde
eine sechswöchige Trauer in unserm Büro gehalten und zwar in dem Stil, dass da
Gebaren der deutschen Führung scharf unter die Lupe genommen wurde.
Bei Tage Brief schreiben, abends Spaziergänge, das
ging die ganze Woche so. Am 12. März war wieder eine Heldengedenkfeier. Ich
besuchte 4 Messen. Ging nachmittags zu Frau Schranzig zum Kaffeekränzchen. Sie
hatte einen herrlichen Mohnkuchen gebacken und ich sollte mit zu greifen. Auch
der dazu gehörige Kaffeeklatsch fehlte nicht, denn sie war auf dem Laufenden
von allem, was uns interessierte
Sie wusste von den Plänen des englischen
Premierministers besser Bescheid als alle Deutschen in Loben zusammen. Solch
fanatische Nazis glaubten an nichts in der Welt als nur an ihren Adolph. Solche
Besuche bei Frau Schranzig waren immer sehr wichtig für uns. Wir gingen
getröstet wieder an unsere Wochenarbeit. Am 19. März war der Tag der Wehrmacht.
Alles was einen Schiessprügel handhaben konnte, war auf dem Schiesstand angetreten.
Wir beide gingen in 4 Messen und hielten uns weit vom
Geschütz, denn jeder der Schießen lernen wollte, durfte sich auf dem
Schiesstand melden, und zwar pflichtgemäß! Am 20. März abends war Andacht zum
heiligen Josef. Mancher hatte so einen stillen Wunsch zu dem hl. Familienvater,
er solle doch was weiß ich tun damit die Schweinerei in der Welt aufhören soll.
Am 24. März fuhr ich wieder in Urlaub für 7 Tage. In
dieser Urlaubszeit sollte eine Wandlung der Geschichte kommen. Nein, oder war
die Heimreise schon eine Wandlung. Wechseln stehend von einem Fuß auf den
andern ging es bis Berlin, In dem Schlesienbahnhof mit der Ü-Bahn nach dem
Potsdamer Bahnhof. Von dort aus ab 4.00 Uhr gerade stehend von einem Bein aufs
andere wechselnd, bis abends 8.00 Uhr. Dann auf dem Bahnsteig und wieder gerade
stehen bis Magdeburg. Dann erst erhielt ich einen Sitzplatz und schlief bis
Giessen. Dort weckte mich eine Beamtin des Zugpersonals. Umsteigen und dann bis
Luxemburg. So was von Reisenden, war ja unbeschreiblich. Die einen wollten in
den Osten, die andern in den Westen und über dem Ganzen Fliegeralarm. Was hatte
sich nicht alles von Januar bis März in Berlin geändert. Ganze Strassen waren
verschwunden. Bahnhöfe glichen einem Steinhaufen usw. und überall große Schilder:
"L.S.R (Luftschutzraum) oder ACHTUNG
FEIND HÖRT MIT." Lernt schnell Russisch, verdeutschte mir Frau
Bittniak einmal die drei Buchstaben LSR. Zu Hause war meine liebe Frau
erkrankt, sie litt an Rippenfellentzündung. Ich verlängerte mir ungewollt
meinen Urlaub bis zum 24. April 1944.
Auf der Rückreise nach Loben mussten wir in Koblenz in
Sicherheit gehen. Die ganze Stadt stand in Flammen. Auf einem Kirchhof krochen
wir in einen Bunker, bis der Tag anbrach.
In diesem Bunker lernte ich einen Herrn kennen der einen schweren Koffer
bei sich hatte. Auch ein Luxemburger. Er fuhr mit bis Breslau. Unterwegs war
die Strecke öfters gefährlich. Der Zug von Berlin bis Krakau war zum Bersten
voll. Der Herr mit den Koffern stieg zu Breslau aus. Er stellte seine Koffer auf
die Bank. Ich reichte ihm dieselben durchs Fenster hinaus. Doch da war ein
Unglück geschehen. Jeder der vorbei ging blieb stehen. Es roch nach
Zwetschgenbranntwein. Beim Aufstellen auf den Boden brach eine Flasche in dem
Koffer und das wertvolle Wasser suchte seinen Ausweg. Schade, der Koffer war
nicht dicht genug und der Inhalt der Flasche lief auf den Bahnsteig. Da dachte
sicher mancher, der Mann wäre ein Krösus. Nein, wo kommt der Mann her? Wer kann
sich das noch leisten? Der Zug fuhr ab. Ich machte mir meine Gedanken. War das
ein Luxemburger? Warum gab er mir nichts ab von dem Nationalgetränk?
Luxemburger Quetsch! Vielleicht lerne ich den Mann noch besser kennen, wenn er
ein Landsmann ist.
Ich kam mit Ach und Krach wieder in Loben an. Das
Leben ging wieder seinen Weg.
Am 26. April erhielt ich wieder Löhnung. 107 RM.
Trennungsentschädigung 80 RM. Ich war wieder bei Kasse.
Die pflichtgemäße Arbeit wurde wieder sabotiert und
ich pflegte meine Privatkorrespondenz.
Die Hauptsache war. Ich hatte zu schreiben und ich war
beständig an meinem Schreibtisch tätig wenn der Oberste Chef kommen sollte. Mit meinem Bürochef war ich
schon so befreundet, dass dieser nicht mehr den Mut hatte mich auf meine Arbeit
aufmerksam zu machen. Am 30. April war Sonntag. Ich ging mit einem Luxemburger
Soldat spazieren, der hier im Lazarett war. Ich erfuhr dann seinen Namen
"Barthel" hieß er. Er war 1,90 m groß und trug immer noch den
Kopfverband. Er hatte immer noch an dem Kopfschuss zu leiden. In der Kirche
fiel er auf durch seine Größe und seinen Kopfverband. Er erzählte mir aus den
Schlachten um Radowski herum. Am 3. Mai musste ich nach Beuthen fahren um Geld
ab zuholen für den Zahltag.
Es war schon so weit. Die Deutschen hatten Angst mit
Geld zu reisen. Die Partisanen trieben ihr Unwesen schon auf offener Strasse.
Wie leicht wäre ein Überfall möglich gewesen. Ich in meinem Zivilanzug, glich
mehr einem Vagabund. Mich ließ man unbehelligt. Beuthen ist eine große
Industriestadt. Ich hatte alle Mühe um hier die Bank ausfindig zu machen, die
mir meinen Scheck einlösen sollte. Fragen durfte ich nicht, nur um keinen
Verdacht zu erregen, dass ich mit Geld reisen täte. Ich fand die Bank, meldete
mich an und nach einer Stunde sollte ich den Betrag abheben. Während dieser Zeit kabelte man bestimmt nach
meiner Amtsstelle, ob ich auch der richtige Mann sei. Ich machte einen
Spaziergang in die Stadt. Eines fiel mir auf. Beuthen besitzt ein großes
Gefängnis, direkt an der Strasse. Eine große Ringmauer umschließt die Gebäulichkeiten.
Das Gefängnis war bestimmt überfüllt. Eine große Pforte öffnete sich zufällig.
Eine Gruppe Gefangener fuhr in die Stadt mit einem kleinen Karren. Im Hof
wimmelte es von Sträflingen. Ich machte mir meinen Kommentar. Alles Polen?
Bestimmt nicht. Schade. Es sollten doch alles Einheimische sein. Ob die es
nicht verdient hätten. Ich landete glücklich mit meinen Tausendern auf unserer
Amtskasse. Ich fürchtete bereits für den folgenden Monat. Ob die mich noch
einmal schicken? Wir wollten abwarten. Die Post brachte mir gleich 2 Briefe von
zu Hause. Der Zustand meiner Frau war schlechter. Ich konnte aber nichts tun.
Mein mir zustehender Urlaub war alle.
Donnerstags den 4. Mai hatten wir Fliegeralarm so
gegen 10.30 Uhr. Alles lief in den Luftschutzraum im Keller des Gebäudes. Ich
muss sagen, da war alles Pikobello für den Luftschutz eingerichtet. Schade,
dass es noch nicht soweit war. Bestimmt hätten die alle den Kopf verloren, denn
die Bonzen die hier noch arbeiteten waren ältere Jahrgänge, die keine Ahnung
hatten von Fliegerbomben. Hätten sie Aachen, Köln, Duisburg, Hamburg, Flensburg
gesehen, sie hätten sich unter den Boden vergraben nur um nicht Zeuge solcher
Szenen zu sein.
Ein Postbote brachte mir ein Telegramm in den
Luftschutzkeller. Zu Hause soll es schlimm sein. Um 13.30 Uhr sandte ich sofort
ein Telegramm zurück: "Unmöglich zu kommen." Ich hatte verstanden,
dass man mich mit allen Mitteln hier herausholen wollte, aber es ging nicht.
Am Freitag erhielt ich wieder ein Telegramm:
"Alles geht besser." Das war auch eine Nachricht die beruhigte. Es
war eine Warnung für mich, ich sollte mich aus dem Osten retten. Die Russen
seien im Anzug. Fliegeralarm. L.s.r.. Lernt schnell russisch! Kommen die Amis
denn bis hierher mit ihren Bombern? Bums, da fiel eine Bombe! Wohin? Hier ist
doch keine kriegswichtige Industrie. Da sieht man diese Unmenschen! So wurde
kommentiert. Es war ja ein totaler Krieg. Gänzliche Ausrottung war auf beiden
Seiten die Losung. Nun, sie sollten es haben. Ganze Flugzeugschwärme flogen
über die Stadt. Nichts geschah. Nur die Moral sank bis auf den Nullpunkt. So
hatten wir jeden Tag Fliegeralarm bis zum 3. Juni. In der Zwischenzeit schrieb
ich jeden zweiten Tag nach Hause meine Neuigkeiten. Eine Bombe fiel in ein
kleines Bauerndorf. Am 3. Juni war es Samstag. Wir machten unseren
traditionellen Spaziergang in den Wald. Die Erdbeeren fangen an zu färben. Es
soll interessant werden. Auch in den polnischen Wäldern hatte der
Kiefernspinner sein Unwesen getrieben. Es war neben dem Kartoffelkäfer Feind
No. 3. Bis in die Häuser hinein krochen die Käfer und Larven. Die Deutschen
sahen sich gezwungen Bekämpfungsaktionen vor zunehmen. Mit einem zu diesem
Zweck eingerichteten Flieger flog man über die Wälder und nebelte sie ein.
Dieser Nebel setzte sich alsdann auf die Nadeln der Fichten und tötete den
Kiefernspinner. Ein Erlass verbot bis zum 15. Juni diese benebelten Waldungen
zu betreten, Beeren zu pflücken oder zu essen, Gräser zu mähen oder zu
pflücken. Wir spazierten um die Irrenanstalt. Hier hatte auf einem Baumstumpf
ein Storch sein Nest. Das Weibchen brütete und der Vater brachte Futter.
Frösche, Eidechsen, Blindschleichen usw. Störchennester waren in dieser Gegend
mehrere. Aber dieses in der Nähe des
Hauses war einzig und sehr interessant. Die Eltern spazierten mit den Gänsen
auf dem Hof umher wie das Hausgeflügel. Stundenlang stand das Männchen auf dem
Nest, auf einem Bein und guckte in die Landschaft. Diese Gegend war reich an
Vögel, die mir unbekannt waren. Zum Beispiel, der Kiebitz, die Rohrdommel, der
Fliegenschnäpper, der Kreuzschnabel und noch andere, deren Namen mir unbekannt
sind. Hier in den immens großen Tannewäldern sind wunderbare Brutstätten für
diese Vögel. Hausgeflügel war reichlich in jedem Haus zu finden. Vom Apotheker
bis zum Tagelöhner. Jeder hatte seine Gänse. Wie ich schon erwähnte auch in
unserem Quartier unter dem Dach bis hinaus auf die grüne Wiese, überall Gänse,
Enten, Truthühner und andere Hühner. Die polnischen Gänse sind wegen ihrer
Zartheit im Fleisch weltberühmt. Wie so eine polnische Gans gemästet wird ist
ja interessant zu wissen. Die Jährlinge werden von Martini am 11. November
eingestallt. Aus verschiedenen Sorten Getreide, wie Weizen, Roggen, Hafer,
Gerste, Mais wird ein Mehl geschrotet. Dieses Mehl wird mit Wasser zu einem
Teig geknetet, bis dass es zusammenhält. In fingerdicken Strähnen geformt und
in der Ofenröhre gebacken, wie Zwieback. Nach dem Erkalten des Gebäcks wird es
in Würfel von Fingerlänge gebrochen und in einer Blechdose aufbewahrt. Beim Gebrauch
wird nun eine Handvoll dieser Würfel in Milch und Wasser 1 Minute eingeweicht,
bis dass der Würfel glatt und glitschig wird. Nun wird die Gans, die in ihrem
kleinen Stall sitzt, hervorgeholt. Die Prozedur des Fütterers beginnt. Man
nimmt die Gans zwischen die Beine. Mit der linken Hand sperrt man den Schnabel
auf und mit der rechten drückt man die schmierigen fingerlangen Brotstückchen
in den Schlund und dies, solange bis kein Stück mehr hinunter will. Das
Schlucken, das besorgt die Gans automatisch, sobald der Schlund oder Hals voll
ist und sie nach Luft schnappen muss. Diese Prozedur wird alle 3 Stunden
vorgenommen. In einem Monat ist die Gans nun speckfett und zart, eben wie eine
polnische Gans!! Sagt ein Sprichwort. Das Essen zu Weihnachten ist ein Nationalgericht:
"Kartoffelklöße mit gebratener Gans. Alles fein soll das sein. In
Friedenszeiten ist Polen sogar auf Export nach fremden Ländern eingestellt.
Doch wir stehen mitten drin im Krieg, nur heute hatten wir keinen Alarm und wir
fanden es ganz komisch.
Am 6. Juni in aller Frühe meldete der
Wehrmachtsbericht die Amerikaner seien an der Westküste Frankreichs in der
Normandie gelandet. Unter schweren Verlusten natürlich. Ich hörte auch bald
eine andere Meldung die das Gegenteil behauptete. Ich war beruhigt und war ein
bisschen munterer geworden, denn nun rückt der Tag der Befreiung immer näher.
Meinen Bürochef habe ich soweit dressiert, dass er mir jeden Montag ein Stück
Mohnkuchen und die Nachrichten des Londoner Rundfunks mitbringt. Er fährt jeden
Samstagmittag zu seiner Familie nach Kreuzburg und kommt am Montag wieder. Ein
Plauderstündchen um 9.00 Uhr beim Kaffee trinken war nebenbei so eine kleine
Reportage mit Mohnkuchen. Der Mann wusste nicht dass ich Kontakt hatte mit der
polnischen Resistenz. Ein polnischer Feldwebel, der jeden Abend den
Schwarzsender hörte, gab mir immer die letzten Neuigkeiten. Diese Neuigkeiten
waren mir eine wichtige moralische Stütze.
Am 20. Juni am Feste Peter und Paul gingen Théo und
ich zur Abendmesse. Es war ganz feierlich und die Predigt war ganz auf die
Papstfeier zugeschnitten. Auf diesen Felsen will ich meine Kirch bauen und die
Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, soweit das Festevangelium des
heutigen Tages.
Der Schwarzsender meldete von einem Versuch der
obersten Wehrmachtsoffiziere Hitler zu stürzen. Wenn dem so ist. Ob sie Erfolg
haben?
Am 1. Juli 1944. Samstag. Heute war Schlussfeier einer
organisierten Luftschutzwoche. Ich schicke meinen 30. Brief nach Hause und
machte meinen gewohnten Spaziergang mit Théo. Diesmal in den Beerenwald. Loben
könnte fast behaupten sie hätten das Monopol an Waldbeeren. Was da alles an
Beeren wächst geht nicht alles in einen Güterwagen (Zug) mit hundert und
zwanzig Achsen. Lege dich hin und esse, esse! Hier ließ der Herrgott reichlich
wachsen: Blaubeeren, Erdbeeren, Moosbeeren, Preiselbeeren, Himbeeren,
Schwarzbeeren usw. Wieder, bis in die
Nacht hinein, aßen wir und pflückten wir Beeren. "Einmal wieder satt"
sagten wir, als wir nach Hause gingen.
Fragment
....Ech hätt iech se jo gären
hémgescheckt. Ech kann der elo all Dâg hei iessen, wann ech well. Awer wann e
Bréif schon 6 Dég brauch, wievill Zeit breicht dann en Emer Môlbier. Se wieren
jo all bratsch, ir se hémkéimen. Ech lôssen engem aneren se erem.Du brauchs mir
neischt mat ze schecken. Wanns du eppes zefill hues, dann iess et oder
versuergt et bis méi spéit. Ech sinn dës ganze Mount neischt nei'deg. Onst
Kaschthaus ass elo besser gin. Mir hun dat göschter gesin. Et ass en anere Regim.
Deng Tubakskaart kanns de mir jo schecken, awer wann ech et net hun, et gét och
ganz gudd ouni. Ech sin elo esou weit, mat dém Wéinegsten sinn ech zefridden.
Et ass an déne leschten Dég esou vill geschitt et kann én net alles soen. Awer
mir hoffen alleguer, dat de Krich det Jôer un d'Enn gét. An dann kommen mir jo
selbstverständlech och erem hém. Gewess den Hagebuttentéi dén ass gudd och de
Kâtzeschwanz ower et muss én en drenken. Et ass net genug wann é wéss wat gudd
ass, et muss én et och dréinken oder mâchen. Ech wéss z.B. dat et gudd ass all
Muerend eng veirel Stonn ze turnen. Ech mâchen dat och. Ann dann sech mat kâl
Wâsser de Kierper ofreiwen. Ech mâchen dât och. Dat t'Râchen ongesond ass,
duerfir sou we'neg wéi méiglech, dat fill Iessen schiedlech ass, duerfir net
méi esou fill, an dann de Kierper ofhärde wéi e kann. Ech machen dat och. Esou
geseis de Billa, a wann ech dann t'Gleck hun fir bei dech hém ze kommen, da
kënns de mech ....
Albert
Briefe - Fragmente
...frei. Et kann én elo erem dra
goen. An elo sin Molbier ereischt séiss. Ech gin de Metteg môl erem kucken, an
och no de Pilzen. Et soll der esou vill sin det Joer. Ech muss un allerhand
denken, soss verlangeren ech ze fill. Wir et dach nemmen émol um Änn. Et wuer
elo bâl esou weit, awer et ass fehl geschlôhen. Et muss én elo denken. Et
dauert erem e Joer méi....
(Anm. nach dem Attentat auf Hitler)
Am 4. Juli musste ich wieder nach Beuthen zum
Geld holen. Diesmal war ich schneller.
Ich hörte auch eine gute Nachricht. Minsk sei gefallen.
Am Freitag, den 14. Juli wurde mein Freund Théo nach
Auschwitz in den Arbeitsdienst versetzt. Nun bin ich allein und weit und breit
kein Landsmann. Nur die zwei Soldaten. Ich wusste dass verschiedene Luxemburger
in Polen waren aber zu weit von mir weg. Ich kenne nur die Namen und ihren
Standort. Juckem in Lazy Warthenau, Krack in Warthenau. Jungers in Koschitin,
Stirn in Pauki, Royer in Blechhammer, Schroeder in Zombkowitz, Chenaux in
Sossnowitz. Einmal waren Chenaux und Jungers zu Besuch bei mir. Dann sah und
hörte ich nichts mehr von ihnen.
Am Sonntag, den 16. Juli ging ich in drei Messen und
betete für meine Lieben zu Hause und für meinen Freund Théo Weimer (?). Ich hatte Sehnsucht nach Hause, nach meinen
Lieben nach meiner Heimat. Ich ging in den Wald und pflückte Blumen, hielt den
Strauss gegen Westen und sprach folgenden Reim:
"Ich hab' ein Blümlein dir gepflückt,
Hab an mein Herz sie dann gedrückt,
Ich wollt grade an dich denken
Um dir dies Blümelein zu schenken."
Diese Zeilen wurden dann zum Gedicht in Luxemburger
Dialekt verlängert.
Ech hun eng Blimmchen Dir gepleckt.
Hun sie un t'Härz mer du gedreckt,
Ech musst grad un Dech denken.
Ech well dei Blum Dir schenken.
Dei Blimmchen sét ech hun Dech gieren,
Du kanns mer dat dach net verwieren
Sie soll dir sôn dat ech Dir trei
Wei t'Blimmchen och wiest all Joers nei.
Leiw Blimmchen nun, du wés Beschéd.
Geih mat dem Breifchen zum Gelét.
A lâacht der Mamm hirt Härz elo schein
An blenkt an hierem An eng Trein.
Leiw Blimmchen drechen Du déi Trein
Mâch du der Mamm, den Dâg mei schein.
Fleit och eng Bei dir op t'Gesicht
Du schleiss s’och net mat enger Fliecht.
Lublinitz den 22. Juli 1944.
Einen Stoßseufzer blies ich in den Wind. Wo die Sonne
untergeht. Ja, da ist meine Heimat. Leise schreite ich zur Stadt zurück. Sie
ist mir so fremd. Aus dem kleinen Bach, der die Stadt durchquert strömt
stinkige Luft mir ins Gesicht. Moderduft. Ich ging auf mein Zimmer, nahm ein
Buch und las ein paar Zeilen. Das Buch, das mir in die Hände kam war sehr
interessant. Ich freute mich auf eine freie Stunde zum Lesen. Es behandelte die
"Fürstin von Pless". Die Fürstin von Pless war eine geborene
Engländerin und spielte im ersten Krieg eine wichtige Rolle. Ihr Schloss war
das Absteigquartier des Kaisers Wilhelm und auch Hauptquartier in Kriegszeiten
als Deutschland mit Russland im Krieg stand 1914-1918. Später wurde sie als
englische Spionin verdächtigt. Sie meldete sich zum Roten Kreuz, zog mit ins
Feld, verband viele Wunden und im Verein mit ihrem Gemahl dem Herrn Fürst von
Pless tat sie für das ganze Gebiet um Pless herum wahre Wohltaten. Sie machte
Hunderte Quadratkilometer Sumpfland urbar, durch Kanalisierungen. Wie ich schon
erwähnt habe, war die ganze Gegend das frühere Zechstein -Meer. Überreste
dieses Meeres zeugten die vielen Moore und Teiche. Die Fürstin von Pless zu
Kanäle durch diese Gebiete und führte die Gewässer in die nahe gelegene Neiße.
Die Moore trockneten mit den Jahren aus und es entstand urbares Waldland.
Dieser wurde angepflanzt mit Nadelhölzern, Birken, Erlen, Ulmen, Eichen und
verschiedenen Sorten Unterholz. Die durch die Wälder gezogenen Kanäle führten
ein helles klares Wasser und dieses war belebt mit Forellen alle Größen. Eine
besondere Augenweide war das in diesen Wäldern lebende Wild. Alle Polen wissen
dieser Fürstin ihren Dank zu zeugen. Ich fand durch Zufall diese Bücher im
Bücherschrank des Hausmeisters. Ich musste umziehen im selben Haus.
Warschau war zum Schlachtfeld geworden. Viele
Reichsdeutsche, die sich in Warschau angesiedelt hatten, werden wieder westlich
evakuiert. Ich musste mein Zimmer für eine Familie räumen. Eine Frau mit zwei
Kindern. Ich zog nun nebenan in die gute Stube des Hausmeisters und schlug dort
mein Wigwam auf. Das Mobiliar dieser Stube bestand aus einem älteren Piano,
einem schweren Eichentisch, einem schweren Kronleuchter, einem Bücherschrank
mit mehreren Büchern, meistens polnische Schriftsteller. Ein Band von Oscar
Wilde, ein weiterer von Adalbert Stifter und mehrere broschierte Schriften
neueren Datums. Hier standen auch die 2 Bände "die Fürstin von
Pless". Sie wurden mir zum Zeitvertreib. In der Ecke stand mein Bett,
vielmehr meine Schlafgelegenheit. Eine eiserne Bettstelle mit zwei
Ressortstücke, aus gepolsterten Drähten zusammengesetzt. 2 Leintücher, die ich
von zu Hause mitgebracht hatte und ein Federdiwan mit polnischen Gänsefedern
gefüllt. Daneben ein Nachttisch mit einer Waschschüssel darauf. Wenn es draußen
an meinen freien Stunden regnete, saß ich hier in diesem Raume mir die
Langeweile zu vertreiben. Entweder las ich in den Büchern oder ich stopfte mir
meine Strümpfe, die verwundet waren. Das Garn dazu musste ich auf Bezugschein
kaufen gehen. Meine Wäsche besorgte mir eine arme Polin, außerhalb der Stadt
wohnend. Aus dem Zimmer führten 3 Türen in die Nebengemächer. Eine war
zugenagelt. Sie führt zu der Frau mit den 2 Kindern. Die zweite in einen Hall
und die dritte in das Schlafzimmer des Hauseigentümers. Hier gingen diese in
ihre Stube, die mir zum Schlafzimmer diente, wenn sie Piano spielen wollten
oder wenn sie studieren wollten. Das Mädchen, oder die Tochter des Hauses
besuchte die Fortbildungsschule. Der kleine Bube ging noch in die Hauptschule,
wie sie bei den Deutschen genannt wurde. Meistens aber war ich allein und von
dem Hauseigentümer gehasst und gemieden, weil ich bei den Deutschen arbeitete.
In dem Büro war ich vom 25. Juli auch allein. Mein
Chef war in Urlaub und der Ersatzmann war Ortsgruppenleiter, SA-Mann, Inspektor
und alles, nur nichts was seinen Beruf anbelangte. Wir sprachen sehr wenig. Er
hatte ein Tagebuch geschrieben von seinem Marsch nach Stalingrad und zurück. Er
gab mir dasselbe zum Lesen. Ein Nazityp erster Klasse. Weltanschaulich gesehen
war dieses Tagebuch eine Schande der Moral. Hoffentlich kommt es nicht an die
Öffentlichkeit. Mancher Leser könnte vor Wut und Ärger sterben.
Am 26. Juli feierte ich das Fest der heiligen Anna.
Ich kauft mir ein Körbchen Heidelbeeren für 4 Mark und ließ mir dieselben gut
schmecken.
Am 29. Juli erhielt ich einen Brief von meinem Neffen
Mathias, der in der deutschen Wehrmacht in Allenstein Ostpreußen lag. Tags
darauf erhielt ich auch einen Brief von meinem Freund Théo aus Auschwitz. Ich
besuchte an diesem Tag wieder drei Messen und die folgende Woche verbrachte ich
mit Schreiben nach Hause und an die Bekannten.
Am Freitag, den 11. August hatten wir wieder
Fliegeralarm. Ich schickte meinen 50. Brief nach Hause. Die Zeit vergeht
langweilig bis zum 23. August an dem Paris von den Alliierten befreit wird. Da
kommt ein bisschen Zug in die Geschichte.
Am 24. August fällt Rumänien von Deutschland ab. Ich
erkrankte an einem Darmleiden. Ich schrieb wahrscheinlich meinen letzten Brief,
den 59. nach Hause.
Am 27. August besuchte ich die heilige Messe am Abend
und ging zur Ruhe. Wir hatten wieder 2 Tage Alarm. Ich erhielt einen Brief von
zu Hause und sandte den 60. ab. Mein Freund Théo schreibt von totalem Einsatz.
Ich erhielt am 4. September den 57. Brief. Ich schrieb den 63.
Am 5. September hielten keine Deutschen mich mehr im
Büro. Ich täuschte vor Einkäufe besorgen zu müssen und kroch unter eine Decke
in meinem Zimmer und hörte den Londoner Sender. Daheim flatterten die Fahnen
der Befreiung. Mir liefen die Tränen aus den Augen vor Freude. Der Prinz von
Luxemburg hielt seinen Einzug in Rodingen in seine Luxemburger Heimat (Anm. der
Redaktion: in Wirklichkeit kam er über Petingen nach Hause. Der Luxemburger
Gauleiter hatte das Weite gesucht. Nun standen mir traurige Stunden bevor. Die
Heimat war trotzdem in Gefahr. Die Post von Hause blieb aus und was soll ich
tun? Abwarten. Der Urlaub wurde gesperrt. Der Westen marschiert nach Osten und
der Osten nach dem Westen. Es heißt nun totaler Einsatz.
Am 13. August (September?) musste ich mit zum Schanzen
gehen, nach Woischnik. Um 5 Uhr morgens früh fuhren wir auf dem Bahnhof Loben
ab. Um 9 waren wir auf dem Gelände. Ungefähr 6000 Menschen. 3 Züge voll,
geladen mit Schippe und Spaten. Nun in Reih und Glied und dann rein in den Boden.
Laufgräben und Tankfallen mussten im Eiltempo errichtet werden, denn die Russen
kamen von Osten her im Laufschritt. Die Organisation war schlecht und die
Verpflegung gleich null. Abends 8 Uhr fuhren wir wieder zur Stadt zurück.
Bedreckst und bekleckst von der nassen Erde und keine ganzen Schuhe und
Kleider. So sollten wir Turnusweise im Feld zum totalen Einsatz. Was ist denn
in der Welt los? Die Nazis sprechen von einer Absetzung auf der ganzen Linie.
Zugleich aber von dem Grossen Erfolgen des V.I und V.II. Propaganda,
Propaganda. Ich hörte am Sender dass Prinz Félix und Jhang ihren Einzug in
Luxemburg hielten. Dass in Holland grosses Chaos herrsche. Am 20. August
(September?), erhielt ich Besuch von den
2 Luxemburger Gendarmen Krak und Jungers. Sie waren bei mir auf dem Büro.
Am 26. August (September?) regnete es. Wir mussten
Schanzen gehen. Nass und kalt komme ich zurück. Ich schrieb ein Gedicht über
dieses Schanzen in der Heimatsprache.
De Wecker rabbelt mueres fréih
Gedecks vum Bett flitt ausernén
T'Ganzt Haus ass op de Bén
T'klengt Köndchen simmert an der
Wéi.
Gerappt, gerôst get do mam Stocher
T'Feier wellt net richteg brennen
T'Leit op Gare schon dichteg rennen
De Kaffi bruzelt lues am Kocher.
All Mönsch am Duerf ass wéi gejôt
Vum Biergerméschter bis zum Bued
Alles greift verzeckt zum Spued
Kleng a Grouss am ganze Stôt.
T'Eisebunn ass iwerlueden
Mat Mann a Frâ, Grouspapp a Kand
Et dreift (ons all) un t'Grenz vum
Land
Et soll ké Feind ons schueden.
Mat Spueden, Pick a Schöppen
Am Zickzack get t'Gewânn durchgrueft
Vum Virarbechter gelueft
Get Eintopf an och t'Kaffisdöppen.
Brecht un der Dag et get gejuxt
Well muncherén ass löschteg
Ze schaffe wéi e Ries e bröscht sech
An owes gett sech net gemukst.
Durch Felder, Wiesen Hecken
Um Leif dén âlste Fuedem
Alles gruewt sech an de Buedem
Et mengt én t'wîren lauter Gecken.
Dat alles machen sie freiwëlleg
Wa muncherén én héiert
Dach gin si all dohin geféiert
A bleiwen och all Äntwert schölleg
Et get geschaftt de ganze Dâg
De Kierper schwâch vun Angst an Nout
Well gies get möschtens dreche Brout
Well dât verlangt t'politesch Lâg.
O Vollek siew dach méi gescheit
Doss dach emol dech beleiren
Wuer wärt dech dese Misère féieren?
Glecklech dén sech scho befreit!
26.9.1944
Die Tage verliefen unfreundlich. Am 2. September erhielt ich Proviant in
Rauchwaren. Ich schickte Mathias Zigaretten. Am 3. wieder Schanzen. Am 7.
September hatten wir zur Abwechslung abends Alarm von 7 bis 9 Uhr. Sonntag den
8. Schanzen. Einen Brief von Auschwitz erhalten. Sonntag den 15. September
lernte ich einen orthodoxischen Priester kennen. Wir sahen uns jeden Sonntag in
der Messe. Wir grüßten uns gegenseitig, aber nie kam es zu einem Kontakt. Heute
trat der Herr zu mir und lud mich ein mit ihm zu Mittag zu speisen. Im
Schützenhaus. Er wollte die Lebensmittelmarken stellen. Er erzählte mir aus
seiner Heimat, von seinen Studien in Moskau, Prag, Krakau usw. Er war Professor
der Theologie und hatte in Prag auf der Universität studiert. Machte Studienreisen
nach Wien, Budapest, Berlin, Warschau, Moskau. Er erzählte mir dass Moskau 1600
Kirchen hätte und nur eine sei katholisch. Die Handlungen des Orthodoxischen
Ritus seien dieselben wie im katholischen nur sei ein großer Unterschied in der
Führung. Die Orthodoxen nehmen ihre Direktiven nicht von Rom. Sie haben einen
Patriarchen als Oberhaupt. Dieser Patriarch verordnet die Ernennungen im
Klerus. Ich fragte ihn über die Gehälter ihres Standes: "Ich war vor dem
Kriege Pfarrer in einem Sprengel an der rumänischen Grenze. Es war ein kleines
Dorf. Die Pfarrei begriff mehrere solcher Dörfer, der Pfarrer bezieht
eigentlich kein Gehalt. Ist in der Pfarrei eine Industrie, so hat er
prozentualen Anteil an der Industrie. Fehlt dieser aber ganz und ist der
Sprengel Agrarland, so bekommt der Pfarrer ein, seiner Anzahl Einwohner
entsprechendes Stück Land zugesprochen und er darf Schafzucht oder Rinderzucht
betreiben. Ist das Gebiet waldreich, darf er sich dem Holzhandel widmen. Es ist
so berechnet, dass der Pfarrer mit seiner Haushälterin in bescheidenen
Verhältnissen leben kann."
Auf meine Frage wie der Text ihrer Messe sei, nahm er
mich mit auf sein Zimmer und zeigte mir sein Brevier, erklärte mir die
Handlungen der Messe, der Sakramente und als Gastgeber bot er mir eine Prise
russischen Tabaks an. Ich muss bemerken der Herr war auf höchster Ebene
gebildet, gelehrt und hatte vor allem Welterfahrung. Ich verabschiedete mich
von ihm bis zur nächsten Gelegenheit. Von diesem Herrn hatte ich Respekt und
Ehrfurcht. Über seine Arbeit in Loben war ich im Bilde.
Arbeitsdienstverpflichtet. Er saß im Wirtschaftsamt und gab Lebensmittelkarten
an die Selbstversorger. Jeden Tag begegnete ich dem hohen Herrn in seiner hohen
runden Astrakan - Pelzmütze, wenn er zur Kirche ging. Er durfte nicht mehr als
Priester praktizieren. Er war ein Arbeiter aber ein Theologieprofessor von
Beruf.
Ich schrieb wieder zwei Briefe an meinen Neffen und
schickte ihm Liebesgaben ins Feld. Am Freitag, den 20. Oktober 15.30 ist Aachen
gefallen. Jetzt wälzt sich die Westfront in das deutsche Reich hinein. In der
Stadt Loben findet am 21. Oktober eine große Kundgebung statt. Sieg Heil, Sieg
Heil, war das Schlusswort. Wohl dem der es glaubte. Zweimal in der Woche gingen wir schanzen.
Einerlei wie das Wetter war. Ich war am 22. Oktober unwohl und blieb zu Hause.
Die Sabotage der polnischen Bevölkerung bei den Schanzarbeiten ist mir
aufgefallen. Ich war von diesem Fieber ergriffen und handelte demnach. Ich
arbeitete unter der Bedingung, wenn es gutes Wetter war. Am 28. Oktober bekam
ich Besuch von Gendarm Jungers. Er erzählte mir von der polnischen Resistenz in
den Dörfern. Am 20. Oktober feierten wir das Christkönigsfest. Christus mein
König, sangen wir in der Kirche mit voller Kehle. Am Tage darauf wurde der Volkssturm
zusammengestellt. Alles bis 60 Jahre das noch gehen und schießen konnte musste
zur Waffe greifen. Mein letzten Brief die ich nach Hause geschickt hatte kommen
unzustellbar zurück an den Absender. Ich denke nun ist es soweit. Wie steht es
mit deiner Familie? Lebt sie oder ist sie gefallen? Ich werde von allen
bekannten mit Briefen überhäuft. Da bekomme ich gleich drei. Von Neffe Mathias,
Paul und Freund Théo. Alle drei beantwortet und dann feiern wir Allerseelen.
Am 3. November schrieb Kollege Chenaux mir, am 4.
hatte ich Besuch von Freund Théo. Am 6. Brief von Mathias, am 7. Schanzen, am
8. Brief von Mathias usw. Am 8. Präsidentenwahl in Amerika. Alles beim alten.
Roosevelt wird die Karre schon schmeißen. Briefe regneten mir ins Haus. Jeden
Tag. Was bedeutet das alles? Kann man in seinem Leben so viel schreiben und
demnach handeln. Lieber Oheim, lieber Oheim! Das ist die Stimme eines
Frontkämpfers. Lieber Freund, lieber Freund, das ist der Ruf eines Kollegen.
Lieber Neffe und lieber Freund so rufe ich an alle die mich kennen und mir
schreiben.
War es ein Trost, war es aus Mitleid? Ich weiß es
nicht. Doch Sterbende rufen zu Gott, einmal, zehnmal, hundertmal am Tage:
"Herr hilf mir, ich gehe zugrunde." Das Schreiben unter uns war
dasselbe Rufen, dasselbe Bitten. Rettung vor dem unbekannten Schicksal der
Ostfront die immer näher an uns heranrollte.
Am 12. November Fest des hl. Stanislaus. Ich ging zum
Sakramentsempfang und bete für alle Bekannten und Verwandten. Der Wochenanfang
stand im Zeichen der allerletzten Wohltat an Mathias. Ich sandte ihm einen
Rosenkranz, ein Heiligenbild und Zigaretten.
Am 15. gingen wir schanzen und zum Zeichen des
Andenkens an diese Zeit machten die polnischen Weiber ein Photo von unserer
Equipe. Wir verstanden uns großartig. Eine Kameradschaft die ihresgleichen
sucht. Wenn ich ins Feld kam, fragten die Weiber alle aus meiner Equipe:
"Vati, hast du genug zum Essen."? Wenn nicht bekam ich von dem
Ihrigen, bis dass es langte. Das Benehmen der Polinnen mir gegenüber war
vorbildlich und mir klopfte das Herz aus Dankbarkeit immer schneller, wenn ich
an diese Zeit denke. Meiner Hausfrau muss ich hier besonders gedenken. Sie
kochte mir schon in aller Frühe warmen Kaffee mit einigen brauchbaren Zutaten,
bevor ich ausging. Das waren entweder eine Schüssel Reis oder Haferflocken.
Mein Dank allen, die mir gutes taten, war mein Gebet. Etwas anderes als Entgelt
hatte ich nicht. Also gebe Gott ihnen reichen Segen für die mir erwiesene Güte.
Am 19. November rückten wir zum letzten Mal in die Gräben.
Es regnete und schneite als wir nach Woischnik kamen. Es war kaum denkbar in
die Gräben zu steigen, Fußhoher Schnee, Regen, Schnee und Wasser in den Gräben.
Wer soll uns da zumuten hier zu graben. Da eine weitere Arbeit aussichtslos
schien rückten wir wieder ins Dorf zurück in eine Wirtschaft. Hier hatte die
Organisationsleitung einen Eintopf organisiert mit etwas Freibier und Tanz für
die Jugend als Abschiedsfeier. Von den 6000 Schifferinnen des ersten Tages war
die Zahl auf 70 zusammen geschrumpft. Sabotage, sogar beim Eintopf und bei der
Musik. Als wir nach Hause fuhren, es war gegen 8.00 Uhr abends und
schwarzdunkel wurden wir beim Durchqueren eines Waldes mit einem Steinhagel
bombardiert. Mehrer Fensterscheiden des Zuges gingen in Trümmer und mancher
trug Schnittwunden davon. Ich hatte jedes Mal mit solchen Angriffen von Seiten
der Resistenz gewartet und bezog immer einen Platz in Deckung. Wenn die Zeit im
Zuge uns langweilte, wurde gesungen und gespielt. Aus Freude? O nein, nur um in
Bewegung zu bleiben, denn es war oft furchtbar kalt in den Wagen. Abends wenn
es dunkel wurde, so gegen 5 Uhr im November stiegen wir ein in die Wagen. Es
war keine Maschine fällig bis gegen 8.00 Uhr, die uns nach Hause führte. Zu
Fuß? O nein 60 Kilometer. Danke. Also, Kälte, Hunger und Frost waren unser Los.
Die Füße starr, der Magen leer, das Herz im Blut und auf der Zunge einen Fluch
gegen die Organisatoren solcher Zustände. Ich brachte diese letzte Fahrt zu
Papier und schrieb wieder an 4 Stellen. Mathias, Théo, Chenaux und an das Rote
Kreuz um Auskunft über meine Familie zu Hause zu erhalten. Die Abschiedfeier
beim Schanzen sollte auch im engsten Kreis der Equipe gefeiert werden. Ich gab
ein paar Marken ab um Mehl zu kaufen für den benötigten Kuchen. Abends war nun
Festessen. Gänsebraten, Wurst, Kartoffeln und Kuchen verschiedener Sorte. Das
Getränk dazu war Rotwein und Wodka.
Ein deutscher, der Herr Ortsgruppenleiter, der bei mir
auf dem Büro tätig war, war auch eingeladen und zwar war er schon fest
angeheitert als er ankam. Während dem Essen war Gesprächstoff das Schanzen und
seinen Zweck. Die Art und Weise der Russen im Kampf. Die Front im November usw.
. Er, der Herr Ortsgruppenleiter, ließ seiner Zunge freien Lauf und erzählte,
dass er in Neurubin bei Berlin eine Frau und 2 Kinder hätte und wenn es sollte
soweit kommen dass die Russen in Deutschland einrücken, dann würde er
selbst seine Frau und seine Kinder
erschießen und dann sich. Er könnte nicht wieder die Gewalttaten sehen, die
Russen den Deutschen als Entgelt für die ihrigen geben würden. O weh, o weh
stöhnte er noch, dann sank er ohnmächtig in einen Stuhl. Der Wodka hatte ihm
die Zunge gelähmt und er versank in einen tiefen Schlaf. Am frühen Morgen
erwachte ihn der Hausmeister aus dem Lehnstuhl. Soweit war es schon. Alles was
in gehobener Stellung war und hinter die Kulissen sah, fing an dem Sieg zu
zweifeln.
Am 23. November bekam ich Besuch von Chenaux. Wir
besprachen einen Fluchtversuch. Alles aber war aussichtslos, da die Front im
Westen bereits zu weit im Reich sei.
Am 26. November besuchte ich wieder meinen Freund
Professor. Wir diskutierten über Kirchenkunst und Baustil. Er bat mich um eine
Liebesgabe in Gestalt von einer Flasche Wodka, die ich ihm für Weihnachten
besorgen soll. Ich versprach es, konnte es aber nicht versichern.
Am 2. Dezember erhielt ich einen Brief aus Potsdam von
einem Freunden Jacoby Ed.
Am 8. Dezember schrieb Herr Alphonse Wilwers aus
Weinböhla in Sachsen mir... nur nicht
den Mut sinken lassen. Er gab mir gute Nachrichten. Zur Feier des Tages kaufte
ich mir ein Pfund Makkaroni und eine Schweinekotelett und aß mich wieder einmal
satt.
In meinem Zimmer habe ich einen Gast versteckt. Ein
Pole. Er ist Flüchtling. Er kommt aus dem Gefängnis von Warschau. Die Gestapo
sucht nach ihm. Er ist unter meiner Obhut. Von Beruf ist er Buchhändler und
seine Familie wohnt am Ausgang der Stadt. Frau mit zwei Kindern. Abends, wenn
es dunkel wird, schleichen die Mutter und die Kinder zu ihrem Vater in mein
Zimmer. Sie planen und beratschlagen auf Polnisch was zu tun sei. Alles geht
auf Pantoffeln. Leise, leise, der Feind hört mit.
Die Tochter meiner Hausfrau ist zum Arbeitsdienst nach
Hamburg. Sie ist nun mit ihrem Sohn allein. Sie sucht sich Trost bei mir und
ladet mich öfters ein zu einem Plauderstündchen. Sie hängt den Adventskranz im
Zimmer auf, ich muss ihn bewundern kommen. Gelegenheit zu einem kleinen
Plausch. Ein bisschen Wärme für meine kalten Glieder, denn ich hatte noch immer
kein Feuer im Zimmer. Heizmaterial kriegswichtig und rar. Obschon die ganze
oberschlesische Landschaft das größte Kohlenbecken Polens ist. Das
ausgetrocknete Pechsteinmeer ist ein Kohlengebiet ersten Ranges und vor dem
Krieg standen in jedem polnischen Zimmer bis unter die Decke gebaute Kachelöfen
unter Feuer. Kohlen spottbillig.
Die Frau des Hauses brachte das Gespräch auf meine
Frau und meine Kinder und sagte sie wäre nach Blochstädt hamstern gewesen.
Hätte dort die Bekanntschaft einer Kartenschlägerin gemacht und dieselbe über
den Verbleib ihres Sohnes gefragt, der vermisst gemeldet war. Die
Kartenschlägerin hätte ihr versichert, dass ihr Sohn in einer Schlacht in
Albanien verwundet wurde und in Italien in einem Lazarett liege. Unglaublich,
doch die Frau glaubte in ihrem Leid. Als ihr Mann am Sonntag zu Besuch kam,
erzählte sie ihm die Geschichte. Die Polen sind überzeugte Katholiken, haben
aber für solche religionswidrigen Geschichten eine schwache Seite. Sie glauben
nicht fest daran, zweifeln aber an der Richtigkeit. Es entspann sich zwischen
Mann und Frau ein kleiner Wortwechsel. Nur wegen der Kartenschlägerin. Das so
nebenbei. Die Frau erzählte mir das und bat mich zur gleichen Zeit um ein Bild
von meinen Lieben zu Hause. Ich konnte ihr den Gefallen tun. Da stand nichts im
Spiel. Vielleicht fällt eine interessante Nachricht heraus. Solche Weiber sind
in Polen nicht in der Einzahl und was wichtig ist nicht nur im Krieg. Da möchte
jeder gerne etwas von seinen Verwandten im Felde hören. Ob es richtig oder
falsch ist. Die Kartenschlägerin in Blochstädt hatte einen besonderen Ruf. Sie
behauptet z.B. dass der Führer im Mai 1945 sein Leben lassen täte, dass dann
der Krieg zu Ende sei und noch vieles andere. Diese Aussagen erregten Aufsehen
unter der Bevölkerung und die Gestapo interessierten sich für die Dame. Sie
stand nun unter Polizeiaufsicht.
Ich zog mich zurück in mein Zimmer, verzehrte die
Überreste meines St. Nikolausgebäcks und schrieb wieder Briefe. Die Geschichte
der Fürstin von Pless ist zu Ende. Wahrscheinlich nimmt bald Stalin Quartier im
Schloss von Pless.
Am 13. Dezember erhielt ich Liebegaben von der
Verwaltung. 100 Zigaretten, 15 Zigarren, 2 Pakete Tabak, 2 Pakete Kakao, 1
halben Liter Wodka, 1 Liter Wein, 1 Paket Waschpulver, 1 Stück Wäscheseife, 5
Rippen Schokolade, Punkt. Für 27 RM. Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit
darf ich singen. Jetzt kann Weihnachten kommen. Ich kann mein Versprechen beim
Herrn Professor erfüllen. Die Flasche Wodka ist verkäuflich mit Zinsen!
Ich erhielt einen Brief von Herrn Wilwers mit neuen
Adressen. Einen Brief von Jacoby Ed., einen von Mathias bekommen. Mathias
erhielt die fünfzehnte Antwort.
Bis zum 19. Dezember jeden Tag Fliegeralarm.
Am 18. Dezember begann die Rundstedt Offensive in der
Heimat. Nun musste ich jeden Tag den Horchposten aufsuchen. Mein Chef kommt ins
Büro am Morgen und sagte: "Grüß Gott, Kamerad!"
Am 19. Dezember morgens war das Begräbnis von 2
Zöllnern, die von der polnischen Resistenz in der Nacht auf ihrem Posten
umgelegt wurden. Der letzte Gruß übers Grab: "Lebet wohl in der Ewigkeit,
Heil Hitler!"
Schade dass der Mann nicht in die Evangelistenreihe
eingereiht wird. Der Mensch müsste heilig werden aus der Sicht der Nazis.
Am Mittag hatten wir in der Kantine eine
Weihnachtsfeier mit Festessen und abends Fliegeralarm.
Am 20. Dezember gab ich 13 RM aus für Tabak und Huhn.
Komisch außer der Reihe hatten die Bonzen eine Fleischration für Weihnachten
organisiert. Der Herr Regierungsrat bekam eine Truthenne. Der Amtmann und die
Inspektoren eine Gans. Die Sekretäre eine halbe Gans. Die unteren Beamten ein
Huhn. Volksgemeinschaft pflegen war erste Pflicht eines Nazis. Wo steht das
geschrieben? In den Mäulern der Propagandisten. Sonst bleibt der Herr ein Herr
und der Max nur Max! Truthenne und einfache Henne ist immer nur eine Henne, nur
mit dem Unterschied, dass die Truthenne etwas schwerer an Gewicht ist. Aber
Henne bleibt Henne!
Ich bekomme keine Post mehr. Sogar das Reisen ist
beschränkt. Ich erhielt noch einen Brief aus Sossnowitz. Chenaux hatte
geschrieben. Ich antwortete: "Alles unmöglich!" Ich warte ab. Das
dicke Ende kommt erst
Dann bekomme ich noch drei Briefe zusammen von Mathias
aus Ostpreußen.
Am 24. Dezember war Sonntag. Es gab zur Vorfeier
mittags Wurst und Brot. Abends wollte ich mein Huhn essen. Nein, auf den
letzten Augenblick wurde ich zu den Hausleuten zum heiligen Abend eingeladen.
Es gab Festessen mit gebratener, polnischer Gans mit Kartoffelklössen. Karpfen
u.s.w. Dazu als Getränk Rotwein und Wodka. Um Mitternacht gingen wir zusammen
in die Weihnachtsmetten. Auf den Weihnachtstag selbst war ich nach Kreuzberg zu
meinem Chef auf die Weihnachtsfeier eingeladen. Er war die Gastfreundlichkeit
selber und ich war in seinem Familienkreise ein willkommener Gast.
Jeder wusste dass durch die Rundstedtoffensive mein
Vaterland in Gefahr war und jeder der mich kannte, wollte mich trösten. Jeder
wollte mir einen Liebesdienst erweisen. Abends fuhr ich satt, aber betrübt nach
Loben zurück.
Um Stephanstag war ich Gast bei Frau Bittniak. Diese
Frau war Kanzlistin bei uns im Amt und war dem westlichen Menschen sehr
zugetan. Sie bewohnte ein grosses Haus gleich neben dem Gefängnis. Als ich
hinging standen ganze Haufen Leute vor dem Gefängnisportal um Einlass bittend.
Sie wollten ihren Angehörigen zum Festtag auch vielleicht etwas schenken, wenn
auch nur ein liebes Wort der Ermutigung. Ich trat ins Haus. Sie wohnte direkt
zur Erde. Auf dem Stockwerk wohnten Gestapobeamte. Das Essen war gut und
reichlich. Fritten mit Poulet, Kaninchen und Wodka. Als Dessert guter Kaffee
mit Keks. Gleich danach Fliegeralarm. In großen Schwärmen flogen sie über uns,
die Amis. Frau Bittniak sagte: "Lernt schnell russisch!", deshalb
habe ich irgendwo schon einmal die Buchstaben l.s.r. erwähnt.
Am Abend war Weihnachtsandacht. Am anderen Tag bekam
ich den 16. Brief von Mathias mit drei Zigarren. Ich antwortete und schrieb
auch einen Brief an Jacoby nach Potsdam. Dieser Brief kam aber als unzustellbar
zurück. Also war dieser flüchtig! Noch einen Brief von Theo aus Auschwitz und
wieder einen von Mathias mit 4 Zigarren. Alles gleich beantwortet, denn man
konnte ja nie wissen. Ob noch lebend oder schon tot. Ein liebes Wort noch.
Montag vielleicht.
Am Sylvesterabend erhielt ich ein Schreiben aus Köln. Dass
meine Löhnung nach dem Finanzbezirk Troppau überwiesen wurde.
Am 1. Januar 1945 besuchte ich meine polnischen
Bekannten. Frau Pyka, Frau Schranzig, Frau Bittniak um meine Neujahrswünsche
vorzubringen. Frau Pyka erzählte mir das Resultat der Kartenschlägerin und gab
mir mein Bild zurück. "Die Kartenschlägerin erklärte dass ihre Frau und
ihre Kinder zu Hause umgezogen sind. Alle gesund, nur der älteste Sohn hat eine
Fußwunde am rechten Fuß. Der Mann der hier in Polen ist, muss noch 6 Monate
abwarten, ehe die Möglichkeit besteht nach seiner Heimat zurück zu fahren. Die
Heimfahrt führt über ein sehr Grosses Wasser. Seine Heimat, die momentan
bedroht ist durch den Krieg, wird wieder frei werden." Danke sehr, Frau
Pyka, wenn auch kein Glaubensartikel, doch immerhin interessant. Wir wollen
abwarten. Die Hoffnung bleibt bestehen. Illusionen waren verfrüht und die
Möglichkeiten bestanden von allem was die Kartenschlägerin gesagt hatte. Frau
Schranzig war in Trauer. Ihr ältester Sohn, der in die deutsche Wehrmacht
musste und in der Gegend von Hamburg lag, gab keine Nachricht von sich. Die
Tochter der Frau Bittniak musste in den R.A.D. wohin man sah und ging herrschte
Elend, Not, Hunger und Leid. Übermenschliches Leid. Herrn Pyka, der Herr meiner
Wohnung lernte ich auch besser kennen. Er war von Beruf Zolleinnehmer im
polnischen Staat. Wurde von den Deutschen bei Ausbruch des Krieges nach Posen
ins Gefängnis gesteckt. Er arbeitete in Kupfermühle in einer Pulverfabrik.
Später entlassen und in den Arbeitsprozess gesteckt. Jeden Sonntag durfte er zu
seiner Familie nach Loben kommen. Bei dieser Gelegenheit sah ich ihn. Er
fütterte die Kaninchen auf der Terrasse seines Balkons auf dem ersten Stock. Er
zeigte sich sonst sehr wenig in der Öffentlichkeit. Von meinem Zimmer aus hörte
ich oft, wenn eine Versammlung in ihrem Schlafzimmer abgehalten wurde. Ich
wurde von nun an in diese Gesellschaft eingeführt als Hausfreund und durfte von
nun an auch an den Versammlungen teilnehmen. Die Mitglieder waren: Ein
Feldwebel, ein Kapitän, ein Apotheker, ein Notar, ein Buchhändler, Herr Pyka
und ich. Die wichtigsten Gespräche wurden in deutscher Sprache geredet, nur
meinetwegen! Die Erläuterungen dazu in Polnisch. Von nun an war ich Hausfreund
und ich durfte sogar einen Schlüssel zum Zugang ihrer Gemächer tragen. Dieser
Schlüssel war eine Schere. Ein Sicherheitsschloss von dem der Schlüssel
verloren und nicht zu ersetzen war konnte nur mit einer Schere geöffnet werden.
Es war gut so, wenn auch kompliziert. Das Radio wofür man bestimmt keine Taxe
bezahlte, stand in meinem Zimmer. Der Buchhändler oder der entsprungene
Sträfling aus Warschau waren die ständigen Hörer. Er war abends in den
Versammlungen Reporter der Neuigkeiten. Wenn ich zu Hause war, hörte ich London
mit seiner Luxemburgischen Sendung. Der polnische Schwarzsender, mit
unbekanntem Namen, gab den Stand der Ostfront an. Auf diese Weise waren wir zu
beiden Seiten im Bilde der Kriegslage. Wir wussten genau Datum und Einzug der
Amerikaner in Luxemburg. Stand und Erfolg der Rundstedtoffensive zur
Weihnachtszeit und heute am 2. Januar steigt der Nebel aus den Tälern des
Öslings und die Jabos hauen nur so drein, dass es eine Freude ist. Rundstedt,
deine Tage sind gezählt! Ich bekomme noch immer Briefe von Mathias und Jacoby
und Reinert. Ich beantworte sie gleich.
Am 13. Januar habe ich noch 2 Pakete an Mathias
geschickt. Ich erhielt meine Löhnung. 606 RM und 3 RPF. Ich war wieder bei
Kasse. Sonntags war ich fast immer Gast bei den Pykas. Das Wetter erlaubte
keine Spaziergänge.
Am 14. Januar erhielten Pykas Besuch von einem
Arbeitskollegen des Herrn Pyka. Sie arbeiteten in Kupfermühle zusammen. Der
Herr, ungefähr 24 Jahre alt, sprach französisch und war nach meiner Erkundigung
französischer Schullehrer in Südfrankreich. Wir lernten uns kennen und sprachen
über die Kriegslage. Auch wurde ein Plan der Flucht ausgeheckt, im Falle einer
Möglichkeit. Da funkt der Buchhändler dazwischen: "Die Russen haben die
Front bei Przmyssel, von den Deutschen Reichshof genannt, durchbrochen und im
Eiltempo ziehen die Deutschen zurück. Von Rumänien bis nach Ostdeutschland hat
der deutsche Widerstand sich aufgelöst." Merkwürdig, nicht wahr?
Montag, den 15. Januar. In dem Amtsgebäude ist
Höchstalarm. Die Akten werden gepackt. Aha, so denke ich, es weht andere Luft.
Mein Chef kommt: "Grüß Gott, Kamerad, die Lage ist sehr gespannt. Wer weiß
wie lange wir noch hier sind? Ein Bote kommt und meldet mir ich solle mich
bereithalten um mit einem Kollegen nach Kattowitz zu fahren um dort einen
Feldtelefonanlage zu bergen. Wir fuhren hin. Um 2.30 mittags waren wir zurück.
Aber Junge, das nenne ich Glück gehabt. In diesem Durcheinander einer Großstadt
wie Kattowitz noch heil raus zu kommen, war eine besondere Gnade.
Am 16. erhielt ich noch einen Brief von Mathias.
Gleich beantwortet. Ich schlafe über dem Gehen, vor Müdigkeit. Die Erlebnisse
überstürzen sich. Im Büro Akten verpacken. Im Keller Waren umladen. Den ganzen
Tag. Was soll der nächste Tag bringen.
In der Nacht zum 17. Januar um Mitternacht Alarm. Ich
musste zum Amt. Schnell anziehen und zum Amt kommen, rief eine Stimme von der
Strasse zu meinem Fenster hinauf. Ich ging. Alle anderen Beamten waren schon
zugegen. Na was gibt's. Neuigkeiten von zu Hause. Nein! Alarmstufe eins.
Höchste Gefahr in Anzug. Wir erhielten Anweisungen uns zu evakuieren und uns
beim Finanzamt Troppau melden wegen der Löhnung. Tok, tok. Herein. Zwei Frauen
auf einmal kommen hereingestürzt. „Na, Paul kommst du nicht, lässt du mich in
der Not allein? Soll ich hier sterben müssen? Herr Amtmann lassen sie doch
meinen Mann frei.“ Wieder eine andere: "Karl, die Koffer schleppe ich ja
nicht, das ist doch zu schwer." "Ich komme ja gleich."
So gab es ein Hin und her ein Fragen und ein
Antworten. Nur der Herr Amtmann behielt seine Ruhe. Er schenkte die Gläser
voll, bot noch eine Runde Zigarren an und bald war das Amt leer von allen
Okkupanten. Ich blieb bis zum letzten Mann. Da fragte mich der Herr Amtmann,
ein Mann von Erfahrung, ein ehemaliger Kriegsgefangener aus dem ersten
Weltkrieg: " Na, Kamerad, und wo wollen sie denn hin?" "Herr
Amtmann", sagte ich: "wenn einer bei uns am Sterben liegt, versammeln
sich die Hausbewohner und dann wird der Sterbende nach seinem letzten Wunsch
gefragt. Ist eine Möglichkeit diesen Wunsch zu erfüllen, so soll es sofort geschehen.
Wie sie sehen bin ich in derselben Lage eines Sterbenden. Wo soll ich hin? Nach
Hause, zu Weib und Kind. Ja, aber wohin? Nach Osten in die Gefangenschaft, der
russischen Wehrmacht. Möglich, aber nicht erwünscht. Lassen sie mich in meinem
Zustand, wo und wie ich bin. Mein Schicksal lege ich in Gottes Hand!"
Der Herr Amtmann zog tief Rauch aus seiner Zigarre,
blies ihn in alle Winde und sagte: "Kamerad, ihr Betragen und Benehmen als
Mensch zu Mensch war in meinen Augen immer vorbildlich. Ich habe sie immer
bewundert in ihrem Schicksal und in ihrem Auftreten. Ich gebe sie frei, gehen
sie ins Magazin der beschlagnahmten Waren, nehmen sie sich dort was sie
gebrauchen können und dann drücke ich ihnen lieber Kamerad die Hand zum Gruß
und ich wünsche ihnen eine gesunde frohe Fahrt und ein frohes Wiedersehen ihrer
Lieben in der Heimat." Er hob sein Glas zum Prosit, offerierte noch eine
Zigarre und ich war entlassen. Es war morgens 6.30 Uhr. Ich ging ins Lager,
steckte 6 Flaschen Wodka und 5 Kilo Tabak in meinen Sack und schritt stolz wie
Oskar zu meiner Wohnung. Nicht schnell genug konnte die Schere das Loch des
Türschlosses finden und öffnen. Das ganze Haus schlief noch. Draußen war es
noch dunkel und kalt.
Ich ging in das Schlafzimmer der Familie Pyka. Der
Herr schnarchte noch seinen tiefen Schlaf. Ich rüttelte ihn wach und hielt ihm
eine Flasche Wodka unter die Nase. Er erschrak, riss seine Augen auf und ich
musste ihm alles erzählen. Er sprang aus dem Bett, zog sich an und nun gingen
wir in die Stube. Der Buchhändler kroch von seiner Schlafstelle unter einer
Couch hervor und bald waren wir alle beim Morgenschnaps zusammen.
Um 1.00 Uhr geht ein Bote mit der Klingel durch die
Strassen: " Achtung, Achtung. Hiermit sei allen Reichsdeutschen
mitgeteilt, dass sie um 13.00 Uhr die Stadt verlassen müssen. Letzte
Abfahrtsmöglichkeit. Zugverbindung später ausgeschlossen."
Ich höre dies und spüre in meinem Innern eine
Gänsehaut den Rücken hinauf bis in die Haare steigen. Was fängst du jetzt an?
Wohin gehst du? Heilige Mutter Gottes, Trösterin der Betrübten, bitte für mich.
Erleuchte meinen Verstand, gib mir Mut und Kraft. Lass mich handeln nach deinem
Willen. Ich schaue zum Fenster hinaus. Die Strassen waren voll gestopft von
Leuten. Alles Reichsdeutsche. Die Stunde eins hatte geschlagen und wie auf
Befehl griff die polnische Luftwaffe die Stadt an, warf Bombe auf Bombe. Wir
hörten die Einschläge in der Nähe. Besonders auf dem Bahnhof. Am Abend lief die
Nachricht um, dass der abfahrende Zug mit den Reichsdeutschen von den Fliegern
angegriffen und schwer getroffen wurde. Tausende Verwundete liegen auf der
Strecke. Die anderen stürmen im Laufschritt westwärts. Wir schliefen diese
Nacht im Erdgeschoss. Am andern Morgen sah ich mich um im Keller. Wer hatte
diese Nacht so mit dir gebetet, auf deutsch und polnisch? Ja, der Keller war
voll gepfropft, sogar deutsches Militär hatte hier Zuflucht gesucht. Der Herr
Knapp, der dicke Bäcker von nebenan. Ein Prahlhans und Nazi erster Güte. Er
betete mit, Stunden lang, ohne Licht auf dem Stroh, Kopf an Kopf. Frau und
Kind, Mann und Weib. Es geht ums Leben ihr Bonzen. Kennt ihr euren Herrgott
noch?
Den 19. War der Tag voller Spannung. In der Stadt war
der Volkssturm in Tätigkeit, baute Unterstände, häufte Panzerfaust auf
Panzerfaust, schleppte dicke Stämme in die Straßenkreuzungen. Ich dachte an
meinen Chef. Er musste auch in den Volkssturm. Alles blieb sonst ruhig. Abends
bei Anbruch der Dunkelheit ging das Spiel los. Kanonen bellten in die Nacht. Man
hörte die Einschläge. Da einer ganz nahe. Noch einer. Dann setzte die
Stalinorgel ein. Ein Hämmern ohnegleichen, die ganze Nacht durch bis gegen 5
Uhr morgens. Da wurde es still in der Stadt. In dem Keller hatte ich in den
Kohlen einen Liegestuhl eingepflanzt. Ein paar Decken um mich vor Kälte zu
schützen und meinen Koffer neben mir. So wartete ich den Anbruch des Tages ab.
Die Kellerluke die mit der Strasse gleich lief, war meine Ausgangsluke. Ab und
zu wagte ich zu spähen. Die schweren russischen Tanks rollten durch die
Strassen, dass alle Wände zitterten. Grausig, unheimlich, fremde Sprachen. Gott
sei mir gnädig. Ich kroch aus dem Keller und ging mit meinem Koffer in mein
Zimmer. Ich sah nun bei Tagesanbruch, dass die Stadt brannte. Schwarze
Rauchwolken lagen über den Dächern. Um 10.30 stiegen die ersten russischen
Soldaten in die Häuser um nach Deutschen auszuschauen. Nyemski, Nyemski. Nau.
Sie gingen wieder. Am Mittag waren wir frei. Alles war ruhig. Herr Pyka ging
zum Bürgermeisteramt, kam abends erst zurück und erstattete Bericht. Die Stadt
war befreit. Die russischen Truppen kommen unaufhörlich, mit Hundewagen bis zur
schwersten Straßenlokomotive mit Anhänger. Alles zog nach Westen. Loben war ja
polnisches Gebiet. Es sollte heißen Lubninitza.
Am 21. Januar standen noch verschiedene Häuser in
Brand. Alles wurde aufgeboten die Häuser zu löschen. In der Nacht ging ich auch
mit hinaus. Ich sah, dass keine Männer anwesend waren und ging nach 2 Stunden
an den Löschwasserpumpen wieder zu meiner Wohnung. Eine Frau die auch müde war
und in demselben Hause wohnte wie ich, begleitet mich. Wir sollten gerade durch
das Tor in den Hof schreiten, stand da ein polnischer Milizmann, der mich als
ein Deutscher vermutete und mich sofort zu erschießen drohte. Mein Schutzengel
in Gestalt einer polnischen Frau verdolmetschte ich sei ihr Mann und täte in
diesem Hause wohnen. Um sich zu überzeugen solle er uns begleiten. Er lies uns
los! Gott sei Dank. Ja, auf Schritt und Tritt stand man in Gefahr. Ich konnte
ja keine polnische Sprache. Wenn jemand mich fragte musste ich antworten auf
deutsch, auf luxemburgisch oder auf französisch. Ich zog mich auf mein Zimmer
zurück und lies brennen was brannte. Die Stadt hatte keine Wasserleitung in den
Strassen, nur Pumpen und stundenlang pumpen bei -28° Grad Kälte war kein
Vergnügen. Am Morgen brachten Bekannte von Frau Pyka Fleischwaren ins Haus.
Auch für mich. Die Leute hatten schon Richtfest gehalten. Wir konnten essen und
braten und kochen und essen. Die zuviel gebrachten Fleischstücke wickelten wir
in Papier und legten es zwischen die Doppelfenster. Am nächsten Morgen war es
Gefrierfleisch.
Es war Sonntag. Ich schlich auf Hinterpfaden in die
Kirche zur Messe. Hier verstand ich nichts mehr. Man predigte jetzt auf
Polnisch. Die Oblatenpatres sind dezimiert. Die Herren, die ich kannte, die
schon im Luxemburger Land zur Mission gepredigt haben sind fort, wahrscheinlich
nach ihren Mutterhäusern in Deutschland.
Am 22. Januar spürte ich. Ich war krank. Ich hatte mir
beim Brandlöschen eine Erkältung zugezogen. Ich bin moralisch zum Sterben
krank. Drei Tage sitze ich im Zimmer bei Pykas und grübele nach über meine
Lage. Zu Hause, höre ich, wird Grossherzoginsgeburtstag gefeiert. Alles schön
und gut. Die Lage ist soweit bereinigt.
Am 25. Januar kam wieder Leben in meine Glieder. Ich
bereitete das Mittagessen, staubte die Zimmer, machte die Betten zurecht.
Spülte das Küchengeschirr und machte mich nützlich, brachte Wasser ins Haus
usw. Am anderen Tag packte ich
vorsichtshalber meine Koffer. So gegen den 9 Uhr musste ich vor Aufregung auf
den Lokus. Dieser befand sich zwischen Stube und Esszimmer und von jedem
Unkundigen unauffindbar. Badezimmer und Lokus alles zusammen. Ich versperrte
natürlich die Tür von innen. Ich hörte Schritte von genagelten Schuhen im
Zimmer. Als ich ins Zimmer trat, sagte Herr Pyka: "Soeben hat ein Russe
ihre Koffer aufgebrochen und alles Brauchbare geklaut. Wir sagten sie seien
Franzuski. Er antwortete Nix podimai. Er fragte wie viel Uhr es sei! Herr Pyka
sah auf meine Armbanduhr auf dem Tisch. Es war eine wertvolle Uhr. Der Russe
riss sie an sich und ich war sie los. Wer ist es und wie heißt er?"
Russische Klautjen hätten wir ihn zu Hause getauft. Der Ärger blieb und die Sachen waren alle.
Die Uhr, meine Schokoladenrippchen meine letzte Käseration und eine Aluminium
Gammel, worin ich mir meine Suppe im Notfall kochte. Fort auf nimmer
Wiedersehen. An dieser Handlung konnte ich den russischen Soldaten beurteilen.
Es war eine brutale Bestie, der nur seine Person kannte. Die Polen waren für
ihn Mist, obschon sie sprachlich ja doch verwandt sind. Ich rafistolierte meine
Koffer wieder zusammen und grübelte wieder nach einem Ausweg aus diesem Kessel.
Am 27. Januar kam der französische Lehrer wieder zu
Besuch. Er wollte wissen ob Herr Pyka gut aus der Schlacht gekommen sei. Ich
erklärte ihm die Lage, dass wir durch das Radio im Bilde waren und dass er am
Montag, den 22. Januar nicht mehr zurück an die Front ging. Wenn jemand nach
ihm gefragt hätte, wäre er eben krank und zwar schwer krank gewesen. Ein Arzt
war nicht mehr zu erreichen. Wir freuen uns zusammen, heil und gesund zu sein,
dann stellten wir unsere Pläne zusammen, gemeinsam Polen zu verlassen einerlei
wohin. Der Lehrer sprach im Interesse seiner Kameraden und mir und die Reiseroute
wurde festgelegt. Das Ziel war Tschenstochau in 2 Etappen zu erreichen. Von
dort mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes nach der Heimat. Der Tag der
Abreise war geplant für den 31. Januar.
Am 28. Januar ging ich zur Messe und nach der Messe ging
ich hinaus zu meiner Waschfrau in der Vorstadt um meine Wäsche zu holen.
Unterwegs sah ich noch deutsche Soldaten auf der Strasse liegen. Tot. Das
Gesicht zur Erde gewendet, halb nackt, Typische Behandlung eines Feindes. Ich
gehe am Schützenhaus vorbei. Da begegnet mir der Herr Notar und der Herr
Apotheker, bekannt durch unsere Geheimsitzungen, das Fräulein Maria, das die
Kantine im Amtsgebäude leitete. Die Frau Schranzig, Frau Bittniak und noch
andere deren Namen mir nicht beifallen. Sie umarmten und küssten mich. Sie
luden mich ein zu ihnen zu kommen. Ich sollte 14 Tage ja einen Monat bei Ihnen
zu Gast bleiben. Wie lieb und dankbar können doch Katholiken sein, wenn sie
durch das Leid geläutert sind. Meine Waschfrau schlägt die Hände über dem Kopf
zusammen. "Nein, sie guter Herr, sie sind noch am Leben. Gott sei
Dank!"
So sind und waren die Menschen in Polen. Ich stand vor
guten lieben Menschen. Offene Arme und offene Herzen empfingen und grüßten mich
aufs herzlichste. Hätte ich jetzt ein Haus begehrt, ich hätte es bekommen! Die
Frage: "Wohin gehen sie jetzt?" War in aller Munde. Ja ich war eine
bekannte Persönlichkeit in Lubninitz. In jeder Messe war ich zugegen, jeden
Sonntag am Tische des Herrn. Ich habe ihre Lieder gesungen, ihre Gebete gebetet.
Ich ging mit ihnen die Prozessionen. Die Roratemessen im Advent, die
Marienandachten um Lichtmess. Ich kniete an ihren Hausaltären und drückte das
Kreuz auf Stirn und Tür. Ich aß mit ihnen vom gesegneten Brote am
Lichtmesstage. Empfing mit ihnen den Halssegen am Blasiusfest. Ich ging durch
die immensen Fluren und Felder spazieren. Interessierte mich an den
Feldarbeiten der polnischen Bauern. Spazierte mit der Erntemaschine um die
langen Reihen der Getreidehaufen. Roch an den endlosen Sonnenblumenfelder, die
Blumen, schmeckte die Kerne, bewunderte die Mannigfaltigkeit der Mohnblumen, aß
mit ihnen Mohnkuchen. Ich tröstet sie in ihrem Leid. Freute mich mit ihnen an
Hochzeitsfesten und Kindstaufen. Spazierte auf ihren Kirchhöfen von Grab zu
Grab. Sprach mit Kranken aus der Irrenanstalt, mit Gefangenen bei der
Zwangsarbeit. Lobte und tröstete sie. Ja wo sollen sie mich nicht kennen? Beim
Schanzengehen. Tausende hörten, wenn ich ihnen im Zuge gehend Luxemburger
Lieder sang, zu Ehren der Mutter Gottes, Herz Jesu Lieder, Patriotische Lieder
und Lieder der Freundschaft und der Liebe. Wie stand ihr Herz jetzt so offen!
Der Luxemburger Vati singt, alles war mäuschenstill. So sah das Leben aus.
Leidvoll, traurig, freudig, genau wie der Wind der über die endlosen Fluren der
polnischen Agrarlandes blies. Leise, stürmisch, mächtig, dann wieder lispeln
und fast ganz still. Jetzt kam die Wendung. Der Tag des Abschieds naht.
Der
beschwerliche Weg der Rapatriierung
Der 30. Januar, war ein Tag der Ruhe vor dem Sturm.
Ich besuchte zum Abschied die Hausinsassen die verblieben waren. Der Photograph
war fort. Nur der Foxterrier war im Atelier eingesperrt und heulte. Ich half
die Türe aufzubrechen um den Hund zu befreien, stieß aber unerwartet auf zwei
Diebe, die sich in der Dunkelkammer des Ateliers versteckt hatten. Der Hund
stellte sich wie rasend und toll und war nicht heraus zu bekommen. Er kroch
unter ein Bett und lies uns schalten und walten. Bellte und zeigte die bissigen
Zähne. Die Diebe gingen ihrer Wege. Alles was deutsch war wurde geraubt oder
zertrümmert. Der Hass stieg ins Unendliche. Wie soll es denen ergehen, die den
Mut hatten in Polen zu bleiben, wenn die gerichtliche Epuration ihr Amt
beginnt? Herr Pyka war in der provisorischen Gemeindeverwaltung tätig. Ich ging
mittags an der Kreisleitung vorbei. Da standen Tür und Fenster offen, gegenüber
befand sich das Gefängnis. Alles öde und leer. Der Hof schien wie ausgestorben.
Wo sind die Insassen hingekommen? Wo die Kranken aus der Irrenanstalt? Fand
hier ein Massenmord oder ein Abtransport statt? Fraglich. Unnutzer Ballast
wirft man über Bord und ich glaube, dass dem so geschah. Wer wird die
Geheimnisse entdecken, die der Krieg barg. Wer wird die Schätze ausgraben die
die Nazis in Eile in die Erde vergruben und auf der Oberfläche Sträucher
pflanzte. Glaubten sie an einen Rückzug der Russen oder an Wiedereroberung der
verlorenen Gebiete? Ich aber glaube an einen totalen Untergang des Naziregimes
und zweifle nicht an der Gerechtigkeit des Lenkers aller Schicksale im Himmel
und auf Erden. In diesem Gedanken legte ich mich aufs Lager und kämpfte mit den
Flöhen, die aus den benachbarten, verlassenen Zimmern, sich in mein Zimmer
geflüchtet hatten.
In Gedanken und Geist übermüdet schlummerte ich ein,
bei jedem Geräusch in der Strasse oder im Hause aufwachend. Der Tag graute, ich
stand schon am Fenster und sah die Schneeflocken fallen. Da regten sich die
Hausbewohner. Der Tag wird wahrscheinlich voller Erlebnisse. Ich trat in die
Küche, zündete Feuer an zum Kaffeekochen, deckte den Tisch und ging aus einem
Zimmer ins andere wie ein Irrsinniger. Na, welche Aufregung. Ist diese
angebracht? Wir frühstücken zusammen, die Familie Pyka und ich. Der Buchhändler
Liberski ist zu Frau und Kind gegangen. Da klopfte jemand an die Tür.
Schlosserstrasse 6 soll es sein. Ich hörte eine Stimme draußen in französischer
Sprache reden. Ich öffnete. Es war der französische Schullehrer mit zwei
Kameraden. Sie kamen auf Fahrrädern, nagelneue. Eines schenkten sie Herrn Pyka
und es wurde sofort in den Heuhaufen unter Dach versteckt. Ein neues Radio
kommt auch gleich. Ist unterwegs. Also, Kamerad, sagten sie zu mir:
"Préparez-vous pour le départ. Lublinitz c'est la première étape. Demain nous
continuons notre marche."
Die Situation war gleich erfasst. 93 junge Franzosen
waren auf dem Marsch nach Tschenstochau. Jetzt soll ich mit. Eine Gelegenheit
als Franzose mit nach Frankreich zu kommen. Im Verein mit Herrn Pyka
organisierten wir in einer verlassenen Berufsschule eine Kochgelegenheit für 92
Personen zur Bereitung des Mittagsmahles. Ich figurierte als Koch. Erbsen,
Kartoffeln, Gemüse. Alles war noch vorhanden. Töpfe in allen Größen. Kohlen,
Holz und Briketts. Die Maschine unter Feuer. Ein paar Frauen von der Strasse
organisiert zum Kartoffelschälen. Und der Laden klappte ausgezeichnet. Als das
Gros der Truppe anlangte, es war gegen 1 Uhr mittags, konnte ich rund 100 Mann
sättigen mit einer kräftigen Eintopfsuppe. Als das Essen vorüber war, was
ausgezeichnet gemundet hatte, wurde die Abendmahlzeit organisiert. In Form von
Kaffee und Brot. Die Rolle des Kochs übernahm ein Spanier, der sich den
Franzosen zugesellte. Ich bereitete mich zur Abfahrt vor, organisierte einen
Handschlitten und band meine 2 Koffer darauf. Stecken und Mantel bereit. Ja,
woher? Herr Pyka schenkte mir einen Wintermantel zum Anziehen. Ich besaß keine
Winterkleidung. Diese Anschaffung von zu Hause war mir unmöglich geworden. Nun
die Aufregung und Gottes Hilfe werden mich schon über Wasser halten. So verging
der letzte Tag in Lubninitz. Mit den letzten Brocken am Leibe, mit dem vor Leid
überfüllten Herzen begann die Fahrt ins Ungewisse. Die Nacht hing noch mit ihren Fittichen über
die Häuser der Stadt als ich mich zur Haustür begab um das Haus in der
Schlosserstrasse Ulica Kosfantego 6 Lubninitz zu verlassen. Fußhoher Schnee
über Stadt und Land. Die Familie Pyka, Vater, Mutter und Sohn umarmten mich,
küssten mich zum Abschied. Ich griff zur Brieftasche, wollte mein Zimmer
bezahlen und die Güte: " Nein!" Die guten Leuten bezahlten mich mit
10 Dollarnoten amerikanischen Geldes, für meine Gastfreundlichkeit, die ich
Ihnen bot während meiner Anwesenheit in ihrem Hause. Ich wusste es
augenblicklich nicht, was das Kuvert enthielt, bis außerhalb der Stadt, wo ich
nachsehen konnte.
Ein letzter Gruß: "Grüß Gott und besten Dank für
alles Gute!"
Ich setzte meinen Schlitten mit Bagage in den Schnee,
los ging es in Gottesnamen. Bei dem Quartier des Franzosen angekommen, stelle
ich fest dass alles in Bewegung war. Ein Pferdegespann mit 2 Pferden und Wagen
zog den Proviant und das Gepäck. Alle trugen Rucksack und allerhand Decken. Die
reinste Karawane. Ade Lublinitz. Ade ihr lieben Leute. Die letzten Häuser
schwinden hinter uns. Der Schnee unter den Schuhen kreischt das Abschiedslied
und das Gleiten des Schlittens spielt die Begleitmusik. Die Dörfer ziehen an
uns vorbei. Durch die von russischen Tanks zermahlten Strasse wird die Fahrt
hindernisvoll. In den Straßengräben liegen Leichen von Menschen und von Vieh.
Aufgedunsene Pferdeleiber geben hungrigen Hunden und Vögel Aas. Hier hatte der
Krieg mit seiner ganzen Härte gewütet. Verlassene, ausgebrannte Häuser,
verwüstete Anlagen und traurig gestimmte Leute waren die Zeugen. Den ganzen Tag
ging es weiter bis die erste Etappe erledigt. "Harby" hieß das Dorf.
In einer großen leeren Kaserne schlugen wir unser Nachtquartier auf. Kochten
die Mahlzeit und stärkten uns zur Weiterfahrt. Den andern Tag ging's weiter.
Die erste Etappe begriff 30 Kilometer. Die zweite wird vielleicht nicht so weit
sein. Aber die Aussichten des Marsches sind nicht besonders günstig. Der Schnee
wird matschig auf der Strasse und die Schlitten gleiten nicht mehr. Hinter
Blochstädt und schon teilweise in der Stadt mussten die Schlitten geschleift
werden. Der Schnee war geschmolzen. Noch ein paar Kilometer und kein Schnee
mehr. Der Wagen mit den Pferden kam ins Hintertreffen. Viele Kameraden mussten
ihre Schlitten umladen. Es durfte auf keinen Fall etwas verloren gehen, denn
alles war kostbar und teuer. Die Franzosen hatten alle zusammen auf Kupfermühle
in einer Munitionsfabrik gearbeitet. Die Fabrik besaß ein grosses
Ökonomiegebäude mit Dependenzen, zur Vieh und Geflügelzucht. Die Deutschen
ließen bei ihrer Flucht alles im Stich und das wussten die Arbeiter der Fabrik
jetzt auszunutzen. Alles noch vorhandene Mehl wurde zu Brot gebacken. Alles
Vieh und Geflügel getötet und in Fett eingeweckt oder eingepökelt. Zu Wurst
verarbeitet oder roh in gefrorenem Zustand gelassen. Das alles wurde in Töpfe
und Säcke verpackt und lag auf unserem Proviantwagen. Es sollte unserer
Karawane zur Nahrung dienen. 95 Mäuler täglich stopfen verlangt ein Quantum,
eine Masse. Die Pferde waren hungrig. Das Heu musste auf den Dörfer besorgt
werden. Das Fressen brauchte Zeit. So setzte sich mancher Fußgänger an den
Straßenrand und wartet auf das Gros der Karawane. Zur linken Seite der Strasse
rollten in endlosen Zügen russische Kriegsmaschinen aller Gattungen an uns
vorbei. Über uns sausten die Flieger und schossen drauf los. Wenn einer
verwundet wurde, musste er eben aufs Geratewohl auf der Strecke bleiben. Uns
fehlte der Arzt. Verbandsmaterial für die erste Hilfe war zugegen, aber es hieß
auf der ganzen Linie auf Gott vertrauen. In Blochstädt, ein Dorf zwischen Harby
und Tschenstochau musste ich meinen Schlitten und verschiedene Decken im Plan
lassen. Ich konnte das mir zugemutete Gewicht nicht mehr schleppen. Zwei
Koffer. 2 Mäntel. 2 lange Brote. Mit dem besten Willen, es ging nicht mehr. Den
Schlitten und die Decken überließ ich anderen Flüchtlingen.
Ein baumlanger Tscheche ging an mir vorbei. Seine
einzige Kleidung war ein Paar Gummistiefel und eine Decke als Umhang. Sonst
splitternackt. Er kam aus einem KZ - Lager und sein Weg führte auch nach
Tschenstochau. Tausende Menschen gingen an mir vorbei. Endlose Reihen. Endlich
kam unser Wagen. Ich hing mich ein und nach Ablegung der Koffer, schritt ich
hinter dem Wagen. Müde, kraftlos, mutlos. Die Strecke war für mein Alter und
meinen seelischen Zustand eine Überlastung, der ich kaum gewachsen war. Doch
habe ich es geschafft. Wir kamen in die Vorstadt von Tschenstochau.
Hier müssen wir Halt machen. Eine Verkehrsstockung
versperrte uns den Weg. Die Strassen sind überfüllt von Mauergeröll,
Dachbalken, Schieferplatten, zerschossene Autos. Eine Delegation trat in die
Stadt zum Quartiersuchen. Wir warteten auf die Rückkehr derselben. Eine Stunde,
zwei Stunden, wir rückten weiter. Die Delegation kommt zurück. Wir dürfen
weiter. Über Boulevards fuhren wir an mächtigen Häusern entlang bis zu einer
großen Schule. Hier sollten wir rein. Unterwegs wurden wir öfter nach der Uhr
gefragt. Haben aber nicht geantwortet. Uhren waren vom russischen Militär sehr
begeht. Der Wagen fuhr in den Schulhof. Alles wurde abgeladen, in einen Saal
aufgestapelt und die Reviere verteilt. Wir legten uns auf den Boden wie
übermüdete Bestien. Assen eine Brotstulle und bald wurde es dunkel in den
Räumen. Hier sah ich den Tschechen wieder in seiner notdürftigen Kleidung. Er
sprach geläufig und korrekt französisch. Wir schliefen bald ein.
4. Februar 1945. Am Morgen, es war an einem Sonntag
spürte ich mich krank. Alle Glieder schmerzten mich. Ich konnte fast nicht mehr
gehen. Der lange Fußmarsch hatte mich mürbe gemacht. Und schon mussten wir
wieder umziehen in ein anderes Lokal. Eine Viertelstunde bloß und wieder in ein
anderes. Hunderte Flüchtlinge strömten in die Stadt. Wohin mit ihnen? Endlich
sollten wir ruhig sein. Waren aber immer startbereit.
Am 5. Februar zogen wir wieder um. Aus der Schule in
ein Gerichtsgebäude. Es war immer eine anstrengende Arbeit dieses Umziehen,
wegen der vielen Lebensmittel die wir
mitschleppten. Endlich war es wieder geschafft. Da traten russische Offiziere
in unser Lager und kontrollierten alles Gepäck nach brauchbaren Waren und
sonstigem Zeug.
Eine interessante Episode spielte sich hier ab. Ein
Kamerad hatte einen Wecker, ungefähr 6 cm Durchmesser. Er glich einer
Taschenuhr. Der Russe riss die Uhr an sich. Der Franzose überaus Gentleman
erklärte dem Russen noch die Manipulation des Weckers. Zog die Klingelfeder auf,
stelle das Klingelwerk auf die Minute und stellte den Wecker auf einen Koffer.
Da fing auch schon der Wecker an zu klingeln. Der Russe riss seinen Revolver
aus der Tasche und schoss auf den Wecker. Er glaubte vielleicht an eine Mine
mit Zeitzündung. Das Gelächter des ganzen Lagers aber hieß ihn aufhorchen. Er
sah nun ein, dass er gefoppt war und ging seiner Wege. Bei Einbruch der
Dunkelheit gesellt sich ein Luxemburger zu uns. Er erfuhr irgendwie, dass ein
Luxemburger im Lager sei und suchte nach mir. Er fand mich gerade im Begriff
ein Butterbrot zu essen. Da bekam der Junge einen Heißhunger und ich gab ihm, soviel er bedurfte.
Wenigstens eine Kilo Brot und ein Pfund Schweineschinken waren bald
einverleibt. Seine Kleidung war eine zerrissene Hose, ein paar zerschlissenen
Schuhe und ein Pelzwams, den er irgendwo gefunden hatte. Meine Mission war es
nun den Landsmann zu kleiden, vom Kopf bis zu den Schuhen. Er erzählte mir
seine Geschichte aus der Wehrmachtzeit und sein Entkommen aus derselben. In der
Schlacht bei Radowski. Er fuhr eine Packkolonne mit Pferdegespann. Eine Granate
riss ihm das Pferd und er konnte nicht mehr weiter. Er suchte Unterstand in
einem Keller. Mit ihm sechs deutsche Landser.
Als das Schiessen aufhörte, kam polnische Miliz in den
Keller und wollte sie erschießen oder verhaften. Sie untersuchten alle nach
Waffen. Bei ihm fanden sie einen Rosenkranz und seine luxemburgischen
Ausweispapiere. Sie stellten ihn auf die Seite. Bei zwei Deutschen fanden sie
auch einen Rosenkranz. Sie stellten diese zu ihm. Die anderen 4 Deutsche wurden
auf der Stelle erschossen. Die zwei mit dem Rosenkranz nahmen sie mit und mich
gaben sie ganz frei. Ich wollte nach Hause gehen und bin mit Ach und Krach bis
hierher gekommen. Wie es nun geht weiß der liebe Gott. Als ich die
Ausweispapier sah, erinnerte ich mich, dass ich auch welche hatte und womöglich
ich sie bald benutzen muss. Ich suchte in meinen Taschen, aber vergebens. Ich
wurde bleich im Gesicht. Ich spürte es wurde mir schlecht. Ich klagte mein
Leid, dem Schullehrer, der das ganze Lager leitete. Er erklärte sich bereit
nach Lublinitz zu fahren und Nachschau zu halten in meinem Zimmer.
Wahrscheinlich hätte ich dieselben liegen lassen. Möglich war es, denn in der
Nacht deckte ich mich immer mit meinen Kleidern wegen Mangel an Bettzeug zu.
Sie fuhren in der Frühe mit einem Güterzug zu zwei nach Lublinitz und zurück
und brachten dem "Vater" des Lagers seine verlorene Papier zurück und
dazu von Frau Pyka eine Brotstulle mit Fleischeinlagen. Herzlichen Dank! Die
Ausweise lagen noch in meinem Zimmer unter dem Bett bei der Mauer! Glück muss
man haben. Gegen Mittag mussten wir zur Kontrolle. Mein Landsmann aus
Oberpallen wurde bei dieser Gelegenheit von einem Lothringer Landser verraten
und er wurde von den Russen als Wehrmachtsangehöriger gefangen genommen. Er
musste nach Russland zurück. Vielleicht nach Tambow? Mit Hilfe eines polnischen
Dolmetschers wurde ich frei gestellt. Wir gaben uns das Versprechen dass
derjenige der zuerst nach Hause käme seinen Angehörigen von dem Verbleib zu
benachrichtigen. Wir verabschiedeten uns mit der Versicherung auf ein baldiges
Wiedersehen in der Heimat. Wir wurden wieder verlegt in ein anderes Gebäude.
Ich übernachtete in einem Privathaus bei einer dreiköpfigen Familie. Am Tag lösten
der französische Lehrer und ich unser Versprechen ein, das wir der Familie Pyka
in Lublinitz gegeben hatten. Wir sollten Verwandte in Tschenstochau besuchen
und ihnen Neuigkeiten aus der Familie bringen. Die Verwandten wohnten in einer
Wollfabrik. Die Fabrik trug den Namen "Fabrique textile Motte." Hier
in dieser Fabrik war ein französischer Direktor und französisches Kapital
investiert. Das französische Personal war jedoch durch die Kriegsereignisse
evakuiert und der Betrieb stand teilweise still. Die Verwandten Pykas wohnten
in einem sauberen Haus und hatten durch Zufall russische Offiziere im Quartier.
Wir wurden sehr freundlich empfangen und verdolmetschten unseren Auftrag auf
französisch und deutsch. Wir waren um die Mittagszeit. Ein Bursche, der russischen
Offiziere, der die Pflicht hatte den Koch zu spielen und für seine Herren zu
kochen, mischte sich in unser Gespräch und stellte uns seinen Herren vor. Die
Aufnahme war einzigartig an Freundlichkeit. Wir mussten von dem Mittagsmahl,
das für die Herren reserviert war, kosten. Als Aperitif ein Weinglas voll Rhum,
der auf der Krim hergestellt wird. Dann eine Eintopfsuppe mit einem Gemisch von
Bohnen, Nudeln, Zwetschgen, Kartoffeln, Paprika, Speck, Tomaten und gebratenen
Zwiebeln. Eine Delikatesse sage ich. Für einen hungrigen Magen eine wahre
Wohltat. Der Bursche servierte uns bis dass wir nicht mehr konnten. Zum
Nachtisch servierte er nur Gebäck und dann wieder Rhum. Er weinte vor Mitleid
und vor Freude, dass er uns bewirten konnte. Er erzählte uns mit tränenden
Augen, dass er auf der Kriegsschule Saint Cyr in Frankreich seine
Militärstudien gemacht hätte. Dass er Frankreich sehr lieb hätte und jetzt
allein wäre. Er weinte und weinte noch als wir uns verabschiedeten. Die Worte
blieben ihm in der Kehle stecken. Wir versprachen uns ein Wiedersehen. Wann das
geschehen sollte, wussten wir nicht. Am Nachmittag besuchten unsere
Lagerinsassen eine Kinovorstellung. Der Krieg im Osten! Russisches Militär
führte diesen Film vor. Die Schauspielhäuser in Tschenstochau sind viel
primitiver gebaut als bei uns und die Innenausstattung bestand aus einfachen
Bänken. Die russischen Soldaten waren als Zuschauer in der Mehrzahl. Das
interessanteste für uns war das russische Kriegsmaterial, das da gezeigt wurde.
Es war alles mit dem Sowjetstern gekennzeichnet aber in kleinen Buchstaben
stand zu lesen: "Made in U.S.A." Ja das Pacht- und Leihgesetz
zwischen Russland und Amerika brachte die Kriegsmaschine Russlands auf ein
gewisses Niveau, das dem deutschen haushoch überlegen war. Die Erfolge blieben
ja auch nicht aus. In der Zwischenpause brauchte man das Haus nicht zu
verlassen. Ein Lautsprecher brachte die Nachrichten aus der Kampffront und eine
Sondermeldung, dass die russische Armee unter General Schukoff, Frankfurt an
der Oder erobert hätte, das die Städte an der Oder, Breslau und Oppeln noch
immer in Brand ständen und dass die Verlustesziffern der deutschen
Zivilpersonen wegen Mangel an Beförderungsmöglichkeiten enorm sei. Sie zeigten
Bilder, wo die großen Getreidespeicher des Osten von Deutschland in Brand
gesteckt wurden. Hier waren Millionen Zentner Getreide gelagert. Wir dachten
welche ein Unsinn. Doch Nein, der Genuss dieses Getreides hätte ein ganzes Heer
vernichten können (Anm.: wenn es vergiftet war!). Der Vernichtungskampf war ein
totaler. Gegen Abend erhielten wir eine warme Suppe verabreicht. Während der
Nacht war ich mit einem argen Husten geplagt.
Am 8. Februar machte ich große Wäsche. Ich wohne bei
einem Juden d.h. mehreren Juden in einem Zimmer. Zum Frühstück reichten sie mir
gebratene Zwiebeln zu meinem Brot. Unser ganzes Lager war in Privatwohnungen
verteilt. Der Proviant aus unserer Reserve war alle und nun begann Schmalhans
Küchenmeister. Zu Mittag aß ich 2 Pellkartoffeln, ein Stück kaltes gebratenes
Schweinefleisch und Schwarzbrot mit Schmalzaufstrich. Zum Zeitvertreib las ich
"Odes et Ballades de Victor Hugo." Den Abend verbrachte ich in der
Gesellschaft der Hausbewohner. Wir wohnten bis zu 8 in zwei Räumen. Ein
Zahnarzt und seine Frau. Zwei andere Männer mit ihren Frauen und ein Fräulein.
Dann ich. Die Beschäftigung der Männer war: "Lumpensammeln". In der
Frühe zogen die Männer in die Stadt, zuerst um Brot zu kaufen. Brot war morgens
um 5 Uhr 15 Zloty billiger als um 8 Uhr. Wahrscheinlich im Schwarzhandel. Dann
sah ich sie nicht mehr bis abends. Dann trugen sie Säcke von Lumpen ins Zimmer,
schütteten sie aus und klassierten die nach Größe und Qualität. Dann wurden
Lose gezogen, wer die guten und wer die schlechten erhielt. Ein Geschäftchen
muss man machen und manch einer hatte Glück. Dabei wurde gespaßt und gelacht.
Alle sieben kamen aus dem KZ und waren der Gaskammer entwichen. Die Frau des
Zahnarztes, noch ein junge Weib, aber bildschön, lag immer noch im Bett wegen
Mangels nötiger Kleidung. Was man hier Bett nennen darf war eine eiserne
Bettstelle mit verschlissenen Militärdecken. Ich lag in der Küche auf einem
Bündel Holzwolle. Meine Koffer waren das Kopfkissen. Das Fräulein Anfang 20,
war vor dem Kriege in London bei einer Herrschaft im Dienst und wurde bei einer
Urlaubsreise vom Krieg überrascht und konnte nicht mehr zurück. Sie
interessierte sich stark für die französische Sprache. In einem Dictionnaire
lernten wir zusammen französisch. Die Aussprache macht ihr noch
Schwierigkeiten. Wir nahmen einen französischen Sergeanten zu Hilfe und es
entpuppte sich aus diesem Lernen eine polnisch-französisches
Freundschaftsbündnis. Wie lange dass es dauerte weiß ich nicht. In der Nacht
wurden wir oft durch heftige Türschläge geweckt. Die Russen kamen zu der jungen
Frau Zahnärztin zu Besuch. Gegen Gewalt blieben 3 Männer machtlos. Eine Schande
für die Zivilisation. Doch wo finde ich Anstand. Empört gegen solche infame
Machenschaften, aber machtlos. Der Wodka macht die Menschen zu wahren Bestien.
Am 10
Februar mache ich einen Besuch in das National Heiligtum Polens. Die schwarze
Muttergottes von Tschenstochau. Dieses nationale Heiligtum liegt auf einer
Anhöhe außerhalb der Stadt. Eine schöne breite Strasse führt schnurgerade den
Berg
hinauf. Ungefähr einen Kilometer lang.
Von weitem leuchtet ein mächtiges Kreuz auf einem Altar und ein grosses weißes
Feld rundherum ladet die Menschen zu einem Besuch ein. Ich stieg den Berg hinan
bis vor die Kirche. Eine äußere Ringmauer umringt das Ganze, man schreitet
durch ein mächtiges Tor über eine Zugbrücke in das Innere des Heiligtums.
Wieder ein grosses Portal. Man tritt in einen großen Raum. Hier ist ein großer
Bazar. Ein Missionar sitzt hinter einem Verkaufsstand und bietet Andenken an.
Bilder, Medaillen, Rosenkränze, Photographien der Kirche und des Innern. Im
Hintergrund ein mächtiger Altar, dem Herzen Jesu geweiht, fesselt das Auge des
Besuchers. Rechts vor dem Altar die Pforte zur Kathedrale. Ich trete ein! Voll
gepfropft ist die Kirche. Die Orgel braust durch die immensen Gewölbe und
Hallen. Man singt eben das Te Deum. Alles was Lärm machen kann in der Kirche
stimmt in diesem Lobgesang mit ein. Schellen, Glöckchen, Glocken, Posaunen und
eine mächtige Orgel. Das Herz will aus dem Körper steigen, so hat man das
Gefühl. Einfach himmlische Sphären. Ein Vordringen ist einfach unmöglich. Ich
stelle mich in eine Ecke aus dem Verkehr und warte das Ende der Messe ab. Als
die Kirche sich geleert hatte, durfte ich die Kirche in Augenschein nehmen.
Eine Augenweide ohnegleichen. Wohin das Auge sieht, an jeder Säule, in jeder
Nische ein Altar einem besonderen Heiligen geweiht. Der polnische Kalender
weist andere Heilige auf. Z.B. Die heilige Appolonia, der heilige Nicolas, der
heilige Stanislaus, der heilige Hieronymus u.s.w. Die Kirche ist in 3 Schiffe
eingeteilt. Das Hauptschiff mit dem Hauptaltar nach Osten ist gleich unsere
Kathedrale breit und tief. Der Chor bietet Platz für ungefähr 100 Priester.
Wuchtig ist der Hauptaltar. Die Ornamente stellen den Schöpfer dar in
Riesengröße mit der Weltkugel in der Hand. Die Seitenaltäre sind der Herz
Jesusaltar und der Muttergottesaltar. Links im Chor führt eine Tür in eine
zweite Kirche, die nur durch eine dicke Mauer getrennt ist. Neben dieser Türe
die Sakristei. Wo bestimm 50 Priester zugleich sich einkleiden können. Im
Viereck an der Wand sind die Kleiderschränke zum Hängen der Kleider und in der
Mitte des Raumes ein dem Raum entsprechendes Pult mit Auszügen zum Legen der
Gewänder die wegen der Schwere ihrer Paramente nicht gehängt werden dürfen.
Beichtstühle sind in der Kirche keine vorhanden. Auffallend ist Raumersparnis.
Dann rechts im rechten Seitenschiff liegt eine Kirche nach Süden zu. Unter
dieser Kirche befindet sich eine große Krypta. Großartig in der Architektur.
Ich schreite nun in der Kirche nach links vom Chor. Das ist das National
Heiligtum. Dort gehe ich an dem Seitenaltar des Heiligsten Herzen Jesu vorbei.
Dort bietet Jesus sein Herz dem Beter dar. In der Mitte der Kirche ist der
Hauptaltar, ist aber non unten bis oben und von rechts nach links bis unter das
Gewölbe mit einem Eisengitter verschlossen. Komisch, nicht wahr? Ist aber beim
näheren Betrachten verständlich. Was alles dort an Gold und Geschmeide hängt
und liegt ist einfach nicht zu schätzen an Wert. Vom goldenen Bein, bis zur
silbernen Krücke. Vom hölzernen Rosenkranz bis zum Perlenkranz, Armbänder und
Spangen. Ja, für die Muttergottes ist nichts zu schön und zu gut. Hier musste
ich vor Ehrfurcht die Knien beugen und mich meiner Frömmigkeit schämen. Da
lagen Männer und Frauen auf dem Boden wie Tote und wagten nicht den Hauptaltar
anzuschauen. Ja, was barg dieser denn? Es blieb mir ein Geheimnis, weil im
Augenblick keine Messe zelebriert wurde. Ich sah wohl einen großartigen
Hauptaltar mit überladenem Schmuck, aber keine Muttergottes. Nur stellte ich
fest, dass in der Mitte des Altars so etwas wie ein Schrank angebracht war.
Wahrscheinlich war hier das Geheimnis verborgen. Diese Überraschung hob ich mir
auf für Sonntag. Ich musste zu meinem Quartier. Beim Mittagessen erzählte ich
mein Erlebnis meinem Freund, dem Lehrer. Wir konnten nicht schnell genug den
Tag erwarten, wo wir hier in die Sonntagsmesse gehen durften.
Da ich mir den Messeplan gemerkt hatte waren wir am
11. Februar pünktlich zur Stelle. In Reih und Glied, geschmückt mit der
französischen Nationalkokarde im Knopfloch schritten wir zur Kirche. Wir
erhaschten noch Platz genug um gemütlich die Messe verfolgen zu können. Schlag
der Uhr wo die Messe beginnen sollte, traten die Priester in vollem Ornat in
den Chor. Tiefe Stille. Da plötzlich setzten auf der Empore die Posaunen an zu
ertönen und auf dem Hauptaltar, wo ich den Schrank vermutete ging ein Vorhang
aus purem Golde hoch und vor uns erschien die schwarze Muttergottes. Die
Wundertäterin Polens. Da senkten alle das Haupt, sanken in die Knien, manche
legten sich auf den Boden. Sogar die Priester legten sich hin und verharrten
einen Augenblick im Gebete. Da ertönte die Orgel und die Messe begann. Am
Schluss der Messe ging der Vorhang wieder herunter und das Volk und die
Priester zeigten sich so demütig wie zu Anfang der Messe. Wir verließen die
Kirche und gingen geschlossen zum Quartier. Mittags besuchten wir andere
Kirchen und auch eine Moschee. Auch wurden die Parkanlagen besichtigt. Da
fanden wir zur Überraschung noch eine nackte Mannleiche liegen, die noch nicht
begraben war.
Am nächsten Tage gingen wir zur Bewunderung aller in
Begleitung vom russischen Militär in eine Badeanstalt, wo die Hauptsache
fehlte. Das Wasser. Man brauchte eine halbe Stunde um ganz nass zu werden. Eins
war sehr wichtig. Achtung vor Dieben. Ein hungerndes, herabgekommenes Volk
lauert in allen Ecken und Winkeln auf Beute und wenn es auch nur Schuhe oder
Socken sind.
Am Nachmittag hatten wir eine besondere Mission. Von
den 93 französischen Kameraden war einer in Blechhammer bei einem
Fliegerangriff gefallen. Für sein Seelenheil ließen wir alle auf dem Herrn
Lehrer und meine Initiative, diesem Kameraden eine heilige Messe lesen. Der
Herr Lehrer und ich gingen nun zu diesem Zwecke zu den Herren Patres in die
Kathedrale und trugen unseren Wunsch vor. Wir wurden auf der Stufe des
Hauptaltars auf der Evangelienseite von dem Hochwürdigen Herrn Rektor, nachdem
wir vom Herrn Pförtner angemeldet waren, empfangen. Der Empfang war ziemlich
zeremoniell. Der Hochwürdige Herr mag im Grade eines Bischofs sein. Er hielt
uns den Ring hin zum Küssen und dann macht er das Kreuz über uns und fragte
nach unserm Begehr. Der Herr Lehrer trug seine Bitte auf französischer Sprache
vor. Ich sollte auf Deutsch verdolmetschen, doch schon antwortete der hohe Herr
auf Französisch. Unser Wunsch sollte erfüllt werden am nächsten Morgen und zwar
in der Kirche der Mutter Gottes auf dem Seitenaltar, dem Heiligsten Herzen Jesu
geweiht. Wir dankten für dieses Versprechen
und waren froh dass unser Wunsch in Erfüllung ging. Wir empfahlen uns
dem Hohen Herrn bis zum nächsten Tag. Nun machten wir noch einen Besuch in den
oberen Gemächern der Kathedrale. Auf der Empore befindet sich die Beichtkirche,
das eigentliche Kloster und die Dependenzen des Klosters. Wunderschön ist die
Beichtkirche. Man steigt von außen über eine breite Treppe, die über die
Gewölbe der Muttergotteskirche führt. Hier kommen sie in einen großen Raum. In
der Mitte stehen 4 Reihen Bänke bis zu einem kleinen Altar mit einem mächtigen
Kruzifix. Zu beiden Seiten an den Wänden angelehnt stehen die Beichtstühle,
einer neben dem anderen. Die Decke und die Wände ziert eine kunstreiche
Malerei. Die Legende der Schwarzen Muttergottes zeigend. Soviel ich von dieser
Legende festhalten konnte, will ich hier schildern. Das Bild der Schwarzen
Muttergottes von Tschenstochau ist eine auf Gusseisen geformtes Bild einer
Madonna mit Kind darstellend. Bei allen Prozessionen wurde dieses Bild auf
einer Lafette getragen. In Krieg, Pest und Cholera angebetet und verehrt. So
schreitet die Geschichte durch die Jahrhunderte. Ein schwedischer Krieg mit
Polen führte zur Belagerung und Schleifung des Klosters. Die Mönche mussten das
Kloster verlassen. Es wurde in Brand gesteckt. Das Bild mit der Madonna wurde
aus einer Ecke in die andere geschmissen, wie Altmetall. Kein Mensch kümmerte
sich drum. Auf der Malerei sehen wir das schwedische Militär beim Lagerfeuer.
Ein Soldat beschäftigte sich um mit dem Säbel Ritze auf das Bild zu ritzen. Auf
dem Bilds sieht man diese Ritze auf der rechten Backenseite des
Angesichtes. Auf einem anderen Bilde
sehen wir die gusseiserne Platte mit dem Bilde vor einem Feuerherd als
Schutzvorrichtung gegen die Flammenglut stehen. Dann fiel es unter das Geröll
alten Gemäuers, wo die Mönche es nach dem Krieg wieder fanden. Die Schweden, wo
die Katholiken in der Minderheit sind, haben für solche Sachen kein Interesse.
Die Freude der Mönche aber war unbeschreiblich als sie ihre Muttergottes wieder
fanden. Sie bekam wieder ihre Ehrenstelle. Sie war durch die Einwirkungen des
Schuttes und der Hitze des Feuers ganz schwarz geworden. Ursprünglich aber war
sie weiß. Die Mönche übergaben nun das Bildnis einem Fachmann um es wieder in
seinen Urzustand zurück zu versetzen. Aber alles Bemühen war umsonst. Es
versagte die Kunst der Chemikalien und der Schleiferei. Das Bildnis blieb
schwarz. Nun glaubten die Mönche und das Volk an ein Wunder und es sprach sich
schnell herum in der ganzen Welt. Von nun an hieß sie "die Schwarze
Madonna" von Tschenstochau. Nun wurde das Bild mit Rubinen, Smaragden und
sonstigen Edelsteinen verziert. Es nahm an allen weltlichen Festen teil. Bei
ihrem Beisein und am Fuße ihres Altars leisteten geistliche und weltliche
Würdenträger ihre Diensteide. So weit zu dieser Malerei.
Wir treten wieder ins Freie. Das ganze Kloster mit den
Kirchen liegt wie schon gesagt, auf einer Anhöhe. Ein tiefer Wallgraben um die
Gebäulichkeiten scheidet das Ganze. Von
der Stadt her ist es nur über eine Brücke zugänglich. Das mag in der Zeit der
Geschichte seine Bedeutung gehabt haben, denn das Kloster wurde durch die
Angriffe des Krieges nicht verschont. Die Geschosse die zu vergangenen Zeiten
in Anwendung kamen, waren runde Kugeln aus einem Gemisch von Blei, Zinn und
Eisen und krepierten nicht. Sie blieben ganz und wo sie einschlugen und nicht
genug Durchschlagskraft hatten blieben sie stecken. Solche Kugeln deren
Durchmesser verschieden war sind noch heute an den Außenmauern der Kathedrale
und sogar inwendig im Chor zu sehen. Sie stecken nur halb im Mauerwerk. Jene
die man im Chor sehen konnte flogen wahrscheinlich zu einem Fenster herein. Sie
wurden wahrscheinlich von einem Apparat abgeschossen, der einer Schleuder
glich. In diesem Krieg blieb das ganze Areal von Kriegseinwirkungen verschont,
bis auf einige Granatsplitter, deren Wirkungen nicht nennenswert sind. Rund um
die Kirche, in diesem Wallgraben, führt ein sauberer Weg. Zu beiden Seiten des
Weges in dem Hügelgelände befinden sich wunderschöne Anlagen und ein Kreuzweg
mit Figuren in Mannsgröße. Abgeschlossen von allem Lärm der Außenwelt kann man
hier anständig den Kreuzweg beten. Da ist nur Gott, sein Licht und die Figuren
mit dem Schmuck der Schöpfung Zeuge. Ungewollt andächtig betritt man diese
Anlage denn hier herrscht weihevolle Stille. Wir stiegen wieder bis zum
Außenhof und wollten noch das Museum des Klosters besichtigen, welches aber
wegen Fliegerangriffen mit einem Bretterzaun abgeschlossen war. Zwischen den
Bretterspalten bemerkten wir nur große Fenster und in den Räumen große Kisten
und Blattpflanzen.
Wir schritten wieder ins Quartier zum Nachtessen. Die
Nacht verlief ziemlich ruhig. Am frühen Morgen des 13. Februar machten wir von
Tür zu Tür Alarm zum Wecken der Kameraden. Wir sollten ja in die heilige Messe
gehen für unsere verstorbenen Kameraden. Zuerst, ehe wir fort gingen, machten wir eine Kollekte, um die Messe
bezahlen zu können. Wir hatten keine Ahnung was so eine Messe in diesen Zeiten
kostet. Die Kollekte brachte 900 Zloty ein. Das war ungefähr nach unserer
Währung 90 Franken. Das Geld stammte her von Privatbesitz auf dem Schwarzen
Markt. Hier wurde man auch genau gesagt, alles los, was Namen hatte. Hatten wir
etwas zu verkaufen, ein paar Strümpfe, einen abgetragenen Hut, einerlei was es
war. Es fanden sich immer Abnehmer. Wir gingen nach dem Frühstück zur Kirche.
Es war um 8.00 Uhr die heilige Messe. Fast vollständig waren die Kameraden
zugegen. Einige gingen sogar zur Heiligen Kommunion als Opfer für ihren toten
Kameraden. Nach der Messe treten der Herr Lehrer und ich in die Sakristei um
unsere Schulden zu bezahlen. Der Oberste empfing uns wieder mit der
respektvollen Grazie. Er begehrte von uns 600 Zloty. Wir überreichten ihm aber
900 Zloty. Wir sagten ihm er solle den Überbetrag für die Ausschmückung der
Kirche verwenden. Als Dank überreichte er uns drei Bilder, wovon eines eine
kleine Partikel der Madonna, als Reliquie trägt. Wir freuten uns überaus für
diese Ehrung und verabschiedeten uns ehrerbietig nach christlicher Art. Beim
Ausgang machten wir noch einmal halt bei dem Stand des Bazars. Wir wollten
nämlich eine Legende kaufen, die Auskunft vom Kloster und seiner Geschichte
geben könnte. Leider aber unmöglich. Die Nazis hatten die Bibliothek, die
Druckerei mit allem Drum und dran ausgeräubert. Der Herr Mönch erklärte uns,
sie hätten dadurch einen unersetzlichen Verlust gehabt. Ob sie wieder etwas von
den alten Schriften und dem Material wieder finden, bleibt noch ungewiss.
Im Quartier, die alte Beschäftigung. Ich lese Victor
Hugo. Draußen fängt es an zu regnen in Bindfäden. Am 14. Februar sollten wir
Brotration bekommen. Am Nachmittag gingen wir wieder zur russischen Kontrolle.
Ich sollte meinen russischen Pass als Luxemburger erhalten. Doch weder Brot noch Pass erhalten.
Es waren nur Versprechen. Es donnerte draußen und Hagelkörner liefen über die
Dächer, sprangen dann auf die Strasse oder an die Fensterscheibe, viel Lärm
machend.
Ich lege mich schlafen. Schlafend erwartet man am
besten den nächsten Tag. Wieder einmal zur Kontrolle. Auch wieder vor einem
Nichts. Nichts an Brot und Nichts an Pass. Die Reserven unserer Speisewaren
waren fast alle. Ich muss bemerken: hier bestand eine vorbildliche Einigkeit.
Wer Hunger hatte öffnete einen Topf mit Fleisch oder einen Sack mit Brot und
aß, ohne dass der Nächste Anstoß daran fand, der isst mehr als ich. Nein, es
war eine Selbstverständlichkeit. Nimm was dir Gott geschenkt.
Ich bin nicht ganz in Form. Ich hüte das Zimmer. Man
erzählt uns die Russen seien in Berlin. Ein Kamerad, von Beruf Friseur,
beschäftigt sich damit den Kameraden die Haare zu schneiden. Billig. Wer nichts
hat, kann nichts geben. Ich gab ein paar Pfeifen Tabak als Entgelt.
Am 16. Februar wieder zur Kontrolle. Ohne Erfolg. Bei
dieser Gelegenheit begegnete ich einem Landsmann, der mir erzählte, die
Luxemburger seien zu 11 in der Stadt evakuiert. Interessant. Am Mittag gab es
Sauerkrautsuppe. Ich bin krank. Ich leide an Nervenreizungen. Manchmal wird mir
schwarz vor den Augen. Ich denke immer an Zu Hause und die Ungewissheit ob eine
Wiederkehr stattfinden wird oder nicht. Eine Anstalt des Roten Kreuzes zur
Repatriierung all dieser Leute zeigte sich immer nicht. Organisation Null,
Null. Echt anthrophobetisch?
Am 18. Februar ging ich morgens zur Messe. Am
Nachmittag besuchte ich ein belgisches Militärlager, dann mit einer Delegation
den russischen Kommandanten in der Ulica Kiliuskiego No 7. Später zog dieser
Herr um. Nun sollte ich in der Ulica Kiliuskiego No 7 meine Brotration
erhalten. Ich traf einen Herrn aus Colmar-Berg. Den Rest des Tages in Gedanken
versunken in meiner Junggesellenbude.
Ich sehe schwarz. Ich ziehe um. In der Ulica
Kiliuskiego wohnen Luxemburger. Ich will zu meinen Landsleuten. Das soll mir
die Grillen des Alltags und der Ungewissheit vertreiben. Ich leide jetzt an
Fieber und habe hohes Fieber mit Schüttelfrost. Ich habe die französischen
Kameraden verlassen mit einem ewigen Dank. Sie waren mir gegenüber so
zuvorkommend. Ich besaß noch 4 Decken von ihnen. Es war mein Glück. In diese
Decken rollte ich mich ein mit allen Kleidern die ich anhatte und nahm eine
Aspirin zum Schwitzen ein. Der Erfolg "Gott sei Dank" war zufrieden
stellend.
In einem kleinen Zimmer liegen wir zu 7 auf der Diele.
Bett wird groß geschrieben. Die Nacht verlief ohne nennenswertes Ereignis. Ich
erwache und spüre, dass es mir besser war. Liegen bleiben konnte ich nicht. Ich
war ein Hindernis in der Kammer. Sie war so klein, dass wir da lagen kein Platz
zum Passieren blieb. Die Koffer waren Kopfkissen. In der Frühe tötete ein Herr
der neben mir lag eine dicke Wanze an der Mauer. Also, doch für Kleinwesen war
noch Raum.
Ich stehe auf, wie alle anderen und helfe das Zimmer
vom Staub fegen. Womit? Mit Schuh und Zahnbürste. Mit Humor geht alles. Aber
das Kleinvieh sollte verscheucht, verscheucht werden. Ich denke nach Hause an
mein sauberes Bett und die Mittel zur Vertreibung alles Unrates. Ich spüre
Schmerzen im Rücken. Ich habe keinen Appetit. Doch ich machte Bekanntschaft mit
den Zimmerinsassen. Eine Dame machte auf einem elektrischen Kocher eine Tasse
Kaffee, die mich erwärmen sollte. Nun will ich meine Leidensgenossen
vorstellen. : "Herr und Frau Kuhn aus Neudorf, Herr, Frau und Tochter
Schwinnen aus Colmarberg. Ein Herr aus Bruxelles und ein junger Mann aus
Befort. Ich spüre mich außergewöhnlich schwach. Man erzählt seine Erlebnisse
und raucht was man noch hat. Der Herr aus Bruxelles ist auch krank. Er geht zum
Arzte. Ich stelle mich ans Fenster und schaue auf die verschneite Strasse. Da
zieht ein Bauer mit einem Pony und Wagen vorbei. Auf dem Wagen sitzt die Frau.
Auf ihrem Schoss ein totes Kinde. Sie fahren bestimmt zum Friedhof. Etliche
Leute hinterher. Wahrscheinlich die Bekannten. So schreitet das Elend und die
Not durch die Strassen und die Häuser. Zu Pferd, zu Fuß auf Handkarren in all
möglichem Format. Sogar in den Kochtopf schreitet die Not. Es gibt Dörrgemüse
mit Wasser. Herr Kuhn und ich bereiten uns nun eine Pritsche als Lager. Der
harte Fußboden verursacht Rheuma. Wir machten einen Rundgang durch die Stadt
und fanden in einem abgebrannten Haus
noch übrig gebliebenes Holz. Es sollte uns langen. Wir fabrizierten auch einen
primitiven Tisch und eine Bank. Madame Kuhn machte Jagd auf Wanzen. Dann ging
sie zur Stadt und kaufte ein. Eine Wurst 1 kg 700 Zloty, ein weißes Brot 80
Zloty, eine schwarzes Brot 30. Eine Zigarette 1 Zloty. Ich rauchte noch aus
meinen Reserven und hungerte auf Vorschuss.
Am Samstag, den 24. Februar feierten wir das Fest des
Heiligen Mathias. Wie wir hörten wurde Luxemburg an diesem Tage von den
Deutschen Flieger bombardiert. Ob es wahr ist wissen wir nicht. Wir löffelten
unsere Wassersuppe und ließen Deutsche, Deutsche sein.
Am Sonntag gingen wir in die 9 Uhr Messe. Wir
besuchten noch einmal die schöne Kirche der Schwarzen Mutter Gottes. Am Abend
meldete sich in unserem Zimmer ein Unbekannter. Er verkroch sich in der Nacht
in einer Ecke.
Am 26. Februar war ich schon müde als ich aufstand.
Die Kost ist einfach gruselig. Der Vitaminmangel macht sich schon bemerkbar.
Diejenigen die Geld oder irgendetwas zu verkaufen haben, ergänzen ihre Mängel
auf dem schwarzen Markt. Arm ist der Ich und bleibt er. Die vielen Italiener
die im selben Gebäude untergebracht sind, haben sich verzogen. Einige sogar ins
Ungewisse. Die Russen verschärfen ihre Posten. Ein Ausgang wird unmöglich
gemacht. Wir erhalten wieder Zuwachs. Eine Familie begreifend 4 Personen aus
Fischbach mit Namen Calteux. Immer nur herein. Ein Eimer Wasser mehr oder
weniger in den Kochtopf. Eintopf bleibt Eintopf.
Am 27. Februar machte ich meine Wäsche. Sieben
Luxemburger gesellten sich zu uns und ein junger Litauer, dessen Eltern
Luxemburger waren und verschollen sind. Der Vater reist für eine Autofirma in
der Schweiz. Die Mutter irgendwo evakuiert oder tot. Er trug eine Luxemburger
Identitätskarte, ausgestellt in Luxemburg. Die anderen Luxemburger waren aus
Lorenzweiler und Greiweldingen, Ötringen, Kayl und Befort. Sie kamen aus den
Umsiedlungslager Trepnitz, Bunzlau, Boberstein und Auschwitz. Draußen zeigte
sich die Frühlingssonne, aber es ist verboten auszugehen. Ich habe
Zahnschmerzen. Man spricht vom Abtransport nach Hause. Es ist zu schön um wahr
zu sein. Ich frage mich wohin, denn die Deutschen kämpfen noch immer wie die
Löwen.
Am 28. Februar gesellten sich wieder eine Gruppe
Landsleute zu uns. Herr Peusch aus Luxemburg. Er hatte seine Frau und seine
Tochter verloren unterwegs. Die Russen hatten ihm seine Uhr gestohlen. Er ging
nur zur Beschwerde an höherer Stelle, trennte sich auf diese Weise von seiner
Frau und seiner Tochter und fand sie nicht wieder. Der Zufall brachte ihn nach
Tschenstochau. Die anderen waren in Düdelingen zu Hause.
Geburtstag |
|
Reihenfolge der Ankunft |
|
|
|
|
116 |
Berens Edouard |
30.05.07 |
|
051 |
Berens Gust |
29.01.32 |
|
053 |
Berens Jean |
12.12.44 |
|
056 |
Berens Joseph |
05.01.35 |
|
054 |
Berens Maria |
17.10.02 |
|
052 |
Berens Suzette |
05.01.37 |
|
055 |
Bettendorf Aloys |
21.06.14 |
|
063 |
Bettendorf Emma |
22.03.88 |
|
062 |
Bettendorf Hubert |
07.11.80 |
|
061 |
Bettendorf Marie |
15.08.26 |
|
065 |
Bettendorf Michel |
30.05.16 |
|
064 |
Bisdorff Elise |
08.05.39 |
|
096 |
Bisdorff Fernande |
18.10.30 |
|
094 |
Bisdorff Jean |
29.03.04 |
|
091 |
Bisdorff Lucien |
16.11.35 |
|
095 |
Bisdorff Margot |
06.05.30 |
|
093 |
Bisdorff Maria |
15.11.42 |
|
097 |
Bisdorff Suzanne |
16.11.17 |
|
092 |
Biewer Amelie |
14.06.85 |
|
073 |
Biewer
Charles |
05.02.17 |
|
072 |
Bley
Léon |
25.01.22 |
|
107 |
Calteux
Jos |
31.05.95 |
|
016 |
Calteux
Marie |
23.05.34 |
|
018 |
Calteux
Virginie |
04.06.97 |
|
017 |
Chenaux
Pierre |
05.11.26 |
|
026 |
Decker
Théo |
06.03.16 |
|
087 |
Decker
Victorine |
28.02.15 |
|
088 |
Demuth
Jean Jul |
29.05.43 |
|
071 |
Demuth
Jules |
16.10.16 |
|
069 |
Demuth
Marie |
11.11.16 |
|
070 |
Diederich Léon (Steinfort) |
|
|
113 |
Dondelinger El (?) |
08.12.04 |
|
075 |
Dondelinger Louis |
02.04.06 |
|
074 |
Duhr Aloyse |
27.04.43 |
|
042 |
Duhr Eliette (gest.
26.03.45) |
28.05.44 |
|
044 |
Duhr Emile |
05.06.43 |
|
043 |
Duhr Gabi? |
09.07.15 |
|
040 |
Duhr Helène |
21.06.20 |
|
041 |
F(r)antzen Mathias |
06.12.99 |
|
019 |
Falkero Helène |
12.07.49 |
|
085 |
Falkero J. Bapt. |
01.03.06 |
|
080 |
Falkero
Jean Pierre |
02.09.35 |
|
084 |
Falkero
Jeannette |
19.06.44 |
|
086 |
Falkero
Joseph |
24.11.29 |
|
082 |
Falkero
Marie |
29.09.89 |
|
081 |
Falkero
Valentin |
12.03.33 |
|
083 |
Gilbert Henri |
|
|
013 |
Heinricy Camille |
30.09.98 |
|
029 |
Heinricy Jean |
07.09.25 |
|
030 |
Heinricy Mich |
12.07.00 |
|
028 |
Heinricy Yvonne |
27.06.27 |
|
031 |
Henricy Jeanne |
19.01.24 |
|
106 |
Henricy Joh. |
13.02.94 |
|
103 |
Henricy Natalie |
12.02.20 |
|
105 |
Henricy Cathérine |
22.04.94 |
|
104 |
Hoffmann Albert |
05.08.21 |
|
108 |
Hoffmann Francis |
28.05.34 |
|
068 |
Hoffmann Henri |
29.01.94 |
|
066 |
Hoffmann Marie |
11.08.94 |
|
067 |
Hoffmann Nicolas |
05.03.20 |
|
110 |
Horn Aloys |
24.03.16 |
|
035 |
Horn Anna |
08.02.14 |
|
034 |
Horn Joseph |
20.02.27 |
|
036 |
Horn Mathias |
06.06.91 |
|
033 |
Horn Mia |
17.06.21 |
|
037 |
Horn Peter |
09.08.28 |
|
038 |
Horn Pierre |
29.06.85 |
|
032 |
Ihry (von Zolver) Kind |
|
|
122 |
Ihry (von Zolver) Kind |
|
|
123 |
Ihry (von Zolver) Mme. |
|
|
121 |
Ihry (von Zolver) Mr. |
|
|
120 |
Jung (Douanier) |
|
|
117 |
Kayl Emile |
08.02.07 |
|
045 |
Kayl Victorine |
16.06.04 |
|
047 |
Kieffer Anna |
12.03.96 |
|
023 |
Kieffer Martha |
05.05.23 |
|
024 |
Kieffer Pierre |
24.08.88 |
|
022 |
Kuhn Henri |
06.10.87 |
|
002 |
Kuhn Madeleine |
23.07.90 |
|
003 |
Mehling Eva |
14.11.97 |
|
101 |
Mehling Gérard |
28.11.97 |
|
100 |
Mehling Marcel |
26.07.23 |
|
102 |
Molitor
Camille |
13.09.25 |
|
025 |
Müller
Alma |
22.06.25 |
|
015 |
Müller Friederich |
21.03.24 |
|
014 |
Peusch François |
03.09.92 |
|
039 |
Peusch Melle |
05.05.23 |
|
112 |
Peusch Mme. |
26.08.91 |
|
111 |
Regenwetter Albert |
31.08.98 |
|
001 |
Reiff Anne |
24.04.14 |
|
058 |
Reiff Henri |
01.11.06 |
|
057 |
Reiff Suzette |
20.04.39 |
|
060 |
Reiff Victor |
11.04.37 |
|
059 |
Reiners Cathérine |
01.06.07 |
|
090 |
Reiners
Pierre |
08.09.00 |
|
089 |
Ries
Jos |
18.05.24 |
|
008 |
Schmit Théo |
19.11.13 |
|
021 |
Schoettert August |
12.01.05 |
|
076 |
Schoettert
Jacques |
13.07.32 |
|
079 |
Schoettert
Marie |
12.11.07 |
|
077 |
Schoettert René |
09.11.30 |
|
078 |
Schrinus Charlotte *) |
|
|
012 |
Schrinus Nathalie *) |
25.12.05 |
|
010 |
Schrinus Odile *) |
25.06.29 |
|
011 |
Schrinus Pierre *) |
15.08.94 |
|
009 |
Schröder |
|
|
118 |
Schwinnen Berthe |
08.05.29 |
|
007 |
Schwinnen Nico |
06.12.90 |
|
004 |
Schwinnen Suzanne |
07.12.95 |
|
005 |
Sosson Alfred |
29.05.17 |
|
046 |
Sosson?
Elise |
18.10.18 |
|
048 |
Staar |
|
|
114 |
Steffes
Jean |
21.03.83 |
|
098 |
Steffes
Léon |
31.12.28 |
|
099 |
Streveler
Théo |
22.12.13 |
|
020 |
Süssmann Herbert |
29.09.23 |
|
006 |
Tunik Jean |
10.01.24 |
|
027 |
Tourneur
Elise |
10.01.84 |
|
049 |
Tourneur
Ros |
19.07.16 |
|
050 |
Urbe Grégoire |
05.02.25 |
|
109 |
Weber (Nospelt) |
|
|
115 |
4 Belgier |
|
|
|
3 Italiener |
|
|
|
Am 1. März erklärte Schweden, die Türkei und die
Schweiz Deutschland den Krieg. Will denn alles deutschfeindlich werden?
Die Suppe war ein Gemisch von Gemüsereste und Wasser.
Sogar das Wasser in Tschenstochau schmeckte nicht gut. Ich aß schwarzes Brot
mit einer Marmelade die ich kaufte 60 Zloty das Pfund. Herrn Peusch gab ich ein
paar Strümpfe und Tabak. Abends erhielten wir 3 Pellkartoffeln und eine Tranche
Speck. Nun sind wir beinahe zu 100 Luxemburger zusammen. Sie wohnen nebenan.
Bei uns im Zimmer machen wir Jagd auf Wanzen. Die Neuangekommenen erzählten
unglaubliche Geschichten. Von Massenmorden an der polnisch-deutsche Grenze.
Am Samstag, den 3. März zogen wir nun in einen großen
Saal in die Washingtonstrasse. Wir sind zu 104 Personen. Wir bildeten nun ein
Komitee dessen Aufgabe es war für Ordnung, Ravitaillement zu sorgen. Drei
Mitglieder. Herr Peusch aus Luxemburg, Herr Mehling aus Kayl und ich. Der Saal
in dem wir lagen war früher ein Gerichtssaal. Er war sehr groß und kalt. Zuerst
galt es den Saal zu waschen. Dazu war eine Unmenge Wasser nötig. Sämtliche
Sanitäranlagen waren defekt. Die Zimmerdecken durch Wasser aufgeweicht und in den
Zugängen des Saales stand der Schlamm schuhhoch. Unter dem Gebäude war ein
großer Keller. Dieser war voll gestopft mit Papierrollen, womit Filmstreifen
verpackt waren. Diese Rollen dienten nun aufgerollt als Unterlagen zum
Schlafen. Es war fein und mollig. Vor allem trocken und warm.
Am Sonntag, den 4. März sollten wir wieder umziehen.
Ob es wahr wird? Das Komitee verteilte verschiedene Arbeiten, die wir unbedingt
machen mussten, wenn nicht bald eine Seuche uns heimsuchen sollte. Das Gebäude
in dem wir lagen, war ein immenser Komplex. Von oben bis unten belegt von
Flüchtlingen. Im Hof, der ein großes Viereck bildete, waren große Autogaragen,
wovon eine als WC die andere als Lager von Esswaren eine andere als richtige
Garage, eine andere als Schlachthaus dienten. Die Abortanlage war das was uns
am meisten zu schaffen machte. Tag und Nacht Tausende Besucher und kein
Abnehmer. Die Russen nahmen von diesem Zustand keine Notiz. Die Latrine lief
über den Hof in die Keller, ja sogar in die Hausflure herein. Ein pestilenzartiger
Gestank war das Produkt dieser Handlung. Alle Bittgänge konnte keine Remedur
schaffen. Schließlich schaffte es ein polnischer Bauer, der die ganze Grube
leerte und seinen Garten düngte.
Am 5. März mussten wir die Frau Mehling ins Spital abführen
lassen. Gichtanfälle. Eine Mahlzeit war nur möglich. Ich besorgte nebenbei am
Abend warmes Wasser für eine Tasse warmen Kaffee. Wir bemühen uns auch für
warme Milch für die kleinen Kinder. Für heute unmöglich, aber für morgen. Die
Lagerinsassen schlugen die Zeit tot mit Kartenspielen, singen, singen und taten
alles, nur nichts Gutes. Man glaubte sich auf einem Menschenmarkt. Im Hausflur
befand sich ein grosses Treppenhaus. Dieses Treppenhaus führte auf die Strasse
in den Keller und auf die Stockwerke. Der Zugang zum Keller und zur Strasse war
durch einen Haufen Unrat versperrt. In der Nacht, wenn es dunkel war, wurde
dieser Platz als Abort benutzt. Von den Stockwerken warfen sie die Toiletten
auf den Unrat. Blumenuntertassen, Vasen, Eimer, geköpfte Flaschen. Alles was
zur Notdurft Verwendung finden konnte, fand hier Absatz und manches Geschirr
was des Nachts hier abgelegt worden war fand bei Tage wieder einen Benutzer zum
Abholen der Suppe, insofern er nicht hungern wollte. Im Komitee suchten wir die
Handwerker heraus die uns nützlich sein könnten. Vor allem um die
Sanitäranlagen die vorhanden waren ins Leben zu setzen. Eine Badeanstalt war
da, aber defekt. Aborte waren da, aber defekt. Wasser gab es auch aber die
Hähne rieselten beständig, weil die Dichtungen fehlten. Waschgelegenheiten gab
es eine im Hof. Wo aber Tausende Menschen Toilette machen sollen, ist ein
Wasserhahn bald ohnmächtig. Im Hof sind auch die Kochtöpfe aufgestellt. Vier
Stück verschiedener Inhaltsvermögens. 400 Liter, 300 Liter, 250 Liter und 150
Liter. Alle vier waren den ganzen Tag über unter Feuer. Wenn eine Gruppe
gespeist war, wurde gleich wieder für die andere angefangen. Wir erhielten nur
1 Suppe pro Tag. Reklamationen über die Verpflegung regneten nur so auf uns
nieder. Das Komitee sollte alles besorgen! Aber lieber Gott woher nehmen und
nicht stehlen. Da faucht schon wieder ein Russe herein: "Umziehen auf den
ersten Stock." Ei, woher ist es denn nicht möglich hier zu bleiben? Nein,
der Mensch muss kämpfen ums Dasein. Also los auf den ersten Stock 1,2,3,4
Zimmer für 100 Mann. Nein, langt nicht! Doch es muss! Also, herein.
Ja, da sind keine Fensterscheiben und keine Türen
vorhanden (und ein vielchöriges
Lamentieren begann - HR) "Ich habe
ein kleines Kind; Dieses Zimmer ist kalt; dieses ist feucht; da fehlt die Tür;
da muss eine Kochgelegenheit hinein; Ich
will einen Platz an der Mauer; nein, ich lege mich nicht unters Fenster, da
zieht es; wo ist die Waschküche? Ist es nicht möglich dass sie mir eine Bank
verschaffen, unsere Familie begreift 8 Köpfe; schlagen sie doch diese Türe
nicht entzwei! ; auf was lege ich mich denn? Sind sie verrückt, keine
Fensterscheiben und keine Türen im
Zimmer; soll ich hier krepieren? Na
sehen sie die Frau M. die liegt sich schön warm in die Ecke, da steht der Ofen;
wo haben sie das Holz? Auf dem zweiten Stock sind noch ein paar Türen ganz. Der
Fußboden ist noch da. Ja für wie lange? Es kracht in der Ecke, ein Stück aus
dem Fensterrahmen zerbricht, herein in den Ofen, den großen Ofen mit der Plattentäfelung.
Mindestens 2 Zentner Kohlen brennt er, bevor er warm wird. Im Keller die
Unterstände. Oh ja die hohen Pfeiler, drüben im Haus, nein unten im
Gerichtssaal die Rednerpulte. Gibt Hitze, Hitze ja, mein Kind weint; warme
Milch, woher nehmen; Na Peter geh hol doch eine Mütze voll Wasser, das Kind hat
was gemacht. In die Hose? Nein, in den Koffer. Auf dein Sonntagshemd. Da liegt
doch mein Rasierapparat drin. Ach woher, die Zwiebeln hab ich doch irgendwo in
dem Kopfkissenüberzug. Du solltest rohe Zwiebeln essen wegen deinem Husten.
Schau in deiner Regenmanteltasche steckt die Milchflasche. Nein, wo ist die
Bratpfanne? Das Kind soll sein Ei jetzt essen! Sollen wir jetzt Schlafen oder
hinaus in die Nacht? Im Vorzimmer muss noch ein Ofen eingebaut werden mit 4
Feuerstellen. Wenn sie nicht auf der Stelle hier heraus gehen, dann spielt die
Axt eine Rolle! Diese Stelle habe ich soeben gewonnen, mit der Unterhose meines
Mannes."
Herr Peusch legt sich auf eine Bank, ich darunter und
wir wollen schlafen. Es ist 10.00 Uhr abends. Um 5 Uhr waren wir wieder wach.
Wir wollen Licht machen. Kein Licht. Eine Mutter stillt ihr 2 Monate altes
Kind. Wo ist mein Mann? Der liegt doch irgendwo. Da muss er doch sein! Ruhe
sonst werden die Kinder wach. Wir vom Komitee sind alle entmutigt, alles fehlt.
Wir spazieren in den Gängen des ersten Stockes und planen, planen. Wo und wie macht man Licht? Da liegt doch
eine Leitung. Einen Elektriker muss man finden. Wo kriegen wir Lampen? Lasst
uns die Uelzecht singen. Wer streitet schon wieder da. Sind wir noch Menschen
oder Klotzköpfe? Die Frauen streiten sich. Wir schließen eine Tür mit Nägeln
und es ist ruhig im Lager.
Am 8. März. Ich bin unwohl. Die Augen brennen mich,
ich habe Schmerzen im Rücken. Herr Peuschs Demarchen zur Auffindung seiner Frau
und Tochter waren erfolglos. Die Männer des Lagers sind auf Holzklauen aus. In
den zerschossenen Häusern baut man ab. Der belgische Dolmetscher bei den Russen
will die Männer einstecken lassen. Ein Jude ist er und will den Russen nicht
weiß machen dass unsere Lage unhaltbar ist. Arbeiter der Faust vereinigt euch.
Ja, nagt alle am Hungertuche. Es ist besser hungern als arbeiten. Welche
Mentalität ist doch diese Auffassung.
Am 9. März ist alles im Lager gesund und voller Hunger.
Ein Russe kommt ins Lager. Er verlangt eine Hose zum Ball. Er will in Zivil auf
einen Ball gehen. Ein Sonntagskostüm oder ich schieße sie alle nieder. Der
Dolmetscher, oder der Russe, wer lügt?
Wir erhalten Nahrung. Brot, Zucker, Marmelade Milch für
die Kinder. Ob wir Suppe bekommen? Die paar Habseligkeiten wurden auf den
schwarzen Markt getragen. Man muss eben essen. Was? Ausgang streng verboten.
Eine gute Frau erbarmt sich meiner. Sie wäscht mir meine Kleider. Ich habe gut
geschlafen, doch jeden Morgen mache ich um fünf Uhr die Runde ob alle noch da
sind. Ich denke an meine Lieben zu Hause. Sollten sie noch da sein oder
vielleicht schon tot? Bin ich nicht vielleicht auch hier schon zum Sterben
bestimmt?
Am Sonntag, den 14. März. Wir machten bei unserm
Dolmetscher eine Anfrage um die Erlaubnis zum Kirchgang zu bekommen. Wurde
gestattet. In Reih und Glied mit der Nationalfahne an der Spitze marschierten
wir den ziemlich langen Weg bis zur Kirche. Die Messe dauerte von 10.15 bis
12.30 Uhr. Weg inbegriffen. Im Lager hatten die unabkömmlichen Frauen ein
Sonntagsmahl gekocht. Bohnen mit Speck. Was ist der Nachbar? (Gemeint ist was
gibt es dazu zum essen?) Schwarzbrot mit
Wasser. Wir sind zu 106 Personen im Lager und nicht eine Person hat soviel,
dass sie sich satt essen kann. Man fängt an schwach zu werden. Um die Stimmung
im Lager zu heben, wollte ich einen humoristischen Abend organisieren.
Deklamationen, Sketsche, Lieder und Musik auf einem Schifferklavier. Abends
schneite es und die Fügung brachte uns 2 Luxemburger Soldaten und einen
Zivilisten ins Lager. Sie erzählten Abenteuer. Der humoristische Abend fiel ins
Wasser. Am anderen Tag war Generalinspektion in den Zimmern. Wir mussten das
Rauchen in den Zimmern einstellen. Herr Mehling wollte seine Frau im Spital
besuchen. Er kam zurück ohne die Frau. Warum? Man hatte der armen Frau die
Kleider im Spital gestohlen und nackt oder vielmehr im Hemd konnte sie nicht
gut über die Strasse. So sieht es im Spital des Sowjet Paradieses aus. O Santa
Simplicitas. Gibt es das noch? Obwohl ich nicht krank sein sollte,
wurde ich es doch. Ich leide an Magenschmerzen und Disenterie. Ich habe kein
Interesse mehr an der Arbeit. Eine Frau kochte mir einen Teller Erbsen.
Umsonst, es wurde nicht besser. Ich setzte mich hin schreibe nach Hause, am 13.
März. Das erste Mal seit dem 28. August 1944. Ob das Rote Kreuz hält, was es
verspricht? Am anderen Tag röstete ich mir Schwarzbrot, trank Kaffee mit Zucker
und ich wurde ein bisschen ruhiger. Wir bekommen heute zweimal Wassersuppe. Die
großen Mädchen sind mit den Kindern spazieren in die Stadt. Wir reklamieren
jeden Tag bei dem Herrn Dolmetscher, dass er unsere Lage verbessern soll. Es
gibt ja Familien unter uns, die Geld, Kleider und Kostbarkeiten besitzen, die
sie in Lebensmittel umsetzen können. Ja, diese Leute sind Egoisten. Sie essen
mit Appetit die Wurst, wo ich mit Appetit mein Brot mit Wasser essen muss. Wir
haben wieder keine Milch für die kleinen Kinder. Nur ein bisschen Mehl. Mehl
mit Wasser ergibt Leim aber keinen Brei. Arme Kinder. Zum Glück konnte diesem
Leim etwas Zucker beigesetzt werden. So ward er doch essbar. Man spricht wieder
von unserer Heimreise. Ich glaube an solche Märchen nicht. Im Nachbarlager das
mit belgischen Flüchtlingen belagert ist, entsteht ein Streit wegen der
Benutzung der Abortanlagen, die ein Herr Steffen aus unserm Lager in Schuss
gesetzt hatte. Klägliches Benehmen von belgischen Militärgefangenen gegenüber
luxemburgischen Familien, die wegen ihrem
Patriotismus umgesiedelt wurden. Der Fall wurde wieder im Guten
beigelegt.
Am 15. März fand Herr Peusch seine Frau und seine
Tochter wieder! Sie kamen zu uns ins Lager. Der Empfang war äußerst Nerven
zerreisend. Sie erzählten unglaubliche Geschichten die ihnen zugestoßen waren.
Von Gewalttätigkeiten der Paradiesmänner gegenüber den Evastöchter.
So vergingen Stunden der Langeweile. Die Kinder sind
mit den großen Mädchen in die Stadt spazieren. Es ist niemand krank im Lager.
Da ein furchtbares Ereignis. Eine gewaltige Detonation bringt alle Fensterscheiben
zum klirren.
Was ist los? Ist eine Bombe gefallen? Aus den
Kellerluken steigt Rauch empor. Es brennt im Keller. Mein Gott, auch noch
dieses Elend. Meinem Wissen nach war der Keller mit Holzsäulen und Baumstämmen
als Luftschutzkeller eingerichtet. Aber nur teilweise. In andern Kellern lagen
nur Gerichtsakten und Papierfetzen bis unter die Decke. In einem anderen Keller
Handgranaten im Falle eines Nahkampfes und Granaten für Haubitzen. Nun hatte
ein Bube Papier angezündet und auf eine Granate geworfen ohne die Wirkung zu
kennen. Glücklicherweise war die Explosion nur im Keller. Aber wehe, wenn das
ganze Lager explodiert wäre, dann wären wir alle im Gleitflug ins Jenseits
geflogen. Ob einer die Gefahr erkannt hatte? Die polnische Feuerwehr rückte ein
und setzte den ganzen Keller radikal unter Wasser. Wir waren beruhigt. Die
Diskussion über den Übeltäter dauerte bis zum Bettgang. Dann war es auf einmal
still im Haus.
Am 16. März war schon sehr früh die Sonne am Himmel.
Einige Frauen rüsteten sich um aus der Stadt zu gehen aufs Feld um Feldsalat zu
stechen. Auch die Kinder waren beizeiten draußen. Ein Elektriker reparierte die
Lichtleitung. Wir schreiben noch einmal an das Rote Kreuz, d.h. nach Hause.
Heute fand ich Gelegenheit ein Whistpartie zu machen. Der Tag verlief ohne
besonderes Ereignis. Die Russen kommen und schlossen die Kellerluken und die
Türen die zum Keller führten. Ein Zugang war nun unmöglich. Jetzt sind wir in
einem Gefängnis. Nicht einmal auf die Strasse dürfen wir ohne Erlaubnis des russischen
Kommandanten. Frische Luft, erst jetzt nicht. Die Exkremente in den
verbarrikadierten Keller taten ihre Wirkung. Es stank fürchterlich im Quartier.
Sogar beim Essen wurde man diesen Düfte nicht los. Sie verfolgten uns überall.
Ein Glück es ist wieder mal Sonntag und wir dürfen zur Messe um 7.30 Uhr. Um
9.00 Uhr und abends in den Segen. Die 9.00 Uhr Messe war organisiert vom
französischen Militär. Als Messdiener figurierten Soldaten und Chorknaben, in
der Trikolorefarbe angezogen. Ein gemischter Gesang sorgte für den gesanglichen
Teil der Messe. Ein französischer Militäraumonier predigte in seiner
Heimatsprache. Bis zum letzten Platz war die Kirche gefüllt. Nach der Messe
gingen wir geschlossen hinter der Landesfahne zum Denkmal des unbekannten Soldaten
und legten dort einen Blumenstrauß nieder. Die luxemburgische Fahne neigte sich
über das Grab und wir sangen die letzte Strophe der Hémecht. Als Führer dieser
Veranstaltung figurierte der Direktor einer Textilfabrik, ein geborener
Franzose. Um 5.00 Uhr nachmittags zogen wir noch einmal geschlossen zur
schwarzen Muttergottes und beteten den Rosenkranz mit sakramentalem Segen. Um
6.30 Uhr kehrten wir ins Lager zurück. Dort wurde nun gesungen und diskutiert,
wie an einem hohen Festtag. Die Gnade der Kirche hatte uns wieder Mut gegeben.
Das war wieder ein Sonntag genau wie zu
Hause, nur der Magen konnte seine Ansprüche nicht befriedigen.
Am Montagmorgen stand wieder alles in guter Gesundheit
auf. Jeder glaubte, heute geht es nach Hause. Aber die Stunden flohen und der
alte Schlendrian der russischen Organisation herrschte unerbittlich weiter. Ich
schreibe auf ein sauberes Blatt alle Namen unseres Lagers auf und opferte diese
Liste mit einem Obolus der Schwarzen Muttergottes mit der Bitte um baldige
Hilfe.
Ein Mitglied unseres Komitees suchte sich Zugang zu
dem polnischen Schwarzsender Tschenstochau, um die Neuigkeiten des Tages zu
hören. Er stenographierte die Neuigkeiten. Im Quartier wurden sie übersetzt und
durch Anschlag den Lagerinsassen bekannt gegeben.
Wir mussten wieder heute eine Reklamation einreichen
wegen ungenügender Nahrung. Es wurden alle Mitglieder des Komitee und die
Stubenkältesten der verschiedenen Zimmer zusammengerufen. Es werden neue
Befehle ausgegeben. Alles wurde verboten. Das Rauchen, die Wäsche im Zimmer zu
machen, die Kleider zu bürsten, Schuhe zu wichsen, zu baden usw. Herr Peusch
der Vorsteher des Komitees hatte eine heftige Auseinandersetzung mit dem Herrn
Maurisso, dem Dolmetscher der für uns eintreten soll. Nun auf einmal rückte er
zur Tür herein, dass das ganze Lager den Herrn Doktor passieren muss. Die
Nacktparade wurde am Nachmittag abgehalten von einem russischen Doktor in
Begleitung einer Doktorin. Das Resultat war befriedigend. Kein Mensch krank,
nur voller Ungeziefer. Wer lacht da? Ja, diese Tierchen rückten Kompanieweise
in jedes Lager. Am meisten waren behaftet die Soldaten mit ihren Uniformen. Es
lief das Gerücht im Lager um, die
Belgier, unsere Nachbarn im Lager müssten abhauen. Die Reiseliste läge schon
auf. Wir versicherten uns über dieses
Ereignis. Es war Tatsache. Am 23. März verließen sie uns. Wohin, weiß ich
nicht! Sogar der Dolmetscher, der immer ganz hell sein wollte, musste mit dem
Kopf schütteln und sagen "Inconnu." Wir hoffen, dass nach dem Militär
auch die Zivilpersonen repatriiert werden.
Wir ziehen um. Wir bekommen 3 Zimmer mehr und die
Leute konnten sich verteilen. Auch belegten wir ein Zimmer mit Junggesellen. Es
hatte schon seinen Zweck. Ich belegte das Büro mit zwei anderen Herren. In
diesem Büro wurden alle Pläne gefasst, die Nachrichten übermittelt und das
Ravitaillement verteilt. Ich erhielt am 23. März Post aus Lublinitz von Frau
Pyka. Bei ihnen soll alles gut gehen. Bei ihnen soll alles gut gehen. Es ist
der erste Tag, wo ich gut geschlafen habe. Ich schlief auf einer Pritsche von 4
Brettern und einem Holzklotz als Kopfunterlage. Wir haben heute eine gute Suppe
erhalten mit viel Fett. Guten Appetit hatten wir alle. Wir haben die Leitung
der Ernährung selbst übernommen. Es klappte besser. Wir haben auch Zuwachs
bekommen. 21 Österreicher sind zu uns ins Lager gekommen. Ausgehungert und
abgemagert. Sie kamen aus dem KZ Lager. Nun hat die Menage sich vergrößert, wir
sind bereits 150 Personen. Der Frühling zieht so leise ins Land. Alle sind
ziemlich guter Dinge und essen wie die Löwen. Es kommt ein französischer Arzt
ins Lager. Es wird wieder von der Heimkehr gesprochen und ein jeder kommt mit
seinen Mutmaßungen zu Wort. Alles ist besonders froh, dass die Belgier uns
verlassen haben, besonders der Dolmetscher Maurisse aus Bruxelles. Ein Egoist
und Hochstapler erster Güte. Wir wünschen alle ein vergelte Gott in der Heimat,
wenn nur möglich. 4 belgische Zivilisten sind noch bei uns. Diese haben von den
Schlechtigkeiten eines Dolmetschers keine Ahnung. Die Gelegenheiten der
Ruhepausen in den Zimmern werden ausgefüllt mit Kochen von Brei, Eier,
Pfannekuchen, Milch, Zwiebelsuppen und dergleichen. Die meisten Stuben sind
jetzt sehr häuslich. Alle haben sich einen Ofen gebaut mit Ziegel und Lehm. Zum
Kochen von kleinen Mahlzeiten genügen sie vollauf. Es fehlt nur an den Zutaten
und die sind alle auf dem schwarzen Markt zu haben.
Am 25. März ist Feiertag. 70 Personen bekommen
Erlaubnis um zur heiligen Messe zu gehen. Da zieht der Krankheitskeim ins
Lager. Bei dem Appell am Morgen meldet Herr Steffen aus Betzdorf, dass sein
Sohn krank sei. Er musste sofort einen Arzt aufsuchen. In der Umsiedlung hatte
Herr Steffen seine Frau begraben. Ein Elend folgte dem anderen. Das Resultat
fiel ungünstig aus für den Sohn. Er wurde ins Spital überwiesen.
Man spricht schon wieder von der Heimfahrt. Wäre es
doch nur so weit. Montag den 26. März erreichte uns eine zweite Überraschung.
Wir schreiben uns ein in die Transportliste. Juchhe. Wer lacht da? Im
Nebenzimmer ist ein Kind schwer krank. Sofort zum Arzt. Als dieser kam war es
schön reichlich spät. Dem Bericht des Arztes zufolge: "Doppelte
Lungenentzündung". Um 10.45 Uhr ist das Kind im Herrn entschlafen. Ein
Engel im Himmel. Die Schwierigkeiten die durch diesen Sterbefall entstanden
waren nicht so einfach. Die Russen, das sind Menschen, die sehr sehr wenig
Notiz von einem Lebenden nehmen noch viel weniger von einem Toten. Sie kamen
zur Besichtigung der Leiche. Ob zu diesem Zweck glaube ich kaum, denn sie gaben
Befehl 4 Frauen sofort in die Büroräume der Kommandantur waschen zu kommen. Nun
begann unter den Frauen ein heftiger Wortwechsel und beinahe Streit. Keine
wollte gehen, wohl wissend worum es ging. Schließlich nahmen die Ältesten sich
den Mut und gingen hin. Die Russen wollte sie fortjagen. Diese ließen sich aber
nicht. Sie leisteten auch da Widerstand. Nix podimai.
Heute bekommen wir auch wieder Milch für die Kleinen
unter 3 Jahren. Leider nicht genug. Sie sollte ausreichen für 2 Tage. Als
Ravitaillement Erbsen, Bohnen und Schweinehaxen. Die italienischen Soldaten,
ein paar Hundert haben uns auch verlassen. Schade die Polenta war so gut! Wir
träumen auch immer von der Abfahrt, aber nein. Die Österreicher haben den
Befehl bekommen das Quartier der Italiener zu reinigen und dann auch ihre
Abfahrtsliste zu unterschreiben. Einige Italiener, die nicht transportfähig
waren, blieben mit einem Major zurück.
Am 27. März machten wir die nötigen Schritte zum
Begräbnis des verstorbenen Kindes. In der Küche sollten Frauen Pfannkuchen
backen. 70 Eier haben wir erhalten für die ganze Menage. 150 Mann! Jeder
erhielt ein halbes Ei. Man machte ein Schleimsuppe dazu und schwarzes Brot.
Der Fall Steffes ist noch immer stationär. Der
Dolmetscher Tunik der Litauer ist auch nicht auf Draht. Ihm sind noch keine Kinder gestorben und bei
ihm war auch noch keiner krank. Komisch, alle Menschen sind Egoisten. Wenn es
mir nur gut geht. Was kümmert mich die anderen.
Um 7.00 Uhr Abends kamen die Russen wieder und
verlangten Frauen zum "Reinigen". Wieder derselbe Zody. Niemand
wollte gehen. Die 4 ältesten Frauen des Lagers gingen wieder. Das Resultat: am
nächsten Tag mussten alle Männer in ein Lager arbeiten gehen. Morgens gingen
sie fort und abends kamen sie wieder. Das nennt sich Befreier. Wir nennen das
anders bei uns. Bei uns nennt man solche Diktatoren Bestien! Arbeite, wenn du
von Magerkeit die Knochen zählen kannst! Wenn du nicht einmal ein Stück Seife
bekommst um dich sauber zu waschen. Was wollt ihr, ihr Luxusmenschen? Nehmen
sie Sand statt Seife, scheuert großartig! Es ist wahr. Endlich wurde der Sohn
Steffes ins Spital überführt. Der Arzt verordnete, dass das Zimmer sollte
desinfiziert werden. Ursache unbekannt. Abends um 7.00 Uhr kommen die Männer
von ihrer Zwangsarbeit zurück. Übermüde und hungrig. Wo aber ist das
Abendessen. Ein Holländer hat sich bei uns gemeldet. Ob einer mehr hungert oder
nicht, ist nicht so wichtig!
Am 29. März stellten wir den Sarg mit dem toten Kind
im Büro auf den Tisch. Wir schmückten ihn mit Blumen. Ein weißes Kruzifix aus
primitivem Holz mit dessen Geburtsdatum und Namen, Nationalität usw. am
Kopfende des Sarges.
Um 3.00 Uhr sollte das Begräbnis sein. Ich hatte an
diesem Tage einen außergewöhnlichen Schnupfen. Herr Schoettert aus Wiltz klagt
über Magenschmerzen. Er hatte sich überarbeitet. Ein Gewebebruch wird
wahrscheinlich sein. Man ist auf der ganzen Linie entmutigt. Herr Steffen will
seinen Sohn im Spital besuchen, kommt aber nicht zu ihm. Die Russen haben es
streng verboten. Gebe der liebe Gott dass wir doch schnell befreit werden. Kann
man sich solch ein Elend vorstellen? Keine Ahnung, keine Kleidung, kein Geld,
keine frische Luft, nicht einmal sauberes Wasser können wir bekommen. Als
Ursache sagt der Dolmetscher: "Transportschwierigkeiten!" Dann
sollten sie uns nur sagen: Geht nach Hause, zu Fuß." Wir wären schon lange
alle zu Hause.
Am 30. März um 10.00 Uhr war das Begräbnis des
verstorbenen Kindes. Die Franzosen im Nachbarlager sandten eine stattliche
Delegation Leidtragende. Der Priester sollte die Leiche im Büro, vor dem
Verlassen des Lagers segnen, das wurde aber von den Russen strengstens
verboten. Wir mussten die Leiche bis auf die Strasse tragen. Interessant.
Kulturträger des Ostens. Um 5.00 Uhr am nachmittags wurde auch ein Kind aus dem
französischen Lager begraben. Eine Delegation aus unserem Lager nahm am
Begräbnis teil. Eine luxemburgische Familie stellte sich ein - 4 Personen!
Unser Daktylograph Herr Schmit aus dem Luxemburger Lager ist plötzlich
erkrankt. 40°C Fieber. Sofort zum Arzt. Nach dessen Aussagen besteht aber keine
Gefahr. Die Familie Duhr aus Esch-Alzette, dessen Kind heute Morgen auf den
Friedhof von Tschenstochau getragen wurde, dankt dem Komitee und dem ganze
Lager für die erwiesenen Beileidskundgebungen. Ein zweites Kind soll auch krank
sein. Doch der Herr Doktor sagte dass es bloß eine Erkältung sei. Der Tag
verlief ziemlich aufgeregt und am Abend entwickelte sich noch eine heftige
Auseinandersetzung auf politischer, internationaler Linie.
Am Samstag, den 31. März ist im Lager alles ziemlich
besser, nach Aussagen des Arztes. Ein Belgier, der sich als Doktor ausgab
wollte alle Insassen verdummen und prellen. Er hatte aber nicht die richtige
Adresse gefunden. Wir stellten fest dass der Mann an Nervenkrisen litt. In
Bezug auf Verpflegung hatten wir heute besonderes Glück. Wir bekommen
Kartoffeln zum Mittagessen und abends Rindfleischbrühe. Abends schälten die
Frauen die Kartoffeln, doch erst für den anderen Tag.
Dann ist das hohe Osterfest. Die Nachrichten aus der
Kampffront sind ziemlich günstig und wir legen uns zufrieden aber nicht ganz
gesund zur Ruhe. Ich leide noch immer an Erkältung. Ich habe keine Nachtruhe,
weil die Wärme fehlt. Ich bin um 4 Uhr schon wieder auf den Beinen. In den
Strassen bellen die Maschinengewehre und auf den Bergen die Kanonen. Man feiert
in Polen die Auferstehung des Heilandes. Wie sollen wir uns zu Ostern freuen.
Abtötung, Entsagung, Kreuz tragen das war am Auferstehungstag unseres Erlösers
unser weltliches Los. Wie es im Himmel gewertet wird? Ich requirierte Männer
zum Holzsägen für die Küche. Um 8.00 Uhr gingen wir zur Messe und nach der
Messe besuchten wir den schönen Kreuzweg, der ich mal erwähnte. Zum Mittagessen
gab es nur Kartoffeln, aber reichlich. Eine Tasse Brühwürfel leistete ich mir
aus meiner eisernen Reserve. Nach dem Essen gewöhnliche Siesta. Der Tag verlief
in sonntäglicher Ruhe.
Murges fréh et ass sechs Auer
T'Klak déi laut an t'Kirch fir
t'éischt.
Den Hunn dé kréit schon op der Mauer
Dobausse rént et all sei bescht
t'Bâachen lâfen iwer t'Strôssen
Den Himmel dén ass äschegro
Haut sin ech esou verlôssen
Woumat verbrengen t'Zeit elo?
t'Langweil léiert allerhand
Villes wât én net gewuest
Dach um Sonndeg, am ganzen Land
Am Gebied sicht, Krâaft an Trouscht.
All Mönsch op reich op ârem
Dé Gott als Schöpfer unerkennt
Wann net, da Gott erbârmen
Gott stéi em bei, beim leschten End.
An der Kirch bei de Gebieder
Denken ech un dech dann ömmer
Un t'Léd un t'Suergen, och schéin
Wieder
Un t'Frâ, un t'Kand, an un Gesönner.
Léiwer Härgott loss et rénen
Loss schengen och deng prächteg Sonn
Stöll der Menschhét all hiert
Dréemen
Féier ons an t'Himmelswonn.
Loss deng Geissel net ons fillen
Wou muncherén du wéss, ass schold
All Wonnen hellef du ons killen
O schenk ons alleguer Gedold.
Loss am Gebied, den Dâg vergoen
Schenk ons eng klor a frëndlech
Nuecht
All deischter Wolleken verjoen
Deng Engele, loss stoe Wuescht.
Loss deng Kanner, déif am Glâwen
Léier ons wéi t'Kanner sinn
Loss de Mönchen, all déne Brâwen
Als Hémecht dann, den Himmel gin.
Montag den 2. April ist Frühmesse. Ausgang für alle
die wollen. Ich beschäftige mich in der Küche beim Ofen. Ich fühle mich
furchtbar kalt. Die Arbeit, die Aufregung, die Wut die wir haben über die
Unordnung der russischen Organisation hält mich noch auf den Beinen. Da spricht
man mit uns. Eine Kommission soll unser Lager besichtigen kommen. Wann? Ich bin
außerordentlich müde. Doch ich muss meine Wäsche machen. Alle Taschentücher
nass vom Schnupfen. Die Unterwäsche vom auf dem Boden liegen beschmutzt.
Sauberkeit muss doch sein. Heute stelle ich fest, dass ich zum Quartier einer
Legion Kleiderläusen geworden bin. In die Nähte der Unterwäsche hatten sie sich
eingenistet. Es ist unerhört, dass wir nicht einmal die Gelegenheit bekommen
uns zu waschen. Die Menschen werden wie die wilden Tiere behandelt. Nicht wie
die zahmen, die werden wenigstens noch gefüttert und gepflegt. Uns fehlte
gerade alles. Montag. Wir gehen um 7.30 Uhr in die Heilige Messe, bestellt von
den Eltern des verstorbenen Kindes Duhr. Es war zur gleichen Zeit Gelegenheit
zur Osterbeichte. Ich hatte Pech. Ich bin erkrankt. Draußen regnet es in
Bindfäden. Zur Erfüllung meiner Osterpflicht als Katholik musste ich ein
späteres Datum festsetzen. Zufällig erhielten wir, anstatt eines Esslöffels
voll Zucker, heute einen Esslöffel voll Sirupmarmelade zum Brotaufstrich. Die
Menage ist wieder an Stärke angewachsen. 2 Holländer und einige Belgier sind
als Kostgänger oder als Hungerleider mehr im Lager. Die erwartete Kommission
lässt noch immer auf sich warten. Am Nachmittag war wieder strenges
Ausgehverbot. Unsere Köchin macht mir strenge Vorwürfe, weil ich austeilen
ließ, bevor sie aus der Stadt zurück war. Wenn Hunderte hungern und nach Essen
rufen, warum dann auf einen Einzelnen warten, wenn die Zeit zum Essen da ist.
Das sehe ich gar nicht ein. Ein alter Kämpe wie ich kann doch nicht nach
Frauenideen handeln. Die Nacht bricht herein und mit ihr wieder erlösender
Schlaf über allem Leid und Trübsal. In der vergangenen Nacht träumte ich so
schön von zu Hause. Alles war gesund und zufrieden. Doch welch ein Unterschied
zwischen Traum und Wirklichkeit.
Am 4. April schreibe ich einen Brief an die Familie
Pyka in Lublinitz, dass ich noch immer in Tschenstochau sei und sonst noch
allerhand Blödsinn aus Langeweile. Die russische Kommission hatte uns auch
gefoppt. Kein Mensch kam. Nur ein Weib, das sich als Doktorin ausgab, besuchte
die belegten Zimmer und kritisierte die Mängel. Nicht aber die Mittel um diese
Mängel zu beheben. Kann man überhaupt verlangen dass ein Nackter seine Taschen
säubert? Lächerlich, aber die Wirklichkeit ist so. Womit kann ich etwas tun,
wenn ich überhaupt nichts habe? Kaufe dir einen Sack zum Aufputzen und du hast
kein Geld. Sollte man nicht solch eine Mentalität von einem weiblichen Doktor
auf die Vorderspitze nehmen und bis über die Strasse hinweg schmeißen. Da geht
einem aber der Hut hoch, nicht wahr? Oder haben wir etwa keine Nerven. Steige
auf einen Baum in einem Schlafzimmer. Die reinste Utopie. Der reinste Blödsinn.
Der Fall wurde gebucht. Verpflegung 1a nach russischer Auffassung. Die
Junggesellen im Lager stahlen irgendwo Kartoffeln. Sie schälten sie und wollten
sie kochen. Doch wo? In der Küche war die Gelegenheit entdeckt zu werden zu
groß. Wir schoben das Kochen auf bis zum anderen Tag. Geschält wurde
Turnusweise in den verschiedenen Kammern. Wir freuen uns auf Morgen. Morgen
sollen wir wieder einmal voll satt werden. Heute Abend Pot au feu à la
Française. Lauf dich warm dann bist du warm.
Der Sohn Steffes ist noch immer im Spital, sonst ist
alles in Ordnung.
Am 5. April begann es mit Sabotage der Arbeit auf der
ganzen Linie. Um 7.00 Uhr morgens schon streikte unsere Köchin. Der Herr Dolmetscher
ist verrückt. Ich habe die Verantwortung für die Menage und ich will absolute
Ordnung. Auf mich regnete ein Hagel von Schimpfwörtern und Reklamationen. Ich
drehe den Rücken und verschwinde im Schuppen... was sich Küche nannte. Für
diesen Moment bin ich alles. Komiteemitglied, Koch, Heizer, Aufseher und alles
was man tun muss um die Stange auf der Höhe zu halten. Ich verfahre nach den
Prinzipien meiner Militärerfahrungen als Koch in der Küche. Absolute
Gerechtigkeit, einer für alle. Ich nehme die Führung der Küche und die Arbeit
über mich. Ich wünsche allen einen guten Appetit. Ich suche mir einige Gehilfen
aus, die willig und folgsam sind. Das bisschen das wir erhalten soll gut und
sauber zubereitet werden. Wir erhalten jeden Tag Dörrgemüse nach Belieben. 5 -
6 Kilo Graupen und 50 Gramm Fleisch pro Tag und Kopf der Menage. Die
Zubereitung ist etwas schwierig. Für so viele ist das nicht so einfach. Zuerst
wird das Dörrgemüse, was ein Gemisch ist von weißen, roten und gelben Rüben,
Petersilie, Mangold, Sellerie, Lauch, Poretten, Kerbel, Kohlrabi und
Runkelrüben, eingeweicht, bis zum zweiten Tag. Dann wird das Gemisch von
untauglichen Substanzen wie Kohlrabi, Runkelrüben und roten Rüben befreit. Der
Rest sauber gewaschen und sehr fein gehackt. Mit dem Fleisch, was in kleine
Würfel geschnitten wurde, gar gekocht. Eine halbe Stunde vor der Mahlzeit
kommen die Graupen als Zutaten hinzu und man läst dies dann noch eine halbe
Stunde gut kochen. Es wird so eine appetitliche Suppe. Der erste Versuch lobte
schon den Koch und jeder löffelte seine Suppe mit gutem Appetit. Der Tag
endigte mit einem Geschützfeuer der Flak bis 11 Uhr abends. Wir mussten
natürlich alles verdunkeln. Luftschutzkeller gab es nicht. Also, guten Mut,
wenn es sollte zum Sterben kommen. Ein Transport von 34 Franzosen stellte sich
noch bei uns ein. Die deutschen Juden, die bei uns waren sind abgehauen. Wohin,
weiß ich nicht! Ich arbeite wie ein Vieh und ich weiß im Voraus: "Ich habe
keinen Dank." Die Lagerinsassen sind durch die rauhe Schule der Umsiedlung
gegangen und sie kennen keinen Dank mehr. Es sind einige dabei, aber die
meisten sind zu egoistisch veranlagt, um sich erkenntlich zu zeigen. Der
litauische Dolmetscher der Luxemburger, Tunik, hat sich beruhigt. Er glaubte
auch noch an den heiligen Nikolaus. Nein. Ohne Fleiß keinen Preis und man soll
im Leben nie sich auf die Heinzelmännchen verlassen. Man soll und muss im Leben
recht walten lassen, wo Recht hingehört und nicht einseitig parteiisch. Die
Beruhigung des Dolmetschers brachte uns Wurst in die Küche.
Am 8. April war wieder Sonntag. Wegen Unwohlsein
musste ich das Ausgehen aufgeben und beim Feuer bleiben. Im Namen Gottes fing
ich also mein Tagewerk an, und alles
Werken am Tage war zu seiner Ehre. Doch
am Nachmittag spielte sich eine unangebrachte Szene ab, die nicht hätte
vorkommen dürfen. Die Sache lag so: Die Russen bringen uns zum Kochen Holz,
Tannen und Fichtenstämme mit 70 bis 8o cm Durchmesser. Um nun die Stämme
durchsägen zu können mussten wir eine große Baumsäge haben. Durch Zufall hatten
die Italiener im Nebenlager solch eine Säge requiriert. Alle Tage in der Woche
war die Säge nicht für uns in Tätigkeit. Sonntags war niemand da um zu
arbeiten. Ich ging hin und lieh die Säge zum Vorteil von unserer Küche. Ich
glaube mit einer größeren Säge arbeitet man besser als mit keiner, oder einer
kleinen bei solch schweren Stämmen. Ich ordnete nun, wegen Mangel an
Brennmaterial, einige Lagerinsassen zum Holzsägen an. Mit einigem Quint
Überlegung, hätten sie die Sache verständlich gefunden. Aber ihr Verstand
reichte nicht so weit. Das eigene Wohl und das Wohl ihrer Leidensgenossen
kümmerte sie sehr wenig. Sie verweigerten nun meine Anordnung durchzuführen.
Ich zog die Konsequenzen, teilte Ihnen aber mit, dass ich persönlich kein
Interesse daran hätte, ich möchte aber nicht alle Lagerinsassen ohne Essen an
dem Tage lassen. Das sahen einige ein und sie meldeten sich freiwillig zum
Holzsägen. Auf einmal sprang ein überhitzter Egoist und Wichtigtuer dazwischen,
riss den Arbeitern die Säge aus der Hand und warf sie in weitem Bogen in den
Hof und ging ohne ein Wort zu sagen auf sein Zimmer. Der italienische Koch, der
diese Szene sah und verfolgt hatte, kam zu mir und reklamierte die uns
geliehene Säge zurück.
Ich war in dem Moment als dies alles geschah nicht
zugegen, als die Säge und die Männer verschwanden und war ganz erstaunt die
Geschichte zu erfahren. Ich ging sofort ins Zimmer und stellte die Männer zur
Rede, ob sie noch ein Gewissen, Ehrgefühl und Nächstenliebe hätten. Einer von
den Männern wurde sogar auf diese meine Bemerkung handgreiflich und es sollte
zu einer Schlägerei kommen. Ein älterer Herr aus Mamer ergriff sogar noch
Partei für die Angreifer. Der Klügste gibt nach. Ich zog mich vom Kampffeld
zurück und wandte mich mit dem Bericht der Lage an das Komitee im Lager. Das
Komitee rief nun sämtliche Zimmerältesten zu einer Sitzung zusammen und nun
wurde über mein Verhalten in dieser Angelegenheit abgestimmt. Da ich selbst
Mitglied dieses Komitees war, reichte ich meine Demission ein und ordnete die
Wahl eines neuen Komitees an. Es kam zur Abstimmung. Diese Auseinandersetzung
überzeugte mich, dass eine Nächstenliebe im Lager nicht bestand und es tat im
Herzen sehr weh. Ich glaubte in diesem Moment, es könnte so was nicht möglich
sein. Wir waren ja alle im selben Lager, im selben Elend und wo galt es einer
für alle und alle für einen. Hier war es genau das Gegenteil. Alle wollten mich
beseitigen, weil ich diese Arbeit angeordnet hatte. Nicht, weil es Sonntag war,
nein nur weil kein Kleinholz da war und ich das hätte selbst besorgen sollen.
Der Leser soll hier verstehen. Ich bin allein und soll für 203 Personen kochen
und die anderen 202 legen sich aufs Ohr und treiben Kurzweil. Ich stehe draußen
im Hof in der Kälte und opfere meine Gesundheit für 203 andere Leidengenossen
und sollte dafür noch Schläge bekommen. Denke nur nicht mehr katholisch:
"Wer nichts arbeitet soll auch nichts essen." Ich verwerfe den
Gedanken. Nein, du hast die Arbeit ja freiwillig übernommen nun schau zu, dass
das alles was du tust auch gut gemacht wird. Eine Kameradschaft im Lager gab es
überhaupt nicht. Die Geschichte hatte soviel Ärger erregt, dass ich fast nicht
mehr an eine Verständigung glaubte. Am Abend klärte sich die Lage. Am Abend
wurde das Komitee aufgelöst und von den Stubenältesten stimmten 36 für das
Beibehalten meiner Person im Komitee und 42 für meine Beseitigung.
(Hier möchte ich den in Französisch geschriebenen
Originaltext, den Albert tagtäglich in seinem Tagebuch niederschrieb, und
diesen selber wieder ins Deutsche übersetzte, wortwörtlich und ohne Korrekturen
wiedergeben.)
.....Pendant la soirée
ils ont m'expulser du comité. 36 voix pour moi et pour mon adversaire 42. Je
m'en fiche. Alors le comité m'a voté comme chef de cuisine pour me donner
satisfaction. Mais j'ai refusé de cet
avantage. J’étais un peu trop sévère. Mais ça fait le vieux soldat qui coule
dans mon sang. Justification et propreté avant tout. Le bavardage des femmes
dans les couloirs me fiche. Je veux marcher le chemin droit pour la bonne cause
des Patriotes. Un jour ou l'autre je peux prendre revanche à ces cafards?? Qui
sont égoïstes et connaissent seulement leurs intérêts !
Lundi 9 avril - A cinq
heures debout. Je prépare la soupe pour 203 personnes
J'ai touché 2
douzaines de boites de conserve... la soupe était bonne toute la
journée... la fumure aux fenêtres me
surveille, mais des observations de leur part sont mal placé. Tout va bien mais
je suis fatigué et je suis toujours enrhumé.......
Danke meine Herren, ihr habt euch in diesem Moment den
Stempel der Unverfrorenheit im Leben aufgedrückt und ich wundere mich über
nichts mehr. Allen die mir ihr Zutrauen schenkten, meine innigste Anteilnahme
an ihrem Leid.
Um mich aber nicht ganz zu entmutigen und mir
wenigstens eine Mission zu geben, im Lager nützlich sein zu dürfen, stimmten
sie mich als Küchenchef in der Küche. Das heißt, Koch, Heizer, Schornsteinfeger
usw. Gerechtigkeit ist in meinem Leben immer ein Schlagwort gewesen. Ich dankte
mit kurzen Worten für den Entschluss der weisen Männer und war gespannt wer
denn jetzt die Anordnungen und Befehle ausgeben täte. Die Frauen tuschelten
natürlich über den weisen Rat ihrer Männer, lobten die getane Arbeit und dabei
blieb es.
Ich kochte also am 9. April für 203 Personen das
Mittagsmahl. Ich erhielt 24 Dosen Konservengemüse zur Zubereitung. Angenehm.
Einige Frauen schämten sich nicht und sahen zum Fenster hinaus meinem Treiben
zu und spöttelten: "Soll der das fertig bringen?" Sie hatten keine Ahnung
von meinen Fähigkeiten als Koch aus meiner Militärzeit sonst hätten sie sich
diese Mühe der Verspottung sparen können. Alles geht in Ordnung. Ich war zwar
abends hundsmüde, aber ich habe die Genugtuung. Diesen Tag hast du dich
gegenüber 202 Personen recht nützlich gemacht. Recht vor allem. Gott soll mir
helfen.
Am 10. April verabschieden sich die 34 Franzosen von
uns und am 11. April kommen 27 andere an die Stelle. So war es stets... Kommen und Gehen.
Die Mittagssuppe ist heute sehr mager. Ich bin krank
und ich muss mich legen. Die Frau Heinricy kocht mir eine Tasse Tee, mit einer
Aspirin. Ich trinke und schwitze die Krankheit heraus. Man hatte mich im
Schlafe gut zugedeckt. Sonst wäre das aber nicht der Fall gewesen. Das einzige
was mir noch Sorgen machte sind die Gedanken an zu Hause und die Ernährung der
Lagerinsassen. Die Gedanken was essen wir morgen und man hat nichts ist immer
ein komisches Gefühl. Die Spannung und der Hunger haben einen Familienvater
Anlass gegeben zum Fenster hinaus zu springen um in die Stadt zu kommen um
Nahrungsmittel zu kaufen. Er fiel aber so unglücklich, dass er eine
Fußverstauchung davon trug. Er musste von heute an mit dem Reisestab
marschieren. Das Springen war ihm vergangen. Ein Holländer hatte auch versucht,
der trug aber einen Beinbruch davon. So war das Leben im Lager. Waren wir
Russlands Feinde oder Russlands Freunde? Das war schwer zu sagen. Man konnte
eben nicht verstehen warum wir interniert waren. Die Not und der Hunger trieben
das Volk bis aufs Äußerste.
Am 12. April wurde ein junger Franzose begraben und es
wurde auch eine heilige Messe für ihn gelesen. Man sprach im Lager wieder von
einer Abreise, aber wie oft wurden wir schon in dieser Hinsicht belogen. Wir
haben jetzt auf unserm Stockwerk ein funktionierendes WC. Dasselbe ist der
meistbesuchte Ort des Hauses. In Reih und Glied stehen wir zu 20, 30 und
manchmal 50 um diesem Örtchen die Honneurs zu machen. Da redet man in allen
Sprachen. Doch die Bequemlichkeit wird vielleicht nicht lange dauern.
In der Nacht vom 13. April habe ich von meinen Söhnen
von zu Hause geträumt. Sie waren so guter Dinge. Wir haben zusammen gespielt.
Ich weinte vor Freude und bin über diesem Weinen erwacht. Wie ist doch die
Wirklichkeit so ganz anders. Wann, wie und wo soll und kann ich das tun? Man
sieht bis heute noch kein Zeichen, dass die Russen es Ernst meinen uns
überhaupt nach Hause zu schicken. Die allgemeine Lage ist sehr schlecht. Einmal
am Tage eine schlappe Suppe. Brot ja davon haben wir genug, denn die 200 Gramm
pro Tag die sind noch zuviel denn das Brot ist so schlecht und so lange
gelagert, dass es schon mit Grünspan bedeckt ist. Die 50 Gramm Fleisch sind mit
dem Knochen ja nicht nennenswert und die Hälfte davon verbrenne ich im Feuer in
der Küche, weil es einfach nicht genießbar ist,
halb in Verwesung. Die Verantwortung einer Vergiftung der Landsleute
durch ungenießbares Fleisch will ich nicht übernehmen. Alle Reklamationen bei
den Russen halfen nichts. Sogar die Reklamation eines russischen Arztes war
überflüssig. Ja, dann muss man sich eben selbst helfen. Wenn man hungrig ist,
isst man so ziemlich alles. Aber faules Fleisch. O nein, dann lieber Gras
essen. Zum ersten Male bekamen wir einmal heute Kaffee zum Kochen.
Wahrscheinlich zur Trauerfeier des amerikanischen Präsidenten Roosevelt der
heute am 13. April gestorben ist. Der Zwist zwischen unseren Dolmetscher im
Lager ist noch nicht geklärt. Ich weiß nicht wo die Ursache liegt. Ich komme zu
dem Entschluss und frage mich, wo geht man in dieser Welt noch einen
rechtschaffenen Bürger suchen?
Die Nachricht dass wir fort sollen ist wieder eine
Lüge. Wir sind noch immer hier. Man sagt morgen! Morgen, morgen, nur nicht
heute sprechen alle trägen Leute. Wir fourragieren Lebensmittel für 2 Tage. Es
gab Suppe und am Nachmittag Kaffee. Besser einmal satt wie zweimal hungrig.
Sonntag den 15. April. Jedermann hat seinen Sonntag.
Ich aber nicht. Ich opfere die Arbeit des Tages zu Ehren Gottes und bitte Gott
um Verzeihung meiner Sünden. Ich bin noch immer krank. 205 Personen aber warten
auf Beköstigung. Sie warten. Nicht einer oder zwei haben den Mut meine Stelle
zu übernehmen. Ich muss allen dienen, aber zuerst meinem Gott. Und mit ihm fang
ich jeden Tag an. Dann folgt der Dienst am Nächsten. Nachmittags setze ich mich
in die Sonne im Hof. Sie schien so schön warm in eine Ecke. Ich habe schon
lange diesen Wunsch gehegt. 'Einen Platz in der Sonne'.
Nun denke ich an meine Lieben zu Hause. Sie sind
bestimmt in dieser Stunde in der Kirche, in der Vesper und singen das
Magnifikat. In Gedanken bin ich dabei: "Et exsultavit spiritus meus".
Beschütze mich Gott und schenke mir die Gnade dass ich meine Lieben zu Hause
gesund wieder finde. Bewahre mich und meine Landsleute vor allem Elend. Das
Alleinsein wird mir immer wieder zur Andacht und zur Lobpreisung unseres
Schöpfers.
Montag, den 16. April. Ich habe eine ruhige Nacht
verbracht. Ich bin um 4 Uhr aufgestanden und verrichte im Hof spazieren gehend
meine Morgengebete. Um 5.30 Uhr ging ich zur Küche und fand dort Herrn Mehling
aus Kayl. Er bot sich mir an, zu helfen. Ich bin schwach und alle Glieder
schmerzen mich. Ein schrecklicher Husten hat sich eingestellt. Ich glaube es
wird mir schwer werden noch einmal die Heimat wieder zu sehen. Im Moment haben
wir keine Lebensmittel und kein Holz zum feuern. Diese Situation dauerte bis
Mittwoch, den 18. April. Die Zwischenzeit wurde mit Flohfangen und Wanzentöten
ausgefüllt. Um 4.30 Uhr bin auf der Stelle. Wasche mich von Kopf bis zu Fuß.
Dann bereite ich das Frühstück. Kaffee mit Saccharin und Brot. Mittags ein
richtiger Eintopf. Kartoffeln, Fleisch und Graupen. 203 Personen aßen sich
wieder einmal satt. Die Junggesellen im Lager, die die Russen zum Arbeiten in
den Wald verpflichtet hatten, sind wieder zurück. Wir hätten sonst kein Holz
zum Feuern bekommen. Es rollt ein Camion mit mehreren Stämmen in den Hof. Die
Russen sind verdammt komische Leute. Jede Stunde ändern sie ihre Befehle. Ich
glaube, ganz gescheit ist der Durchschnittrusse nicht und dass er sehr oft der Sklave seine Einfälle ist.
Anders kann ich mir diese Wirtschaft nicht vorstellen. Keine Ahnung von einer
überlegten Planung.
Die Burschen brachten die ersten Veilchen mit ins
Lager. Draußen erwachte der Frühling. Die Frauen, die ausgehen dürfen, kommen
mit Löwenzahnsalat ins Lager. Verdünnte Essigessenz und eine Zwiebel, dazu ein
Stück Schwarzbrot, ja das schmeckt. Man hat Mangel an Vitaminen. Alles Grüne,
soll rein. Was war los heute. Man gab uns Schinkenfleisch zum Abendessen.
Vielleicht haben wir das unserm Landsmann Bley zu verdanken, der als Interprête
zugleich als Fourrier auftritt. Der litauische Dolmetscher hat seine Rolle
soweit ausgespielt. Herr Bley kam aus dem KZ und hatte dort bei einem Professor
gesessen und russisch gelernt. Im Lager lernten andere, aber Jagd auf Wanzen
machen. Man sucht nach einem Allheilmittel.
Am 19. April regnete es in Strömen. Ich zerriss meine
Hose beim Arbeiten und musste beide Hosenbeine am Knie abschneiden um wieder
passend zu sein. Ich habe zur Abwechslung heute Zahnschmerzen und die Wunde am
rechten Ellenbogen die ich mir auf ungeklärte Weise zugezogen hatte ist im
Begriff wieder zu heilen. Ich lege mich früh auf die Diele. Die Tagesarbeit
hatte mich wieder einmal ordentlich ermüdet. Ich bete für meine Lieben zu
Hause. Gute Nacht und guten Mut.
So vergeht eine Nacht nach der andern. Nicht ein Licht
leuchtet uns aus dem Schlamassel heraus. Das ganze Lager ist traurig,
deprimiert und die meisten fangen schon an in Lumpen zu gehen. Ich machte den
Anfang. Alles verschleißt zu der Zeit. Was tun? Arbeiten und abwarten. Ich
stelle mir oft die Frage: "Wie kann ein Landsmann seinem Nebenmenschen so
schlecht gegenüber sein?" Alles ist möglich. Beinahe noch Totschlag. Jeden
Tag Unstimmigkeiten im Lager. Hat dieser seine Hose für Kohl umgesetzt, ist der
andere wütend und setzt das Hemd seiner Frau für Eier um. Unten geht es an.
Zuerst die Unterkleidung versetzt, dann die oberflächlichen Reste. Gelebt muss
werden. Die Stellung, der Name und das Renommee von zu Hause muss gewahrt
werden. Wie fühlst du dich, wenn dein Nachbar bei einem saftigen Eierkuchen
Milch und Weißbrot sitzt und du hast nicht mal einen Schluck sauberes Wasser um
deine verhärtete Brotkrumme aufzuweichen, damit du sie überhaupt kauen kannst?
Ja, ich spreche viel vom Essen! Essen ist bei uns im Lager der Hauptfaktor.
Danach kommen die Wanzen und die Kleiderläuse. Arbeit, ja die einen wollen
arbeiten, doch die anderen wollen das nicht. So geht der Kampf ums Dasein
weiter.
Der Geburtstag des deutschen Adi verlief ohne Geräusch
und Hakenkreuz. Glücklicherweise hatte der Mann eine gute Idee, dass er von
dieser Welt scheiden wollte ohne viel Pomp und Lärm. Er hatte zu Lebzeiten
genug davon gehabt. Der 21. April ist ja für alle Deutsche ein Begriff gewesen. Da bringt schon einer die Neuigkeit
ins Lager. Am 1. Mai müssten alle Fremden die Stadt Tschenstochau verlassen
haben. Ja, liebe Stadt oder Stadtväter tut einmal etwas für uns. Wie wären wir
dankbar. Die Abreise scheint mir in Gedanken beschwerlich zu sein. Dann denke
ich wieder, ein Weg mit Hindernissen ist besser als gar keiner. Ich bete zu
Gott dass alles sich verwirklichen soll. Die Nahrung ist auf Adis Geburtstag
nicht besser. "Soupe à la pompe" (Suppe von der Pumpe!) sagte
ein Franzose. "Toute la gamme demande du rabiot et les Zloty commencent
d'être rares." Meister Sosson machte heute einen noblen Gestus. Er
gab mir eine gehörige Prise Tabak. Gratie Signore. Einige Tage sollte es mir
schon reichen. Das war der Herr der gelegentlich einer Reise von zu Hause nach
Polen mit mir im Zug war, bis Breslau und dann dort die Branntweinflasche mit
dem Zwetschgensaft gebrochen war. Er erkannte mich wieder. Damals hatte er
Angst vor mir. Er fürchtete ich könnte ihn erkennen und ihn anschmieren, weil
er schwarz aus dem Umsiedlungslager nach Hause gefahren war um dort Medikamente
einzukaufen, für die Landsleute. Nein, solche Machenschaften sind nicht in
meinem Hirn zu Hause. Mein Prinzip war und bleibt in meinem Leben immer der
Grundsatz: "Gerechtigkeit auf der ganzen Linie." Ich rauchte eine
Pfeife in aller Gemütsruhe und ein Schneider aus dem Lager nähte mir meine
zerrissene Hose zurecht. Am Abend war sie an derselben Stelle schon wieder
zerrissen. Was soll ich tun? Mich in einen Lehnstuhl setzen und abwarten bis dass
der Tag der Heimreise kommt. Zweimal Soupe à la pompe und bonne nuit.
Sonntag, den 22. April. Hörte ich heute den Kuckuck oder war
es eine Täuschung. Es ist 5.00 Uhr. Ich bereite schnell das Frühstück. Ich will
zur Messe um 8.00 Uhr. Eine Messe ist immer etwas Ergreifendes. Die Franzosen
hatten diese Messe wieder organisiert. Die Chorknaben waren wieder in Rot-weiß
und Blau gekleidet. Der gemischte Chor sang mehrstimmige Lieder. Es war ein
wunderschönes Bild. Zu beiden Seiten des Priesters am Altare. 3 Chorknaben, der
eine Rote, der andere weiß, und der andere blau gekleidet. Der Priester selbst
wurde am Altare assistiert von zwei christlichen Brüdern und Soldaten die die
Messe dienten. Die Kathedrale war bis zum letzten Platz gefüllt. Nach der Messe
um 9.30 Uhr war ich wieder mit meiner zerrissenen Hose in der Küche an der
Arbeit. Als Ravitaillement erhielten wir zur Feier des Tages anderthalb
Spanferkel. Mit Graupen gekocht und das beliebte Dörrgemüse.
Am Nachmittag rief die Sonne alles ins Freie, aber
schon fingen Graupeln vom Himmel. Schade dass sie sich nicht kochen ließen.
Alles verlief ruhig. Doch dann hatte jemand erzählt am 28. April seien für uns
die Wagen bereit zur Abreise. Wer weiß es? Man tuschelt so viel und mit dem
Tuscheln vergeht die Zeit. Herr Bley ist auf der russischen Kommandantur
beschäftigt. Vielleicht weiß der etwas mehr, wenn er zurückkommt. Er ist in der
russischen Küche als Gast. Die Mission Tunik ist erfüllt. Wie kann ein Litauer,
der erst in die Welt schauen will Luxemburger Interesse vertreten? Er kennt die
Belange seiner Landsleute nur dem Namen nach. Ja, das Abreisen war doch beinahe
richtig. Wir ziehen am 23. April um und wohnen nun in einer großen Kaserne
außerhalb der Stadt. Um 5 Uhr zogen wir ab mit Kind und Kegel. Meine Mission
als Koch ist abgeschlossen. Von morgen an tut ein französischer Koch seine
Pflicht an meiner Stelle. Die Verpflegung übernahmen die Franzosen. Wir sind
beim Umzug zu 200 Personen. Wir finden die nötigen Zimmer im Hauptgebäude des
Soldatenlagers als Unterkunft. Hier ist auch die russische Kommandantur
untergebracht. Die französischen Bürger, alles Soldaten, liegen alle in
Holzbaracken. Ich liege mit 29 Landsleuten in einem Zimmer. Schon am Morgen
erhielten wir Kaffee, mittags Eintopf mit Fleischeinlagen und abends um 5.30
Uhr im gewässerten Format. Für den Moment sind wir wieder unter Dach und
bleiben in der Hoffnung, dass die Maiglöckchen zur Heimreise läuten werden.
Die Nacht des 23. April zeigt sich im Winterkleide.
Draußen ist es furchtbar kalt. In den Zimmern machen wir Feuer. Ich stehe um
5.00 Uhr auf und begebe mich in die Küche um ein bisschen warmen Kaffee zu
erhaschen. Die meisten Leute schlafen noch. Die am Mittag ausgegeben Suppe war
stark an Güte von der unseren abgewichen. Das was die Franzosen uns bieten
konnten, war nur in einer anderen Farbe. Getrocknete Kartoffeln. Es glich dem
Maismehl an Farbe. Es wurde in kochendem Wasser umgerührt und eine Weile kochen
gelassen. Dann war der Rabiot fertig. Einige fanden es schmackhaft. Ich aber
bin nicht so verwöhnt und nenne es einfach ein Gedicht: "Läuft oben ein
und unten raus, es macht nicht einmal Halt im Haus!"
Die Franzosen sind in ihrem Lager über 2000 an der
Zahl. Von allen Berufen und Professionen. Sie organisierten einen Theaterabend
und der Erlös brachte 3000 Zloty ein. Wer dieses Geld einsteckt bleibt für mich
ein Rätsel. Ein Kommentar über dieses Theaterstück, kann ich nicht abgeben.
Alles war Geld kostete blieb für mich ein unerreichbares Ding. Ich blieb also
im Zimmer und ich forschte nach der Herkunft eines Lagerinsassen der sich als
Luxemburger einschreiben ließ, tatsächlich aber ein Deutscher war. Der Mann war
ziemlich arbeitswillig, doch seine Erscheinung störte uns, weil er ein
Deutscher war.
Die Entscheidung ob er mit uns nach Hause soll sollten
die Russen treffen. Man diskutierte unsere Abfahrt sei am 28. April. Die
Franzosen verordnen und alles muss heran. Es ist verboten das Lager zu
verlassen. Alles muss arbeiten. Kartoffel schälen, Zimmer säubern, Wäsche
machen usw. Meine Lieben zu Hause, was denkt ihr von mir? Ihr glaubt mich
wahrscheinlich tot. Noch nicht, aber beinahe. Ich leide an einer Halskrankheit.
Kein Wunder. Keine anständige Kost. Sie fliegt meistens schon wieder bei der
Annahme am Straßenrand in die Gosse oder ins WC. Heute war Besuch beim
Haarschneider, Coiffeur genannt. Vielleicht geht es morgen ab? Man legt sich
beizeiten aufs Brett um die Glieder ab zu härten und ist schon wieder um 5.00
Uhr auf der Hut. Soll es, oder soll es nicht? Alles bleibt beim Alten. Man
langweilt sich wieder, gähnt in den Tag hinein vor Hunger. Man hat Sehnsucht
nach zu Hause. Vom Lager aus sehen wir auf die Bahngeleise. Da laufen Züge nach
Zügen, überfüllt mit Menschen die nach
Hause wollen. Auf den Dächern der Wagen und auf den Trittbrettern hingen
sie wie Kletten. Ja, die Sehnsucht nach Hause achtet nicht auf eine Gefahr und
mag sie auch den Tod bringen. Man sieht in den Gärten, wie die Einwohner ihre
Erbsen säen und ihre Möhren. Sie können es, sie sind zu Hause. Man stellt sich unwillkürlich
die Frage: " Tut unsere Regierung denn gar nichts um uns nach Hause zu
bekommen. Sie wissen ja von den 100 Leuten die umgesiedelt waren und
Abertausende die dienstverpflichtet waren. Hier sitzen wir und kommen nicht
heraus um bei der maßgebenden Stelle Schritte zu unternehmen."
Was soll man zu allem denken. Der Krieg, ja der Krieg
ist für alle da, für alle eine Strafe Gottes und ein notwendiges Übel. Was
haben doch diese Nazis in der Welt angestiftet? Die Rache der Welt ist nicht
aus zu denken gegenüber Deutschland.
Am 27. April hatten wir ausnahmsweise erst um 3.00 Uhr
nachmittags die Suppe. Ich stand auf meinem Posten und kontrollierte wie jeden
Tag die Präsenzliste der Lagerinsassen. Als alle passiert waren, stellte sich
noch ein Schweizer vor und wollte noch einmal eine Gammel voll Suppe. Ich sagte
ihm, das ist nicht statthaft. Ein Franzose der dieses Gespräch eifrig
verfolgte, trat zu mir und fragte ob der Betreffende ein Luxemburger sei. Ich
musste verneinen, denn auf meiner Präsenzliste war er als Schweizer
eingetragen.
"C'est un Chleuh“ , sagte er
– es handelt sich bei dieser Bezeichnung um einen berberischen Stamm aus
den Bergen von Marokko, die um 1925/26 gegen die Franzosen kämpften, was als
Spottname für die Deutschen gebraucht wurde- . Wir haben den Kerl da schon ein
paar Tage gesucht. In seinem Zimmer, im Theater, im WC sogar, immer war und ist
er abwesend. Er ist ein Verbrecher 1. Klasse. Es ist ein Deutscher. Viele
Franzosen haben unter seinem Kommando Schmerzen und sogar den Tod erlitten. Das
lief wie ein Lauffeuer durch das ganze Lager und der Schweizer musste zum
Verhör, bei die französischen Offiziere, die Leiter des Lagers. Hier wurde er
als schuldig befunden und mit der Erlaubnis der Russen auf dem Platz des
Fahnenmastes unter der französischen Flagge gelyncht. Wer einen solchen Akt
noch nicht gesehen hat, dem will ich ihn auch nicht schildern. Es war einfach
grausig. Man ließ ihn mehr tot als lebendig auf seine Schlafstelle in eine Ecke
fallen und überließ ihn seinem Schicksal. Gott stehe seiner Seele bei. Die
Russen kamen mit einer Tragbahre und trugen den geschundenen Körper hinaus.
Wohin? Vielleicht direkt ins Grab, denn er war nicht mehr flickbar. Unser
Typograph sollte uns verlassen. Ich schrieb schnell ein paar Worte an meine
Lieben zu Hause um sie in Kenntnis zu setzen, dass ich noch da sei und gab
Herrn Schmidt diesen Brief mit. Ich ging
dann in die Sonne und ließ mir die Strahlen auf die kranke Haut wirken. Der
Abend dieses Tages war ziemlich reich an Vergnügen. In dem großen Saale des
Gebäudes geht es hoch her. Man tanzt in den nächsten Tag hinein. Am frühen
Morgen schon spricht man schon von der Abreise der Franzosen, (die
Zivilfranzosen) die in der Ulica Garibaldi wohnen. In der Nacht war in der Stadt ein formidables
Schiessen. Man sagte es sei Manöver. (Anmerkung es handelt sich wahrscheinlich
um ein Freudeschiessen!). Dieses Manöver streckte sich aus bis in die
Seitenstrassen. Das ist alles nichts, die Waggons sind da, wir fahren heim
sagte ein Franzose. Ich nahm Anteil an seiner Freude. Die 93 Jungen, die ich
kannte und deren Leiter der Schullehrer war, sollten nach Hause. Sehr schön.
Wir blieben und gingen in die Küche zum
Kartoffelschälen. In der Küche aß ich einen Beefsteak und ein Butterbrot außer
der Reihe. Jos Falkero, ein junger Freiwilliger aus unserem Lager durfte bei
den Franzosen als Hilfskoch figurieren. Das war interessant für seine Brüder
und Schwestern. Er durfte ihnen von den Abfällen aus der Küche abgeben. An
diesem Tag aßen wir gut und genügend. An diesem Tage spielte die Front sich ab
von Torgau bis Leipzig. Vor Freude durfte ich zu Mittag Beefsteak mit Fritten
essen. Auch wieder außer der Reihe. Das war das erste Mal, seit ich hier im
Osten bin. Die anderen kommen und reklamieren sie hätten Leibschmerzen bekommen
von der sauren Suppe. Der Herr B. aus B. hatte alle Freundschaft mit den
Franzosen gekündigt. Er beschimpfte die Franzosen öffentlich. Mein Kommentar zu
dieser Affäre. Herr B. brachte den Beweis einer schlechten Kinderstube. Was ich
nicht habe, kann ich nicht geben. Logisch gedacht. Nicht wahr? Ja, liebes
Tagebuch, es war ein Gewitter mit wenig Regen!
Was ich mir wünsche, ein sofortiges Abhauen nach
Hause. Die Freiheit und das Land meiner Vorfahren. Ein Kuss von meiner Frau und
meinen Söhnen. Gott stehe mir bei.
Sonntag, den 29. April 1945. Heute ist es wieder
Sonntag. Als ich aus der Kirche kam, schoss man wieder in den Strassen.
Wahrscheinlich auf polnische Soldaten. Ein Sabotageakt war in der Nacht
geschehen. Ein russisches Denkmal, ein russischer Tigerpanzer der auf einem
Zementsockel als Andenken stand, wurde in die Luft gesprengt. Man suchte
wahrscheinlich nach den Täter. Aber wo?
Was ist die Ursache?
Im Lager ist es das Alltägliche. Man meckert,
diskutiert die Lage der Front, strickt, wäscht, bügelt usw. Man spielt auch
Karten, lernt englisch, raucht und erzählt Abenteuer.
Ja, da kommen richtige englische Soldaten in unser
Lager. Sie erzählen und erzählen. Einer von ihnen hatte einen Arm verloren, in
Afrika, an der Front. Sie leben im selben Gebäude, in der Infirmerie. Die
Nachrichten aus der Front sind vorzüglich. Hitler soll nun definitiv tot sein,
Berlin gefallen und Himmler, der Menschenmörder spurlos verschwunden. Gott sei
Dank. Am Abend wurde dies mit einem Ball gefeiert. Man tanzte wieder bis zum
Morgengrauen. Das Leben der Jugend ist stürmisch und bewegt. Man will sich
austoben bis aufs Blut. Am andern Tag reklamiert man schon wieder wegen der
Wassersuppe, die erst am Nachmittag um 3.30 Uhr ausgegeben wurde. Die Hauptmahlzeit
soll erst am Abend ausgegeben werden. Ja, was gibt es denn? Kartoffelflocken,
gebratenes Fleisch. Ach wieder für mich ein Gedicht. Diese Kartoffelflocken,
wären sie doch alle! Und dann das gebratene Fleisch in dieser Suppe. Das sollte
der Herr Stalin doch mal schmecken. Man reklamiert und reklamiert. Aber
vergebens. Die Franzosen machen den Vorschlag unser Lager aus ihrer Menage aus
zu schließen. Dann könnten wir selber kochen. Das wäre interessant. Wir sind im
Lager ein Gemisch von Luxemburger, Holländer, Norweger, Dänen, Österreicher und
Serben. Ich sprach also beim Luxemburger Komitee vor und ich gab mein Gutdünken
zu diesem Vorschlag ab. Die Entscheidung war negativ. Der Vorschlag wurde
abgelehnt. Die Französischen Offiziere waren von diesem Entschluss sehr erbaut.
Am nächsten Tage war ich schon um 4.30 Uhr im Rad. Um
5.45 Uhr war schon Frühstück. Die Russen waren schon früher im Lager und fragen
Leute um den Hof und die Anlagen zu säubern, stießen aber beim Luxemburger
Komitee auf Widerstand. Man verweigerte den Gehorsam und dieser Gestus hatte
beinahe den Kopf des Herrn Peusch, dem obersten Leiter des Lagers gekostet. Man
wollte ihn aufhängen. Was war die Schuld. Die Franzosen hatten ihre Uhr eine
ganze Stunde vorgerückt. So schlief noch alles im Lager, als die Russen zur
Revidierung des Lagers kamen. Den Kaffee hatten auch die meisten verschlafen.
Den ganzen Tag ging alles griesgrämig hin und her. Ich halte mich fern von
dieser Aufregung, ich bin noch immer krank und habe heftige Halsschmerzen. Ich
gehe nun zu einem ungarischen Doktor. Der untersucht mich, greift dann in seine
Westentasche, wickelt ein kleines Stück Papier auseinander, entnimmt dann 2
kleine Pillen. Da, sagt er: "schlucke eine und nach einer Stunde die
andere, wenn es nicht besser wird, dann hilft nichts mehr."
"Recht schönen Dank Herr Doktor, womit kann ich
bezahlen?" "Das wird sich schon finden, wenn sie wieder gesund sind.
Ich war selber gespannt, was die Pillen dienen konnten. Nach einer halben
Stunde schon ließ das lästige Kratzen im Kehlkopf nach und ich freute mich
sondergleichen. Solche Doktoren sind aber tüchtige Leute. Ich nahm die zweite
Pille ein und am Abend war ich das Übel los.
Am 1. Mai 1945 wurde ich vielleicht von einer schweren
Krankheit, die mir bevorstand, geheilt. Ich spürte der Mai zog wieder in meinen
kranken Körper. Am andern Tag machte ich meinen Besuch beim Arzt. Er stellte
fest dass mein Hals von aller Entzündung frei war. Gott sei Dank. "Herr
Doktor, was bin ich ihnen schuldig? Sie wissen, ein armer Deportierten der kein
Geld hat, soll seine Schuld bezahlen. Aber wie?" "Das ist schon in
Ordnung", sagte der Arzt. "Herr Doktor, darf ich denn wenigstens um ihre
werte Adresse bitten?" "Warum nicht! Notieren sie sich, wenn es von
Interesse für sie ist. Doktor Feldmayer, Budapest, das genügt. Sollten sie
einmal nach Buda kommen, fragen sie nach mir. In Buda kennt mich jedes
Kind!" "Nein wirklich, also nochmals meinen besten Dank für ihre Aufmerksamkeit
für mich."
Er ging seiner Wege, ich aber war ganz verblüfft. Ich
war einem bedeutenden, großen Mann begegnet der mir vielleicht das Leben
gerettet hatte. So ist es in der Welt. Mit einem freundlichen Wort erreicht man
eine unschätzbare Tat. Im Lager ertönen sensationelle Meldungen. Hitler ist
tot. Mussolini ist tot doch der Kampf geht weiter. Unglaubliche Geschichte
zirkulieren um diese Nachrichten herum. Auf jeden Fall alles ist freundlich
aufgelegt und sogar im Lager singen die Veteranen und Veteraninnen die
Landeshymne und Frau Tourneur aus Steinfort und Biewer aus Bissen singen Lieder
aus ihrer Mädchenzeit. Ein Tscheche steigt auf ein Podium und übersetzt uns die
letzten polnischen Nachrichten auf Französisch und Deutsch. Sehr interessant.
Eine Gruppe von 80 Franzosen haben das Feld geräumt. Wohin? Man sagt es wären
waschechte Kommunisten gewesen. Wer lacht denn da? Das gibt es schon. "Ein
Geck macht deren Hundert."
Am 3. Mai regnet es und die polnische Zeitung meldet,
dass Norwegen und Dänemark kapituliert hätten. Italien auch. Diese Nachricht
war aber ohne Gewähr.
Ich unterhielt mich heute mit einem dänischen
Studenten, der in Russland Landwirtschaft studierte, über die Agrarverhältnisse
in Dänemark. Ich bemerkte, dass an der Grenze zwischen Schleswig Holstein (der
Aufenthalt von Albert in Flensburg fehlt in seiner Übersetzung) und Dänemark
ein großer Unterschied im Wachstum der Kulturen festzustellen sei. Die Erträge der Deutschen seien nur ein Drittel
von dem der Dänen zu schätzen. Er erklärte mir, das sei ein Geheimnis der
Düngung des Bodens der Dänischen Bauern. Beim Ausfahren des Stallmistes in die
Felder hängt der dänische Bauer einen Pflug hinter den Mistwagen. Der Mist der
noch warm ist und noch raucht wird sofort untergepflügt. Der dem Mist
entsteigende Stickstoff dringt nun in die Erdkrume ein und lockert dieselbe.
Was dem Wachstum der Pflanzen sehr zugute kommt. Ach so ist das zu erklären.
Ja, das ist eine praktische Wahrheit. Mist, der tagelang auf dem Felde liegt,
ohne untergepflügt zu werden ist wertlos und unnütz Arbeit. Wie verhält sich
der dänische Bauer zu dem russischen Prinzip der Kolchosenwirtschaft? In
Dänemark, das ein ausgesprochenes Agrarland ist, ist die Kolchosenwirtschaft so
gut wie ausgeschlossen. Fast jeder Bürger auf dem Lande hat seine eigene
Wirtschaft, die ihm so viel abwirft dass er davon leben kann. Was dagegen in
Russland nicht der Fall ist. In Russland übernimmt der Staat die Führung der
Kolchosen stellt den Arbeiter ein der auf der Kolchose als Knecht tätig ist.
Maschinentechniker oder Fachmann, ein Hektar Land zur Verfügung zwecks
Heimarbeit, wie man sagt. Auf diesem Hektar schaltet und waltet die Frau und
die Kinder. Der Viehbestand bleibt begrenzt. Es kommen im besten Falle Hühner,
Gänse, ein Schwein und auch noch eine Kuh in Betracht, wenn das Terrain viel
Ödland aufweist. Die Konkurrenz des Bauernvolkes ist total ausgeschlossen und
sie haben auch kein Interesse daran. Wenn ein Arbeiter auf seiner Kolchose
nicht genug verdient um seine Familie durchzuschlagen, greift er zum Mittel der
Korruption. Er verkauft auf dem
schwarzen Markt was nur möglich ist. Gibt es den schwarzen Markt in Russland?
Vor dem Krieg wurden diese Zustände als Sabotage gewertet. Im Krieg war es eine
Notwendigkeit und jetzt ist es an Ausmaßen so stark, dass es wahrscheinlich
sehr schwer sein wird dieses Übel aus dem Lande auszumerzen. In Dänemark ist an
dieser Stelle der öffentliche Markt. Sämtliche Produkte werden dem
Meistbietenden angeboten und die Qualität konkurriert mit dem Preis. Die
Städter bekommen das Beste, was die Landwirtschaft bieten kann. So wechselt ein
Gespräch das andere ab und der Tag vergeht.
Am 4. Mai ist es Freitag. Ich denke noch an die
fetttriefenden Pfannekuchen der Bauern, von gestern. Das ist aber auch alles
was der Tag bringen wird. Ich bin schon beizeiten auf. Warum denn so früh? Früh
morgens sind die Wanzen und Läuse noch von der Körperwärme wach und eine
radikale Jagd auf diese Biester hat größten Erfolg. Bei Tage schlüpfen sie in
die Ecken und Nähte der Kleider und sind nicht einzufangen. Mit dem elektrisch
geheizten Bügeleisen bringt man die meisten zur Strecke. Man bügelt sie einfach
bis zum Braten und herausfallen sie, mitsamt der Brut. In der Küche ist ein
kleiner Jude aus unserem Lager beschäftigt. Er heißt Herbert Süssmann. Er muss
zum Lazarett. Er hat eine Blutvergiftung am linken Arm. Vom Handhaben des halb
verdorbenen Fleisches, das sie zerschneiden und bearbeiten müssen. Wie viel
Fleisch, das wegen Verderb verbrannt werden muss ist unglaublich. Das Töten der
Tiere nach russischer Art ist reinste Tierquälerei. Wie die, die Tiere
misshandeln muss man gesehen haben. Die Tiere werden nach allen Regeln der
Kunst geschlagen bis dass sie kaputt sind. Eine radikale und blitzartige Tötung
der Tiere kennen sie nicht. Durch das Schlagen der Tiere wird der Körper
verwundet und diese Wunden werden die Brutstätte vieler Mikroben, die sofort
das Fleisch in Zersetzung bringen. So stelle ich selbst im Innern des Schinkens
Knochenbrüche fest die starke Verwesung des Fleisches des Bruches zur Folge
hatten. Leute, die solches Fleisch bearbeiten müssen und eine empfindliche Haut
haben sind für Blutvergiftung sehr gefährdet. Vom meisten Fleisch das wir in
der Menage verarbeiteten hatten wir keine Garantie ob das geschlachtet oder an
Verletzungen krepiert ist. Nun ja, wohl bekomme es.
Am Abend war wieder Theater mit Tanz. Die Franzosen
aus der rue Garibaldi sind bereits im Zug um abzufahren. Unser Dolmetscher Bley
und sein Adjutant Hoffmann sollen nach Warschau reisen um daselbst Kontakt mit
dem französischen Konsultat zu bekommen, das die Interesse unserer Gruppe
übernehmen soll. Ob absichtlich oder aus Versehen. Die Russen haben uns unsere
sanitäre Anlage versperrt. Sie rechneten nicht mit findigen Köpfen, denn kein
Schloss ist zu kompliziert, man findet dazu immer einen Schlüssel. In der Nacht
war die Anlage schon wieder zugänglich.
Am Samstag, den 6. Mai sagt uns die polnische
Tageszeitung, haben die Deutschen im Westen kapituliert. Um 8.00 Uhr gehe ich
zur Messe. Ich musste die Kirche verlassen. Ich hatte wieder so starke
Hustenanfälle. Das Halsleiden ist auch nicht ganz verschwunden. Am Abend war
die Suppe von einem wenig besseren Geschmack. Man erzählte mir unsere Abreise
sei für Dienstagmorgen 3.00 Uhr festgelegt. Man beginnt die alten Brocken
zusammen zu suchen.
Heute Montag, bei Anfang der Dunkelheit bellten auf
einmal die Maschinengewehre in den Strassen. Letzter Abschiedsgruss der
Tschechen. Um 5.00 Uhr sind sie abgezogen. Schade es waren interessante Kerle
unter ihnen. Vor allem die Weiber waren sehr arbeitswillig und vor allem sauber
in ihrem Tun. Es flattern in den Kammern die letzten Socken der Wäsche. Alles
soll noch trocken sein, bevor wir abreisen. Man vertilgt mit Heißhunger die
eisernen Portionen, die, wenn wir reisen unnutzer Ballast sind. Ich sage in der
Küche dem Personal vorsichtshalber Adieu, vor allem dem Chef der Küche Monsieur
Manchon. Ich lege mich dann im Zimmer auf die Fensterbrüstung, schaue in den
dämmernden Abend hinein, meine Augen tasten den westlichen Himmel ab, ja
wirklich bald bin ich wieder zu Hause. Wo die Sonne soeben verschwunden ist, ja
da ist Rodingen, der Gipfel und Zipfel des Landes, das ist Mont. St. Martin, ja
hinter diesem Berg verschwand die Sonne soeben. Grüße mir Frau und Kind. Sag
ich komme heim geschwind. Der Herr Gilbert, der auch Luxemburger sein will,
steht neben mir. Erinnerst du dich an den Schweizer Kamerad der gelyncht wurde?
Warum, weil er Menschen tötete. Ich sah das Gruseln in seinem Körper und auf
den Lippen ein Lispeln. Vielleicht ein Stossgebet. Er, der Allwissende solle
ihm seine Lügen verzeihen. Gute Nacht, Tschenstochowa. Ich will schlafen.
Vielleicht bringt die Morgenröte Licht in die Bude und das Lager.
Der Kalender zeigt den 8. Mai. Ich bin um 2.30 Uhr
bereits wach. Die verdammten Läuse die lassen einem keine Ruhe. Doch in den
Gängen des Gebäudes ist schon Hochbetrieb. Alles überstürzt sich. Die Russen
Rufen "Dawai, Dawai!" Um 3.00 Uhr sollen wir schon zum Bahnhof.
Pinke, Pinke. Da stehe ich schon im Hof. Die letzten Überreste meiner
Zivilmontage auf den Schultern. Es geht durch alle Glieder und Körper ein
leises Seufzen. Fort, fort aus dem Sowjetparadies. So hatte der Herrgott den
Menschen doch schon früher hinausgejagt, diesmal ging es aber freiwillig! Um
10.00 Uhr erst fahren wir in Tschenstochau ab. Also sehen sie, warum um 3.00
Uhr zum Bahnhof, wenn der Zug erst um 10.00 Uhr abfährt. Das ist echt
asiatisch. Eile mit Weile. Nun saust der Zug zwischen den Ruinen der Städte und
Dörfer vorbei bis in eine große Stadt. Es ist 5.30 Uhr nachmittags. Na wie
heißt diese Stadt? Kattowitz. Alles aussteigen. Nein, warum? Wir sind doch noch
nicht zu Hause. Bagage, Bagage, wir wollen in die Baracke. 3 Kilometer zu Fuß
vom Bahnhof und richtig eine Baracke. Macht es euch bequem. Hier ist euer
Komfort. In den öden Fensterläden wohnt das Grauen und des Himmels Wolken
schauen hoch hinein, hätte Schiller gesagt. Mit Suppe fängt der Tag an und mit
Suppe hört er auf. Die Sehenswürdigkeiten auf der Reise durchziehen die
Gedanken des Geistes und die Überraschungen der guten Küche die inneren Wände
des Magens. So wird nur der Name des Ortes einen Unterschied zum Lagerleben
bringen. Ja, der Krieg hatte fürchterlich in Polen gehaust. Ganze Dörfer nur
noch ein Steinhaufen. Aus den Kellern und Erlöchern kriechen die Bewohner
heraus und winken uns zu. Die Flaggen der Nationen der Flüchtlinge flattern in
den Fenstern des Eisenbahnzuges. Brücken über die die Fahrt geht sind alles nur
Notbrücken. Die da waren sind alle gesprengt und kilometerweite liegt das
Gestein im Umkreis. Kattowitz, die große Stadt. Die Perle Polens. Die Modestadt
Osteuropas. Was Paris dem Westen ist, ist Kattowitz dem Osten. Hier scheiden
sich die Geister der Zivilisation, des Intellektuellen, der Diplomatie.
Kattowitz hat einen großen Dalles. In den Strassen hocken noch pensionierte
Tanks allen Kalibers. Die meisten sind Invalide. Die Oberschicht ist schon
stark angerostet. Die Menschen kommen und gehen, wie die Grossstadt es
verlangt. Stumm, schnell, interesselos ziehen sie an uns vorüber. Ja, wir sind
Flüchtlinge. Was hatten wir mit den Nazis gemein? Halfen wir etwa Polen zu
zermürben? Vielleicht. Wird es so aufgefasst, dann liebes Polen, verzeihe uns.
Das haben wir bestimmt nicht gewollt. Doch ist der Krieg noch nicht zu Ende. Um
Mitternacht bellen die Gewehre. Die Sirenen heulen und die Kanonen schlagen
Basstöne an. Auf meinem Bett, eine zerschossene Tischplatte, spüre ich die
Vibrationen des Luftdruckes. Die Villa "Luftig" ist sehr modern und am
nächsten Tag wird sie unter die Lupe genommen. Wahrscheinlich waren oder sind
auch hier Heinzelmännchen am Werk. Das Quartier, das man uns bei der Ankunft
angewiesen hatte, war das Kollegium Kattowitz. Ein immenses Gebäude mit
Festungsmauern umgeben. Der Spielplatz ist eine Terrasse auf dem ersten Stock.
Wunderbar angelegt. Er endigt in einer schiefen Ebene in einem schön angelegten
Park. Eine hohe Mauer umschließt das Ganze. Der Zugang ist nur möglich durch
eine kleine Pforte für Fußgänger und eine große für Autos. Es wäre zu schön
gewesen in dieser Schule zu hausen. Die Zimmer aber über und über verschmutzt.
Die Bettstellen hingen so voller Wanzen, dass wir es vorzogen sofort Reißaus zu
nehmen. Gegenüber der Strasse war ein Judenghetto aus der Kriegszeit. Ein Bretterdorf.
Alle Türen und Fenster waren zerschlagen. Das Gehölz davon auf einem Haufen
zusammen geworfen im Hof. Was wir brauchten war da. Unsere Zimmerleute hatten
bald die Bretter so verteilt, dass man kein Stück übrig fand. Es hat einen besonderen Reiz, wenn früh
morgens die aufgehende Ostsonne dir auf die Bettstelle scheint. Es hat seine
Bedeutung, wenn die meisten Häuser mit der Fassade der aufgehenden Sonne
zuschauen. Es ist wunderbar. So benutzte ich die Gelegenheit und trotz
Bretterfenster fand ich doch ein Loch, wo ich die Sonne beim Aufgehen bewundern
konnte. Ich machte meine Morgengänge immer zu der frühesten Stunde.
Heute am 9. Mai ging ich bis zur Stadt. In einer
Kirche hörte ich Musik. Ich trat ein und welche ein Wunder. Es begann soeben
eine Messe. Nach der Messe war Predigt. Auch merkwürdig. In der Mitte des
Hauptschiffes stand auf einem Blumenaltar die Maienkönigin aufgestellt. Die
heilige Messe wurde ihr zu Ehren gelesen, wie bei uns in der Oktave. Mittags
speisten wir zusammen in einem großen Saal, wie in einem Hotel. Dann gingen wir
zur Kontrolle ins russische Büro und erhielten dort einen neuen Ausweis.
Diejenigen deren Namen nicht einwandfrei waren mussten sich einem Verhör
stellen. Bettendorf, Tunik und Gilbert wurden lange verhört. Auf einmal gaben
die Russen das Kommando wir müssten umziehen und zwar sofort. Hoppla, die
Bagage auf den Rücken und Ade Kattowitz. Die Tschechen waren in der Nacht in
unser Quartier eingeschneit, ein ganzes Regiment Soldaten. Wir müssten räumen.
Sie lagen so dicht, dass einer über den anderen klettern musste um seinen Stall
zu finden. Nun ging's wieder in eine große Kaserne. Schmutz war Hauptfaktor.
Für wie lange. Die Russen hielten den Herrn Gilbert gefangen. Es stellte sich
heraus. Er war geboren in Berlin, war deutscher Unteroffizier und wohnte vor
dem Krieg in Eft, an der Mosel. Nun ging er bestimmt nach Tambow. Wir anderen
mussten in ein Reinigungsinstitut mit allem was wir hatten. Außerhalb der
Stadt. Da war eine Entlausungsanstalt. Größeren Stils. Wir zogen uns aus bis
auf die Haut. Währendem wir badeten hing man unsere Kleider und andere
Klamotten auf große eiserne Schlitten und diese wurden dann mittels eines
Kranes in einen, einem Backofen ähnlichen Raum geschoben und dort 20 Minuten
hängen gelassen. Die Temperatur in dem Ofen war so, dass alles Lebende radikal
verbrennen sollte. Ja, sollte! Aber es war nicht der Fall. Als wir zur Kaserne
zurückkehren waren die Viecher schon wieder da. Komisch was? Wir waren einen
Moment ruhig. Wir gingen zum Mittagstisch. Es war 3.30 Uhr am Nachmittag. Dann
ins französische Büro zur Feststellung unserer Nationalitäten. Dann, ja dann
zogen wir wieder einmal um in eine andere Baracke. Hier reichten sich Luft und
Licht die Hände. Da hinderte uns keine Tür und kein Fenster. In diesen Baracken
hausten die Fledermäuse dutzendweise. Da gab es wieder Arbeit für unsere
Pioniere. Da wurde wieder organisiert und als es Nacht wurde, war der
Hühnerstall fertig und alle konnten auf die Stange. Dann noch schnell das
Abendbrot und dann den Kopf unter die Flügel. Wer das nicht konnte lief Gefahr
einen gehörigen Durchzug zu bekommen.
Donnerstag, den 10. Mai. Ich schau auf die Uhr. 5.00
Uhr. Dann raus. An diesem Tag war der Einmarsch der Nazis in unser Land. Die
Kirche ist sehr geräumig und außen durch Granateneinschläge arg beschädigt.
Inwendig aber ein Kleinod an Schönheit. Noch immer thront die Gottesmutter auf
ihrem Altar in einem Garten von Blumen aller Art. Sogar die beliebten
Maiglöckchen fehlten nicht. Nach der
Messe Kaffe und eine Bohnensuppe zum Hauptesseen. Ich lege mich in die Sonne
und lasse meine Gedanken nach Hause schweifen. Den ganzen Tag. Was ist denn
wieder los in der ganzen Welt? Kattowitz, was bist du mir geworden? Was bietest
du mir? Ein Asyl für meine müden Glieder und der Ort der allgemeinen Reinigung.
Ein Durchgangsort der Flüchtlinge aller Nationen. Wer kann sie alle zählen? Wer
zählt noch die Gefangenen die hier noch in den Kazetten schmachten? Mit
blutigen Händen bitten sie um die Freiheit! Stacheldrähte ziehen ihre Schlangen
um die Gebäude herum und die Russen halten mit scharf geladenen Gewehren
Ausschau nach Fluchtversuchen. Ein Entweichen ausgeschlossen. Sogar die Drähte
um die Lager sind elektrisch geladen und eine Berührung derselben wäre
Selbstmord. Mensch wie weit bist du gekommen? Hast du deinen Schöpfer ganz
vergessen? Wie könntest du töten, wenn du noch ein Fünkchen Nächstenliebe in
die spüren tätest? Brutal, bestialisch, trampelst du über Leichen und suchst
das Glück, das dir aus der Ferne vorgegaukelt wurde. Illusion! Utopie! Richte
deine Augen zu den Sternen. Wie sagt ein deutscher Dichter doch so schön:
" Wer nie dem Fremden Ehre mag erweisen, der war wohl nie in fremdem Land
auf Reisen." Man versichert uns, dass die Repatriierung der Flüchtlinge
stattfinden täte und zwar bald und ohne Unterschied der Nationen. Man sagt
sogar morgen. Wer sollte es jedoch glauben? Wir sind auf alles gefasst. Herr
Peusch, der Präsident des Luxemburgischen Komitees war heute am 11. Mai zum
russischen Kommandanten um sich zu erkundigen ob eine Repatriierung unseres
Lagers durch Deutschland noch nicht möglich sei. Dieser Herr sagte einfach
"Nein!" Ungefähr in 3 Stunden ist an ein solches Unternehmen erst zu
denken. Wir ziehen nun vor mit den Franzosen abreisen zu wollen und zwar auf
dem Seewege, über Odessa, Marseille Luxemburg. Wer Augen hat wird schon sehen.
Nun sollen wir morgen abreisen. Die Franzosen sind reisefertig. Um 15.30 Uhr am
Nachmittag formierte sich ein starkes Détachement Franzosen mit einer
russischen Musik en tête und begab sich nach Kattowitz um am Denkmal des
unbekannten Soldaten einen Kranz nieder zu legen. Ich nahm im Hofe ein
Sonnenbad. Die Frauen im Lager machten große Wäsche. Alles ist so ziemlich in
Ordnung. Ich aber, ich habe Hunger. Die meisten Lumpen sind alle verschlissen.
Es bietet sich nichts mehr was man gegen Lebensmittel umtauschen kann.
Hoffentlich hilft Gott mir weiter in meiner Not.
Samstag, den 12. Mai sind wir immer noch in Kattowitz.
Ein französischer Befehl, wir sollten die Lager nicht verlassen. Die Abreise
könnte plötzlich sein. Am Nachmittag und während der Nacht kamen immer noch
Tschechische Flüchtlinge in unser Lager. In den Gängen sogar war es unmöglich
zu zirkulieren. In der Nacht hatten wir ein heftiges Gewitter.
Sonntag den 13. Mai. Ich stehe mit der Sonne auf, mache Toilette und gehe zur Kirche. Ich
spürte mich krank. Und musste aus der Kirche in die frische Luft. Nach einigen
Minuten konnte ich wieder in die Kirche eintreten. Ich wollte meiner
Osterpflicht genügen und hatte gerade einen deutschsprachigen Beichtvater zur
Verfügung. Dieser war überaus höflich zu mir. Ich durfte zu den heiligen
Sakramenten gehen. Welche Gnade, welches Glück und welche Ruhe überkam mich.
Ich trug wieder meinen Herrgott in mir. Ruhig klopfte mein Herz. Ich durfte
wieder sagen: "Ich bin ein Christ!"
Nach der Messe nahm ich mein Frühstück zu mir und dann
ging ich den Gärten in der Nachbarschaft einen Besuchen zu machen. Alles steht
in Blüte. Es ist Frühling draußen, es ist Frühling in meinem Herzen. Es ist
Sonntag. Es ist der Tag des Herrn. Der liebe Herrgott soll heute mein Gebet
besonders erhören, das ich in die Ferne zu meine Lieben richte und ich, sobald
wie möglich wieder bei ihnen sein kann.
Montag, den 14. Mai. Man bereitet unerwartet die
Abreise. Alles Gepäck was nicht getragen werden kann liegt auf Handkarren
gestapelt. Um 9.00 Uhr verlassen Herr Peusch und ich zusammen das Lager, an der
Spitze der Gruppe ging's zum Güterbahnhof Kattowitz. Hier wurde nun gearbeitet,
verordnet, eingeladen, aufgeladen und eingerichtet. Solch einen Transport zu
organisieren ist eben keine Kleinigkeit. Auf einem Wagen wurde die Küche
montiert. In einen anderen die Lebensmittel für die Reise. Drei Wagen wurden
besetzt oder belegt von Luxemburgern. 2 von Belgier und die Übriggebliebenen
für die Franzosen. Der ganze Transport begriff ungefähr 2000 Personen
verschiedenen Alters und Geschlechtes. Vom Greis bis zum kleinsten Kind von 6
Monaten. Kranke hatten wir auch in einem Lazarettwagen. Doktor und Pfleger
waren auch zugegen. Die Küche wurde, sobald sie installiert war, unter Feuer
gesetzt. Denn es sollte noch 2 Mahlzeiten geben. Gegen Mittag für die erste
Hälfte des Transportes, gegen Abend für die andere. Es wurde auch noch eine Ration
Lebensmittel an jeden Einzelnen verteilt. Auch erhielten die Männer ein paar
Blätter russischen Tabak - Miorka genannt, den wir uns selber schneiden mussten
um ihn genießbar zu machen. Die anderen Lebensmittel waren Erbsen und
Marmelade. Gegen Abend war alles so weit eingerichtet. In den Viehwagen lagen
wir Etagenweise übereinander. Besondere Ecken belegten die, die der Ruhe
bedurften. Als WC im Wagen schlugen wir ein rundes Loch und setzten einen
bodenlosen Eimer darauf. Das Ganze im Viereck mit einer Decke verhangen und das
WC war fertig. Insassen mit natürlichen Leitungen durften sich aufs Trittbrett
stellen. Einfach gesagt aber mit Gefahr verbunden. So gegen 10.00 Uhr am Abend
manövrierte man eine Maschine vor unsere Wagen und dann fuhren wir los. Ade
Kattowitz. Auf Nimmerwiedersehen. Du brachtest uns keine Freude und keine
nachahmenswerte Taten. Alles legte sich in Schlafstellung und bald war es
ruhig. Übermüdet schliefen sie alle dem nächsten Tag entgegen. Bei Tagesanbruch
hatten wir schon Krakau hinter uns. Dann hielt auf einmal der Zug auf offener
Strecke. Was war los? Austeilung der Tagesration! Es gab Büchsenfleisch,
Biskotten und Zucker für den Tag. Den Zucker jedoch für 5 Tage. Dann ging's
weiter an zerschossenen Dörfern und Bahnhöfen vorbei. Fruchtbare und gepflegte
Felder reichten sich die Hände. Das Gelände ist eben und weit und breit kein
Baum und kein Strauch. Manchmal fuhr der Zug langsamer. Dann dachten wir immer
an einen Halt. Es waren aber immer nur die notdürftig reparierten Brücken an
der Verlangsamung schuld. Um 11.00 Uhr laufen wir in Tarnow ein. Die
Schwarzhändler überstürzen den Zug mit Lebensmittel Angeboten. Der eine bietet
Brötchen, der andere ganze Brote, ein anderer Eier, ein anderer Milch, wieder
ein anderer Limonade. Nur gegen Kleidungsstücke. Verschiedene Kleidungsstücke
wurden veräußert und mancher Magen bekam einen Bissen außer der Reihe. Und
weiter ging es durch Feld und Flur in schnellem Flug, kaum gegrüßt, gemieden
und vorbei im Traumesflug schwand der Dörfer Frieden.
Am 16. Mai befinden wir uns morgens um 8.00 Uhr im
Bahnhof der Stadt Przmyssel. Die Deutschen nannten sie Reichshof. Hier bot sich
eine Gelegenheit zur Morgentoilette. Man wusch sich mit Wasser. Einmal wieder,
seit Tagen ein Wohltat. Man bereitet auf improvisierten Kochern eine Tasse
Kaffee, Kartoffeln und dergleichen. Man verteilte die Tagesration. Biskotten
und Konserven. Einen Einblick in die Stadt. Sie liegt auf einem Berg, hingezogen wie eine richtige
Festung. Aus den Felsenlöchern gähnt die schwarze Leere. Wahrscheinlich wurde
hier die Festung gesprengt. Przmyssel ist uns aus dem Weltkrieg 1914-1918
bekannt. Sonst sind die Gebäude und die Umgebung der Stadt touristisch
interessant. Wir haben unsere Sorgen im Wagen und stellen fest dass in unserm Quartier
einer erkrankt ist. Er hat 39,5 Fieber. Der Arzt stellte einen Hitzeschlag
fest. Er saß Tags zuvor nackt in der Sonne um sich zu bräunen. Die Reaktion war
zu stark und ein heftiges Fieber war das Resultat. Die gute Laune half aber
schnell über dieses Übel hinweg. Es gibt zwar noch Schwierigkeiten aber wir
sind gegen alles gefeit. In der letzten Nacht hatten wir nur die Strecke von
Ryeszow bis Garoslaw zurückgelegt, wo ich heute Morgen erwacht bin. Ich
studiere meine Karte und stelle fest, bis Odessa war noch ein schöner Weg. Der
Weg führt uns in der Nacht über den San. Die Brücke war gesprengt und wir kamen
über eine Notbrücke auf die andere Seite. Wir fahren an Städten vorbei, die
schön angelegt, aber arg verwüstet sind. Auf allen Stadtbahnhöfen wo wir
hielten boten die Schwarzhändler Lebensmittel an. Wir fahren an einem
Gefangenenlager vorbei. Tausende Deutsche Soldaten liegen, stehen gehen, laufen
hier im Lager. Auf einer Brücke über dem Lager zirkuliert der Wachposten mit
Gewehr. Es entstand ein Pfeifen im Zug. Man spottete über die Gefangene. Man
wusste aber nicht, war vielleicht ein Landsmann dabei, der in die Wehrmacht
gezwungen ward. Mancher grüßte die Fahnen die an den Wagen flatterten. Die
Luxemburgische, die Belgische und die Französische Fahnen klackten im Wind. In
einem Vorort von Lemberg brachten Frauen uns frisches Wasser in den Zug. Wir
fahren jedoch bis zum Hauptbahnhof von Lemberg, rollen auf den
Verschiebebahnhof weiter aus dem Bahnhof heraus. Der Zug machte Halt und die
Maschine wurde abgehängt. Warum wusste ich nicht, wahrscheinlich zum
Wasserholen. Wir stürmen dann aus den Wagen heraus zu einer Wasserpumpe und
ließen uns das kühle Nass über Hände und Gesicht laufen. Die ganze Nacht
bleiben wir im Bahnhof in den Wagen.
Am frühen Morgen des 17. Mai rauchen längs des Zuges
in dem Bahnhof Lemberg eine Menge Feuerherde zum Wärmen des Kaffees. Durst ist
schlimmer als Hunger und warmer Kaffee löscht besser als Wasser. Alle waren
außerhalb der Wagen. Auf einmal rückt eine Maschine an die Wagen heran, koppelt
an und fort fährt der Zug ohne sich zu vergewissern ob die Leute eingestiegen
sind. Es entsteht eine Panik. Die jungen Burschen springen während der fahrt in
die Wagen und wollten die Notbremse ziehen. Keiner dachte dass so etwas nicht in
Viehwagen besteht! Sie setzen sich nun etappenweise wieder ab um den Weg zu
weisen, wohin der Zug sich verzogen hat. Es war ja kaum an zu nehmen, dass er
endgültig wegfahren sollte. Man lies die Kaffeekrüge im Stich und lief dem Zuge
nach. Die Aufregung war umsonst. Man manövrierte den Zug nur auf ein anderes
Gleis und wir durften unseren Kaffee wieder weiter kochen. Um 7.00 Uhr begann
der schwarze Markt wieder und mancher verkaufte die Unterhose um nur wieder
einmal Kaffee mit Milch trinken zu können. Man schenkt nach allen Regeln der
Kunst. Interessante Händel wurden abgeschlossen. Die Maschine des Zuges wurde
angehängt und alles eilt zum Zug. Ab geht es in die unbekannte Ferne. Man rollt
die ganze Nacht hindurch bis 4.30 Uhr am Morgen vom 18. Mai! Dann steht der Zug
wieder still und zwar in praller Sonne auf offener Strecke. Hier stellten wir
wieder ein paar Kranke fest. Sie hatten zu viel Wodka getrunken. Und hatten
dadurch den Durchfall bekommen. Man ist ganz demoralisiert. So gegen 5.00 Uhr
abends fahren wir Smiersinska zu. Immense Felder die nicht bebaut waren ziehen an uns vorüber,
zwischendurch ein isoliertes Haus oder Gehöft. Strohdächer und mit Holz gebaut.
Umzäunt mit verrostetem Stacheldraht. Maikäfer schwirren um unsere Wagen und
manch einer blieb im Wagen zum Schlafen. Auch hörten wir das Quaken der Frösche
in irgendeinem Teich. Man fährt aber
langsam dem Ziel entgegen. Odessa.
Am 19. Mai um 4.00 Uhr klopft man an unseren Wagen.
Der Kaffee oder die Suppen waren gekocht. Smiersinska hieß die Stadt wo wir
anhielten. Um 5.00 Uhr begann der schwarze Markt wieder. Längs des Bahnhofs,
der nicht abgeschlossen war, standen die Verkäufer in Reih und Glied und boten
ihre Waren an. Speck, Wurst, Eier, Brot und Brötchen, Milch und Wodka. Alle
Kleider und getragener Schmuck, Tabakdosen und alte Weckeruhren. Alles
Mögliche, was nur Namen hat. Für eine Decke zahlen sie 300 Rubel, für eine
Frauenbluse 200 Rubel. Man kann nicht alles verfolgen. Es herrschte ein
Geschrei. Angebot und Preis auf Tausenden Arten und Tönen. Man verstand sein
eigenes Wort nicht mehr. Man hält immer noch still, sollen wir nicht weiter
fahren. Bis nach Odessa sind es immer noch 360 Kilometer. In dem Wagen sind wir
zu 37 Personen eingestallt. Eine russische Frau will sogar mit aller Gewalt ein
Kind kaufen. Ach, welche Zustände. Sind wir hier im Paradies oder im Fegfeuer?
Wir fuhren wieder bis Wapepka. Hier ist wieder
Verteilung der Tagesration. Um 16.50 Uhr ist der Zug noch unbeweglich. Es ist
sehr heiß draußen und in den Wagen des Zuges noch heißer. Ich bin zufrieden,
aber in fast allen Wagen befinden sich Kranke. Und trotzdem ist alles guter
Laune. Es geht der Heimat zu.
Sonntag, den 20. Mai. Die ganze Nacht sind wir
gefahren. Unterwegs hatten wir ein heftiges Gewitter mit viel Regen. Es regnete
sogar in die Wagen, denn die Dächer waren mit Gewehrkugeln durchlöchert. Nach
einer halben Stunde hörte der Regen auf. Um 4.20 Uhr stand ich auf und machte
Toilette. Der Zug hielt einen Moment an und im Wagen schliefen noch die
meisten. Die meisten Bahnhöfe wo wir durchfahren sind zerstört. Immense Felder
von Eisenbahnwagen, Autos und allerhand
andere Maschinen zieren als Wracks die Umgebung der Bahnhöfe. Wir sollen
jetzt noch 8 Km vor Odessa sein. Man erwacht so langsam im Wagen und draußen um
den Zug herum ist großer Betrieb. In der Küche ist Austeilung des Frühstücks
und sonstiger Lebensmittel. Margarine und gespaltene Erbsen. Nach 2 Stunden
Aufenthalt geht es wieder weiter in Richtung Odessa. Endlich passieren wir ein
Wäldchen. Auffallend in diesem Wäldchen sind die unzählbaren Rabennester. Ich
habe auf einem Baum zwölf solcher Nester gezählt. Die Flora ist fast die
gleiche wie bei uns. Die Bahnanlagen sind bewachsen mit Akazienstauden,
Honigklee, Natterkopf, Wilder Salbei, Stockmalven, Huflattich usw. Wir fahren
an einem Flughafen vorbei. Einige Maschinen stationieren auf dem Feld. Ob sie
noch brauchbar sind können wir nicht unterscheiden. Kleine isolierte Häuser
ziehen unsere Blicke an. Sie sind mit Stroh gedeckt. Auf den Dächern zwischen dem
Stroh lugen kleine Kinder hervor in Hemden, notdürftig bekleidet. Um die
Häuschen herum spazieren Gänse, Enten eine Ziege und sogar eine Kuh ist an
einem Pfahl angebunden. Dann eine Strecke wieder im Kolchosenbetrieb mit großen
Obstgärten die in voller Blüte stehen. Die Bäume tadellos getüncht und
beschnitten sind in endlosen Reihen gepflanzt und bieten einen imposanten
Anblick. Runkelrübenfelder, die schön sauber gepflegt sind geben den Beweis,
dass es hier nicht an Arbeitskräften fehlt. Es zeigen sich in der Ferne die
Umrisse der Stadt Odessa. Der Zug rollt durch die Baumanlagen hindurch, wo man
die Villen der Reichen entdecken kann. Wir rollen in ein Gewirr von Bahngleisen
und da verlangsamt der Zug seine Fahrt. Es ist 1 Uhr mittags. Der Zug hält, wir
sind in Odessa angekommen. Die Bahnanlagen sind überfüllt mit Kriegsmaterial
geladenen Wagen und russischem Militär.
Wir müssen aussteigen. Wir stauen unser
Gepäck auf den Bahnsteig. Die russische Kommission, die uns von Kattowitz bis
hierher begleitet hatte nötigte uns jetzt die Wagen des Zuges zu säubern, was
eine gute Weile Zeit beanspruchte. Dann ordneten wir uns in Reih und Glied zu
vier und vier Mann und gingen bis auf einen großen Platz. Dort sollten wir
warten. Warten ist bei den Russen erstes Gebot. Die Kinder schrieen vor Hunger,
die Frauen fallen in Ohnmacht und endlich setzt sich der Leid geplagte Zug in
Bewegung. Drei Kilometer weiter, dann wieder eine Halt. Glücklicherweise in
einem großen Park mit schattigen Bäumen. Alles lechzte vor Durst. Ja, aber was
nun?
Ein Schoppen Trinkwasser kostet einen Rubel, ein Brot
140 Rubel, ein halber Liter Wodka 35 Rubel. Woher nehmen und nicht stehlen? Und
das noch auf dem hohen Pfingstfeiertag. Gott schütze uns alle! Es gibt hier nur
eine Lösung. Kleider verkaufen um Trinkwasser zu bekommen. Ein fliegender
Althändler bot mir 300 Rubel für meinen Mantel. Endlich ein Mittel zum
Durstlöschen. Also, ein Liter Wasser 2 Rubel. Armes Russland, das sich an dem
Armut der Flüchtlinge bereichern will. Wir stehen wieder da und warten. Ein
Brot kannst du noch essen, bevor wir abreisen, denke ich und kaufe mir ein Brot
für 140 Rubel. Ich trinke und esse, schaue aus Langweile auf die Strasse und
beobachte die Passanten. Da zieht durch Zufall ein Leichenzug an uns vorüber. An
der Spitze das Kreuz, eine Gruppe Sängerinnen eine Frau mit einem Brot unter
dem Arm, dann kamen 2 Priester oder Popen, dann folgte der Wagen mit dem Sarg,
welcher noch offen stand und hinter dem Sarg eine Gruppe Fußgänger,
wahrscheinlich die Verwandten der Verstorbenen.
Die Uhr läuft
weiter und wir stehen da und liegen da, alles übermüdet von der langen
unbequemen Reise und warten, warten auf weitere Befehle. Wo ist der Hafen und
wo ist das Schiff das uns heimbringen sollt? Auf einmal kommt ein Russe und
meldet uns: "Wir müssten weiter nach Süden, in ein Lager." 26
Kilometer. Man stapelt uns in drei Trambahnwagen und sie fuhren mit uns los.
Diese Reise war ein Nagel auf den Kopf. Wer bis jetzt noch nicht müde und
erschöpft war, der wurde es jetzt. Frauen mit Kindern dürfen sich setzen, die
anderen standen wie Heringe in der Tonne zusammengedrängt auf Kisten, Körben
und Säcken ging die Fahrt nun um 4.00 Uhr los und um 7.00 Uhr waren wir am
Ziel. Hier erwarten uns tausend Flüchtlinge die sich hier schon gesammelt
hatten. Er war meistens französisches Militär. Eine Luxemburger Familie und ein
Luxemburger Soldat waren auch schon da. Man setzte die Bagage auf die Erde und
schaute auf das Meer, das die Meisten jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit
haben zu sehen. Dann warteten wir wieder auf ein Quartier. Man räumte zuerst
ein Hotel, das noch voll Stroh aus der Militärzeit war. Man band Garben und
warf diese zum Fenster hinaus in den Hof, fegte die Räume, wusch die Böden und
als wir einziehen sollten, kam der Befehl wieder umziehen. Also, wieder die
Bagage auf den Rücken und näher an das Meer heran. 2 Stunden dauerte bloß
unsere Arbeit in dem Hotel. Aber diese Arbeit war billig und die Russen
spekulierten auf billige Arbeit. Wir rückten in ein Strandlager direkt am Meer.
Es waren 2 Reihen Strandhäuser mit 2 Zimmer Wohnungen. Hier sollten wir hinein.
Wir stellten uns in Reih und Glied und wir wurden so verteilt, dass in jede
Wohnung 2 Familien mit 8 Personen zusammen kamen. Ich teilte meine Wohnung mit
der Familie Heinricy aus Lorentzweiler zu 4 Personen und Familie Mehling aus
Kayl mit 3 Personen. Wir waren schon in Kattowitz und in Tschenstochau
zusammen. Wir glaubten nun an eine gute Mahlzeit, aber niemand sprach ein Wort
davon. Wir legten uns auf den Boden wie Hunde und schliefen bald ein.
Am 21. Mai erwachte ich um 4.00 Uhr Mitteleuropäische
Zeit, stand sofort auf, nahm Handtuch und Bürste und hinein in das Schwarze
Meer zum Bade. Um 5.00 Uhr wurde Frühstück ausgegeben. Schwarzer Tee mit
schwarzem Brot. Da lief einer ins Lager und rief: "Ein Dampfer, ein
Dampfer." Ja, wo? Das ganze Lager war auf den Beinen. Doch umsonst, es war
ein Dampfer aber noch in unerreichbarer Ferne und dieser drehte auf Odessa zu.
Diese Gelegenheit benutzte ich und machte einen Spaziergang am Strande. Hier
lagen einen Steinwurf von unserm Lager entfernt mindestens 8000 französische
Soldaten in Zelten untergebracht. Durch dieses Lager spazierte ich nun und
studierte das Zeltleben der Soldaten. Hier könnte ich ein Buch schreiben, was
mein Auge in einer halben Stunde sah. Ich will es unterlassen. Hier wurde das
Wort Elend auch groß geschrieben und überall an jedem Zelt war die
Außendekoration zerrissene, schmutzige Wäsche. Es gab sogar weibliche Elemente
in diesem Lager. Eine unwillkürliche Frage tauchte mir im Herzen auf, ob die
auch einwandfrei sein sollten? Eine
Gruppe Soldaten tummelte sich im Meeressand am Strand. Ich gehe bis zu 20 Meter
an sie heran, da ertönte eine Explosion und ich sah wie die Fetzen eines
Soldatenkörpers in die Luft flogen. Ich eilte näher. Ja, da lag noch der
Oberkörper, ohne Kopf, Arme und Beine. Nur das Bruststück mit dem jungen Herzen
drin, das noch schlug. Alles lief zusammen. Die vom Luftdruck in der
Nachbarschaft niedergeworfenen Soldaten erholten sich vom Schreck und kamen das
Bild anschauen das sich ihnen bot. Ein Feldgeistlicher, der unter den Soldaten
war, kam herzu und gab dem noch schlagenden Herzen die Absolution. Eine im Sand
verborgene Mine, auf die der Soldat trat, zerstückelte seinen Körper. Man sammelte
die Gliedmassen und verpackte die Körperteile in ein Segeltuch. Gott schenke
ihm die ewige Ruhe sprach ich und ging zum Lager. Die Aufregung hatte mich so
ergriffen, dass ich mich beruhigen musste. Wenn man allein ist dann betet man.
Es ist das beste Mittel gegen Aufregung. Nach einer Stunde wurde gemeldet, dass
die Explosion 2 Tote und 2 Verwundete gefordert hatte. Ein Zeichen der
Nachlässigkeit der russischen Behörde. Wie können sie das Betreten eines
Sandfeldes am Meer zulassen, ohne sich vergewissert zu haben ob das Feld
Minenfrei ist. Als das Unglück geschehen war traten zwei Minensucher in Aktion.
Um 10.00 Uhr traten wir zum Abholen der ersten
Verpflegung an. Wir erhielten Brot, Zucker, Schmalz, Tee und Konserven. Wir
begannen mit der Organisation des Lagers. Die Verpflegung, die Verteilung der
Arbeiten im Lager usw. Am Nachmittag machte ich eine Strandpromenade. Ein
Fußpfad läuft an der Küste entlang über mächtige Felsblöcke. In diese
Felsblöcke sind Bunker ausgegraben und dort stehen noch schwere Geschütze aus
der Kriegszeit in Eisenbeton eingebaut. Die Kanonerohre sind zerplatzt,
wahrscheinlich durch Falschladung oder durch Sabotage. Die Aussicht auf das
Meer ist fantastisch. Mit mächtigen Wellen schlägt das Meer in allen Tönen an
die schroffe 15 Meter hohe Felswand. Auffallend ist dass ich hier keine Möwen
am Strand sehe, die gewöhnlich am Meeresstrand zu Hause sind. Wahrscheinlich
durch den Krieg verscheucht. Wenn man am Rande des Felsens auf das Meer
hinausschaut, sieht man das Wasser, das mächtige Element in so großem Format,
das Meer, dann überkommt einen unwillkürlich der Gedanke an den Schöpfer und
Lenker des Weltalls und man muss eingestehen wie klein dass ein Menschenwerk
gegenüber all diesen Gewalten ist. Haushoch steigen die Wogen, türmen sich zu
Bergen und brechen am Felsgestade zu dampfenden Gischt. Stundenlang schau ich
diesem Schauspiel zu. Es ist recht windig am Gestade, doch die Meeresluft ist
gesund und macht Hunger. Ich kehre ins Lager zurück und komme gerade zur
Rechten Zeit. Auf Vermittlung des Roten Kreuzes wurden gegen Abend Liebespakete ausgeteilt. 2 Personen 1 Paket.
Der Inhalt war für uns eine wahre Überraschung. Zigaretten, Schokolade,
verschiedene getrocknete Früchte, Butter, Paté in Konserven, Würstchen usw..
Wir glaubten an das Wunder am Nikolausabend. Auch erhielten wir für heute zum
zweiten Mal eine anständige Eintopfsuppe. Man war zufrieden, aß, trank,
rauchte, sang und lachte wieder im Lager. Die Nacht war stürmisch und bewegt.
Am 22. Mai lag der Strand wieder in praller Sonne und
Groß und Klein tummelte sich am Strande. Für Schwimmer die reinste Versuchung.
Man warf sich einfach in das kühle Nass und ließ sich von den Wellen
hinaustragen ins weite Meer. Wer nie in solchem Wasser lag, der kann sich keine
Vorstellung machen, welche ein Hochgenuss man empfindet, sich von den Wellen
tragen zu lassen. Das Wasser des Schwarzen Meeres ist stark salzig. Es ist sehr
schwer. Man legt sich drauf wie auf eine Matratze und lässt sich treiben.
Wunderbar! Die Wellen tragen dich hügelauf, hügelab, manchmal auch im Kreis.
Will man zurück schwimmen zum Strande zu, stößt man sich von der Masse ab,
kommt auf eine Welle zu liegen und diese Welle geht hoch und nieder und auf
einmal liegt man wie auf Federn im
weichen Sand. Wenn man um sich schaut ist die Welle wieder zurück zum Meer
getreten. Ein ewiges Auf und Nieder. Das Schwarze Meer wird nie in meinem
Leben, mir aus dem Gedächtnis scheiden. Fischerboote fahren aufs Meer hinaus,
kommen am Abend wieder. Jeden Augenblick bietet sich ein neues Bild. Düstere
Wolken am Horizont deuten auf ein Gewitter hin. Gegen Mittag erhebt sich ein
Sturm, den wir uns so sehnlich gewünscht haben. Der Sturm auf dem Meere. Etwas
Grandioseres habe ich noch nie gesehen. Haushohe Wellen brausen über die Sandflächen
der Dünen hinweg. Einzigartiges, ungewohntes Schauspiel. Wir treten ins Lager,
treiben Kurzweil und schlagen so die Zeit tot. Ich erhielt durch Zufall die
Adresse eines Dorfbekannten aus Rodingen, dass er noch am Leben und wohlgemut sei. Um 8.00 Uhr abends begann ich
mein Schlafnest zu machen. Aus einem Sack voll Holzspänen die ich gesammelt
hatte, machte ich mir ein molliges Lager. Ei, Ei wie warm und fein. Gute Nacht
meine Lieben zu Hause. Ein Lagerinsasse musste ins Spital.
Am 23. Mai fiel ein Sprühregen bei meinem Frühbad im
Meere. Der Wind blies heftig und das Meer zeigte Anzeichen zum Überlaufen. Ja,
das war etwas was wir noch nie erlebt hatten. Ebbe und Flut. Die Flut setzte
ein und die Sanddünen verschwanden im Wasser. Es war ein Geräusch ohnegleichen
an den Felswänden. Gegen 10.00 Uhr verschwanden die Wolken und die Sonne
brannte mit aller Kraft. Im Lager war wieder Verteilung von Lebensmitteln.
Brot, Zucker und Konserven. Das beansprucht jedes Mal Stunden. Die Verteilung
des Reinigungsdienstes im Lager ist ein Kapitel für sich. Da will kein
Freiwilliger ran und das Kommandieren ist immer so eine peinliche Sache. Es ist aber erstes Gebot im Lager. Ordnung,
Sauberkeit und Disziplin. Der Tag ist
ausgefüllt mit allerlei Beschäftigungen. Vor allem ist das Wasserholen
zum Waschen und Kochen recht mühselig. Dann reihen sich die Abnehmer zu 100
Meter langen Schlangen und einer zieht einen Eimer an einem Seil gebunden aus
einem Ziehbrunnen, einen Eimer nach dem andern durch die Schmale Öffnung herauf.
Stundenlang dauert diese Prozedur. Ein Zeichen des Fortschritts im Paradies. Ab
und zu hören wir Detonationen von Minen, die die russischen Soldaten am Strand
entdeckt haben.
Am 24. Mai um 5.30 Uhr. Ich steige ins Meer zum
Frühbad. Es ist frisch, windig aber trocken. Die Luft ist einzigartig. Von
Luftfeuchtigkeit keine Spur, obschon bei dem Wasser. Ein Abtrocknen nach dem
Bade, ist überflüssig. Der Wind tut seine Pflicht. Über Tag ist das Strandleben
wieder Hauptbeschäftigung. Im Sande stehen russische Frauen und baggern den
Meeressand auf einen großen Camion, mit einer Tragbahre, auf dem ein
quadratförmiger Holzkasten befestigt ist, wird der Sand auf den Weg, der längs
der Küste läuft auf einen Haufen getragen und dann auf den Camion geladen. Die
Weiber imponieren mir recht sehr. Es sind besonders kräftige Typen, mit
Muskeln, wie sie bei Männern zu finden sind. Ich beobachte sie zu Mittag. Sie
nahmen eine Eintopfsuppe zu sich. So ungefähr ein Liter pro Kopf. Nach dem
Essen sprangen sie ins Meer, mit den Kleidern, schwammen ungefähr 500 Meter ins
Meer hinaus, dann wieder zurück und gingen dann wieder sofort an ihre Arbeit
ohne die nassen Kleider um zu ziehen. In einer halben Stunde waren sie
vollkommen trocken. Für die Luxemburger Frauen im Lager ein unverständliche
Handlung.
Da auf einmal tauchte eine Luxemburgische Illustrierte
Zeitung auf. Sie ging von Hand zu Hand, Neuigkeiten von der Heimat. Nein, wie
interessant. Wie komisch! Wie kommt diese Illustrierte ins Lager? Ein Rätsel!
Herr Peusch sendet im Namen des ganzen Lagers einen
Brief nach Moskau an Herrn Blum, Luxemburger Konsul. Wenn dieser uns helfen
könnte. Ich bin in dieser geteilten Meinung, Ich werde bestimmt Recht behalten.
Am Nachmittag trafen 6 Luxemburger im Lager ein. Sie
kamen aus dem Lager Tambow aus Russland. Ihr gesundheitlicher Zustand war
bedauerlich. Sie waren bei den russischen Partisanen tätig, wurden aber für
ihre Leistung wenig bedankt. Sie brachten auch eine Liste mit von allen
Luxemburger Kameraden die noch in Tambow sein sollten. Ich fand auf dieser
Liste 2 Dorfjungen von zu Hause. Berg und Backes. Ich legte mich auf mein
improvisiertes Bett und rief mir die Erlebnisse des Tages noch einmal ins
Gedächtnis. In der Nacht wandelte ich durch das Lager. Es regnete und der
russische Soldat der Wache hielt, lehnte mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
Um 5.00 Uhr ging ich zum Bad. Das Wasser war ziemlich kalt. Was trieb mich denn
ins Bad, ins Wasser? Die verdammten Läuse. Nach dem Bade, hatte man ein paar
Stunden Ruhe. Heute mussten alle Männer zum Duschraum. Da konnte ich mir fast
eine Beule lachen. Unter einem großen Zelt hing über den Köpfen ein Sieb aus
einer alten Gießkanne und aus diesem Sieb rieselte ein wenig Wasser herunter.
Dauer einer Dusche, ehe man ganz nass war, mindestens eine Viertelstunde.
Fortschritt was? Die Frauen mussten in die Küche Kartoffeln schälen. Warum,
weil ihre Männer zu faul waren. 350 Belgier sollen uns heute verlassen. Ob es
wahr ist. Am Abend erhielten wir das 2. Paket vom Roten Kreuz.
Samstag, den 27. Mai. Heute enthielt ich mich ins
Wasser zu steigen. Es war recht kühl draußen. Es war allgemeine Säuberung des
Lagers und der Hofanlagen. Man amüsierte sich und diskutierte die Kriegslage.
Man las die Zeitungen, die aus Belgien ins Lager kommen. Auch für die Englisch
lesenden Kandidaten kamen Zeitungen aus London. Der Sohn Berens ist aus dem
Spital zurück. Sein Zustand ist besser. Nur die Dame Heinricy aus Lorentzweiler
ist noch in ärztlicher Behandlung. Sie wird von einer Roten Kreuzschwester
betreut. Sonst ist alles im Lager munter. Ich gönne mir ein Sonnenbad in einem
Tallü (Hügel), wo ich den Blicken der anderen entschwunden bin. Ich bin immer
übermüde. Das viele Laufen im Lager hin und her, damit es nirgends soll an dem
Laufenden fehlen, nehmen meine Kräfte arg in Anspruch.
Sonntag den 27. Mai. Heute haben die Belgier ihren
Befehl bekommen abzureisen. Das Komitee der Belgier wurde von mir gebeten, zu
Hause die nötigen Schritte zu unternehmen, dass unsere Repatriierung auch soll
zustande kommen. Sie haben uns dies fest versprochen. Ich glaube aber nicht an
einen Erfolg. Ich glaube sie denken auch nur an ihre persönlichen Interessen.
Wir wollen abwarten. Wir gehen zur Heiligen Messe, die im Freien im
französischen Lager stattfindet. Die Beiwohnung der Messe war enorm und es war
wirklich feierlich. So eine Messe im Freien ist etwas Äußergewöhnliches. Die
Gesänge wurden vom französischen Militär gesungen. Es wurden auch viele
Kommunionen ausgeteilt. Nach der Messe machte ich mit einem Kameraden einen
Spaziergang längst der Küste. Die Flora dieser Gegend in Augenschein zu nehmen
war unser Ziel. Etwas Interessantes bot sich leider nicht. Die Felder längs der
Küste sind durch die Kriegsereignisse stark zerwühlt und der Ginster nimmt
überall die Überhand. Disteln, so genannte Stranddisteln, Hauhechel und
Johanniskraut. Wilde Wicken und Unkraut dazwischen wuchern nach Belieben. In den gepflegten
Gärten ist die Schattenmorelle der Baum der die Führung hat. Einzelne
Pflaumenbäume sind anzutreffen und das ist alles. Die Vegetation deutet auf ein
rauhes Klima.
Nach dem Mittagessen bewundern wir eine Gruppe
französischer Soldaten beim Fußball auf einer Wiese. Eine andere Gruppe spielt
sogar Rugby. Am Abend zeigen die Franzosen sogar einen Film im Freiluftkino. Die Giebelwand eines
Hauses dient als Leinwand. Die Belgier sind abgereist. Das Lager ist leerer
geworden. Ich gehe zu Bett.
Am 28. Mai bin ich schon wieder um 5.00 Uhr bei der
Arbeit. Meine Arbeit wird ja sicher auch die Leser interessieren. Sie besteht
aus der Überwachung und Besorgung von Lebensmitteln in dem Lager. Ich
präsentiere mich zu jeder Mahlzeit in der russischen Küche mit der Liste der
Lagerinsassen, übernehme die Verteilung der Speisen und sonstigen Rationen, wie
Zucker, Brot, Fett usw. Überwache das Spülen und das Abliefern der Essnäpfe
usw. Die Arbeit beansprucht zu jeder Mahlzeit zwei Stunden. Ich überwache die
Arbeiter und Arbeiterinnen in der Küche beim Kartoffelschälen. Hof und Küche reinigen
usw. Eine undankbare Mission. Doch dieser Posten ist verantwortlich für das
Funktionieren der Verpflegung.
Heute gab es wieder Kaffee, Eiermehl, Zitronen und
Büchsenmilch für die Kinder im Lager. Im Hof beginnt man bald danach auf
improvisierten Öfen Pfannekuchen zu backen. Eier zu kochen und zu backen und
alles Mögliche. Die Kinder bekommen Brei und Milch gekocht. Man glaubt sich auf
der Schobermesse. Ich frage mich, wohin mit dem vielen Essen? Aber das was man
selber kocht und backt schmeckt bestimmt immer besser, als wenn die Russen es
tun. Essen, Essen können alle aber wo und wie es bekommt darüber machen sich
die Wenigsten Sorge. Die Frau Heinricy ist noch immer krank. Ich spreche ihr
immer guten Mut zu. Sie ist eine von wenigen Frauen, die mir große Dienste
leistete, was die Wäsche anbetrifft. Sie bügelt mir die Wäsche mit dem
elektrischen Bügeleisen. Auf diese Art wurde viel Ungeziefer einfach in den
Kleidern geröstet. Eine gute Methode. Wir reden im Lager wieder von der Abreise
und ich fange auch an zu glauben, dass es nicht mehr lange dauern wird. Im Hof
flattert die große Wäsche auf dem Strick. Die Sonne tut ihr Bestes und ich
spaziere auf und ab. Wie leicht kann ein Dieb ins Lager. Denn alles was nicht
angewachsen ist, findet sofort Abnehmer. Der Tag geht zur Neige und das Meer
rauscht sein uraltes Lied. Der Zauber des Schwarzen Meeres lullt mich in den
Schlaf ein. Die Nächte sind kurz und Frühaufsteher haben mehr vom Leben. Die
Wassernixen locken mich zum Strand. Ein Morgengruß aus dem kühlen Nass nach dem
Westen und mein Tagewerk beginnt wieder nach altbekannter Weise. Heute war in
der freien Zeit mein Ziel: " Der Fischerhafen." Ich suchte
Bekanntschaft zu machen mit den Fischern. Diese fuhren morgens bei Tagesanbruch
auf die See hinaus, kommen nach gutem Fang früh oder später wieder. Die
gefangenen Fische werden von der Hafenpolizei an Gewicht taxiert und dann in
einem am Strand befindlichen Magazin in große Fässer verpackt. Sobald die
Fässer voll sind, läuft die Fracht nach Odessa zum Fischmarkt um dort verkauft
zu werden. Der Magazinier ist ein in den fünfziger Jahren stehender Mann. Es
ist seine Arbeit die abgelieferten Fische und eingelieferten Fische zu buchen,
mit Datum, Gewicht und Art. Ich trat in seine Amtsstube ein. Mit freundlichen Gruße
lud er mich zum Sitzen ein. Es stand in seinem Büro nur ein zerbrechlicher
Stuhl und ein ebenso zerbrechlicher Tisch, mit einer Schublade. Ich grüßte auf
Französisch. Er erwidert mit "Guten Tag." Also, der Mann spricht
Deutsch. Wir knüpfen nun zusammen eine Freundschaft. Er ist Russe, war im
Deutschen Reich im Ruhrgebiet beschäftigt, hat auch von Luxemburg gehört, kennt
die geographische Lage unseres Landes und hat viel über Luxemburg gelesen. Er
war Wanderbursche und ist von Beruf Schlosser. Jetzt als Magazinverwalter
tätig. Ich unterhielt mich einige Stunden mit ihm. Er griff in die Schublade
des Tisches und zeigte mir seine Arbeit. Er zog sein Wareneingangsbuch, ein
blaues Heftchen, wie unsere Kinder im zweiten Schuljahr eins haben mit
Doppellinien hervor und mit einem stumpfen Bleistift kritzelte er Zahlen hinein
und legte es wieder an seinen Platz. Ich fragte ob es möglich wäre Fische
kaufen zu dürfen. Ich wäre Liebhaber von Fischen. Er antwortete: "Ja aber
was können sie bieten. Eine Hose oder ein paar Schuhe?" Ich konnte nur
antworten: "Nein, nichts von alldem, denn ich trage meine Garderobe auf
der Haut und bis nach Hause ist noch ein weiter Weg und das Geld ist mir schon
seit Monaten ein unbekanntes Objekt." Ob denn sonst keine Möglichkeit
bestehen würde. Ich könnte vielleicht ein Brot oder Erbsen tauschen. "Geh
mal suchen." Sagte er. "Wenn es gute Ware ist, dann ist vielleicht
ein Tausch möglich." Ich verspreche am anderen Tag wieder zu kommen. Wir
verabredeten eine Stunde und ich ging mit der Überzeugung, dass ein Handel
zustande kommen täte. Im Lager gab es heute Zigaretten und 200 g grauen Tabak.
Am Nachmittag erhielten wir Besuch von einem
englischen Offizier. Dieser war sehr freundlich und ich muss gestehen, solche
Menschen waren wir nicht gewohnt kennen zu lernen. Er versprach, dass er den
Auftrag hätte unsere Repatriierung in die Wege zu leiten und dass dies in Kürze
geschehen werde. Er behauptete sogar, dass das erste Schiff, was aus England
kommt uns bei der Rückkehr mit nach Frankreich nehmen wird. Solchen Menschen
kann man glauben und wir alle im Lager wollten dem Herrn die Hände küssen. Vor
Freude. Nun, meine Lieben zu Hause, auf baldiges Wiedersehen. Weint nicht, Gott
wird uns schützen.
Am 30. Mai hatten wir auch wieder eine Überraschung.
Die Russen gaben uns Seife zum Waschen. Die Frauen erhielten Schokolade und die
Kinder Bonbons. Der Herr Bisdorff reklamierte er hätte zwei Portionen zu wenig
bekommen. Am Ende waren doch alle zufrieden. Die Sonne scheint schön warm ins
Lager und ein jeder nimmt ein Sonnenbad und die Jugend treibt Sport im Hof. Ein
Zeichen der Zufriedenheit.
Am 31. Mai hatte ich einen schwarzen Tag. Ich hatte
mich am Morgen um eine Stunde verschlafen. Das war unverzeihlich. Die Küche
hatte schon den Morgenkaffee verteilt als ich ankam. Ich musste mich
entschuldigen. Ich weiß nicht wie es kam. Es war vielleicht die Überanstrengung
schuld. Eine andere Überraschung noch. Der russische Kommandant gab Anweisung,
dass kein Mensch das Lager nach 10.00 Uhr verlassen darf. Wir glaubten an eine
Abreise. Aber nein, es zeigte sich nichts davon. Der Tag verlief nur in
äußerster Spannung. Am Nachmittag streikten sogar eine Anzahl Lagerinsassen
wegen dem Kartoffelschälen. Die Herren Streveler, Decker, Demuth, Baustert,
Chenaux, die Söhne Bettendorf, Antony, Staat, Berens, Tunik und Diederich. Sie
verweigerten den Gehorsam. Ich überlies die Entscheidung dem französischen
Offizier, der die Arbeit anordnete. Wie die Sache ausgeht, vielleicht erst
morgen. Bei Anbruch der Dunkelheit ging ich
mit 5 Kilogramm Erbsen aus meiner eisernen Reserve zu dem Magazinverwalter in
den Fischhafen. Der Herr bemusterte die Ware und rief noch einen
Hafenpolizisten herbei um den Handel perfekt zu machen. Allem Anschein nach war
der Polizist einverstanden. Der Magazinverwalter gab mir 5 Kilogramm Fische als
Gegenwert und ich marschierte ins Lager damit. Es sollte eine Überraschung sein
für unsere kranken Frauen Heinricy und Mehling. Sie bereiteten diese sofort
zurecht. Ich habe denselben nicht einmal geschmeckt. Ich wollte mit dieser
Handlung nur die Russen versuchen, wie weit dass die Verstaatlichung der
Betriebe greifen würde. Also, doch Korruption, wo nur möglich.
Am Freitag, den 1. Juni 1945 wurden die Streikenden in
unserem Lager dadurch gemaßregelt, dass man ihnen bei der Zuteilung von
Zigaretten, ein Paket weniger gab als den anderen. Im Lager wurde ein neues
Komitee gebildet. Herr Biewer wurde Sekretär und Madame Schoettert als
Austeilerin der Esswaren bestimmt. Die Uneinigkeit im Lager lässt manchen Hass
aufkommen, der unbedingt vermieden werden müsste. Aber der Unterschied der
Bildung setzte sich durch. Die Ungebildeten Menschen sind ja meistens die
Vorlautesten im Tun, Denken und Handeln. Der Klügste gibt ja bekanntlich immer
nach.
Um 9.00 Uhr hatten wir wieder Appell vom russischen
Kommandanten. Die Streikfrage war beigelegt. Alles lief wieder nach Ordnung.
Die Streikenden hatten mit ihrer Haltung ein schlechtes Zeugnis ihrer
Kameradschaft bewiesen in der Notlage, in der wir uns befanden. Doch Schwamm
drüber.
Am Nachmittag nahm ich mein Bad wieder wie gewöhnlich
im Meer. Ebenso am Samstagmorgen um 6.00 Uhr. Dann zum Frühstück. Verteilung
der Nahrungsmittel und nun Siesta bis 9.00 Uhr. Der russische Kommandant ist
wieder da in Begleitung des englischen Offiziers. Nach der Einschreibung aller
im Lager befindlichen, erklärten sie uns, dass unsere Abreise Morgen, den 3.
Juni stattfinden täte. "Halli, Hallo" schallte es durch alle Zimmer.
Wir fahren morgen heim. Nach dem Mittagessen nahm ich ein Sonnenbad und als ich
ins Lager zurückkam, waren alle Männer zum Duschraum und zum Empfang von neuen
Unterkleidern. Ich machte eine Ausnahme. Ich machte wieder, auch hier das
Schlusslicht. Doch es war nicht viel verloren, denn was wir abholten war nicht
abholenswert.
Sonntag den 3. Juni. 1945. Beim Morgengrauen bin ich
schon aus den Federn und mache Toilette. Heute ist es Sonntag und
wahrscheinlich werden sich heute die Ereignisse überstürzen. Ich mache noch
einen kleinen Spaziergang vor dem Frühstück in die Peripherie des Badeortes
Lutzdorf. Es ist ein Badeort und normalerweise vielleicht viel besucht. Die
Wochenendhäuser am Strand deuten auf viel Besuch während der Saison. Die Häuser
sind jedoch fast alle durch den Krieg arg beschädigt. Die Einrichtungen in den Hotels
waren jedoch allem Anschein nach erstklassisch. Sport und Tennisfelder waren
da. Hotels für Kurgäste. Heute alles von Flüchtlingen belegt. Wir gehen um 8.00
Uhr zusammen in die Heilige Messe und bitten den Herrgott um baldige Heimkehr.
Um 12.00 Uhr Mittagsmahl und gleich danach war ein
Russe im Lager und gab Befehl sofort alles einzupacken. In einer Stunde stand
alles reisefertig in Reih und Glied im Hof. Der englische Offizier sagte uns
damals, als er im Lager war: " Der Abtransport täte mit Camions geschehen.
Es zeigte sich aber kein Auto und kein Camion. Wir gingen nun zusammen bis zur
Trambahnhaltestelle. Ein Abmarsch mit der Straßenbahn war auch nicht möglich,
wegen der vielen Bagage. Um 3.45 entschlossen wir uns den Weg zu Fuß zu machen.
Die gebrechlichen Leute sollten per Camion nachkommen. Alle Bagage wurde nun
zusammengestellt. Alle Luxemburger sollen fort bis auf einen einzigen, das war
ein Herr aus Tetingen mit Namen Staar. Er kam aus dem Lager Tambow. Warum er
dableiben soll ist mir ein Rätsel geblieben. Also los, auf den Weg. Der Zug
begriff über Tausend Franzosen und über Hundert Luxemburger. Auf Wiedersehen
Lutzdorf, du idyllisches Dörfchen am Schwarzen Meer. Auf Wiedersehen ihr
brausenden Gestade des Meeres. Auf Wiedersehen du Weltenbummler aus dem
Fischerhafen. Ich werde ewig an euch denken. Den Hut gelüftet und noch einen
Blick zurück, dann entschwand Lutzdorf am Gestade des Schwarzen Meeres unseren
Blicken.
Der Weg führt nach Odessa. 24 Kilometer noch. Doch
frisch auf, es geht der Heimat zu. Über sandige Wege und zerwühlte Strassen
marschieren wir, zuerst im Schritt, ziemlich schnell. Am Himmel ziehen graue
Wolken auf, ein Gewitter versprechend über uns. Unser Weg ist rechts und links
begrenzt von Weinbergen. Wir marschieren über eine Kuppe und verlieren den
Blick auf das Meer. Aus der Ferne im Westen blitzt es und ein heftiges Donnern
folgt sofort. Eine schöne Aussicht noch gewaschen zu werden. Fußhoher Staub auf
dem Wege macht die Kehlen trocken und mancher klagt über Durst. Da erhebt sich
plötzlich ein Sturm, wie wir ihn noch nie erlebt haben. Wir mussten Halt
machen. Die Staubwolken türmten sich im Wirbel haushoch. Die Sicht zum
Weitermarschieren war für den Moment unmöglich. Wir scharten uns alle zusammen
um dem Wind besser trotzen zu können. Bald setzte der Regen ein und wir durften
wieder weiter. Der Staub ließ nach. Aber wir sahen alle aus wie wenn wir in
einer Kohlengrube gearbeitet hätten. Das Gewitter verzog sich rasch und wir
durften von Glück sprechen. Vom Regen haben wir nicht viel abbekommen. Die Erde
roch ein bisschen frischer nach dem Regen und das Wandern machte richtig Spaß.
Wir marschierten an großen Blumenkohlfelder vorbei, bewunderten die Anlagen der
Berieselung. Die von hohen mit Wasser gefüllten Tanks bedient wurden. Wir
glaubten schon die Gärtnereianlagen von Odessa vor uns zu haben, aber bis dahin
war noch ein weiter Weg. Man hörte im Zuge frischfröhliche Lieder singen. Das
sollte über die Müdigkeit hinweghelfen. Einige zogen die Schuhe aus und
schüttelten den Sand aus den Schuhen, die anderen wischten Schweiß vom Gesicht.
Man erzählte sich Anekdoten und Erlebnisse aus der Umsiedlung und so verging
die Zeit und der Weg wurde immer kürzer. Wir erreichen die Vorstadt Odessa. An
herrlichen Villen ging es vorbei. Manches Soldatenherz schlug höher beim
Anblick einer Kammerzofe die aus dem Fenster lugte. Ein Lied wurde angestimmt
und der Zug zog sich wieder zusammen in Reih und Glied. Mit Sing und Sang ging
es durch die Strassen der Stadt. Russische Soldaten gingen an uns vorbei und
spuckten die Schalen der Sonneblumenkerne aus. Typisch russisch! Was der
Chewinggum der Amerikaner ist das ist der Sonnenblumensamen für die Russen. Die
linke Hand fährt aus der linken Uniformtasche zu dem Mund. Ein kurzes Knacken
und schon fliegt die Schale des Kernes schon wieder im Bogen auf die Strasse.
Da sieht man in Odessa in fast allen Läden, Behälter verschiedener Dimensionen
voll Sonneblumenkerne zum Verkauf aufgestellt. Die Strassen liegen fast alle
höher als die Eingänge der Häuser und man muss die Treppen hinuntersteigen um
einzutreten. Da kommt ein Soldat über die Trottoiranlage mit einem Fahrrad an
mir vorbei, er rennt vom Bürgersteig wieder auf die Strasse. Allem Anschein
nach ist er betrunken. Patsch ging es und das Hinterrad war geplatzt. Er stand
still, beschaute das Fahrrad von vorne nach hinten und von hinten nach vorne,
hob es in die Höhe, fuchtelte damit und Schwupp warf er das noch fast neue
Fahrrad unter einen Panzer der eben
vorbeifuhr. Schrott war das Resultat. Wie kann doch nur ein normaler Mensch so
etwas tun? Diese Szene brachte bei uns höhnisches Gelächter hervor. Fortschritt
oder Rückstand? . Wer kann das beurteilen? Mit Spaß und Gelächter gelangen wir
auf die Boulevards der Hafenstadt. Breite Strassen tun sich vor uns auf. Rechts
und links mächtige Häuser moderneren Stils. Grosse Hotels und Konsulatsgebäude.
Verkehrsgesellschaften, Bankhäuser wie in einer europäischen Großstadt.
Auffallend fehlen die großen Geschäftslokale. Wir landen auf dem Boulevard
längs des Hafens. Hier haben wir einen wunderschönen Blick auf das Meer, mit
den Hafenanlagen. Wir steigen eine mächtige Treppe hinab zum Hafen, müssen aber
noch weiter, denn noch immer kein Schiff. An mächtigen Kränen geht es vorbei zu
einem Eisenbahnbahnhof. Dann noch weiter südlich. Ja, da starren uns die
mächtigen Schiffe entgegen. Die ersten Kolonnen machen halt. Wir erreichen sie
und schauen auf die Uhr. Genau 8.00 Uhr. Also, genau 4 Stunden unterwegs. Was
nun? Hier liegen verschiedene Schiffe. Wir wagen uns an die äußerste Grenze bis
an die Schiffe heran. Da winken uns ja schon die englischen Matrosen vom Deck
zu. Sie werfen uns sogar Apfelsinen, Schokolade und Zigaretten zu. Eine
Vorschau auf unsere voraussichtliche Verpflegung. Eine Besteigung des Schiffes
war voraussichtlich nicht gestattet. Die Matrosen sagten uns aber, dass das
unser Schiff sei. Wir beäugten den Koloss in seiner ganzen Länge. Da stand auf
dem Bug der Name "MONOWAY". Wo sind die andern, die mit den Camions
kommen sollten? Wo ist unser Gepäck, das wir in Lutzdorf ließen? Bei Einbruch
der Nacht langten erst die Camions an und ein Rennen auf die Bagage begann.
Beinahe hatte man meine 2 Koffer in Lutzdorf gelassen. Verständlich, jeder
schaut nach seinem Kram. Es war aber abgemacht, dass alles Gepäck mit den Autos
kommen sollte. Nun, ich fand sie aber in
einem Auto wieder und alles war in Ordnung. Gegen Mitternacht begann man mit
der Kontrolle aller. Zuerst durften die Franzosen aufs Schiff steigen. Ein
englischer Kapitän, ein russischer Kapitän und einige Soldaten machten genaue
Kontrolle. Sogar umfangreiche Gepäckstücke und Körbe mussten geöffnet werden.
Ein französischer Soldat musste mit seiner Bagage zurück. Er hatte in einem
Korb sein Liebchen verpackt. Schade, das arme Mädchen wäre so gerne mit nach
Frankreich gefahren. Um 12.20 Uhr bestieg ich als 3. Luxemburger die MONOWAY.
Bei der Ankunft auf Deck überreichte man mir meine Schiffskarte genannt Bording
Card. Diese Karte trug folgende Angaben: "Bording Card. Hesse Deck C2
Table No 2. This card must be retained and produced upon demand. No
shorting in troop decks." Ein
Matrose begleitete mich bis auf meinen Platz. Ich richtete mich häuslich ein
und begab mich sofort zum Duschraum. Eine anständige Säuberung war absolut
nötig. Wir waren schwarz wie Neger vom Staube der Strasse. Um 1.00 morgens
waren alle Luxemburger auf dem Schiff. Zusammen in einem Raum, mit Ausnahme der
Damen und Kinder. Herr Peusch nebst Damen und Tochter belegten eine reservierte
Kabine. Die anderen Damen eine Gemeinschaftskabine. Wir bekamen nun ein
Nachtessen serviert, auf das wir uns stürzten wie die hungrigen Löwen. Seit 14
Stunden keinen Bissen mehr gegessen und keinen Schluck mehr getrunken. Es gab
Weißbrot, Fleisch und Kakao. Eine ansehnliche Ration Butter garnierte die Platte.
Endlich einmal wieder ein anständiges Essen seit Januar 1945. Wir hängen unsere
Matten auf und in einer halben Stunde schlief alles wie eine Ratte im Winter.
Ich denke noch immer an den zurückgebliebenen Herrn Staar in Lutzdorf und
stellte mir immer wieder die Frage: " Warum musste der Herr allein
dableiben?" Gute Nacht ihr Lieben zu Hause. Euer Vater ist unterwegs.
Vater nach des Tages Lauf schau zu dir ich nochmals auf, danke dir recht
inniglich, denn du warst so gut für mich. Amen.
Montag, den 4. Juni. Ich erwache erst 20 Minuten nach
fünf. Das Schiff liegt noch immer still. Ich stehe auf, mache Toilette und
steige auf Deck. Ich atme frische
Meeresluft mit vollen Zügen. Ich schaue und bewundere den Sonnenaufgang auf dem
Meere und konnte nicht anders als meine Seele sprechen zu lassen. Das
Morgengebet: "O Gott du hast in dieser Nacht so väterlich an mich gedacht,
bewahre mich in deiner Huld auch diesen Tag vor Leid und Schuld, mein Glück,
mein Herz will ich dir weihen, zu deiner Ehr soll alles sein."
Um 7.00 Uhr begebe ich mich zum Frühstück. Es gibt
eine gute Quäkersuppe (Porridge) mit gebratenen Würstchen, Tee, Weißbrot,
Butter und Orangenmarmelade. Man glaubt sich wirklich im Paradies. Welch einen
großen Unterschied gibt es doch zwischen der russischen und der englischen
Küche. Der Kapitän ließ uns sagen: "Wer noch Hunger hat darf ruhig
nachfragen." Man glaubte an diese Möglichkeit doch niemand meldete sich.
Einige ließen sogar übrig und warfen es über Bord. Nun spürt man was die Freiheit
ist. Man atmet frische Luft, man singt, man spürt wieder Leben in sich, man
verjüngt sich tatsächlich. Alles ist bester Laune. Nach einer Stunde hört man
auf dem Schiff nur das eine Wort: " Wir ziehen ab." Ich steige auf
Deck und sehe. Ja, das Schiff verlässt den Hafen. Im Innern des Schiffes
entsteht ein Maschinengeräusch. Dies Schrauben drehen und langsam entfernen wir
uns. Es geht weiter. Auf Wiedersehen Odessa. Auf Wiedersehen im Paradies, der
Proletarier. Schlafe weiter in deinem Glück. Nur ich wünsche dich nicht in
deinem Glück zu stören. Um 8.45 Uhr sind wir auf offenem Meer. Gebe Gott, dass
unser Weg nicht durch irgendein Abenteuer gestört wird. Ahoi, liebe MONOWAY.
Glück auf bis Marseille, meine Lieben zu Hause warten mit Ungeduld. Die Sonne
des Ostens soll uns begleiten. Ich denke an all das Elend, das wir erlebt haben
in Russland und danke Gott, dass wir diesem Schicksal nun entronnen sind. Es
gibt kein Zurück mehr. Wir sind in voller Fahrt. Die Glocke klingelt schon
wieder zum Mittagessen. Da gibt es 2 ansehnliche Kartoffeln, Gemüse, Fleisch in
Sauce, Weißbrot und Dessert gezuckerten Reis. Am Nachmittag liegen wir auf Deck
in der Sonne. Das Wasser ist still und von grünblauer Farbe. Einmal hält das
Schiff. Wir glauben an einen Unfall. Doch das verstehen nur Seeleute. Die
Meerespolizei gibt Anweisungen mit Signalen. Nun arbeiten die Maschinen wieder
und es geht schnell weiter. Hinten am Bug schäumt das Wasser hoch auf. Die
Schiffsschrauben laufen auf vollen Touren. Wie ein Pflug zieht das Schiff eine
Furche durch das Wasser, weiße Gischt spritzt seitwärts. Ziemlich schnell
gleitet das Schiff dahin. Eintönig ist es auf Deck. Ich steige in die kühle
Kabine. Fast alle schlafen ihr Mittagsschläfchen. Bis jetzt scheinen alle
gesund zu sein. Ich steige wieder auf Deck und sehe Herrn Kuhn aus Neudorf in
einer Ecke hocken. Er ist seekrank. Auch noch diesen Kummer. Ein anderer wurde
schon in die Infirmerie geschleppt. Es soll aber laut Aussagen des
Schiffsarztes nicht gefährlich sein. Wir speisten wie gewöhnlich mit gutem
Appetit zu Nacht und zogen uns dann auf unsere Hammaks zurück, denn schlafend
erwartet man am besten den nächsten Tag.
Am 5. Juni bin ich wieder mit der Ostsonne auf Deck.
Ein Blick, den ich nie vergessen werde, wenn die aufgehende Sonne aus dem
Wasser steigt, einem riesigen Diskus gleich, blutrot gefärbt. Kein Maler bringt
solch ein Bild zustande. Man glaubt in einen großen runden Tunnel hinein zu
schauen. Die Einfahrt ist versilbert, die Seitenwände vergoldet und das
eigentliche Loch scheint sich um seine eigene Achse zu drehen. So sehe ich das
Werk des Schöpfers. Nach dem Frühstück schnell wieder auf Deck. Es kommt bald
der Bosporus in Sicht. Ich schaue auf die Uhr. 8.30 Uhr. Ja, die ersten
Konturen vom Land zeigen sich am Horizont und nehmen immer größere Gestalt an.
Wir kommen immer näher an das Land heran. Der Bosporus bildet hier eine
gebirgige Landzunge. Wir können sehen, dass an den Abhängen mächtige
Schafherden weiden. Vereinzelte kleine Häuschen, wahrscheinlich Schäferhütten liegen
zerstreut in den Bergen. Wir kommen so nahe ans Land heran, dass wir sogar
teilweise die Bodengestaltung beobachten können. Die Erde ist felsig, rissig.
Lavamassen gleich und auf den Ebenen wächst spärliches Kraut. In den Schluchten
jedoch scheint die Erde sehr fruchtbar zu sein. Dort grasen die Schafe und dort
sieht man auch kleine Dörfchen. Die Küstenstriche zeigen sich jetzt zu zwei
Seiten. Immer enger wird die Schlucht, wo wir durchfahren sollen. Die engste
Stelle soll 5 Kilometer betragen. Um 10.00 Uhr laufen wir in den Hafen von
Konstantinopel, genannt "Istanbul" ein. Das Bild das sich hier bietet
gleich einem Paradies. Die mächtigen Felsen zu beiden Seiten des Bosporus waren
gleichsam das Eingangstor zum Schwarzen Meer. Das mächtige Ringen der Nationen
um die Meeresenge scheint uns jetzt klar. Hier ist das Einfallstor zum
Orient. Wer diese Tor im Besitz hat, der
darf ruhig behaupten: "Hier lasse ich herein, wen ich will!" Hunderte
Meter hohe Felsen sind gleichsam eine natürliche Festung. Nur ein paar
Geschütze auf jede Seite und alle Schiffe die hier durchfahren können mit
Leichtigkeit in Grund und Boden versenkt werden. Beängstigend ist auch unsere
Durchfahrt. Sollen keine Minen mehr hier schwimmen? Kommen wir auch gut hier
durch? Doch schon grüßen aus augsichtbarer Nähe die vergoldeten Kuppeln der
Moscheen der Stadt Istanbul. Wir laufen in den Hafen ein. Langsamer zieht das
Schiff dahin. Ich steige auf Deck und beobachte das Flaggensignal unseres
Schiffes. Wunderbar. Da sind alle Nationen vertreten, die das Schiff
beherbergt. Die Englische, Französische, Luxemburgische, Belgische,
Lothringische und noch andere mir Unbekannte. Von einem Mast zum andern
flattern die Fahnen über dem Schiff. Warum diese Flaggen gehisst wurden hatte
wahrscheinlich die Bedeutung dass die Besatzung des Schiffes international sei.
Das Schiff steht still im offenen Meer und vorne am Bug sinkt der schwere Anker
ins Meer hinab. Sollen wir vielleicht hier bleiben? Ein türkisches Schiff,
allem Anschein nach ein Tankschiff legt an unser Schiff an und ein Schlauch
wird zu unserm Schiff geleitet. Aha, frisches Trinkwasser sollen wir tanken.
Deshalb der Aufenthalt. Es wurden Kisten verladen. Was darin sein soll? Diese
wurden sofort aufgemacht und der Inhalt verteilt. Es waren Zitronen die das
türkische Rote Kreuz uns spendete. Auch Mehl für die kleinen Kinder. Nun
durften wir vom Schiff aus die Stadt und die Umgebung bewundern. Auge trinke
dich satt an diesen Naturschönheiten. Da liegt eine Insel mitten im Meer. Auf
dieser Insel liegt ein Schloss mitten in einem Wald von Pinien, Palmen und
anderen exotischen Bäumen und Sträuchern. Stolze Yachten kreisen auf dem
Wasser. Auf dem Dach einer Moschee ruft eine Posaune die Mohammedaner zum
Gebete. In den Strassen Istanbuls laufen die Autobusse und Straßenbahnwagen in
allen Farben der Palette. Auf den großen Boulevards um den Hafen herum prangen
die stolzen Bauten der Herrschaften in weißem Marmor in der orientalischen
Sonne. Dabei soll auch das Schloss des Mustafa Kemal Pascha sein. Ein langer
Bau mit orientalischen Ornamenten verziert. Die Strasse, die zum Teil in dem
Abhang eines Berges liegt, verteilt sich in einzelne Villen die kaum an
Schönheit übertroffen werden kann. Die Passanten in den Strassen sind an
Kleidung so farbenreich, dass ich nur staunen kann. Das blutrote, Zitronengelbe
und Himmelblaue, dominieren. Welche eine Pracht. Ich sehe, staune und horche
nur, es ist zuviel des Schönen. Da taucht eine Gondel in unserer Nähe auf. Die
Ausstattung der Gondel gleicht einem hölzernen Schloss mit allem Komfort. Das
blinkt und blitzt in der Sonne dass es einen fast das Auge blendet. Kleine
Buben und Mädchen spielen auf Deck, fast nackt. Den kleinen Turban auf den
Köpfen. Nein, sie sind zu lieb, diese Kleinen. Man müsste ein Krösus sein um einmal
im Leben diese Schönheiten der Erde bewundern zu können, aus nächster Nähe.
Der Anker des Schiffes wird wieder gelichtet. Wir
verlassen Konstantinopel. Es ist 3.00 Uhr nachmittags. Herr Peusch schickt von
hier aus ein Telegram an unsere Regierung ab, sowie an seinen Bruder in Paris
und bat um das nötige Kleingeld. Am Ausgang des Hafens begleiten uns die Fische
und haschen nach Beute die ihnen der
Schiffskoch ins Meer schüttet. Um 4.00 Uhr gelangen wir ins das Marmarameer.
Das Schwarze Meer, das uns bis jetzt ziemlich unruhig schien, wurde nun durch
das ruhige glatte Marmarameer verdrängt. Wir glaubten in Buttermilch zu
schwimmen.
Auf einmal ertönt die Schiffsglocke. Alarm! Wir müssen
alle auf Deck. Schnell den Rettungsgürtel angezogen und hinauf. Wir wurden dann
in Reih und Glied aufgestellt in Sektionen von 16 Mann verteilt. Jede Sektion
in die Nähe eines Rettungsbootes. Diese Stelle sollten wir sofort bei jedem
Alarm annehmen, bei Tag wie bei Nacht.
Es könnte möglich sein, dass unterwegs ein Unglück passieren täte. Dann
schnell in die Rettungsboote. Diese Übung dauerte eine halbe Stunde. Dann
durften wir wieder in die Kabinen. Den Rettungsgürtel mussten wir immer tragen,
sobald wir auf Deck gingen. Ich fühlte an diesem Nachmittag heftige Leibschmerzen.
Ich glaube seekrank zu werden. Wahrscheinlich hatte ich von dem guten Essen zu
viel genommen. Ich habe guten Appetit und der Magen ist an solche lukullischen
Genüsse nicht mehr gewohnt. Wir schauen noch einmal die natürlichen Festungen
von Istanbul in den Bergen und ziehen uns zurück in die Kabinen. Nach dem
Nachtessen verkroch ich mich in meinen Hammak und wollte schlafen. Ich spürte
aber immer mehr Magenschmerzen. Ein Freund, Herr Ihry, übergab mir 2 Tabletten
zum Einnehmen. Ich schlief dann bis 3 Uhr. Morgens. Auf und schnell auf die
Toilette. Es war Generalreinigung. Ich war geheilt und die Seekrankheit machte
keine Fortschritte. Da hatte ich gesehen wie junge Soldaten die ganze Nacht
über auf dem WC saßen und Romane lasen zum Zeitvertreib. Sich aber nicht von
der Toilette trauten, denn die Diarhée ist etwas Unheimliches. Ich steige
wieder auf Deck und sehe der aufgehenden Sonne zu. Wir schwimmen zwischen den
Ägäischen Inseln durch. In der Ferne sehe ich kleine unbewohnte Inseln. Wie
viel Reisende auf dem Schiff haben die schönen Stunden der Morgendämmerung
verpasst.
Um 8.30 Uhr ist Frühstück. Die meisten sind noch nicht
gebadet zum Frühstück. Doch welch ein Genuss sofort aus dem Bett unter die
Dusche und dann die frische Brise des Meeres. Heute schwenkt es wieder
ausgezeichnet. Ich fühle mich gesund. Auf Deck laufen die Matrosen hin und her.
Es ist Generalreinigung. Das ganze Schiff wird auf Deck gewaschen. Mit einem
dicken Schlauch wird das Wasser in alle Ecken gespritzt. Rein soll es sein. Da
hört man keine Schimpfworte, wie bei den Russen. Die Matrosen besorgen das
alles ohne Widerrede. Richtig militärisch. Das raue Kommandieren von Odessa,
Kattowitz und Tschenstochau ist vorbei. Die Nervosität untern den Menschen ist
verschwunden. Wir bewundern den Gehorsam der Matrosen, loben die Anstreicher,
die in den Takelagen auf und absteigen
um dem Schiff wieder einen neuen Anstrich zu geben. Ja, so ein Schiff
verlangt Pflege, absolute Pflege. Denn es steckt in so einem Schiff ein
gewaltiges Kapital, das nicht verrosten darf.
Um 10.30 haben wir wieder Alarm und Inspektion. Alles
OK. Sagte der Kapitän. An den Rettungsgurten sind so kleine Lämpchen
angebracht. Sogar diese Lämpchen wurden auf ihr Funktionieren geprüft. Wie
komisch denken viele. Aber das hat doch seine Bedeutung bei Nacht und zwar eine
große. Sollte jemand in der Nacht vom Deck fallen. In der Dunkelheit leuchtet
die kleine Lampe, die man anzündet und sofort wird der Verunglückte gesehen und
wahrscheinlich gerettet.
Das Mittagessen war heute wieder ausgezeichnet. Wir
bekamen am Nachmittag eine Zuteilung von Zigaretten. Seife, Zahnbürste,
Taschentücher, Zahnpasta und Bonbons. Es ist etwa interessant auf einem Schiff
solche Lagerkammern zu besichtigen. Da will ich doch nicht fehlen. Da geht es Treppe
ab, Treppe auf. In die Kleiderkammer, in das Zigarettenlager, in die
Waschanlage, in die Küchen bis zu dem Maschinenraum hinunter. Äußerst
interessant. Millionen Werte sind auf solch einem Schiff untergebracht und die
Einrichtung ist höchst modern. Die interessantesten Räume waren für mich die
Küche und der Diningroom. In der Küche kam ich sogar in Versuchung hier als
Koch zu figurieren. Äußerst sauber blitzten Kochherd, Töpfe und Pfannen. Der
Kochherd allein war schon eine Sehenswürdigkeit. Er nahm fast die ganze Breite
des Schiffes ein. Die Bratpfannen in dem Herd sind Etagenweise aufgestellt und
kochten und braten unter gleicher Hitze. Die Kartoffeln wurden mit der Schale
ganz gekocht und auch so serviert. Der Esser mag sie teilen und essen wie es ihm
beliebt. Natürlich aber geschält. So vergeht der Tag und am Abend amüsiert man
sich in der Kabine, bis dass es Zeit zum Schlafen legen ist. Die Belüftung in
den Kabinen geschieht vermittelst einer Luftleitung die man nach Belieben
öffnen und schließen kann. Man öffnet auf ein Viertel und schläft frisch wie
auf einer Veranda. Wir sind im Juni und im Süden sind die Nächte recht schwül.
Gute Nacht.
Man träumt von schäumenden Wogen, von immens großen
Fischen und von russischen Kommandos, erwacht dann aber wieder in der Schönheit
des Mittelmeeres. Da spricht man von einer Mine im Wasser. Ja ich habe auch
etwas an der Oberfläche gesehen. Die Matrosen haben mit Maschinengewehren das
Ding beschossen. Aber das war auch alles.
Am 7. Juni lobte ich um 5.00 Uhr früh die Allmacht
Gottes in der aufgehenden Sonne. Das Schiff hatte seinen Kurs geändert. Wir
fahren nach Westen. Stand südlich von Griechenland. Um 7.15 Uhr kreuzen wir
einen englischen Militärtransporter. Das Meer ist still und kristallblau. Weiße
Fische springen bis an die Bordwand des Schiffes. In der Ferne steigen Fontänen
aus dem Wasser, ja da schwimmen Südwale, sechs sieben Stück. Das müssen aber
mächtige Kerle sein. Ich taxiere ihre Rückenseiten die außer Wasser sind auf 8
Meter Länge. Die an unserem Schiff herum schwimmen sind prächtige Kerle bis 2
Meter Länge und bis ein Meter Umfang. Die Franzosen nennen sie Chiens de Mer.
Man rechnet schon welche Zeit wir in Marseille sein sollen. Einige glauben
schon am Freitagabend. Wenn es wahr ist? Wir hoffen das Beste. Eines ist
wichtig. Die Seekrankheit unter den Passagieren hat aufgehört. Die Besatzung
des Schiffes begreift 260 Mann, die der Mitreisenden 1800. Also, zusammen 2060.
Alle hoffen auf eine glückliche Ankunft in Marseilles. Bei einem Spaziergang auf
Deck traf ich heute eine französischen Zollbeamten, der mir aus meiner
Dienstzeit in Mont St.Martin bekannt ist unter dem Namen Alfred.
Wir kreuzten auch einige kleine Schiffe. Gegen 4.00
Uhr nachmittags sehen wir am Horizont die Küste von Sizilien.
Um 6.00 Uhr durften wir den Ätna bewundern. Er soll
3750 Meter hoch sein. Auf seiner Spitze sehen wir eine Rauchwolke hochsteigen.
Um 19.30 Uhr ändert das Schiff den Kurs und wir fahren nördlich in die Strasse
von Messina ein. Der Wind bläst ziemlich heftig und wir erwarten eine
stürmische Nacht. Nur wenige blieben auf Deck. Nebelwände steigen auf und
verhindern die Sicht. Man sieht nur die Umrisse der Küste. Es wäre ja
interessant, weil ja hier die Amerikaner an Land gingen um Italien zu befreien.
Am Abend näherten wir uns so, dass wir zu beiden Seiten der Strasse von Messina
die belichteten Häuser merkten. Mächtige Leuchttürme sandten ihre Strahlen über
das Meer, um die Schiffe von den Klippen und Felsen der Küste zu warnen. Der
Abend bricht herein. Auf Grund der Lichter in der Nacht stellten wir fest, dass
die Küstenstädte ziemlich ausgebreitet liegen. Auch muss die Gegen ziemlich
gebirgig sein. Wir drehen wieder mit Kurs nach Westen und bemerken südlich noch
die Umrisse des Bergriesen, den Stromboli. Wir sind wieder auf hoher See und
begeben uns nun in die Kabine.
Am Freitag, den 8. Juni bin ich schon wieder um 3.00
Uhr auf den Socken. Sofort Toilette und um 4.00 Uhr wieder auf Deck um die
Schönheit des Mittelmeeres zu bewundern. Das Wasser ist himmelblau. Eine Farbe,
die ein Maler nicht so leicht malen kann. Ich sitze auf Deck, auf dem
Wassertank, rauche meine Pfeife und bewundere Gottes Allmacht. Mensch, was bist
du ein Schwächling, ohne Gottes Schutz. Nehmen wir nur an sein Schutz würde
versagen. Wo würden wir dann landen? Auf dem Grunde des Meeres! Es weht eine
angenehme Brise. Für das Frühstück bekommt man so den richtigen Appetit. Der
Alarm und die Inspektion verlaufen wie gewöhnlich planmäßig. Auf Deck spielen
die Offiziere des Schiffes Criquet. Den ganzen Tag auf hoher See. Um 5.00 Uhr
nachmittags bekommen wir wieder Land in Sicht. Es sind die Inseln Sardaigne
(Sardinien) und Corse (Korsika). Um 7.00 Uhr fahren wir in die Strassen von
Sardaigne ein. Zu beiden Seiten der Strasse steile gebirgige Küste. Die
Vegetation in diesen Abhängen ist sehr spärlich. Wahrscheinlich Reste von
ausgebrannten Vulkanen. Da winken aus einer kleinen Stadt auf dem Felsen,
Fahnen uns zu. Da wohnen doch Menschen. Ja, da jagen kleine Yachten um die
Küste und Fischerboote fahren hinaus aufs Meer. Korsika liegt im Nebel, so dass
wir nichts Besonderes unterscheiden können. Um 9.00 Uhr ist diese Herrlichkeit
wieder vorbei. Doch die Chiens de Mer wie die Franzosen sie nennen, führen uns
ihre Sprungübungen wieder vor. Sie fliegen wie die Schwalben um das Heck des
Schiffes, manchmal sogar über das Schiff hinweg, pfeilschnell!
Es ist kalt auf Deck und ich ziehe mich zurück und
bereite mich auf Morgen vor. So gegen Mittag sollen wir in Marseille sein. Der
liebe Gott soll uns beschützen.
Samstag, den 9. Juni. Wir reisen immer noch im vollen
Meer. Da, gegen 9.00 Uhr ist die Küste von Frankreich in Sicht. Auf dem
alltäglichen Appell wurde mir mitgeteilt, dass das Mittagessen um 11.00 Uhr
stattfindet. Die Uhr läuft heute schneller als sonst. Um 11.30 Uhr sind wir im Hafen von Marseille.
Von weitem grüßt uns Notare Dame de la Garde entgegen, eine mächtige Statue auf
einem großen Felsen im offenen Meer. Die Umrisse der Stadt sind gebirgig und
Festungswälle ragen bis in die Wolken hinauf. Das Schiff steht still und die
Polizeibehörde und Zollbehörde kommen auf ihren Dienstschiffen an unser Schiff
heran und steigen an Deck zur Kontrolle.
Diese beanspruchte eine halbe Stunde. Nun wurde das Schiff mittels Schlepper
bis an den Kai manövriert und um 12.45 Uhr wurde das Signal gegeben sich für
die Landung bereit zu machen. Einige Minuten später und die Landebrücke war
aufgestellt. Die Landung begann. Auf dem Kai stand eine ansehnliche Musik und
intonierte die Marseillaise. Amerikanische Polizei, Französischer Zoll,
Rotkreuz-Schwestern, Feuerwehr, Ehrendamen, bunte Blumenarrangements tragend
und last not least viele Zuschauer. Alles stimmte mit der Musik ein. Ein Ruf
aus Tausenden von Kehlen: " Hipp, hipp, hurra, hipp, hipp hurra!" Der
Enthusiasmus stieg ins Unendliche. Dann schreitet als erster ein Franzose über
die Landebrücke auf den Kai. Sobald er französischen Boden betrat, ging das
Rufen und Johlen von neuem los. So ging einer nach dem andern an Land. Die
ganze Prozedur beanspruchte beinahe 2 Stunden. Die Luxemburger sollten als
letzte das Schiff verlassen. Ich durfte meine Feststellungen im Hafen noch
niederschreiben. Da weht auch zufällig die Belgische Flagge. Soll da
versprochene Empfangsdelegation sein? Nein, die kümmert sich nur um die Belgier.
Der Himmel ist heiter und die Sonne drückt mit voller Kraft. Ich lasse meine
Blicke in die Umgebung des Hafens schweifen. Der Krieg hatte ja auch hier
gewütet. Zerschossene Kaianlagen, Rampen, Häuser mit zerbrochenen
Fensterscheiben in der Umgebung des Hafens. Wie sieht es in der Stadt aus?
Neben unserm Schiff liegt ein amerikanischer Luxusdampfer. Eine Riese an
Gestalt und ein As an luxuriöser Ausstattung. Oben auf Deck spielen Amerikaner
in weißem Dress Tennis. Eine große Schwimmhalle ist auch dort, denn man sieht
vom erhöhten Sprungbrett die Schwimmer in das kühle Nass springen. Auf solch
einem Schiff zu reisen wäre bestimmt noch interessanter als auf der MONOWAY.
Ich verlasse als 2er Luxemburger das Schiff. Wir werden von amerikanischer MP
empfangen. Beim Betreten französischen Bodens war ich Zeuge wie ein Mann
festgenommen wurde. Er war als blinder Passagier mitgereist und musste
wahrscheinlich wieder zurück nach Odessa. Die Polizei führte ihn ab, nachdem er
vergeblich angab eine Frau und Kinder auf dem Schiff zu haben, die leider aber
zu einem Luxemburger Manne gehörten. Wir wurden nun auf große Camions verladen
und in ein grosses Gebäude gefahren, das
den Namen "Maison de Rapatriement" trägt. Hier sollten wir einer
gründlichen Kontrolle unterzogen werden. Zuerst wurden wir auf eine große
Terrasse geführt, wo wir uns des Bagage entledigten. Dann traten wir in eine
große Halle, wo verschiedene Büros eingerichtet waren. Da gab es ein Postbüro,
ein Telegraphenbüro, ein Büro des Roten Kreuzes, eine Trinkhalle, eine
Speisehalle usw.
Ich trat zu dem Postbüro und frug um Auskunft ob es
möglich wäre ein Telegramm nach Hause auf zu geben. Ich wurde an den nächsten
Schalter verwiesen. Zufällig traf ich hier am Schalter ein Fräulein aus meinem
Nachbarort Athus. (Belgien) Sie versicherte mir, dass mein gewünschtes
Telegramm spätestens am Montagmorgen ankäme. Sehr gut, alles war gratis, also
brauchte ich nicht nach dem Preis zu fragen. Dann trat ich in die Trinkhalle
und erhielt dort einen Rotwein und Selterswasser. Dann zur Speisehalle, wo ich
um eine Käsestulle bat und nun wurde gevespert. Nun wurde es laut in der Halle,
man hörte Frauenstimmen weinen. Was soll da los sein? Die Franzosen sperrten
jedoch die Räume ab und ich konnte nicht erfahren worum es ging. Ich kann mir
es aber vorstellen, denn die Mädchen gehörten zu den „Chleuh“. Sie wurden als
Frauen eingeschmuggelt und wurden wahrscheinlich wieder ausgewiesen. Wir
warteten noch immer auf eine Luxemburger Kommission, die unsere Sache in
Ordnung bringen soll. Es war aber niemand anwesend! Es wollte ein Belgier sich
für uns verwenden, doch Herr Peusch wollte das nicht. Die Belgier hatten uns in
Tschenstochau so nett behandelt, das wir von ihnen über genug hatten. Wir
warten also bis dass die Reihe an uns kam. Da gab es Formalitäten und noch
einmal Formalitäten. Zuerst wurden wir gewogen, dann wurde die Taille gemessen,
geimpft, radiographiert, photographiert. Sodann in das Rote Kreuzbüro. Dort
wurde uns ein Liebespaket überreicht. Endlich wieder Ruhe. Die ganze Prozedur
beanspruchte 8 Stunden und um 1.30 Uhr nachts, war es soweit, dass wir in aller
Ruhe etwas trinken konnten. Um 2.00 Uhr liefen Camions im Hof ein, die uns zum
Bahnhof bringen sollten. Das ging ziemlich flott. Um 2.30 Uhr saßen wir alle wohl
geborgen im Zug, der uns nach Hause bringen sollte. Um 3.00 fuhr der Zug
in Marseille ab. Ade Marseille, bien merci pour votre bon accueil. Gott
danke euch vielmals. Ich fiel sofort in tiefen Schlaf und erwachte erst als wir
die Station Arles durchfuhren. Ich bewundere nun die Gegend von Tarascon bis
Avignon. Hier war der erste Reisekontakt mit dem Roten Kreuz. Man reichte uns
Kaffee. Käsebrötchen und wir hatten auf dem Bahnsteig auch Gelegenheit um uns
zu waschen.
Es ist Sonntag, den 10. Juni. Es ist ein Genuss die
Umgebung von Avignon zu sehen. Die Stadt ist sehr gebirgig. Mächtige Kirchtürme
ragen über die Stadthäuser hinweg. In den Gärten hängt schon reifes Obst an den
Bäumen. Ein schöner See blinkt aus einem großen Park. Nach 20 Minuten
Aufenthalt geht es weiter bis Orange, wo der Zug wieder hält. Dann nach Bolnia
la Croisière, wo mildherzige Menschen uns reife Kirschen überreichten. Es folgt
Pierrelotte, eine schöne Stadt mit einem großartig angelegten Kirchhof. Ein
mächtiger Felsen der an Höhe den Kirchturm überragt, ist sicher eine bedeutende
Sehenswürdigkeit. Eine fruchtbare Ebene und schöne Alleen umgeben die Stadt.
Wir fahren Schnellzug. In flottem Tempo ging es am Château du Rhône mit seinen schönen Anlagen vorbei.
Montélimar, uns bekannt durch seinen guten Nougat und anderen délicieusen
Zuckerwaren. Die Umgebung ist sehr gebirgig. Livron passieren wir um 9.30 Uhr.
Hier ist eine mächtige Brücke gesprengt, an den Häusern viele Schäden. Auf den
Eisenbahnwagen sind noch deutsche Kanonen montiert. Ein Zeichen, dass der
Rückzug der Deutschen ziemlich schnell war. Valence passieren wir um 10.30 Uhr.
Hier scheint die Stadt ein Kleinod an Schönheit zu sein. Grosse
Pfirsichfelder umgeben die Stadt.
Weinberge, Felsen, hohe Berge und Schluchten. Tain l'Ermitage besitzt große
Weinberge, ebenso St. Vallier sur Rhône. Viele Häuser sind hier Kriegs
beschädigt. Um 11.25 Uhr läuft der Zug an St. Rambert d'Albon vorbei. Einige
Minuten hält er am Bahnhofausgang. Les Roches du Coudrier ist die nächste
Station. Wir passieren einen langen
Tunnel und kommen nach Vienne um 12.00
Uhr. Hier halten wir einen Augenblick. Es ist eine große Stadt zu zwei Seiten
der Rhône und besitzt schöne Brücken, die die Stadt rechts und links der Rhone
verbinden. Weiter geht’s in schnellem Tempo bis Lyon Pérasche. Großer Bahnhof.
Hier machen wir Halt. Es gibt es Verpflegung. Guten Appetit. Wir passieren
wieder einen langen Tunnel. Ein schönes Gelände nimmt unsere Blicke gefangen
und hält sie in Spannung bis St. Germain am Mont D'Or. Hier wechselt die
Landschaft. Ein Badeort mit schönen Schlössern die in Parks hervorlugen, deutet
auf ein Märchenland. Phantastisch. Nun glättet sich die Landschaft wieder in
fruchtbare Kulturen. Wir passieren Anse und Villefranche sur Saôn. U, 14.45
Uhr. Sehr alte Stadt. Man spendet uns auf dem Bahnhof eine Flasche Rotwein,
dessen Qualität vortrefflich war. Eine gotische Kirche ragt über die Häuser der
Stadt hinaus. Schöne Alleen zieren die Strassen der Stadt. Welch ein gewaltiger
Unterschied zwischen Ost und West. Dem Wanderer fällt das sofort auf. Die
Felder sogar tragen ein anderes Gesicht. Da wächst Weizen, Hafer, Gerste und
die Wiesen riechen nach frischem Heu. Ganz wie zu Hause. Die isolierten Höfe
tragen die Wappenschilder der Urahnen über den Eingangstüren. Wir reisen durch
fruchtbare Gärten und Weinberge bis Macon. Den evakuierten Luxemburgern ist
Macon nicht unbekannt. Es war der Zufluchtsort vieler Luxemburger zu Anfang des
Kriegs 1940. Auffallend sind hier die Moden der Frauenhüte. Schwarzes Stroh mit
Früchten garniert oder auch Feutre mit Federn. An Umfang aber außergewöhnlich.
Der gute Wein den uns die schicken Mädchen verabreichten macht uns gesprächig.
Wir sind am Diskutieren. Unterhalten uns über Kriegsereignisse, über kranke und
über die kleinen Kinder. Ne, so was. Der Wein war tatsächlich gut. Schade dass
wir hier so schnell weiter müssen. Die Maconer Mädchen sind zu viel höflich und
gastfreundlich. Um 4.00 Uhr verlassen wir Macon und weiter geht’s bis nach
Tournes, lassen uns da die schönen Kirschen schmecken und bewundern den Bau der
schönen Kirche mit zwei Türmen. Einen vorne und einen hinten. Zersprengte
Brücken starren ins Leere. Ankunft in Chalons sur Saône. Man bringt uns
Limonade zum Durst. Leider nicht genug. Die Hitze macht uns schlapp und
müde. Wir grüßen Chagny, ein kleines
Dorf und Beaune, das sich hinter Bäumen versteckt hielt. Dann bis Dijon. Wir
halten auf offener Strecke und bekommen das Vesperbrot mit Wein. Wir erhalten
wie auch die Kranken eine gehörige Verpflegung. Von der Stadt sehen wir nichts.
In den Gärten arbeiten die Leute in praller Sonne. Um 19.45 verlassen wir
Dijon, den Friedhof von vielem Kriegsmaterial und durchfahren Wiesen, wo das
Heu auf Haufen liegt und kommen nach Is sur Tille, das in Trümmer liegt. Ein
kurzer Aufenthalt und weiter geht's nach Chalendry.
Hier ändern wir unsern Kurs. Ich glaube alle
Lokomotiven die krank sind kommen hier zusammen. Es ist ein großer
Umschlagbahnhof. Hunderte von ausrangierten und demolierten Maschinen stehen
hier auf toten Gleisen und warten auf Reparierung oder Demolierung. Wir ändern
das Lokomotivpersonal. Wir sollen hier
weiterfahren bis nach Châlon sur Marne. Ich lege mich in eine Ecke und schlafe.
In Châlon sur Marne steigen wir aus. Es ist 2.00 Uhr morgens. Wir müssen warten
bis 4.00 Uhr. Man führt uns in die Maison d'Accueil. Hier war Verpflegung, bis
dass der Zug wieder frisch zusammengestellt war. Gegen 4.00 Uhr besteigen wir
den Zug wieder und machen es uns bequem in der Hoffnung endlich bis nach Hause
zu kommen. Man schläft wieder ein. Alles ist übermüdet. Um 6.00 Uhr erwache ich
wieder. Ich weiß nicht in welcher Richtung wir gefahren sind. Wir halten auf
einer Station mit Namen Ivrigne. Das Gelände ist eben und schön kultiviert. Die
Temperatur ist kühl, wahrscheinlich hatte es in der Nacht geregnet. Alles sah
so frisch aus. Das erste Mal seit Odessa eine erfrischende Temperatur. Nach den
Meldungen des Personals, das uns begleitet sind wir auf der Strecke Bar-le-Duc
Nancy. Richtig, um 7.45 halten wir auf dem Bahnhof von Bar-le-Duc. Die Stadt
liegt am Kanal der Marne und ist von hügeligem Gelände umgeben. Auf dem Kanal
sehen wir kleine Schiffe fahren. Die Sonne durchbricht die Wolkendecke und das
Wetter ist so richtig angenehm. Es geht weiter in flottem Tempo bis Serouville.
9.30 Uhr. Commercy um 10.00 Uhr und Toul um 10.30 Uhr. Hier fahren wir an einem
Deutschen Kriegsgefangenen Lager vorbei und landen in Nancy um 11.30 Uhr. Wir
werden hier vom französischen Roten Kreuz zu einem Imbiss eingeladen. Ein
amerikanischer Soldat führt uns in das Rote Kreuz Haus und nach dem Essen fand
auch eine Kontrolle der Ausweispapiere statt. Inzwischen stand wieder ein Zug
bereit um uns weiter zu transportieren. Wir steigen wieder ein und dann wieder
aus. Dann wieder ein und endlich sollte es wieder soweit sein loszufahren.
Anstatt in Richtung Metz fahren wir wieder zurück. Um 14.15 Uhr verlassen wir
Nancy, fahren über Frouard, Roonpag und Payny sur Moselle, wo wir um 15.15 Uhr
ankommen. Hier halten wir wieder auf dem toten Gleis. Wir steigen aus und legen
uns in die Hügel entlang der Bahngeleise. Bis wann? Ja darüber gab niemand
Bescheid. Wir beschauen die Umgebung. Alles sieht nach Krieg aus. Gesprengte
Brücken, zerstörte Häuser und gebrochene Bäume. Wir langweilen uns. Ein Glück,
die Temperatur ist angenehm und wir hätten gerne einen Spaziergang in die
Umgebung gemacht, doch es war nicht ratsam den Zug der da mit all unserm Gepäck
stand, zu verlassen.
Um 20.15 Uhr steigen wir wieder ein und nun ging's
wieder los. Wir fahren weiter bis Metz wo wir bei Anbruch der Dunkelheit in den
Bahnhof einlaufen. Unterwegs sahen wir nur zerstörte Gebäude und gesprengte
Brücken und Häuser. Vor dem Einfahrtssignal des Metzer Bahnhofs hielten wir an.
Dann ging's im Schneckentempo in den Bahnhof hinein. Hier steigen einige
Lothringer Flüchtlinge aus. Eine Musikkapelle spielte die Marseillaise und das
Lied "Les Enfants de la Lorraine". Eine Delegation kümmerte sich um
uns. Wir durften aussteigen und auf dem Bahnsteig uns erfrischen. Es wurde uns
eine Tasse Brühe und belegte Brötchen überreicht. Es war ein herzliches
Willkommen, bei unsern Metzer Nachbarn. Doch alles drängte wieder zum Zuge, wir
sollten so schnell wie möglich nach Hause. Das Zugpersonal wurde gewechselt.
Der Zug wurde auf ein anderes Gleis gezogen und gegen Mitternacht fuhren wir
weiter nach Diedenhofen. Die Maschine holte frisches Wasser auf und Luxemburger
Personal bestieg die Lokomotive. Endlich war es so weit. Der Zug setzte sich in
Bewegung und fuhr den heimatlichen Gefilden zu. Im Souftgener Tunnel stimmten
wir die Nationalhymne am. Es war Heimatboden den wir betraten. So gegen 6.00
Uhr am 12. Juni 1945 kommen wir in Bettemburg an. Hier fand die Zollrevision
statt. Wir stiegen aus und durften verschiedene Bekannte begrüßen. Von hier aus
telefonierte ich nach meinem Heimatort Rodingen, wo Frau und Kinder noch im
tiefen Schlummer lagen. Sie hatten noch keine Ahnung dass ich schon so nahe bei
ihnen wäre. Nach Abfertigung der Zollformalitäten stiegen wir wieder in den Zug
und lächelnden Mundes und ein Lied auf den Lippen fuhren wir der Stadt
Luxemburg zu.
Wer denkt noch an all das Elend, das Heimweh, die
Entsagung, die uns während der Gefangenschaft in Polen, in Russland zu schaffen
machte? Weis sind die Haare, mager der Körper und mutlos die Seele. Wer wird
uns wieder erkennen? "Luxembourg, tout le monde descend!" O, welch
eine Wonne, welche ein Empfinden hat man, wenn nach jahrelanger Zwangsarbeit
einmal wieder der Gedanke kommt: "Du bist wieder frei, du bist wieder
daheim."
Die Lieben, die uns in Luxemburg auf dem Bahnhof
empfangen sollten, sind nicht da, doch jeder ist hier bekannt und jeder geht so
ziemlich seiner Wege. Doch es war bald bekannt. Ein neuer Transport ist aus dem
Osten zurück. Schon rollten die ersten Wagen zum Bahnhof und brachten uns in
die Schule in der Andringerstrasse, wo eine warme Tasse Kaffee uns wieder alle
stärkte. Wir waren wieder unter unseres gleichen. Gleich danach begab ich mich
zu meiner Direktion zwecks Meldung, dass ich wieder zugegen sei. Der Herr
Direktor empfing mich mit meinem Kollegen Henri Jung ganz liebenswürdig und
nach Erzählung unserer umständlichen Heimfahrt durften wir einen zehntägigen
Erholungsurlaub antreten. Die Formalitäten im Auffanglager in der
Aldringerstrasse dauerten bis in den Nachmittag. Ich hatte noch Gelegenheit zum
Friseur zu gehen und um 14.20 Uhr bestieg den Zug, der mich nach Rodingen
brachte.
Endlich daheim. Tränen der Freude, lachendes
Wiedersehen und dann in die Badewanne und aller östlicher Schmutz verschwand in
dem unterirdischen Kanal, der die Geschichte ins Unendliche transportiert.
Die Lieben zu Hause waren gesund und froh, dass sie
den lieben Vater wieder zu Hause hatten. Die Kräfte, die in der Fremde teils
geschwunden waren, kommen wieder und ich durfte meinen Dienst als Zollbeamten
wieder aufnehmen. So vollzog sich die Heimreise meines Ichs nach dem
Voraussagen einer Kartenschlägerin aus Blachstädt in Polen. Nach 6 Monatiger
Wartezeit in russischen Lagern über ein großes Wasser! Reich an Erlebnissen und
Entbehrungen.
Ich danke Gott aus tiefstem Herzen, dass er mir die
Gnade schenkte diese Fügung glücklich überstanden zu haben. Die
Unannehmlichkeiten der Kriegsjahre 1940 bis 1945 kommen auf das Konto der
Naziherrschaft der Deutschen, die die ganze Welt Deutsch machen wollten. Der
Fluch der geknechteten Völker wird noch auf die Kinder und Kindskinder der
Nazibonzen übertragen werden.
Liebe Gott schmälere das ihnen gewünschte Unheil und
schenke der Welt den lang ersehnten Frieden.
Am Ende der Liste die aufgestellt wurde -siehe oben- befindet sich noch folgende
Bemerkung:
Alle kommen mit mir zurück mit Ausnahme von: Gilbert
Henri, der ein deutscher war. Süßmann Herbert blieb in Kattowitz. Hoffmann
Albert und Bley Léon blieben in Tschenstochau. Tunik (Tunique) Jean blieb in
Odessa und Staar aus Tetingen in Lutzdorf. Die Familie Schriner aus Godbringen
verzog von Tschenstochau ins Unbekannte und die Familie Ihry aus Zolver mit
Frau und 2 Kindern trennte sich von uns in Marseille.
Sous-brigadier à Lieler le 20.11.1945.
Déplacé de Lieler à Differdange le 10 juillet 1947
Succursaliste à Differdange depuis le 1er août 1948.
Demande de la retraite pour le 1er octobre 1959.
PS: Der Sohn Heng I. notiert zum Schluss. Ich finde es als eine
Geschmacklosigkeit, als eine Respektlosigkeit sondergleichen den bereits
gebeutelten Mann nach so einer langen Trennung noch einmal dienstlich für 4
Jahre ins Ösling zu verbannen.
Es darf aber auch darauf hingewiesen werden von welchem Kaliber unsere
damalige Regierungsherren waren. Keine Verwaltung, kein Rotes Kreuz, keine
privaten Helfer haben unsere Luxemburger Heimkehrer am Bahnhof empfangen….man
liess sie nicht einmal sofort nach Hause zu den schmachtenden
Familienmitgliedern. Das ist ein Hohn und hiermit sei diesen Herren à titre
posthum ein negatives Denkmal gesetzt, das sie zu Recht verdienen.
Fragmente aus den Memoiren von Mathias Zeimet
En Ofschnet aus mengem Liewen (7.Oktober
1942 – 23.Juni 1945)
Et ass eng Geschicht
wouriwer e Bänn kent schreiwen, eng traureg Geschicht, dei ufengt mat dem 7.
Oktober 1942, dén Datum, dén ech wei vill anerer ni vergiessen wärt. Et wor
démols fir d’e’scht, ofgesin önnert wat fir Ömstänn, wo’ ech fir länger Zeit
vun dohém hu misse fort gon. D’huet mam R.A.D. ugefangen. Mir go’fen op
Peenemünde uewen an t’Weser transporte’et, wo’ mer fir t’preisesch
Krichsmaschin hun misse schaffen. A wât ech ere’scht speider erfur hun, war et
grad do wo’ d’V1 fabrizeiert ass gin. Et huet hei ké Wert fir all dei enzel
Episoden opzezieen. Ech well nömmen e puer Daten erausgreifen, dei ech, we’ am
Ufank gesot nie vergiessen, an kennen we’ de Vater unser.
Den 27. Dezember 1942
go’fe mer aus dem R.A.D. entloss, an sin no ve’er Dég Rés dohém ukom, fir dann
no 14 Dég eng zwét Ke’er agezunn ze gin.
Den 14.1.1943 hun ech
menge Leit dohém fir d’zwét Arwur gesot, wo’ mir zu Hollerech op der Gare
fortgezunn sinn. Et gong dun op Josephsstadt an der Tscheechoslowakei, wo mir
schon no 14 Dég Ausbildong fort ko’men fir geint d’Partisanen agesat ze gin.
Dat wor zu Kossow hanner Brest-Litowsk. Dei Zeit ass nach ewell gut fir mech
eriwer gangen. No ve’er Me’nt si mer do erausgezun gin, an sin op Rastenburg
gefur, vu wo’ aus ech de 14.5. fir d’eischt an Urlaub gefuer sin. Den 30.5. war
dén eriwer. Ech sin erem zreck op Rastenburg gefur. Nach wor ech kaum erem e
puer Deg do, du gong et schon nés fort, an emmer an t’Ongewösst. E But de
voyage war nie bekannt bei Militärtransporten. Du ko’m ech dann eröm an de
Partisanenasatz op Pruzana, am Bezirk Bialystok. Dat gong du bis t’nächst Joer
am Januar, wo’ mer du eraus gezu go’fen no Bartenstein an Ostpreussen. Von do
aus gong et, wat och ech ömmer gefart hun an t’Front. (Bei Pleskau)
Den 20. Februar 1944 go’f
ech verwonnt. Et wor en Armschoss an de rietsen Ielebo’. Vum Haptsverbandsplatz
aus gong d’Rés mam Lazarettzug op Riga, an no zwe’n Deg eröm weider op
Allenstein. Vun do sin ech verluegt gin op Winsen/Luho bei Hamburg. Meng
Demande fir no Letzeburg an d’Lazarett verluegt ze gin ass durchgangen, an de
5.4.1944 sin ech och eröm an der Hémecht gelandt. Bal drei Me’nt lo’g ech am
Konvikt am Lazarett. D’huet én alt nogehollef fir d’Sach an d’Längt ze ze’en.
Mein Arm ass eröm zo’gehélt, an meng Dég heihém woren och erem gezielt. Aus dem
Lazarett go’f ech och entloss mat ve’er Wochen Urlaub.
Den 23.Juli 1944 sin ech
erem vun dohém fortgefur, awer des Ke’er fir t’lescht. Ech sot och zu mengem
Papp a mengem Brudder zu Tre’er wo’ ech hinnen Arwuer gesot hun; Dajé, arwur
bis nom Krich.
Elo ko’m dei schlömmst
Zeit fir mech a meng Leit dohém. Den 10.9.1944 go’f Letzeburg befreit. Mé domat
go’f all Verbindung teschend mir an der Hémecht ennerbonnen. Ké wo’st eppes vum
aneren. Kröschtdâg, d’O’schteren gongen eriwer an de Krich, dén sech ömmer me’
an t’Längt gezun huet, go’f a senge Wirkongen, ech mengen domat dé gro’ssen
Materialopwand vun de Russen an den Amerikaner, ömmer me’ grässlech.
Hei greifen ech nach eng
Ke’er e bösschen zreck.
No mengem leschten Urlaub
sin ech op Allenstein gefuer, vu wo’ aus mer schon no 8 Dég an t’Front kom sin.
Et wôr a Litauen bei Wilkowischken, do huet de 16. Oktober 1944, no engem 3
stönnegen Trommelfeier, t’russesch Wanter-Offensif ugefângen. Dass gudd erof
gangen fir mech. Do hun ech dann dé ganzen Réckzug matgemâch, bis op t’Mémel.
Zu Trappönen un der Memel hun ech Kröschtdâg gefeiert. E puer ro’heg Wochen hun
ech do verliewt, bis dann d’Russen den 16. Oktober 1945, mat enger neier
Offensif ugefângen hun. Des Keier go’fen t’Preisen bis op Königsberg
zreckgeschloen, dât dann eng Zeitlâng ageschloss wâr. Ech go’f weider nördlech,
am Samland a’gesât. Vun do aus go’fen d’Preisen no der russescher Fréjoers
Offensif den 6. Abrêl, dei och Königsberg erliédegt huet, weider iwer Pillau op
d’Frische Nehrung zereckgedréckt. Den 8. Abrêl go’f ech eng zwéte Ké’er
verwonnt bei engem Bommenu’greff. Ech krut e Splitter an t’lenks Schöller. Dés
Dég vum 6. Abrêl no 3 Stonnen Trommelfeier woren déi schlömmst déi ech
matgemâcht hun bis zum Krichsenn. Ofgesin vum Honger an allen Entbierungen, déi
ons operluegt go’fen, wâr et kaum mé auszehâlen; stänneg önnert
Fliegeru’gröffer vu Mueres bis Owends, dé gro’sse Réckzug iwer t’Nehrung
matzemân, Munnech Bommen sin an menger Noperschaft krepéiert an den 3. Mé ass
Nuets eng 2 Meter niewend mir niddergângen. Ech go’f ganz zo’geschutt a wé é
Wonner ass mir soss neischt passé’ert, als dass ech bâl dâf si gin am lenken
Ouer vun dém Klâckert. Nun, dât hélt mat der Zeit eröm aus.
De 5. Mé nuets si mer an
der Weichselmündung op e Schlepper geluede gin, dén ons op Hela bruecht huet.
Net all sin se aus der russescher Hell erausko’mt. Aus all Kompagnie go’wen 3
Mann erausgeholl fir an Dänemark erem âgesât ze gin. Awer den 8. nuets wâr de
Krich eriwer. Zu Hela goufe mir op é preisesche Kreuzer verlueden, dén ons
sollt op Kopenhagen brengen. Um Schöff hun ech dé frédeg Nouvelle kritt, dass
de Krich aus wir. Meng Gefiller déi ech do hât, brauch ech wuel weider nët ze
beschreiwen. De Wé fir hém stong mer op. A Gott sei Dank wôre mer den Englänner
an t’Gräpp gelâf. Aus Kopenhagen ass neischt gin. Déi Nuecht, wé mer do sollten
u’léen, ass den Tommy zu Kopenhagen gelandt. T’wôr interessant, mé gehongert hu
mer wé nach nie. Alt 2 Dég wôre mir o’ni é Steck Bro’d. No 3 Dég go’fe mer op
Kiel dirigé’ert, wou de Schöffskapitän op nei Instruktio’nen huet misse wârden.
E puer Dég louche mer do bis endlech de 14. Mé mueres de Befehl agelâf ass,
t’Scheff wär no Heiligenhafen (an der Kieler Bucht) ze fé’eren. Do si mer mir
dun ausgelueden gin. Den Tommy huet ons ganz anstänneg opgeholl. Natierlech
wâre mer, eso’ lâng wé’ mer net ausgewiese wâren, an hien ons och net eraus
geholl huet, vir hien Preisen a mat dénen sin ech och interné’ert gin. De
Kascht go’f a kenger Hinsicht besser. Ké Salz, ké Fixfeier, neischt. 10
Biskuiten den Dâg an e bësse Fett, dât wâr onst Iessen. Natierlech go’f vill niewelanscht
geklaut a gekacht.
Dât wâr dei schweierst
Zeit fir mech. T’Hierz voller Hémwe’h, d’Gedanlen un dei dohém an t’Gewösshét,
dass én erauském, ower we’ni? Den 10. Juni ko’m du vum engleschen Oberkommando
de Befehl, dass all Elsässer etc. no Lübeck transporte’ert misste gin. Do wâr
dat grousst internationalt Lager mat Pôlen, Franzo’sen asw. De Kascht go’f am
Nu vill, vill besser. T’Belsch huet sech ons Letzeburger u’geholl. No 8 Dég
ko’me mer mat engem gro’sse Convoi iwer Hamburg, lanscht t’Holländesch Grenz op
Bredburg bei Kevelaer an é belscht Lager. Hei sôen ech de Belsch, vill,
villmôls Merci fir dât wât si fir ons gemâcht hun déi ganz Zeit vun elo bis
hém.
No 2 Dég go’fen
t’Letzeburger an 3 englesch Camio’en op Tournhout bei Antwerpen transporte’ert.
Den Empfank wâr hêrzlech an t’Fürsuerg séer gudd. Nuets gong et gleich weider
op Antwerpen mam Tram, vun do aus gleich mam elektreschen Zug op Bre’ssel.
(Alles réserve’ert) An vun Bre’ssel mam Schnellzug op Letzeburg, wo’ ech den
23.Juni möttes u’kom sin.
Dat wier dann meng
Geschicht. Nach eppes hun ech vergiess. Dei ganzen Zeit hun ech dobaussen
t’Gebied net vergiess a mir ass och weider neischt passe’ert. Der Höllef vun do
uewen a besonnesch der Hellef vun onser letzeburger Mamm ännert der hierem
Schutz besonnesch all Letzeburger stongen, hun ech et ze verdanken, dass ech
erem gesond dohém a menger lé’wer Hémecht u’komt sin.
Héch ons lé’w Hémecht a
Merci onser Schutzpatro’nin, der Notre-Dame fu Letzebureg.
Ste Cécile – Vereinsblâd
vun der „Société Chorale Ste Cécile“ Rollengergronn.(3. Joer Nummer V November
1947).
Letzebureg, den 6.7.1945
Mathias Zeimet.
PS.II Zousätzlech Bemierkungen vum Heng 1. –
Et ass och an desem
Reportage erem kloer gin dat sech seier weineg Letzeburger ëm de Rapatriement
bekëmmert hun. Ech kann dat nëmmen ennerstreichen, well en anere vu menge
Kosengen sech stierweskrank bis no Letzeburg durchgeschloen huet. Op der Gare
zu Letzeburg huet sech kén anere wei en Taxichauffeur ëm hien gekëmmert. Dohém huet de Pôl sech an t’Bett geluecht an
ass un Hirnhautentzündung gestuerwen. Ech stong un sengem Stierwbett an déi
ganz Geschicht huet mech revoltéiert. All déi blamable an zousätzlech Problemer
déi entstane sin, ënnerdrecken ech hei, mé si sin net vergiess.
PS. III Nach dem Umzug in den Neubau in Zolver,
verrichtete A.R. noch 10 Jahre Dienst am Grenzposten Differdingen – Hussigny.
Die Hochzeit von Marianne Kiefer und
François Regenwetter fand statt am 16. August 1958.
Marianne Elise
Kiefer, seine Ehefrau, war geboren am 2.11.1928 in Mertert. Sie starb am 15 Mai
1998 in Zolver.
Aus dieser Ehe
gingen 4 Kinder hervor.
Marie Paule, geb.
am 25. August 1960
Francine, geb. am
25 August 1961
Josy geboren am 17
Juli 1963
Claudine am 1. 10
1964
Josy heiratete am 9
September 1989 Martine Rollinger, geboren am 15 Februar 1967.
Aus dieser Ehe sind
bisher 4 Kinder hervorgegangen
Manuel, geboren am
19. Februar 1997
Loris geboren am
28.Juni 1999
Linda geboren am
21. November 2002
Laura geboren am
21. November 2002.
Albert
François entwickelte in seiner Freizeit eine äusserst ehrenvolle Aktivität in
Sachen ehrenamtlicher Dienste an den Mitmenschen. Beruflich war Albert François
als Ingénieur Technicien (dipl.) bei der Hütte HADIR tätig. Er arbeitete im
Zeichenbüro und verübte dazu noch die Tätigkeit eines Professors an der
Professionellen Schule der Hütte. Er lehrte Algebra, Geometrie und Technisches
Zeichnen, zur vollsten Zufriedenheit seiner Schüler. Die Krankheit an der er
gestorben ist, kann überhaupt nicht zum Tod führend gerechnet werden, wenn eine
fachgerechte Behandlung erfolgt. Dummerweise hatte er sich nur einem einzigen
Arzt anvertraut
.
Poesie – Gedichte – Poêmes - Fragmente
O Gegenwart, wie bist du schnell
Vergangenheit, wie bist du klein
O Zukunft, wie wirst du unendlich
sein.
Unendlich wie ein Himmelsbogen
Die Sterne in die ewigen Räume
steigen.
So fühl ich Stunden, Tage, Monde
Hergezogen und durch mein tiefstes
Schweigen
Das trübe Sein um mich ein unvergänglich
Meer
von schwarzen Wogen
und ach kein grünes Ufer will sich
zeigen.
16.12.1967
Dahinter:
Les aurores que nous avons à voir
Sont comptées.
Et la nuit du tombeau est éternelle.
***
Muerges fréih géint fönnef Auer
Bei enger Baach, wou richteg Fösch
Setzen léng ech op der Lauer
Am Dall, so zwöschent Bierg a Bösch.
T'Bém dröpsen nach, fun nassem Rén
Et rabbelt an dem Lâw.
Den Odem Gottes, an de Bém
Soss ass et stöll wéi an n'em Graw.
Ké Mönsch nach weit, nach nô
Souweit mein A, kén Haus;
Ech sëtzen lëng esou dô
Ké Wöld wôt sech eraus.
Wéi Adam an dem Paradeis
Wât konnt den Herrgott schéinres
bidden
Eng Welt voll Arbecht, Méih a Fleiss
E Steck fum hell'gen Fridden.
Lieler, Dezember 1945
De Wanter ass durch t'Land gefuer
All Bach a Pull ass zougefruer
Fum Schnei ass t'Landschaft blendend
wäiss
Keng Plaz ass drop, wou hängt kén
Äiss.
Den Niwel, den de Wand geblôs
Huet weiss gemacht all Wé a Stross.
Géhst du spazeiren a Gedanken.
Geht t'Kélt dir duerech Muerg a
Schanken.
Wann t'Fangren freiren an de Mullen,
Denkst ongewollt du un ons Vullen.
Du sötz jo gär u vollem Dösch.
An t'Scheier géih a mach e Wösch.
Vun Huerwer, Wées, Gäscht a Frucht
Am Réch vum Bösch dann hänk an
t'Lucht.
Eng Speckschwacht och dei net
vergiessen.
Well Més a Kléwer gär do friessen.
Wells t'Märlen du besonnesch fréen.
Dei Äppelschielen du och stréen.
An t'Häck oder e Breimerdâr.
Am Summer vleicht hiert Nascht do
war.
De Pilo dé vun Kélt do ziddert.
Hie wier mat Hanfkär gär gefiddert.
De Gielemännchen ass net glott
Hé frösst och schon den
Huewerschrott.
De Kueb an t'Kreh siw net veruecht
An denk un sie wann dir geschluecht.
A kuck wei sie sech da verneipen,
Wann sie geschmâacht de Mô an
t'Treipen.
De Krometsvull oder ons Spreiw
Eng Eberesch oder eng Schleiw
Och gären émol geiwen schleckken.
Vergiess se net am Hierscht ze
plecken.
A Käschten, Grompren, Hé a Streih
Hänk enner Dâg fir Hirsch a Réh.
Am Fréjohr wann dann t'Sonn rem
blenkt
Lidd, Kräesch a Gesank als Dank
erklenkt.
Wann den Dâg erwecht
An t'Muergesrout iwer Bierger
schengt
Da gét méi Bleck nô Hém.
Wann eng Klack rifft zur Kirech
E Schoulkand op der Stross mir
begéint
Dann ass mein Géscht dohém.
Wann am Büro t'Arbecht net schmacht
An t'ganz Welt verlôsse mir schengt
Dann denken ech un Hém.
Wann t'Mammen hir Kanner an t'Schoul
begléden
Wann um Kirfescht déi Lieweg an
Doudeg sech schéden
Da sin meng Gedanken dohém.
Wann t'Komerôden zesummen beim Wîrt
An ech eleng am Gebied
Ech denken un Hém, un Hém.
An der Friemd, séiw Dâg oder Nuecht
Bei Fréd oder Trauer
Schléit t'Härz nëmmen "Hém,
Hém,"
Léiw Himmelsmamm wölls du é Wonsch
mir erföllen
Woufir ech besonnesch dankbar dir
wir,
Loss mech zereckgôen, a meng
Hémecht, mein Hém.
(an démselwechte Bréif - hannendrun)
O Mamm, léif Mamm! (Gebied a Lidd)
O Mamm, léiw Mamm douewen
Ech hun dech énzeg gier
Mein Hérz wär dir gebueden
Wann ech dohém elo wir.
T'Friemd kann mech net beglecken
Net Geld net Glanz net Gold
Kén Onhél sollst du schecken
Verzeih mir dach meng Schold.
Duerfir loss mech dir danken
Am Lidd an am Gebied
Am Léd loss mech net wanken
Der Schlang de Kapp zertriéd.
Du kénns jo all deng Kanner
Déi Kleng an och déi Grouss
Schlô ëm de Friddensbanner
O, huel ons op de Schouss.
Dann dét ké Léd ons bannen
A siew et nach esou uerg
Lôss t'Hémecht ons rëm fannen
O Mamm vu Letzebuerg.
(an demselwegte Bréif hannendrun)
Mir sin zwéin verlôssen Zöllner
Déi de Krich vun Hém verjôt
Well et gouf mat Dout an Deiwel
Fun de Preisen eis gedroht.
Elo sti mir dann hei am Osten
T'Frâ a Kanner an der Nout
Weit vun ons dohém am Westen
Dach suergen muss de Papp fir
t'Brout.
Wann t'Stonnen ons och munchmol
sauer
An Woch an Dâg net wëllt vergôn
Da sti gedreckt mir op der Lauer
An denken, woumadden t'Zeit
verschlôn?
Wât denken sie dohém ons Léiw?
Frâ, Brudder, Schwester, Kanner
Schreiwen sie dir haut e Bréiw?
Awer t'Post brengt ëmmer manner.
O géif dir dohém môl spîren
Wann an der Welt é stét eleng
Mat Leif a Séil géif dir iech wîren
Dach Liewesnout ass oft ze streng.
Dach émol wärt dach t'Sonn ons
blénken
An all dat Léd wärt riwergôn
An émol muss dach t'Gléck ons wenken
Dat mir an t'Hémecht kenne gôn.
Albert
Blankenberg, Datum des Poststempels
Ich lag im Bett und wollte dichten
Der Tag fing an zu lichten
Es war so um die Sommerzeit
Alles schlief noch weit und breit.
Ich wollte nur Gedanken tauschen
Von fern ich hörte Meeresrauschen
Doch will bemerken ich am Rande
Ich wohne an dem Meeresstrande.
Von ferne hör ich Urgewalten am Werk
Ich wohne nicht in Middelkerk
Nein in Blankenberg am Meere
Wo ich Hab' und Gut verzehre.
Es ist ja einerlei wo ich bin
Und schreibe was mir kommt in den
Sinn.
Denket nicht dass ich Euch misse
Ich schick euch nun vom Meer aus
Küsse.
Blankenberg ist eine schöne Stadt
Die einen grossen Dalles hat.
Auch wenn Musik auf Wellen schwinget
Keine Lerche oder Amsel singet.
Das schönste in der ganzen Runde
Ist der Promenadengang der Hunde
Dreck und Speck machen hier Parade
Das nennen sie dann Esplanade.
Zu kaufen gibt’s in allen Ehren
Man könnt ein ganzes Volk bescheren.
Die Preise sind sehr ungeheuer
Für die Jahreszeit bestimmt zu
teuer.
Ein Pfund Kirschen Hundert Franken
Ein Pfund Rhabarber sieben
Das ist unstreitbar übertrieben
Suchst du ein Plätzchen in der Sonne
Dann steigen dir die Haar vor Wonne
Ins unendliche, nach oben aus
Du bleibst dann ungewollt zu Haus.
Das Essen im Hotel ist mächtig und
prächtig
Doch das alles nur nebensächlich
Es gibt alles was wünscht nur der
Magen
Darüber ist gewiss nicht zu klagen.
Abends
Als Entrée Sole
Kalbsschnitzel mat Champignon
Fritten
Dessert
Morgens Wasserbrötchen Milch und
Butter.
Bei de Kéih, wuehl op der
Wéd
Du
gett de Buew zum Held
Et
gett gespillt et ass do Fréd
Ze
lâche get, fir wéineg Geld.
Esou sét de Buew an t'Médche
lâcht
Wa
mir mol hun keng Schull
Da
gett emol e Spill gemacht
Beim
Wiesendésch, beim Wasserpull
E Kannerwonsch, eng
goldeg Sonn
Allen
zwéin sin wonnerschéin
Eng
Welt voll Léd, stirwt och eng Nonn
Beim
Kand geseis du guer keng Tréin.
T'ass fréih den Dâg, et get
gesôt
Hier
Plangen déi si färdeg
Durch
t'Strôss gejaut et get gesôt
Am
Spillen sin se ärdeg.
Net an der Staat, wuel
dach um Land
Do
hun ech dât erliewt
Wou
grousseg Leid an och all Kand
Eiweg
no der Fréihét striewt.
Et wor um Freideg,
t'Schoul war aus
An
t'Zopp déi wor grad gés
Du
rifft den Nekel aus dem Haus
So,
Virg, wuer firs du mat der Gés?
Wéi op Kommando t'Kéih
sin lass
An
treppweis sie do fueren
Am
âle Rack, de Paltong zrass
Op
Wiesendäeg, an Iwelsbueren.
E Fliegertank, wou raus
de Buedem
Dé
gouf geholl als Nâchen
De
Jempi zitt e Fueden
Hie
spillt mat sengem Drâchen.
Eng gellecht wor et ze
gesin
Wéi
do den Nâche schwömmt
An
t'Médercher rondöm do stin
De
Pierli an den Nâche klömmt.
Mam Bengel hien sech Ulâf
get
Ouni
sech ze bedenken
An
t'Virg, de Jempi aus der Schmed
Vum
Ufer aus him wenken.
T'Médercher och, déi
ronderöm sie
Sie
hâten vill Pläséier
T'Gabrielle
an och t'Virginie
Sie
wölle matt eng Kéier.
Kavaléier, wéi de Pierli
dann
Hien
koum un t'Ufer rëm
T'Médercher
déi klammen ran
T'Virgi
fängt ze rudderen un.
Gelâcht gouf do et wour e
Spâss
Wéi
wann én si géif kribbelen
Lâcht
net ze vill, soss gidd der nâss
Dir
dirft elo net wibbelen.
Kaum gesôt, de Nâche
gleich
Et
géif én durchenén
Senkt
do seng Spetzt duer an den Deich
All
Médchen weist seng Bén.
Berdauf, mam Kapp, bis op
de Grond
Ech
kann net alles nennen
Bedreckst
de Kapp, beschmiert de Mond
Wât
uewe wor, koum ennen.
T'Buewe schnell mat enger
Stâng
Sie
réchen och hier Hand
Sie
zéien, zéien, t'wuer eng Bâng
Sie
koumen net un t'Land.
Bedreckst hirt Hoer an
nâss de Lëpp
Sie
stellen sech an t'Sonn
T'Räck
beschmiert a kâl hier Gräpp
Zum
Gleck sie hâten net eng Wonn.
Owes hém, sie wôre bléch
Kâl
an nâss a wéi
Grommele
gouf et, t'gouf och Stréch
Aspirin an
Lannen Téi.
Op t'Wâsser géi, wann t'Eis ass
hârt
Soss kanns du och erfueren
Wéi nass ons t'Wasser
mecht de Bârt
Um Wiesendésch, an
Iwelsbueren.
Lieler - 18.10.1946
(Hei hannendrun eng
Originalofschröfft vun dem Autor mat enger dédicasse un t’Virginie)
Beim Weiher setzen ech gudd lofteg
A lauschteren wât t'Wasser sét.
Am Emkrés, Schied an dofteg
Munch Bâm a Strauch do stét.
Ech kucken déif an t'Wâsser
Gesinn do mein Gesicht,
Um Strauch do setzt e Vugel
Sein Nascht op enger Fiecht.
Ech lussen dran, mei wärreg
Et ass nach fonkelnei,
Drei Är sin dran, a gär ech
Ech moschtre sei Gezei.
Et ass keng Bluem gesprinselt
Ech kenne mech do aus
De Vugel ass gepirpelt
Fun Dreck gebaut sein Haus.
Hé fléit vun Ast zu Ast eriwer
A schnappt no enger Meck
Fléit bei sei Nascht an driwer
A rift " Kereck, Kereck."
All Fieder an all Härchen
Mat Fârwen auserkuer
E Vugel wie am Märchen
Den Nuem ech net erfuer.
Ganz lues gung ech fun dannen
Ech wollt sei Gleck net stéieren
Esou e Vugel kennt é bannen
E kéint én nach verféiren.
Albert Regenwetter
Das Alter der Hühner im Jägerlatein
Ist gelb das Bein des Huhnes gleich
der Zitrone
So stammt's aus diesem Jahre
zweifelsohne
Doch rechne zwei davon auf einen
Kopf
Sie werden dir gar sehr gering im
Topf.
Das Huhn mit Beinen gelb wie
Apfelsine
Vor allem dir zum saft’gen Braten
diene
Bei hellen grauen Beinen lass dir
raten
Ein halbes Stündchen länger es zu
braten.
Ist dunkel schon des Hühnerbeines
grau
So kocht’s vor'm Braten erst die
kluge Frau
Blaugrüne Beine, Schnabel beinahe
weiss
Rings um die Augen ein hellroter
Kreis
Lass ab umsonst sind Speck und
Butter
Solche Hühner schenk der
Schwiegermutter!
Was ist wohl das nützlichste Ding
der Welt?
Das Hemd
Was wird angezogen und kost heut
viel Geld?
Das Hemd.
Was wird angezogen von Mann, Weib
und Kind
Was schützt uns vor Kälte, was
schützt uns vor Wind?
Das Hemd, das Hemd, das Hemd!
Wo ist so oft Hitze, wo ist es oft
schwül?
Im Hemd!
Wo wehen so manchmal die Lüfte so
kühl?
Im Hemd!
Wo hat es dagegen bei dunkler Nacht
Ein fürchterliches Gewitter
gekracht?
Im Hemd, im Hemd, im Hemd!
Wie sehen die Herren die Damen so
gern?
Im Hemd!
Wie zeigen die Damen sich selten dem
Herrn?
Im Hemd!
Wie hat es dagegen ein Ehemann so
schön
Der kann, wenn er will seine Frau
sich besehn.
Im Hemd, im Hemd, im Hemd!
Was ist oft sauber, was ist oft
beschmutzt?
Das Hemd!
Was wird oft als Anstreicherkittel
benutzt?
Das Hemd!
Wo geht man drin schlafen, wo steht
man drin auf?
Wo nimmt manche Träne so still ihren
Lauf?
Im Hemd, im Hemd, im Hemd!
Was ist bei den Damen mit Spitzen
besetzt?
Das Hemd.
Was ist bei den Männern zerflickt
und zerfetzt?
Das Hemd!
Was ist of aus Seide, was ist oft
aus Lein?
Was reicht nur bei manchem vom Bauch
bis zum Bein?
Das Hemd, das Hemd, das Hemd!
Das Wasser ist ein Element
Das lange nicht ein jeder kennt
Die Leute sagen oft zu Hauf
Das Wasser läuft doch nicht bergauf.
Und doch, setzt man sich an eine
Stelle
Wo entspringt die kleinste Quelle
Aus der Tiefe steigt es hier nach
oben
Es will nur seinen Schöpfer loben.
Denn von ihm ward es gezeugt
Nach seinem Willen es sich beugt
Es läuft bergab, es läuft bergauf
Die Erd umkreisen ist sein Lauf.
Trägt auf dem Rücken wie ein Wunder
Das schwerste Schiff, den kleinsten
Plunder
Auch ist sein Dasein pausenlos
Nimmer ruhend, schonungslos.
Läuft es seinen Weg
Unbekümmert unter Brück und Steg.
Gott schenkt es uns zum Dasein und
zur Labe.
Es ist die schönste Gottesgabe.
Kaum wuer et hell du steht de Joss
Mat der Rut schons bei der Bâch
An denkt d'ass secher net emsoss
Ewell et get e scheinen Dâg.
Schnell schnell e Wirmchen un de
Krop
An t'Schnuer op dé richteg Längt
E liechten Auswurf an dann hopp
Eran dermatt an t'Strängt.
Scho spirt de Joss e klenge Schlach
A senger rechter Hand
Eng Frellchen zitt hien iwer Dâg
An erop dermat op t'Land.
Elo geht hien bei de beschte Plâtz
Wo dé zwépönneg setzt
De Wirmchen eran, kaum wuer se nass
Könnt sie och schon do ugebletzt.
Sie beist ewé e rosenem Hond
De Joss de rappt fest an
Hie verléert du de fest Grond
An trellt an t'Bach eran.
Geflucht huet hien ewé e roude Judd
Nass ewé e gezapptent Hong
De kâle Bâd dé stéht him gudd
Denkt t'Frell du domme Jong.
Zum Diwel wuer de schénen Dâg
Zum Deiwel Krop a Frell
Nâss huet de Joss sech hém gemâcht
Verwönscht all Frell an t'Hell.
Knaps ass dé deischter Nuecht verbei
Ech schon um Poste stin.
Well wann de Waldi ass derbei
Schnell op de Bén se sinn.
Kaum hat ech mir eng ugemâcht
Geht et schon do enne lass
Den Tell, de Belli, wé dat krâcht
Mam Waldi sengem Bass.
Tyau, Tyau, tyau, tyau, heihin,
dohin
Hank op, Hank of, eng Fréd.
D'Wärd wuel dén âle groe sinn
De mecht den Honn nach Léd.
Mé haut sin sie nô hannen drun
Elo könnt hien em t'Heck geflötzt
Den Tommi dén ech bei mir hun
Huet d'Oure scho gespötzt.
Hien d'Schneiss erop ewé de Wand
D'Flent hun ech schnell um Back
En helle Krâch, e wéneg Damp
Gleich leit hi schon am Sack.
De Pofank peift et an de Besch
De Lampert dén ass dôt
Op Kirmesdâg steht hien um Desch
Beim Kirmeskuch a Brôt.
Wéi t'lescht war dat grousst
Donnerwieder
Hun am Park ech é Médchen begéint
Beim Bâm stung hat önner de Blieder
Fir net nass ze gin, huet et
geschengt.
Ech sot him pardon Mademoiselle
Wöllt dir vleicht mei Parapluia
Nix comprend répondit-elle
Je suis une Espagnola.
Espagnola, Parapluia
Huelt dir mech vleicht an de Bras
O ma belle Espagnola
Gellt et ass dach emol schénos
Bekuckt iech déi bella flora
Komm mir gin spazeros.
Hei enerdem Parapluia
An dem grousse Rénos
Kruet ech en deckech Bésos
Vun der Espagnola.
O mon nâss parapluia
Et wor fir mech ze drecken op d'A
O ma belle Espagnola
Ech hun dech esou gäros
Ewéi en deckt Steck Nougat.
Ewéi eng Botterschmieros
Denk un de Parapluia
An hâlt e gudd an Ehreros
T'Ass en Souveniros
Vun der Espagnola
O ma belle Espagnola
Ech hat dech emol géros
All mei Geld ass nun Ätta
Ech sin ugeschmiros.
An hâlt iech gudd an Uechtos
Well oft an deischter Nueschtos
Kent eng Espagnola.
Das Schiessen allein macht den Jäger
nicht aus
Wer weiter nichts kann, der bleibe
Zuhaus.
Doch wer sich ergötzet an Wild und
an Wald
Auch wenn es nicht blitzet und wenn
es nicht knallt.
Und wer auch hinausgeht zur
jagdlosen Zeit
Wenn Heide und Holz sind vereist und
verschneit.
Wenn mager die Äsung und bitter die
Not
Und hinter dem Wild hinterher
schleicht der Tod.
Und wer ihm dann wehrt, ist Waidmann
allein
Der Heger, der Pfleger kann Jäger
nur sein.
Wer blos ums Schiessen hinausging
zur Jagd.
Zum Waidmann hat er es wohl niemals
gebracht.
Der toten Mutter (seine Gemahlin) zum Gedenken - 1967
Du treues Mutterherz hast aufgehört
zu schlagen
Zu unserm grössten Schmerz hat man
dich fort getragen.
Gesenket in die Gruft, wir sehen
dich nicht mehr.
O weh, welch grosse Kluft, und keine
Wiederkehr.
Du warst an jedem Morgen auf unser
Wohl bedacht
Ja viele schwere Sorgen hast du hier
durchgemacht
Doch stand dein Glaube fest und fest
war dein Vertrauen.
Auf Gott allein sprachst du, will
ich mein Hoffen bauen.
Hab Dank für deine Liebe, für alle
Müh und Kummer.
Das Grab gewähr dir Ruhe und
himmlisch süssen Schlummer.
1. Juli 1967
E Fonke Liecht 1.4.1946 - 06.00 Auer
Vun der Hémecht
Guf ech emol verschlôn
An t'Eisleck must ech schaffe goen
Am ganzen Dûrf mân ech do t'Rond
Bis dass ech emol e Kaschthaus hu
fonnt.
T'Leit am Eisleck déi si stuer
Déi méscht déi weisen mir gleich
t'Dir
En Haus hat fir mech dach Erbarmen
Déi huelen gieren era mech Armen
De Papp, an t'Mamm, an och hier
Kanner
Hun sech gefrét, an ech net manner.
Mat allem méiglechen probéieren
Ech owes mat dem Kand och léieren.
Wann én um Niewewé wellt plecken
Blummen
Dann darf én sech der Méih net
schummen
Dat ömmer sou am Liewe war
Déi schéinste Blum pleckt én um Dâr.
T'Dég vergin, an t'Méint déi fléien
Bâl schengt och t'Sonn, da Wolleken
zéihen.
Och iwerkoum mech oft t'Verlangeren
Ech stung a Suergen an a Bangen
Eleng ech wosst meng Frau a Kand
Am klenge Letzeburger Land.
Hun ech dann ugefang ze klôn
Konnt jo ké Mönsch mech do verstôn.
Wé stöll sein Léd am Hierz kann
droen
Den huet bestömmt eng grousseg Gnôd
Gléft dir et net, gitt t'Blume
froen,
Déi schéinst déi wuessen hannerem
Drôt.
(Vertount a bearbecht gin fum
Professor Hülsemann an kurz derno gesongen gin an der Kathedral zu Letzeburg).
O Mamm du leiw do uewen
Du stés esou fest op dengem Troun
All Kannt heinidden dét dech luewen
Verscheinre och deng Himmelkroun.
Du kenns ons Hémecht, kenns ons
Kanner
Die Dag fir Dag hei zou dir bieden
No honnert Joer nach net manner
Mat Leiwt am Härz zu dir hintrieden.
Wa Léd a Suerg ons wöllt erdrecken
O Mamm da schenks du eiweg Gnôd
All dénen die am Glâw nach zecken
Am bieden sech bei dir uklôt.
Du wars dem Grouspapp an der Jugend
Schon démols e gewaltgen Trouscht
Siew du de Kanner an der Tugend
Och haut nach Leiwt, Krâft a
Glouscht.
Wann ech bei menger Fönster stinn
A kucken esou an t'Land,
Da weit fort meng Gedanke sinn
Bei dir dann Mamm a Kand.
Friem ass hei t'Sprôch an t'Gégend
Et ass én ewei verlôss
O keint ech hém elo fléihend
Fönnt ech scho Wé a Stross.
Wou t'Owesonn hier Strahlen
Déi läscht scheckt op ons nidder
Dât hun ech gudd verhâlen,
Do sengt én âner Lidder.
O wier e Vull ech dann, en Huer
Net kucken no der Nuecht kéim ech
No hém um Fleck gefuer
Ganz onnerwart bei dech.
Ganz onerföllt bleiwen meng Wönsch
Ongehéiert och meng Lidder.
Härgott, stéih bei mir Mönsch
Ech léen an t'Bett mech nidder.
Ech drémen dann wât ech als Kand
Gestirmt sin durch all Bösch.
Wann t'Mueressonn schengt dann um
Land
Dann ass de Mutt nach frösch.
Da lâacht mein Härz, wie t'Blumm am
Summer
Da sinn ech frösch gemutt.
Wann iwerstirmt mech dann de Kummer.
Da rifft de Gäescht, t'gét alles
gudd.
Polen am Summer 1944.
E léiwt Médchen fun achtzeng Joer
hat sech op Fuessonndeg emol
verklét.
Hat hât duerch sein scheint schwarzt
Hoer,
Och gleich é fonnt dén hat beglét.
An du gungen sie Arem an Arem
An de Kasino, well do ass Fréd.
Hien dreckt hat un sein Herz ganz
wârem
An hémlech him an t'Ouer hien sét.
Gew mir eng Bés, ech sin dir trei
Beim Klank fun der Zigeinergei
Ref.:
Léiwe klenge schwarzen Domino,
woufir stelltst du mir esou eng Frô
Ech hun dech dach esou gir
ech géiw dech net méi hier
Fir alles wat é mir ging bidden.
Loss mer nach eng Fläsch Champagner
drenken
Bei dem Klang fun der Zigeinergei
Well bei déne wârmen Téin,
do drenkt et sech esou schéin
dat én vergösst un t'Welt ze denken.
2.
Wéi nun t'Fuesend wuer passéiert
Wor beim Domino all Fréd dohin
All sein Glëck wôr nu zerstéiert
Hat konnt nie méi glecklech gin.
Vir dât Léd nun ze verdreiwen,
gong hat fort, wuel an én ânert land
Wém soll hat sei Léd do kloen
Hat denkt 'rem zreck un t'Hémechtsland
Wor hat och fort, sei Géscht bleiwt
hei
Bei dem Klang vun der Zigeinergei.
Refr. Léiwe klenge schwarzen Domino
Virwât stells du mir esou en Frô?
Ech hât dech dach esou gier
Ech géif dech net méi hier
Fir alles wât é mir géif bidden.
Éoss mer nach eng Flesch Champagner
drenken
Bei dem Klang fun der Zigeinergei
Well bei déne wârmen Téin
Do drenkt et sech esou schéin.
Dat e vergösst un t'Welt ze denken.
Här Storch, ech well e Rätsel dir
môl gin
Du bass gescheiter wéi zeng Fies!
Wou ass eis Welt am schéinsten?
Du hues jo allerhand gesin.
De Storch é Bén dann hiewt an
t'Luecht
A klappert mat dem Schniewel
Dô wou de Kanner t'Brout gebâk get,
Vum Wés, fum Kâr, der
Hémechtsfrucht!
Weit fort hie fléit dann iwer
t'Heiser
Sei Klapperen ass net méi ze héieren
En ânert Jôhr am selwegen Nascht
Spilt Frâ a Kand mat kënneche
Reiser.
O könnt ech môl e Storch begléden
Hun ech du bei mir geduecht.
Ech gief mein Nascht net féhlen
Gief Haus an Hâf och ennerschéden.
Albert Regenwetter
Et dauscht et kraacht wât ass da
lass
Et hault a bléist de Wand
Um E'rebâm de Fuendel zrass
Am Strossegruew kreischt op a Kand.
En Heft a Bicher leien am Dreck
Hat koum grâd aus der Schoul
Séin Mantel floug jo duer an t'Heck.
Am Gaardenzonk seng Moul.
Hat stét do op a léft du riecht
Et kreischt a rifft fu Wéih
Fum Nopeschhaus fällt
t'Speicherliecht
A Schirbelen erof op t'Stréih.
Bedreckst zerschannt kuem hat du Hém
Dach kaum war op t'Hausdîr
Du jét de Wand mat Sprötze Léhm
Um Kichendösch, um Iessgeschirr.
Wéi t'Iesgeschirr louch du um Buedem
Bléist hien an t'Feier nach an
t'Glouscht
An du un t'Kichelomp déi do um
Fuedem
Gehangen, am Stöps a Rouscht.
Feier, Feier, alles eraus
Dach gleich wor et geläscht
De Wand de jét zum Schachteg aus
An huet do t'Fischt vum Haus
erwöscht.
Sie fleit an t'Lucht an drop e Krâch
Als sting der Deiwel an dem Bond
T'Leit fonnten sie den âneren Dâg
Zerass, zerschannt an engem Grond.
An t'Wolleken déi dreiwen
Sie fléie wéi Gespenster
De Rén an t'Dröpse schreiwen
Hiere Lieweslâf an t'Fönster
Am Bösch, am Dall munch Bâm och
brecht
Fum Lâscht, fum Rén fum Wand
Dach alles wât de Schöpfer mecht
E Rätsel bleiwt fir Mann a Kand.
Verbei de Stûrm, eraus könnt t'Sonn.
Alles roueg ass heinidden
Am Duerf, am Dall an an dem Gronn
Wéi e Gebied, wéi hellgen Fridden. -
Wanter 1946
Wann eleng ech a Gedanke sinn
A weit ech fun der Hémecht stinn
Fillen ech mech ewei verlôss
Dann t'Welt mir virkönnt wie eng
Strôss,
Dann denken ech un all meng Leiw
Wât machen ech, Ech schreiwe Breif.
Et denkt de Géescht un Mamm a Kand
Die eleng och sin am Hémechtsland.
A Brudder, Schwester, Neweu, Schwor
Mat dénen ech zesumme wôr
Sie all sie wore mir esou leif
Wât machen ech, ech schreiwe Breif.
Hun sie geplappert nach als Köndchen
Hun ech gekösst sie op de Möndchen
Stinn haut sie och schon an der
Welt.
A ploen sech fir t'déglecht Geld
Woul dén, dén net verlangre geif.
Wât machen ech, ech schreiwe Breif.
Sinn et net Wieder, ass et Gebied
Das aus dem Härz zum Himmel fiirt
Onser Härgott soll ons schecken
Fridden, dén soll eis beglecken
Loss fannen ons erem ons Leiw
Wât machen ech, ech schreiwe Breif.
28.9. 1944
Weit fort sin ech gewiest
A viel hun ech erliewt
Et géif e ganzecht Buch voll gin.
Wât alles ech em mech gesin.
Wâsser, Wissen, Fielsen Bösch
Schéi Vullen an och Fösch
Do vun der Sonn beliecht
E wonnerschéint Gesicht.
Vill Pärd, Leit soen dat brengt
Glëck
T'wir vun Gleckséilegkét e Steck
Am schéine Bett hun ech geschlof
Gesongen och munch komesch Strof.
Gedronk a Gies vum Beschte Broot
Gewunnt hun ech a guddem Stoot
Sie hâte mech all och esou gär
All déi Gesiechter em mech här.
Firun dem Haus am giele Sand
Gespillt huet do mei jengste Kand
Am Gaard wollt Äppel ech du plecken
Vum Ascht op t'Léder ech wollt
schrecken.
Do fällt erof de Kuerf, mat mir vum
Bâm
Ech ruffen nach. T'wor nemmen Drâm
Erwächen dann, knipsen de Liechter
An em mech grinzen friem Gesichter.
Wou sin meng Äppel, sin meng Bém?
O wir ech dach erem dohém.
28.9.1944
Déi Liewe bléit
An t'Zeit déi fléit
Kommt net ze spéit
Zu dir meng Wönsch!
E lauter Fréd
Glëckséilegkét
Dir zum Gelét
E schéine jonge Mönsch.
Ass d'À dir dréiw
Bass du sou leiw.
Ech fill drem géiw
Könnt ech da bei Dir stôn.
E lachend Hierz
Komme duerf ké Schmierz
Ass aus deng Kierz
Géif gär ech hellefen drôn.
E Blummefeld
Siew dir deng Welt
Bis et geschellt
Déi Lieweslâf soll sin zu Enn
Meng Wéinegkét
A Gleckséilegkét
Wir ech berét
Ze réchen Dir meng Hänn.
Lang solls du liewen
A solls du stirwen
Mach mech zum Ierwen
Vun denger Trei,
Wells du mir bidden
Wir ganz zefridden
Ech dann heinidden
Op deser Welt elei.
Albert
Letzeburger hâlt zesummen,
Trei a fest un onser Scholl
T'Brauch sech kén fir t'Land ze
schummen
T'huet gehâlen wâat et soll.
An ech ruffen durch t'ganz Land
Sou verloss ech och hei sinn
D'Letzeburger an hir t'Land
Musse bleiwen wât sie sin.
Ech hun eng Blimmchen dir gepleckt.
Hun sie un t'Härz mer du gedreckt,
Ech musst grad un dech denken.
Ech well die Blum dir schenken.
Die Blimmchen sét ech hun dech
gieren,
Du kanns mer dat dach net verwieren
Sie soll dir sôn dat ech dir trei
Wei t'Blimmchen och wiest all Joers
nei.
Leiw Blimmchen nun, du wés Beschéd.
Geih mat dem Breifchen zum Gelét.
A lâacht der Mamm hirt Härz elo
schein
An blenkt an hierem An eng Trein.
Leiw Blimmchen drechen Du déi Trein
Mâch der Mamm, den Dâg mei schein.
Fleit och eng Bei dir op t'Gesicht
Du schleiss och net mat enger
Fliecht.
Lublinitz den 22. Juli 1944.
Am Eisleck eng Blimmchen, hun ech
emol fonnt
Wou t'Bach léft an t'Our, am
deischtere Grond
Si wuer dir esou dofteg, esou frösch
an der Bléi
Ewéi e klengt Këndchen, am Bett oder
Wéi.
Sie stung an de Fielsen, töscht Fâr
do am Moos
Wahrscheinlech hun Zwergen, sie fâle
gelôss.
An der Nôperschaft bléeien âner
Blummen jo och
Meng Blimchen iwertröfft s'all mat
hierem Geroch.
Hier Blieder sin mat Härecher bewues
a beliecht
'Sou gleicht si dem schéinsten
Engelsgesicht.
Déi Blimchen als énzeg ech fonnt do
am Land
Déi Blum hun ech Réischen och gleich
du genannt.
Ech duerf sie bewonn'ren, bei Dâg a
bei Nuecht,
Dat ké mir sie stielt, duerfir hâlen
ech Wuescht.
Ech wöllt se net briechen
Ech well se net plekken
Sie soll mir am Stöllen
Mein Liewen beglekken.
20.12.1945
Eng Blimchen mir bléit
Mein Hérz no hir schléit
Sie stét esou gebuergen
A frei vun all Suergen
Wou de Môlbir stét
Do wir ech berét
Du muss et jo wessen
Wéi ech dech vermessen.
Wou deischter de Besch
An t'Löftchen esou fresch
O hief dach Erbârmen
A
loss dech emarmen.
De Moss ass esou mëll
An t'Natur esou stëll
Mein Hierz schléit a Bangen
No engem Verlangen.
Déi Möndchen esou rut
Wéi Mellech a Bludd
Dé géif mir da schwieren
Dass du mech hues gieren.
Dach muss ech verzohn
An eleng muss ech gohn
Wann t'Stiere och blënken
An t'Klakke klënken.
Ech muss dann an t'Nuecht
An hâlen do Wuecht.
Dass ké Feind dir soll schueden
Wat ass jo verbueden.
An dér Zeit wous du schléifs
An dréms dann esou séis
Wann ech da froen
Ech kennt et jo soen.
Mais et muss jo net sin
Da könnt ech verginn.
De Wanter ass eriwer
An t'Fréijor ass do
De Bösch leit am Grengen
Den Himmel ass blô.
T'Bléi fu menger Blimchen
Déi ass wéi erfruer
Ech géif jo gier wessen
Wât an sie gefuer.
Am Dâ wollt ech kessen
Sie beim Muerjesroutlicht
Ech muss et verquessen
Sie neipt hirt Gesicht.
Wat emmer gesond war
A gleichméisseg schéin
Am Wanter a Summer
De Kapp konnt verdéin
Dat stong do esou wieleg
Wéi wann sie ké Sâft.
Eng Gromper déi mieleg
Huet sélen vill Krâft.
Huet fleicht op hier Blieder
E Fues sech gestullt
Oder huet un der Wurzel
E Maulef gewullt.
Sie konnt net verdroen
Sie wor esou empfänglech
Vleicht wollt se mer soen
T'wier alles vergänglech.
Eng Maischen jonk, graad frösch
bestuet,
Gung op Besuch, bei t'Maus hir Guet.
Hir t'Haus louch an 'nem diren Ascht
Wouropper louch en Huewerkascht.
Sie kreicht durch t'Lächer an de
Gank
An heiert t'Groussmamm beim Gesank.
Sie kuckt an t'Spönnchen, klappt un
Dir
An op mech hier de Mononk Pier.
Hie sutz jo do op sengem Séss
Hien huet gesönnert t'Frucht vum
Wés.
Well ass de Wanter nass a kill
Da brauchen t'Meis där Käre fill.
Sie setzen sech gleich un den Dösch.
Um Huewersâk soutz och eng Mösch.
An Möschen sin bekanntleech lues.
Geseit do kommen Méschter Fues.
Sie gött sech gleich du hart un
t'Schipsen,
Als wollt de Fues apart sie knipsen.
De Fues bedächteg könnt geschreckt
An töschent t'Bén de Schwanz
gedreckt.
Hei an do mam beschte Fueden
Duckt hien sech flatschdeg op de
Buedem.
Neicht hasst hien mei wie deiwe
Frascht
En eidle Mo mecht môre Kascht.
Acht Dég lang hat hie schons
gefâscht
Hien duercht verstopp dech an de
Kâscht.
Wie t'Maus de Fues hât heire billen
Scheckt si hir Kanner raus mol
spillen.
De Fues nach heiflech senger Braut
Scheckt an de Bösch e kurze Laut.
Virwetzeg wéi nu Meis môl sin
Sie wollten Fues môl gär gesin.
Sie lâfen treppweis 'raus an t'Loft
De Fues denkt t'richt no Mausendoft
Setz sech op t'Huppen, licht den
Hutt
Well Mauseflésch ass zart a gudd.
Hie sprengt an t'Lucht a mecht é
Sâtz
Flenker kann net sin eng Kâtz
Drei Meisescher leien um Reck
Zerass, zerschannt, gebracht
t'Geneck.
De Fues de schnoffelt, weist seng
Zänn
An t'Nues nach röffelt, reiwt sech
t'Hänn.
De Fues den denkt drei sin der Doud.
Dat mecht jo neicht ech hu jo Broud.
Et knack a schippst am Réch vum
Bösch
Et flitt eraus erem ons Mösch
An aus dem Bösch flitt och eng Kugel
Die net gemönz vir onse Vugel.
De Fues schleit t'Râd. an t'Meis
derniewen.
Hu missten all vu Vierwetz stierwen.
De Leiwäkerchen, sei Liddche sengt
T'Kawéchelchen um Bâm och sprengt.
T'Vioule luessen aus der Heck.
Den Hieschen mecht, ass wir hien
Geck.
T'Weidekätzchen zreist hirt Kléd.
Man Héselter op t'Houchzeit gét.
Sie wöllen do am fonkelneien.
Verreckt Iech mâan, all Meck a
Beien.
An t'Kuebe misst dir emol gesinn
Wei Schiewel sie bei Schniewel stinn
Ganz bestömmt sie sech erzielen
Wien sie als Momper wölle wielen.
Am Äther, Sperber, Huer och kréesen
Öm t'Häcken spillen Mösch a Méesen
T'Kanengchen, Wiesel, Hond a Kâatz
Sinn op der Sich no engem Schâatz.
Am Gârd, t'Birebéem schon dreiwen
Währendém wou ech hei schreiwen.
Dobaussen rifft alles aus engem Monn
Wé bleiwt dobannen, eraus an t'Sonn!
14.2. 1946
Den Himmel ass blô
An all Vullen dé sangen
Vu fären an nô
Kommt, an t'Fréjôhr mir sprangen.
De Rucksâak gespekkt
An hiewt guer keng Bângen
Eng Blimmchen geplekkt
An dann an t'Welt nemme gângen.
Loost t'Suergen dohém
Di Dâg oder Nuecht iech soll bréngen
Op t'Feld, ënner t'Bém
Lost t'Sonn iech an t'Héerz émol
schéngen.
Hiewt t'Héerz voller Sonn.
Mir wöllen e Bond och da schléissen.
Matt engem Liddchen am Monn
T'Allmacht vum Härgott begréissen.
14.2. 1946
Ich weiss, dass hinter dieser
dunkelschweren Stunde
Das kleine Land in tausend Knospen
steht
Und dass des Frühlingswind mit einer
süssen Kunde
Ganz leise schon durch seine Täler
weht.
Ich weiss dass die Madonna auf dem
Gnadenthrone
Schon heimlich horcht auf jenes
Jubellied
Das sie umrauschen wir, wenn sie mit
ihrem Sohne
Als Friedensfürstin durch ihr Ländchen
zieht.
Dann breitet sie mit ihren lieben
Mutterhänden.
Auf unser Leid ihr schönstes
Lichtgewand
Und alle Blüten werden aus den
Knospen drängen
Und Frühling wird's im Luxemburger
Land.
Die Sonne glänzt mit mattem Schein
Mir in das Häuschen noch hinein.
Spinnweben fliegen durch die Luft
Es riecht die Eich nach reifem Duft.
Die Schwalben sind nun alle fort
Vielleicht an einen andern Ort
Bei Tag der Spatz piepst unterm Dach
Die Eule wird sehr früh schon wach.
Ein voller Wagen heimwärts fuhr
Die Amsel macht die Traubenkur
Sie labt sich nun an süssen Beeren
Wer soll es ihr nun auch verwehren.
Aus ist nun das Liebeswerben
An Stelle tritt das grosse Sterben
Der Tod der kommt jetzt über Nacht
Auf Nebelschwaden, leise, sacht.
Erzählt dem Laub so manche Glosse
Und lässt es fallen in die Gosse.
Doch Hoffnung führt er mit im Schild
Denn Knospen seh’ ich in dem Bild
Die Saat die spriesst aus kühlen
Erden
Es wird bald wieder Frühling werden.
AR
Am Duerf leit decken Niwel
Kâhle Wand bleist em de Giewel
Fum Dâach vum Haus den Dâ nach
dröpst
An Strôss a Wé vun Drechent stöpst.
Iwer Nuecht munnech Blimchen hémlech
stirwt.
Am Bösch, all Blaad sech komesch
fierwt.
Bâl giel, bâl roud, bâl blô.
A Muerges ass et net mei do.
Haus, Scheier a Stall, fum Reichtum
gelueden.
Fu Friechten a Segen die de Summer
gebueden.
Fir Zukunft de Bauer scho séint de
Wées.
Fu Quetschen a Prommen gekacht gouf
Gebés.
Um Haspel get geschwongen den Flues,
Am Beienhaus fun de Beien tirmt sech
de Wues.
All Mönsch an der Hémecht fillt sech
gebuergen.
A Herrgott am Himmel behitt ons fu
Suergen.
Du bass onse Schöpfer, du bass onst
Geléd.
Dein Sohn a seng Mamm zur Seit mir
da stét.
Erhéier die heinidden zu dir bieden
Siew Hémecht fir die, di haut zu dir
trieden.
Dann ass an onserm Liewen den
Hierscht.
En Dankgebiet zum Himmel gewierscht.
A wie am Fréihor, munchech Blimchen
frösch bleit.
Den Odem Gottes durch Weltall zeit.
Pfeift da nicht ein Vögelein
Singt da nicht ein Mägdelein
Rauscht da nicht vorbei ein Zug
Oder zischt vorbei die Schnepf’ im
Flug?
Blüht da nicht ein Blümelein
Glänzt da nicht der Sonnenschein
Grast nicht da ein junges Reh.
Verspürst du nicht ein Liebesweh?
Oder summt nicht da 'ne Mücke
Piepst nicht da 'ne junge Kücke
Oder schreit nicht irgendwo ein Pfau
Wenn allein ich bin auf grüner Au?
Lispelt nicht das junge Laub
Die Bie'n sich labt im Blütenstaub
Im Gras sich sonnt die Lerche
In einer tief gelegenen Pferche.
Willst du nicht in der Sonne liegen,
Und an eine Brust dich schmiegen
Und dann singen vor Liebeslust
Ein Liedchen von der Waldeslust.
Wenn ich so spazier' allein
Möchtest du nicht bei mir sein.
Oder denkst du in der Stille
Wie Ameise oder Frau Grille?
Albert Regenwetter
(im Walzertakt)
1) Kuckt ech sin haut fein
eraus
All Drecken a Quetschen
ass aus
Ech
gin Privatstonn, op menger Trombone
Well
ech blôsen iech déi jo am Fong.
Ech
blôsen Iech Adagio, Andante an Prestissimo
Ech
an onsen Heng, hun beim Weintzens Jeng
All
Sonndes geblôsen bis eng.
Ref.:
Op onsem Instrument Trara,Trara,
Mat
ganz vill Sentiment, Trara, Trara
Alles
huet sech gedréit, Trara, Trara
Bis
owes ganz spéit, Trara, Trara.
2) Wéi ech mat der Léift
ugefangen
Do ass et mir éklech ergângen
Esou
en Tubâksdapp, dé luech mir am Kapp
Et
wor esou en zemperlech Popp
Hatt
wollt absolut neischt verstôn.
Wann
ech eppes vu menger Musek wollt soen.
Gleich
huet hat gesôt, wéi stömmt et mam Droht
Hues du
dés. Dann héier mei Rôt.
Ref.:
Wells du mol gier gesin, Trara, Trara
Dat
ech dech gier soll hun, Trara, Trara
Da
komm net ouni Drôht, Trara, Trara
Daha gét
et méi flott, Trara, Trara.
3) Et hât emol e Médchen
mech gier
Mä well dir gleich och
wösse woufir
Wéint mengem Instrument,
dat wor évident,
Well hatt fun der Musek
vill kennt.
Haut kann ech de Piano
och hân
Et get engem daks blo
virun den Ân
Dât ass sech eng Fréd,
wann hatt mech beglét
An hémlech an t'Ouer mir
sét.
Ref.: Komm spill mir
leiwe Franz, Trara, Trara
Heil Dir im Siegerkranz,
Trara, Trara
Gleich kritt hatt da
gesôt, Trara, Trara
Marseillaise wir méi flott.
Trara, Trara.
1. Irgendwou am Osten
Do stét mein Newée
Wuescht
Hien
huet et net zum Beschten.
Dat
ass jo operluecht.
2. Ech liesen aus de Bréiwer
Dat hien et deck um Hierz
Weit
fort fu sengen Léiwen
Wé
verstôn dé Schmerz.
3. Hien übt sech an der
Tugend
A sét e frommt Gebied
Dat
freih schon an der Jugend
Him
huet seng Mamm erzielt.
4. Sei Bleck ass nô de
Stären
Die wonnerbar u Glanz
De
Mont géif lâche gären
Hie
bied de Rousekranz.
5. Munch Dég a Méint
verfléien
Keng Noricht vun dohém
All
Wolleken verfléien
Gezielt
sin och all Bém.
6. Erönnerung un t'Hémecht
Déi gét him öm am Géscht
O
wir et dach verwirkelecht
Et
wir esou schéin gewéscht.
7. Wou hien gespillt als
Köndchen
Sou oft gespillt mamm
Ball
Em
t'Haus an och am Gröndchen
Hie
wosst jo t'Plâzen all.
8. Op Posten stöt den Newée
Als Landser nu am Feld
Am
méschten plôt hien t'Hémwéih
Vill
méi wéi all sein Geld.
9. Aus Langweil dét hien
schreiwen
Munch Breif an och munch
Sproch
Als
Newée wöllt hien bleiwen
Bei
sengem Mononk och.
10. De Mononk ass onschölleg
An t'Welt och gin
verschlôn
Fu
Fâ a Land gedölleg
Musst
hien dem Gleck entsôn.
11. Um Feld wou Blume bléien
Do flitt och oft eng Bei
An
t'Breif zun Mononk fléien
De
Monnonk schreiwet dat hei.
12. Mach Newé, dir keng
Suergen
E Papp wöll ech Dir sin
Bei
mir bass du gebuergen
Esou
lang wéil 'leng mir stin.
13. Schéin Fiedren mân schöin
Vullen
Vill Bréif gin och e Buch
An
iessen mir keng Mullen
Hu
mir két Brout, ké Kuch
14. Dat schecken mir ons
Bésen
An hâlen fest zesummen
An
wöllen op all Résen
Der
Hémecht ons net schummen.
15. Soll t'Hoffnung ons
bedréien
Wann ass Gerechtegkét,
Da Fridde mir erem kréien
Verbei ass t'Kreiz a Léd.
20.10.1944
Ans Land, das mich gebar
Knüpft fest mich immerdar
Der Liebe Band.
Der Jugend Gold und Glück
Schau ich mit Träumerblick
Denke an dich zurück
Mein Vaterland.
Solang die Hand nicht dort
Geb’ ich mein Heilig Wort
Zum Unterpfand
Dass sie nicht ruht und rast
Treu schaff in froher Hast
Hebe jeder Arbeit Last
Fürs Vaterland.
Solang mein Fuss sich regt
Ihn nicht in Fesseln schlägt
Des Todes Hand.
Wähl ich den Weg der Pflicht
Voll Mut und Zuversicht
Scheu Weh und Wunde nicht.
Fürs Vaterland
Menger Frâ a mengen Kanner als
Undenken aus dem Osten
Loben, den 17.5.1944
Wann ech bei menger Fenster stin
A kucken esou an t'Land
Da weit fort meng Gedanke sinn
Bei Dir da Mamm a Kand.
Friem ass hei t'Sprôch an t'Géigend
Et ass én esou verlôs
O kéint ech hém da fléihend
Fönnt ech da rem all Strôss.
Wou t'Owessonn hir Strâhlen
Déi lescht scheckt op ons nidder
Dât hun ech gudd verhâlen
Do sengt én âner Lidder.
O wie e Vugel ech, én Huer
Net kucken nô der Nuecht kéim ech
No hém am Flok gefuer
Ganz onnerwârt bei dech.
Ganz onerfellt bleiwen dach meng
Wönsch
Ongehéiert och meng Lidder
Härgott, stéi bei mir Mönsch
Ech léen an t'Bett mech nidder.
Ech drémen vun dohém, wou ech als
Kand
Gestirmt sin durch all Bösch
Wann t'Mueressonn schengt dann an
t'Land
Dann ass de Mut nés frösch.
Da lâcht mein Härz, wéi t'Blumm am
Summer
Da sinn ech frösch gemutt
Wann op mech stirmt dann rem de
Kummer
Da rift die Géscht, t'gét alles
gudd.
Da schafft de Kirper, schafft de
Kapp
Déi ongeméchlecht Sachen
Dat sin t'Gedanken vun dem Papp
Wat mecht, t'brengt t'Härz zum
lâchen
Albert Regenwetter
O Mamm, léif Mamm! (Gebied a Lidd)
O Mamm, léiw Mamm douewen
Ech hun dech énzeg gier
Mein Hérz wär dir gebueden
Wann ech dohém elo wir.
T'Friemd kann mech net beglecken
Net Geld net Glanz net Gold
Kén Onhél sollst du schecken
Verzeih mir dach meng Schold.
Duerfir loss mech dir danken
Am Lidd an am Gebied
Am Léd loss mech net wanken
Der Schlang de Kapp zertriéd.
Du kénns jo all deng Kanner
Déi Kleng an och déi Grouss
Schlô ëm de Friddensbanner
O, huel ons op de Schouss.
Dann dét ké Léd ons bannen
A siew et nach esou uerg
Lôss t'Hémecht ons rëm fannen
O Mamm vu Letzebuerg.
Op t'Juegd é gét, a wöst dir weih
Am Wanter wann e Spierche Schneih.
Da mueres freih, wann zou all Dieren
Gét Jenny an de Jamper spieren.
Lanscht Wiesen, Hecken, Hiewel,
Bösch.
Sie sichen t'Spuren dei nach frösch.
Fun Fues a Schwein, fum schwarze
Wöllt
Der Deiwel dann nach haut sie höllt.
T'Dreiwe gin dann alarmeiert
Man Auto gleich op t'Platz gefeiert.
Well Jenny an de Jamper wossten
Wou neideg ass e Jéerposten.
De Jéer kennt, um Hutt
Schwengsbîschten
Grad wie frösch gepleckte Kîschten.
Am Rucksack huet hien Brout a Wuscht
An och nach jett wa plot der Duscht.
E Jéer leist sech dach net schounen
Hien dreiht t'Gewier an och
t'Patrounen.
Am Bösch do ukom bleist gleich
t'Hur.
Et gét drop lass duerch Bësch a Mur.
De Pitter sét: ech muss nach kacken,
Gleich fänken t'Honn schon un ze
bracken.
Et bletzt et kracht, t'mengt én
t'wir Krich,
De Pitter sicht no enger Bich.
Eng Sau mat Fierkel hierer Siewen.
Haten t'Dreiwer opgedriwen.
Dem Pitter gouf et gleich ze bonnt
Well niewent him do brackt en
Eng Mamm fu Kanner die get beiss,
Sie richt och fleicht seng schwésseg
Feiss.
A schnell wei um Kame'l den Tirk
Sutz Pitter du op enger Birk.
Fu Schwéss an Angscht him t'Hoer
dröpsen.
Well ronderöm hien t'Kuglen stöpsen.
Hie rifft nach "Jampir, bass de
dô?"
Gleich drop krut Krämp hien an de
Mô.
Wat iwerall lo ass gefruer,
Dat ass dem Pitter du entfuer.
T'Dreiwer ruffen: t'leit et leit.
De Pitter mol ké Schwein geseit.
An t'Honn nach ömmer Standlaut gin.
All Jéer och berét do stinn.
Berding, berdang, piff, paff. Hallo
Et kracht fu weit et schâlt vun No.
T'Dreiwer ruffen aus dem Gronn
Siewen Schwein an enger Stonn.
De' sinn geschoss gin op der Juegd.
Ké Jéer hätt jo dat geduecht.
Beim Lagerfeier an dem Dall
Do gouf besprach all Enzelfall.
Wie weider do verlaf dei Juegd.
Huet dags derno ons Zeidong bruecht.
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sinn dach den Wierder
Wann an der Friemt é Wuert erklengt
Gleich én da sech no Hém rem denkt.
O Hémechtssproch, O Hémechtssproch
Wéi schein sin dach den Wierder.
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sin dach deng Wierder.
Deng Wierder sin an sech esou schein
Wéi t'Blumen déi um Feld do blein.
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sin dach deng Wierder.
O Hémechtssproch, O Hémechtssprôch,
Wéi schein sin dach deng Wierder.
Et kann e guer net beiss Dir sinn
Wann och keng Noper dech verstin
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sin dach deng Wierder.
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sin dach deng Wierder.
Du klengs jo wie en Dankgebied
Dât Papp a Mamm dem Kand erzielt
O Hémechtssprôch, O Hémechtssprôch
Wéi schein sin dach deng Wierder.
(E Kand stét op der Bühn mat enger
Poppekutsch, mat enger Popp an engem Prabeli, dén zrass ass. Et rifft:)
Mamma, Mamma, lauschter dach mech
Meng Peppi an ech mir ruffen dech
Mamma, Mamma heier dach mech
Mamma, Mamma, du sollst et wessen
Peppi an ech mir wellen dech kessen
Mamma, Mamma, lauschter dach mech.
Mamma, mamma, Peppi wellt soen
Do soll mat ons spazeiere goen
Mamma, Mamma ech wir esou froh
Mamma, Mamma so net loss mech a Roh
Huel Peppi an mech mat der hand
Mamma, Mamma, et bleist uereg de
Wand.
Mamma, Mamma de Pabeli ass futsch
Komm Peppi, Peppi lé du dech an
t'Kutsch
Mamma, Mamma du kanns och scho soen
Lauschter Peppi ech kann dech och
droen.
Mir gin zesummen der Mamma entgént
Peppi, peppi, bass du der Mamm net
begént?
Peppi an ech mir gin duerch all
Strossen
Peppi an ech mir sin esou verlossen
Mamma, Mamma, wou soll sie dach sin
Mamma, Mamma, ech well dech gesin.
Meng Peppi an ech mir ruffen dech
Mamma, Mamma, lauschter dach mech.
AR
Wât liecht do iwert t'Hecken
Am Gard um Feld am Réch,
Wéi t'Riese stin se do, a strecken
Hir Käpp, dem Klenge gëtt et wéch.
Dât ass gemohlt net schwéier
Sou stin déi Blummen dô
Bâl enzel, dâl duebel a bâl véier
Mir kucke mol vun no.
Ma Papp sôt du dé Klengsten
Wat wiest do fir én Deier?
Dô kéint de Künstler, dé gemengsten
Nach lângech goen an t'Léier.
E groussen göldenen Teller schengt
et ze sin
Wo t'Päipel, t'Méck an t'Beien
Wou Kanddâf, Kirmes, Hochzeit feiren
Sech Rendez-vous do gin.
Do gét et héich dohéren,
Kuck dir dat emôl un
Eng wollt déi âner wéren
A Méschter bleiwt "Sum,
sum"
Sie stellt esou guer op t'Kopp sech
Déiw rann am Bléiekellech,
A rukkelt dô da kräfteg,
Well Hunneg, ass do fälleg.
Do kann én eppes erliewen
Do kann é fill gesin
Eng Hummel musst do stirwen
Well sie ass dronke gin.
A spéider wann t'Bléi fort hei
Da setzt am Kellech t'Frucht
Da mecht do Miller
"Millei"
An Ueleg fir an t'Luecht.
Ech hun elo gezielt dir
Vun der Sonneblum genug.
"O mach dann elo Zalot mir
A schmier och t'Pân vum Kuch
Esou dinn déi Gottesgiewer
Mat villem ons beglecken
Wou Drescher, Môler Wierwer
Sing Jongen kennt an t'Leier schecken.
Anders wird die Welt mit jedem
Schritt
Den ich weiter von dir mache
Mein Herz das will nicht weiter mit
Ich seh und suche dich auf Schritt und Tritt.
Es scheint die Sonne kalt ins
Zimmer.
Immer, immer, immer.
Wache, Wache, Wache!
16.12.1967
T'Lann ass an der Bléi
T'Kand jeitzt an der Wéi
T'Bei déi summt durch t'Luecht
Um Feld, do dîîrd schon t'Frucht.
Am Bösch do summen t'Mecken
Munech Liebespuer sech drecken
Um Bâm, do schleckt eng Kîscht
De Spatz gestuel, um Fîscht.
Treppweis lâfen t'Kanner durch
t'Héd,
Sie dreiwen t'Weld aus der Wéd.
Hier Àên sichen nô de Bîer
Am Rahm, ech éis se gier.
Am Wasser quâkt de Grengen
Hén dét sech op do schwengen
A mecht e Spronk elo,
Mach du mir dat emol no!
Um Feld begéins de dak
De Lampert stét am Frak
Am Besch t'Lâf zevill pespert
Em Bâm a Strauch, de Fues do
respert.
Wa muerges fréi, de Niwel schwieft.
A Pappa Storch durch Lucht da
strieft
An t'Sonn emmer méi héich sech
dreint
Verlangeren dann no hém mech zéit.
Albert Regenwetter
Wa kâl an eidel ass de Rouescht
Da jét et mech aus friemem Haus
Ganz oft aus der Gesellschaft raus
Die bidde kann mir guer kén
Trouescht.
Am Schrëtt, ech gin dann iwer Land.
Ech lossen de Gedanken freie Lâaf.
Wou die Doudeg rouen an hierem Grâaf
En Hiwel drop vu Steng a Sand.
Wuel munech Honnert ech da zielen
Schein ausgericht an enger Reih a
Glidd
Wie an engem groussen Beiebidd
Wuer fléist du hin, du kann net
wielen.
E Weissen Teppech leit fu Schnéi
Iwer t'Land, Kirfecht a Bösch
Wéi frösch gedeckte Kirmesdösch
E schloffend Kannt a senger Wéi.
An t'Häcken Bâm a Strauch
Ganz komesch haut hir ganz Frisur
Sie stellen duer eng grouss Figur
Mat ongeheier deckem Bauch.
An luest du drönner, op de Fong
E roude Pilzchen eraus do liecht
An oft geseis du och t'Gesiecht
Fu klengem Héschen oder Hong.
A weider gét mei Wé an t'Deift
An t'Härz vum Bösch oder Reveier
Wou Schwein a Fuss, an enger Scheier
Den Edelmarder roueg schléift.
Wou bléist de Wand, nach wéi en
Donst
Da stellen ech mech bei e Bâm
T'Ganz Welt mir virkönnt wéi en Drâm
An net bestét, Biedelei a Gonst.
Wou t'Sonnestrahlen roud wéi Gold
Kén Neid, kén Haass keng Suergen
All Kreidchen stét do wie gebuergen
T'Natur nach ass wéi Gott sie wollt.
Do schléit mein Härz a stellem
Fridden
Do ass ké Wiesen dat mech steiert
Ké Lieweslâf dén do mech féiert
Op schlechte Wé heinidden.
Leiwen Härgott loss mech bieden
Loss bewonnren mech deng Ewegkét.
Et ass fir mech Glecksélegkét
Wann ech zu dir esou kann trieden.
Gef du Dein Segen, gef mir t'Gnôd
Dat all mein Truechten ass heinidden
Fu Léd a Suerge dong du behidden
Meng Frau a Kand, mein ganze Stoot.
Et ass schon Nuecht et lichten
Stären
Ech lenken dann no hém mei Pâd
Drémen dann vun Hémechtsstaat
A mengem Bett, geif lang ech gären.
Vun der Hémecht, die am Westen
Weit fort fu mir esou weit.
Eng ganzeg Welt leit do am Streit
Zwösche mir an mengen Beschten.
An engem Billerbuch
An engem Kranz vu Kuch
An engem Doum
An enger Bloum
An engem Déiregaart
An engem Zwerg mam Baart
An engem Wisegronn
Oder an engem Strahl vun der Sonn
Oder engem Pelz fum Fues
Oder un enger seide Blues.
Un Dicher, Fiedren, Seidespetzen
Oder u Vullen déi op dem Bâm do
setzen
An de Wissen wann se bléi'n
Oder un den Uergeltéin
Sichs du sie an der Tréin vum Dâ
Oder an der Kamera
Un de Fielsen déi zum Himmel réchen
Un de Grônen, déi vun Gold bâl bréchen
An engem Glas, wou de Wein dra
sprudelt
Oder op dem Séi wou Int a Gäns dra
puddelt.
Am Fréijor, un dem Seidelbast
Am Summer un dem Schmuebelsnascht
Am Hierscht un vollbehângnen Riewen
Am Wanter un dem Bliederstierwen.
Sichs du se op dem hechste Bierech
Oder an dem Bau vun enger Kirech
An dem Bau vun engem Bier
Oder an dem Sand vum Mier
An der Léiwt, um Geld, um Gleck
Oder an dem Schlangebleck
Um Schlékenhaus dât schéin am Bau
Un der Écheschuel déi Grô a rau
Solls du mir Lieser et net rôden
Well ech dir et gleich verrôden
T'Schéinhét ass e Kannd wât
schléift,
Wann t'Mamm derbei et kuckt verleiwt
De Papp fu Gleck derbei nach sengt
E Sonneschein an t'Zömmer schéngt
Stürmische Nacht und die See geht
hoch
Tapfer noch kämpfte das Schiff
Warum die Glocke so traurig klinkt,
Dort zeigt sich ein Riff.
Brav ist ein jeder an seinem Stand,
Ringt mit der See fürs Vaterland,
Dem Tode nah, dem Tode nah,
Furchtlos stehen alle da.
Laut rufet die Glocke jetzt über das
Deck,
Nichts half das Kämpfen, das Schiff
ist leck.
Macht euch bereit, macht euch bereit
Bald segeln wir in die Ewigkeit.
Gott sei mit uns.
Als nun die stürmische Nacht vorbei,
Ruht ach so tief das Schiff,
Dort zieh'n Delphine und gierige Hai
Rings oben am Riff.
Von allen Menschen so lebensfroh
Keiner dem grausigen Tod entfloh
Dort unten auf dem Meeresgrund
Schlummern sie friedlich mit
bleichem Mund.
Still rauschet das Meer
Jetzt sein altes Lied.
Manchmal dringt es mir tief ins
Gemüt
Seemann gib Acht, Seemann gib Acht
Horch was der Wind und das Meer dir
sagen
Wir gehen schlafen am Grund des
Meeres
Gott sei mit uns.
(es soll hierzu angemerkt werden,
dass der Autor über ein beachtliches Repertoire von Liedern verfügte, was ihn
also auch als Bassist und Entertainer
auszeichnete)
1. Schier dreissig jähre
bist du alt, hast manchen Sturm erlebt, hast mich wie ein Bruder beschützet und
2. Wenn der Schnee von den
Alpen nieder taut, aus dem See, der blaue Himmel wieder schaut, wenn die
Glocken läuten von den Alpenhöh'n
3. O, wie wohl ist mir am
Abend, mir am Abend, wenn zur Ruh die Glocke läutet, Glocke läutet,
4. Wo's Dörflein dort zu
Ende geht, wo's Mühlenrad am Bach sich dreht, da steht ein duftiger
Blütenstrauch.
5. Gedenke dir mein Liebchen,
was ich im Träume gesehen. Ich sass im düsteren Walde, umringt von schönen
Feen. Sie flüsterten, sie kosten, ich soll ihr Ritter sein, und als sie so da
sassen, meine Liebe da dachte ich dein
6. Es war im Marscherwald,
wo meine Wiege stand. Im schönen grünen Marscherwald
7. Bei der schönen
Meisterin, bracht ich gern den Abend hin. O wie war das wunderbar, wenn der
Mann im Wachshaus war. O wie man sich oft vergisst, hab ich manchmal sie
geküsst, mir war ob der Sünde bang, sie aber immer lustig sang:
8. Rühret die Trommeln und
schwenket die Fahnen, vorwärts, widerallerla
9. Mutvoll blickt der Freund
ins Leben, Hoffnung schwelgt die Segel an, doch auf sturmbewegter Bahn
10. Sah ein Knab ein Röslein
steh'n, Röslein auf der Heide, war so morgenschön und jung,
11. Willst holdes Röslein mit
mir zieh'n, sprach ich mit liebeswarmem Blick,
12. Du kannst nicht treu
sein, nein nein das kannst du nicht, auch wenn dein Mund mir wahre
13. Liebe, ja Liebe so sprach
zu ihr, Liebe ja Liebe so sprach er zu ihr und sie gab sich dem treulosen Jüngling
dahin, und sie gab sich dem Treulosen dahin
14. Trink, trink Brüderlein
trink, lasse die Sorgen zu Haus, Trink, trink Brüderlein trink, lasse die
Sorgen zu Haus. Trinke nur Wein und meide den Korn, dann hast du zu Hause nie
Zorn, trinke nur Wein und meide den Korn, dann hast du zu Hause
15. Tuback, back back bei
einer Pfeif Tuback. Ein edles Kraut ist der Tuback, trägt mancher grosse Herr im Sack,
Stein, Stahl und Schwamm sind stets zusammen
16. Wer soll das bezahlen,
wer hat das bestellt, wer hat soviel Pinke Pinke, wer hat soviel Geld
17. Wer wird denn weinen,
wenn wir auseinander geh'n, weil an der nächsten Ecke, schon sechs andere
steh'n, man sagt:
18. Auf Wiederseh'n, auf
Wiederseh'n, bleib nicht so lange fort!
19. Grossmütterchen,
Grossmütterchen, sag mir wie lange lebst du noch?
20. Ein jeder der kann sagen
was er will, ein Soldat muss leiden viel, muss viel Kälte und Hitze ertragen,
muss sein Gewehr und Tornister tragen, dieses und jenes und noch viel mehr.
Zuletzt gibt er sein leben her. Die Garnison ist eben schlecht. Zehn Sous den
Tag ist eben recht, dann kommt die liebe Waschfrau gegangen, ihr liebes
Geldchen zu empfangen, der Wirt der ruft zur Tür herein:
21. Soldatenleben das ist
schön, vallera, da kann man oft spazieren geh'n, vallera, ein hübsches Mädchen
wohl in dem Arm, das hält ja den Soldaten warm, ein hübsches Mädchen in dem
Arm, das hält ja den Soldaten warm.
22. Mein Herz das ist ein
Bienehaus, die Mädchen sind darin die Bienen, sie fliegen ein, sie fliegen aus,
grad wie in einem
23. Kühlen Grunde, da steht
ein einsam Haus, da zog schon manche Stunde, die Trauer ein und aus, da zog
schon manche Stunde die Trauer ein und aus
24. Am Abend wenn die Sonne
sich senkt am Horizont, die Vöglein in dem Walde, und heller scheint der Mond ,
da hört ich leise flüstern, dem Liebchen an sein Ohr, da hört ich leise
rauschen der Nachtigallen Chor: " Liebchen komm mit verlasse du dein Heim.
Liebchen komm mit, komm mit in die Freiheit hinein.
25. Kennst du das Land wo die
Zitronen blühen, im dunklen Land wo die Goldorangen blüh'n, dahin, dahin, dahin
geht unser Weg. O Vater lass uns zieh'n, kennst, kennst kennst du es wohl
26. Wer das Scheiden hat
erfunden hat aus Liebe nie gedacht sonst hätt er die letzte Stunde in der Liebe
zugebracht, sonst hätt er die letzte Stunde
27. Im Wald und auf der
Heide, da such ich meine Freude, ich bin ein Jägersmann, ich bin ein
28. Soldat man sieht's mir
wohl an, ich marschiere schön grad, halt Schritt wie ein Mann. Mit trotzigem
Mut zieh morgens ich aus, geh freundlich und gut am Mittag nach Haus. So wird
exerziert, bis zum Abend noch spät, bis der Schlaf kommandiert, zu Bett
Kamerad.
29. Leise, über sanfte Wogen,
zieht ein Schifflein seinen Lauf, seinen Lauf. Und am fernen Himmelsbogen geht
die goldene Sonne auf, und auf fernen Himmelsbogen geht die goldene Sonne auf.
30. Morgenrot, Morgenrot,
leuchtest mir zum frühen Tod. Gestern noch auf stolzem Rosse, heute durch die
Brust geschossen, morgen
31. Muss ich fort von hier
und muss Abschied nehmen, o du allerschönste Zier, Scheiden das bringt grämen.
Hab ich dich so treu geliebt, über alle Massen, soll ich dich verlassen soll
ich dich
32. Küssen ist keine Sünd,
bei einem schönen Kind, lacht dir ein Rosenmund, küss ihn zu jeder Stund. Nimm
dir was dir bestimmt weil's sonst ein andrer nimmt
33. Da ist der Jung von
Spangen zu seiner Mutter gangen, darf ich, darf ich Mädchen lieben schon,
jedoch die Mutter sprach, mein lieber Sohn, da musst du selber zu dem Vater
gehen. Da ist der Junge von Spangen zu seinem Vater gegangen, darf ich, darf
ich Mädchen lieben schon, jedoch der Vater sprach: "mein lieber Sohn, dort
in der Ecke da steht der Knüppel schon, jedoch der Vater sprach, mein lieber
Sohn
34. In des Gartens dunkler
Laube sassen einstens Hand in Hand, Ritter Ewald nebst der Mina in der Liebe
fest gebannt. Ritter Ewald nebst der Mina in der Liebe fest gebannt. Ritter
Ewald sagte schmeichelnd
35. Komm mein Schatz, wir
trinken ein Likörchen und dann flüstere ich dir was ins Öhrchen, von der Liebe
und des Lebens Mai und
36. Wenn ich abends aus der
Kneip heimgeh, tut mir meine Zeh so weh, meine Zeh die tut mir weh, wenn ich
abends
37. Wenn die Glocken läuten,
kommt denn der Vater noch nicht heim
38. Üb immer Treu und
Redlichkeit bis an dein kühles Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes
Wegen ab, dann wird die Sichel und der Pflug in deiner Hand so leicht, dann
singest du beim Wasserkrug
39. Ich bin fröhlich, willst
du mit mir fröhlich sein, du bist fröhlich ich will mit dir fröhlich sein. Ihr
seid fröhlich, ja wir wollen fröhlich sein
40. Ein Prosit, ein Prosit,
der Gemütlichkeit, ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit.
1. Kommt man als kleines
Kind zur Welt, dann ist's um ihn gar schlecht bestellt und man kann beim besten
Willen seine Pflicht noch nicht erfüllen, kann noch nicht rudern, kann noch
nicht segeln, kann noch nicht fischen, kann noch nicht kegeln. Tiralala,
tiralala. Kommt man in die zehne Jahre oh dann macht man Sprünge gar, läuft
wohl an der Schul vorbei, bis dass der Lehrer zählt bis drei:
2. Hinaus in die Ferne mit
lautem Hörnerklang, die Stimmen erhebet zum männlichen Gesang:
3. Lasst uns froh und munter
sein und uns heut im Herrn erfreu'n, lustig, lustig, Tralleralala, nun ist
Nikolausabend da, nun ist Nikolausabend da. Gleich ist unsere Schule aus,
4. Tralala, tralala des
Morgens in der Frühe, tralala, tralala, dann weiden wir die Kühe . Tralala,
tralala.
5. Ein Schäfermädchen
weidete zwei Lämmchen an der Hand auf weiter Flur, wo weisser Klee und
Gänseblümchen stand.
6. Kuckuck, kuckuck ruft aus
dem Wald, lasset uns singen, tanzen und springen, Frühling, Frühling wird es
nun bald.
7. Macht man im Leben kaum
den ersten Schritt, bringt man als Kind schon eine Träne mit und Freudentränen
bringt als erster Gruss dem Kind die Mutter mit dem ersten Kuss. Man wächst
empor so zwischen Freud und Schmerz, bald kommt die Liebe in das junge Herz und offenbart das
Herz der Jungfrau sich, spricht eine Träne, spricht eine Träne, ja ich liebe
dich.
8. Ein Jüngling mit lockigem
Haare, ging fort zum Militär, und bei dem Abschied nehmen, schlug ihm das Herz
so schwer, das Herz schlug ihm gewaltig, und lässt ihm keine Ruh, und bei dem
Abschiednehmen, ruft er dem Liebchen zu:
9. Liebchen komm mit, komm
mit, verlasse du dein Haus, Liebchen komm mit, komm mit in die Freiheit hinaus.
10. Was ist wohl das
nützlichste Ding auf der Welt, das Hemd, was wird angezogen und kostet viel
Geld, das Hemd, was wird angezogen von Mann, Weib und Kind, was schützt uns vor
Kälte, was schützt uns vor Wind, das Hemd, das Hemd, das Hemd.
11. Mädel ruck, ruck, ruck an
meiner Khakiseite
12. Mein Schatz ist aus Pütscheid
und ich aus Ernster. Mein Schatz trägt die Büchse und ich das Gewehr.
13. Traurige Brief, die
schreiben wir nach Haus, wir schreiben unsern Eltern die Träume heraus. Sie
schicken uns in die weite Welt, und geben uns kein Geld, das ist was uns
Soldaten gar nicht gefällt.
14. Tock, tock, tock. Wer ist
draussen? Ein armes verlassenes Mädchen, ihr Schatz hat sie verlassen. Sie
fragt ob er nicht drinnen wär, sie sucht ihn auf allen Strassen, sie sucht ihn
auf allen Strassen. So geht es wenn man den Jungen traut, Soldatenblut ist
teuer und zuletzt wird man noch ausgelacht, denn es geben so viele falsche
Freier, denn es geben so viele falsche Freier
15. Nun ade du mein lieb
Heimatland, lieb Heimatland ade, es geht jetzt fort zum fernen Strand, lieb
Heimatland ade. Und so ging ich denn mit frohem Mut, wie man singet wenn man
wandern tut lieb Heimatland
16. Du, du liegst mir im
Herzen, du du liegst mir im Sinn, du du machst mir viel Schmerzen, weist nicht
wie gut ich dir bin.
17. Gold und Silber lieb ich
sehr, könnt es auch gebrauchen, hätt ich nur ein ganzes Meer, mich hinein zu
tauchen doch viel schöner ist das Gold das in goldenen Löckchen meines
Liebchens niederrollt in zwei blonden Zöpfchen, meines Liebchens niederrollt in
zwei blonden Zöpfchen. Darum du mein liebes Kind, lass dich herzlich küssen bis
die Löckchen Silber sind und wir scheiden müssen, bis die Löckchen Silber sind
und wir scheiden müssen.
18. Man schliesst das Band,
sie werden Weib und Mann, und geht der Kampf mit Not und Sorgen an und wenn der
Mann die Hoffnung schon verlor, blickt noch das Weib vertrauensvoll empor zur
Sternenwelt, zum heiteren Himmelslicht, spricht eine Träne ja ich liebe dich,
spricht eine Träne
19. Ich weiss nicht was soll
es bedeuten, dass meine Moneten so knapp, man murmelt schon unter den Leuten,
mit dem geht's immer bergab.
20. A, a, a, der Winter der
ist da. Herbst und Sommer sind vergangen. Winter der hat angefangen. A, a, a,
der Winter der ist da.
21. Blau blüht ein Blümelein,
das heisst vergiss nicht mein.
22. Freund ich bin zufrieden
geh es wie es will, unter meinem Dache leb ich froh und still. Mancher Tor hat
alles, was sein Herz begehrt, doch ich bin zufrieden, das ist Goldes wert.
Lalala, lalala
23. Lustig ist Soldatenleben,
Fariaofariafum, brauchen keine Steuern zu geben Fariofariofum
24. Im Grünewald, dort wo die
Drossel singt, Drossel singt, wo im Gebüsch das muntere Rehlein springt,
Rehlein springt. Wo Tannen, Fichten steh'n am Waldessaum, verlebt ich meine
Jugend schönsten Traum, wo Tannen, Fichten steh'n a, Waldessaum, verlebt ich
meiner Jugend
25. Schön ist die Jugend, bei
frohen Zeiten, schön ist die Jugend zum Zeitvertreib, drum sag ich's noch
einmal:
26. Wie der Isaak Maier seine
Sarah liebt wie er sie voll Freuden an sein Herz gedrückt. Er hat seine Lust an
der Sarah Brust, er hat seine Lust
27. An der Saale, kühlem
Strande
28. Ihr Brüder, seid mir all
willkommen und setzt euch um den Tisch herum und trinket mir ein gut Glas
29. Bier her, Bier her, oder
ich fall um
30. Ein Herz, das sich mit
Sorgen quält, hat selten frohe Stunden, es hat sich schon seinen Teil erwählt,
31. Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss, das, dass,
dass und dass, dass ich fortziehen muss
32. Mit 60 Jahren bin ich
Greis, meine Haar sind silberweiss und ich kann beim besten Willen meine
Pflicht nicht mehr erfüllen, kann nicht mehr rudern, kann nicht mehr segeln,
kann nicht mehr fischen, kann nicht mehr kegeln. Tiralale, tiralala
33. Schlafen, schlafen möchte
ich gehen, dort in dem Schoss der kühlen Erde, dort wo die Trauerweiden steh'n,
dort in dem Schoss der kühlen Erde, dort wo
34. Die Sonne dort sinket
hinter dem nächtlichen Wald, hört wie das Glöcklein so klinget hört nur, man
hört es nur kaum. Trauriges Glöcklein, du läutest so schön, läutest so schön,
trauriges Glöcklein du läutest so schön. Läute mein Glöcklein mir zu, läute zur
süssen Ruh
35. Wir gehen schlafen am
Grund des Meeres. Gott sei mit uns, wir gehen schlafen am Grund des Meeres,
Gott sei mit uns.
Potpourri III - 43 Letzeburger Lidder
1. Hei kommen ech mat menger
Familjen aus de Klottiljen, aus Santiago. Holladrio. Do hun ech déi schéinste
Plantatiounen, fu Kaffisbounen a Kakao, Holladrio
2. Méi Papp dat wor en ârme
Mann geheit mat dreizeng Kanner, et gouf schmuel Meifel dann an wann, an hei an
do nach manner.
3. Kaum hat ech hei an
t'Welt gekuckt hât Ploerei kén Enn. Hat ech eng Zeit um Schous gehuckt, do
muech ech gleich meng Zänn.
4. Jo soweit mir geseit wuer
ech als Mönsch vill geheit
5. Kuckt ech sin haut fein
eraus, all Drecken an Quetschen ass aus, ech gin Privatstonn op menger
Trombonne, well ech blosen iech déi jo am Fong.
6. Et wor émol e Kanonéier,
hie loug douewen op der Rum, Méi schéin wor nach ké Grenadéier, a Gottlieb
Hurra wôr sein Num.
7. Wéi glecklech o wéi
glecklech wor ech fréier, o wat wor ech frou. Esou e Gleck ass ganzeg rar. Fort
ass et nun a fort meng Rouh, net länger kann ech bleiwen hei
8. Wou d'Uelzecht duerech
t'Wisen zéit, durch t'Fielsen t'Sauer brecht. Wou t'Rief lanscht t'Musel dofteg
bléit, den Himmel Wein ons mécht, dât ass dat Land fir dat mer géif
9. Brengt ons Wurmeldenger
hier, de Letzeburger drengt e gier
10. Well esou eng Dröppchen
mei Jengelchen, dat ass e gut fein Dengelchen, et léft den Hals erôf, déi
richteg Gottes Gôf, fir t'Hierz de beschten Dronk a mecht déi Âl erem jonk.
11. Wéi ech wor an Afrika, do
wou t'Leit sin vun der Sonn verbrannt, do wou wiest de Pannama do hat ech gier
en hierzecht Kand. O déi Ân an dé
schwarze Krauselkapp, komme mir seither net méi aus dem Kapp, lacht hat mir o
dann huet meng Fréd kén Enn, ewell
12. Freireg Ân an en empege
Mond, si wann se gekösst esou séiss a gesonnt, an esou bâl e Jong fu Léift
eppes wés, ass hien wéi verhext op eng Bés. Esou wor och emol e jonge Student,
an der Léift hat hien am méschten Talent. Emmer wann hien lanscht e Médchen
musst gôn, sét hien sech wéi de klenge Kohn:
13. Rabeldabedapp Meng Mamm
ass krank, Rabeldabbeldapp, wien hélt se dann?
14. Ech sin e groussen
Hexeméschter, well wann ech Hokusbokus sôn, sin all Gespenster wéi all Géschter
mir önnerdôn, mir önnerdôn.
15. Nu so nach én et wir ké
Gleck en Handwierksmann zesin. Nemme Loscht zur Arbecht a Gescheck, da könnt
der glecklech gin
16. Dir Schwesteren tried nun
all an t'Rei, dir Schwesteren tried nun all an t'Rei, a récht iech
t'Brudderhand, déi léiwst déi kréien mir zur Frâ, wiwat de Schwestrestand, déi
léiwst déi kréie mir zur Frâ, vivat de Schwestrestand.
17. T'Föscher an t'Jéer sin
Plätteleféer tralalalalalalalala, t'Föscher an t'Jéer sin Plätteleféer
18. T'Läscht gung ech roueg
iwer t'Land, do ass e Feldhong opgerannt . t'wor nach ké Meter weit geflun, ech
schéissen, t'fällt, t'wor net gelun et wueren allzeit zwéhonnert Schreck, et
wueren allzeit zwéhonnert Schreck.
19. Kuckt ewéi ech Zaldot se
gin, hät dir mol mech misste gesin, wat wor ech e flotte Borscht, mat menger
stohler Broscht. Wann mer Sonndes an t'Kirch si gangen hun all Ân op ons
gehangen, vun dem rengsten Kicherkueder bis zur Kannermôd.
20. T'Ass ons Arméi, t'Ass ons
Arméi, et sin dâper Leit mais sie dun kengem gäre wéi, t'Ass ons Arméi, t'ass
ons Arméi. Esou
schéin a flott Zaldoten fannt dir
néirens méi
21. Ech sin en âreme Rekrut,
ech sin en âreme Rekrut, dat dét mir wirklech glad net gudd, glat net gudd, net
gut. Kaum op der Dag da bléist t'Trompette, an ech muss aus dem warme Bett.
Wöllt én émol eng Fréd sech mân, beim Zappestréch muss én erân. E ganzen Dâg da
gett jo exerzéiert, e ganzen Dâg, da gett jo exerzéiert, mam léiwe Broutsâck
gett jo fourragéiert, mam léiwe Broutsâck fouragéiert. A könnt mer fun der
Wuerscht erôf, da fléit én an de Back mat Strôf, a könnt mer vun der Wuescht
erôf da fléit én
22. Tipp, Tipp, Tapp, Tipp,
Tipp, Tapp, emmer nemmen drop getappt. Tipp, Tipp, Tapp, Tipp Tipp Tapp, wa bis
dru gewinnt deng Hand, gét et schnell
23. Huet t'Auer owes acht
geschlôn, da get em Buttek Fréd. Da gett den Hittchen ugedoen an hopp op hém et
gét. Nach emol t'Groussgass op an of dat ka ké Mensch hinne verwieren, well do
gin déi al op an of, déi t'Médercher hun esou giren.
24. T'Hechtercher aus der Staat, tipp topp eraus
gemât, hun sie Schoulbicher nach emmer enner dem Ârm, gin si och ronderöm
t'Hierz schon esou wârmm vill schéi Verspriechen mân a blenzle mat den Ân, esou
huet déi Zort et nach emmer gemât. T'Hechtercher aus der Stât.
25. Ech sin der trei a jidder
Nout, ech sin der trei bis an den Dout.
26. Wéi oft get haut dat
Wuert versprach. Owéi schnell oniwerluegt ewéi lîcht gesönnt get et gebrach, wéi
wéineg get beduecht, dass dir domadd munch arem Kand, em Gleck a Fröde brengt,
an dass him vleicht sei Liewelang keng Sonn an t'Härz méi schengt.
27. Meng Freiesch ass en
hierzecht Kand, vu Spuinien bis a Polen,
t'ass neischt esou a kengem Land ké schéinert Médchen konnt die môlen. Sie
kuckt mat hieren kloren Àen, esou frëndlech an t'Welt eran, esou frëndlech a
léiw. An huet se drop och ké Gedank, hir Ried gét iech duerch Mursch a Schank
an t'Hierz era wéi déif an t’Hierz era wéi déiw.
28. Fu mengem Médchen koum
ech hier, dé léiwen Engel do, fléit an Gedanken iwer t'Mier, zéit iwerall mir
nô. Op onser Benk virun der Dir, wou mir esou oft gesiess, a koum ons t'Liewen
deischter vir, mir hun et do vergiess. Wéi hun ech t'Hierz esou wéi, gett mir
mein Dach vu Stréih a mengem Duerf erëm, ech gief iech alles drëm
29. Mir kommen op der Musel
un, do wou mir onse Wéngert hun, do knallen t'Stöpp vum Muselwein, do drenkt de
Wellkar sech recht fein. Ons Leit hun t'Fässer voll am Keller, dat brengt de
Sous an t'Hand. Wât sie beim vollen Glas nach heller an um schéine Muselstrand
Sangen dét. Hält eng friedlech eng gemiddlech Gleckséilechkét.
30. Trei a brav, Geld am
Schâf, durch an durch Letzeburg, trei a brav Geld am Schâf, durch an duerch
Letzeburg.
31. Dir Letzeburger, héier
ons du hellecht Land, spreng deng Ketten, reiss se duerech schlo em ons e
Brudderband, lang genug hu mir gelidden, wou sie Friemen dech verkâf, dech
verkâft, héier déi vir dech gestridden stin eröm
32. Op der Schänzchen, beim
Echekränzchen, et könnt mir émol net aus dem Sönn, et zitt mech ömmer op t'Plâz
nach hém, woul op der Schänzchen hun ech mei Gleck verluer.
33. De klenge knat u sengem
Hut, als wär den Hut et Schold, hie gouf gewickelt mat der Rut, well hien an
t'Schouel net wollt.
34. Jo sou weit mir geseit
ass de Mönsch vill geheit, jo sou weit mir geseit
35. T'si vill schéi Rousen an
der Stât et aas keng déi mengem Idi gét, hei bei dém verlôssene Pâd, do ass et
wou meng Réischen stét. An dât bass du du hierzech Séilchen, an dât bass du, du
mein Kapriss, an dât bass du
36. Meng Frächen emol op der
Kirmes gong. Hei juchhé, onse Jéingste wollt mat hir goen, daurideldum
dauriddeldum daddeldam, onse Jéingste wollt mat hir goen Dauriddeldeldum,
dauriddeldumdam damm Dauriddeldumdam dauriddeldumdam. Wéi t'Fréche du hém ass
kom Hei juchhé
37. Vous savez bien, ech kommen elo
fu Pareis, mais oui je sais och mais owé, do wôr nach lâng net jidfer Marie, Ca
c'est vrai och mais oui. Paris est donc plus belle que Londres ou Bruxelles.
Tiens tiens mon ami. Tiens tiens ceci
38. An da voll Fréd mein Herz
rëm schléit. O du léiwen séissen o du mein alles ob der Welt, loss dech drecken
loss dech kössen wéis du mir gefälls. Ech hun dech gären zu Massa beaucoup
gieren ech kennt dech mat haut an Hôer verzieren, racksteg Dir éiweg Trei à
Léift blous schwieren, an engem Steck
39. Mam Marichen op t'Kirmes
ech émol danze wollt goen hat hât weiss Strömp un an én Hittchen opgedoen. Iwer
dem Danze sôt hat Charli, meng Strömp fällt mir erôf, do wollt ech gleich drun
zéien, du sôt hat né mei Schof. Gés du mir ewech derfun? Well du wéss net wat
ech (drenner) hun.
40. Pirle vum Dâ dat si meng
Diamanten, Blummen vum Feld dé si mein Hochzeitskléd, an t'Nuechtigailercher
dat sin meng Musikanten, an deint treit Hierz ass meng Gleckséilegkét, an déint
treit Hierz
41. Bonjour Här Komper Kueb,
ma sôt wéi gét et Iech, ech danke Komper Fues, et gét mir gudd an Iech. Meng
Kanner sin nach wuel dem Jengsten eppes félt
42. Hien huet esou éeschtlech
gieren, Mum Séiss är Duechter Marei, dass hien him kent elo schwieren, eng
éiweg éiweg Trei. T'ass Zeit et ze verkëppen, dat muss dir selwer sôn.
43. T'si vill schéi Kanner an
der Welt, si sin all Wert geléift ze gin. T'ass nemmen ént wat mir gefällt én
énzegt wat ech gäre gesin. An dat bass du, meng hierzech Séilchen, an dat bass
du du mein Kapriss. An dat bass du meng bescht Viéielchen, an dat bass du mein
ârtlecht Liss.
Andere Schriften
Sonntagnachmittag! Feierlich liegt
die Stille des Tages über Dorf und Berge. Ich greife zum Wanderstabe und
spaziere in den Garten Gottes. Vom Dorf führt der holprige Weg steil in das
Ourtal hinab. Rechts Wiesengrund, links Lohhecken, die verschiedenen Alters, in
ihrer Höhe wechseln. Schlehdorn und Hagebuttenstock hängen voll reifer Frucht.
Ich genieße von beiden einzelne Früchte, um mir die Herbe der Jahreszeit ins
Geblüt zu bringen. Der Hagebuttenstrauch hat mir es angetan. War er nicht bei
der Dornenkrönung unseres Heilandes zugegen? Sind nicht die Früchte
Blutstropfen gleich, die vom Haupte des Erlösers herunterfielen? Wie
wunderbar ähnlich! Der Schlehdorn, weiß
er uns nichts zu erzählen? Die Bitterkeit der Früchte, die Zunge und Gaumen
zusammenschrumpfen, dass man direkt eine Hühnerhaut empfindet! Sind beide nicht
eine Labung für den Magen? Die Amseln führen ein tolles Gezeter auf, wenn sie
aus dem Schlehdorn flüchten müssen! Er ist ja der Kirmestisch für den langen
Winter. - Gottes Bestimmung.
Ich ziehe weiter meinen Weg. Da
fiel mein Blick auf eine Scabiosa, die noch in schöner Blüte steht. Schau doch
her! Eine Ginsterblüte, in reinster Goldfarbe leuchtet da hervor! Beide
schmücken bald meinen Rock. Wir sind doch im Spätherbst und viele Bäume stehen
schon kahl im Walde. Doch die liebe Sonne, sie zaubert noch das Letzte aus der
Natur. Stehen nicht noch da die schönsten Pilze, Fliegenschwamm,
Habichtsschwamm, Hexenpilz, Reizker, Bovist, Keulenschwamm und viele andere
noch! Eine Augenweide. In dieses Gepränge ragen klüftige Felsen in den Äther.
Ich schritt über einen Bach der in allen Tönen der Tonkunst über Stock und
Stein ins Tal springt. Da steht die Bachbunge mit ihrem leberförmigen Zweigen
und streckt ihre Blätter, der durch das zerfetzte Blätterdach des Waldes
scheinenden Sonne entgegen. Die Bachbunge, ein Schmaus für Rohköstler, Sie reinigt
Leber und Nieren. Rechts biegt mein Pfad, der Our entlang nach Süden. Es geht
immer der Sonne entgegen. Ich fühle die Stille des Domes, wo ab und zu
Schellengeklingel ertönt. Es sind reife Eicheln die auf den dürren
Blätterteppich fallen. Das Rauschen der nahen Our gleicht der brausenden Orgel
im weiten Raum.
Zuck, zuck! Ein Eichkätzchen
versperrt mir den Weg. Es stört sich nicht, wo Dutzende Schwanzmeisen im Geäst
eines entlaubten Baumes die tollsten Turnübungen ausführen. Es versteckt sich
bald hinter den Stamm einer Tanne, bäumt hoch und auf einem Zweige sitzend,
schaut es mich an wie wenn es sagen wollte: "Was suchst du hier?" Ich
trete auf eine Felsplatte. Ein wunderschöner Ausblick über das Ourtal. In der
Ferne bellt ein Hund. Ich lehne mich an die Felswand. Hier hängen die schönsten
Moose und die Steinfarne Büschelweise herunter. Engelsüß schießt aus den
Felsspalten hervor. Noch immer bellt der Hund. Im Wiesengrund der Our grasen
bunte Kühe. Flussabwärts bellt der Hund. Ich schaue in die Richtung. Welch ein
Blick. Ein Hirschbuhle steht vor mir im Wasser und wird von einem Viehhund
verbellt. Kameramann wo bist du? Achtzehnender! Majestätisch, gravitätisch
prächtige Figur. Der Herr des Rotwildes. Einer Marmorstatue gleich stehe ich da
und bewundere die Schöpfung Gottes in freier Wildbahn. Ein Stein knirscht unter
meinen Schuhen. Der Hirsch hatte mich gewittert. Er blieb auf der Stelle,
schlug ab und zu mit einem Vorderfuss ins Wasser und zeigte dem Hund der vor
ihm stand, drohend das Gestänge. Der Hund bellte und bellte! Spöttisch beäugte
er den Hund, schaute auf die Felsplatte, wie wenn von dort größere Gefahr
drohen würde. Wir standen bei so minutenlang in derselben Stellung. Genug des
Staunens. Ich spürte in mir den Drang den Hirsch laufen und springen zu sehen.
Ich hetzte den Hund. Dieser sprang dem Hirsch an die Hinterfüße und biss zu.
Der Hirsch schüttelte sich, schlug aus, stieg ans Ufer und torkelte über den
schmalen Wiesenstreifen ins Gebüsch, wo er beim ersten Haselnussstrauch Deckung
fand.
Ich stellte fest, das arme Tier war
kreuzlahm geschossen. Schwer verwundet und vielleicht übermüdet stand es dort
wieder still. Stundenlang blieb es dort. Der Hund legte sich in die Nähe und
bellte ab und zu. Jäger, die auf der Spur des verwundeten Wildes waren, kamen
den Berg herunter. Das Gebell des Hundes verrät den Stand des Wildes. Ich
dachte an den heiligen Hubertus, den Sonntagsjäger. Auch er jagte den Hirsch!
Ich dachte, jetzt erhält das kranke
Tier den Todesstoss, aber es kam anders. Auf drei Beinen sprang es beim
herannahen der Meute in eine Tannenschonung. Er war außer Sicht der Jäger. Die
Meute verfolgte die Spur noch, aber umsonst. Jage nicht am Sonntag. Auch das
Wild hat einen Feiertag.
Der Tag geht zur Neige. Die letzten
Sonnenstrahlen schleichen um die Bergesspitzen. Goldig! Nebel steigt aus der
Our, bildet sich zu Schwaden. Es beginnt die Dämmerung. Alles liegt in stillem
Frieden. Nur die Our singt ihr altes Lied. Ich möchte mit Mendelsohn singen:
"Das ist der Tag des Herrn."
Das war ein Tag des Herrn!
Wien
kënnt t'Fusseliss fu Paschent? Ech well iech dann soen wén dât ass.
T'Fuesseliss ass gebueren zu Pâschent an engem schéine Fuesseschlass. Dat
Schlass leit wonnerbar am Gringen. Ronderömmer Honnert Hektar Bösch. Délweis
Dennen, Bichen a Birken. An der âler Zeit stong do e groussen Baurenhaff.
T'Haus an alles drem an drun sin verfall. Et ass Gras driwer gewues. Nemme wou
fréiher de Gârd an de Bongert wâr, stin haut nach Kischtebém vun allen Zorten.
Et kuom esou durch Zoufall, dat dem Fuesseliss seng Urahnen sech do akâft hun.
Zenter hier si vill Fuessekanner do op t'Welt komm. Sie wossten wéit a brét,
bei der âler Fuessens zu Pâschent, do
ass én gudd opgehuewen. Wann do e Fuessemédchen emol e Seitespronk mouch, wouriwer d'Nopesch
acht Dég lâng ze schnëffelen hâten, dann ass hat an der Nuecht op Pâschent
accouchéieren gângen, an et huet kén Hun dernô gekréint. Am Schlass zu Pâschent
wor alles. Ze iessen an ze drenken, wât e Fuessenhärz nemme wönscht. Mauswârm
Hiesercher, luesgewirmt Hinnercher, Frellen, frösch aus der schwarzer Ernz.
Feldmeis a Böschmeis an den Dosenden am Steck. Dé feinsten Beienhunneg fir wann
én sech erkâlt. Kischten an Molbër fir Dessert. Kurzöm et war e
Schlaraffenland.Well dat esou schéin douewe wunne war, gouf allerhand an der
Noperschaft gezielt.
Dem
Fuessliss seng Ahnen, déi hätten dat alles gestuel a Gott wés wéi. Wann dem
Fuesseliss seng Mamm dofun Wand krut, da sot se emmer zu hire Kanner: Et stét
am Familjebuch geschriwen, am Joer 12000 îr en Dachs emol wâr, do huet de
Mononk vun der Urgroussmamm, dén no Alaska verzunn ass, enger gewesser Madame
Fues, t'Schlass mat allem drem an drun vermâg. Da gesit dir, dén Num Fues
bestét seit éiwegen Zeiten. T'Fuesseliss as dât Läscht wât nach ze Liewe wuer,
fun der Mamm hirer Seit. Hat koum mat nach zwéin âner Kanner op t'Welt. Sie
woren de Fuessemisch an t'Fuessentrin. Et war déi lescht Mammefréd déi dem
Fuesseliss seng Mamm erliewt huet. Lânge Joer derno ass sie vun Alter
gestuerwen. Dem Fuesseliss sein Brueder de Fuessemisch dé gong, wéi hien grouss
war, op Frombreg freien. Dé gouf do abestued. t'Fuessentrin guef fun engem
jonge Jéer an der Mandelbâch bei Chreschtnech op e Rendez-vous bestallt. Hat
gung an et koum net méi erem. Wahrscheinlech goung hat mat dém derduerch. Et
huet én neischt méi fun him héieren. Wéi dem Fuesseliss seng Mamm dout wâr, du
wuer t'Liss eleng. Hat hât et jo och gudd. Alles war do. Nemme et krut t'Zeit
lâng. Hat huet Dég lang wéider neischt anescht gemacht wéi sech gekrâzt an an
de Sonn Sonnebieder geholl. Wann schlecht Wieder war soutz et am Schlass an
huet t'Familjebuch durchgeliest. Hat huet sech net nemmen e beschen agebilld,
aus enger fun der gréister an der gescheitzter Familjen ze stâmen. Do stung fun
engem Fues, dén engem Kueb durch Raffinéierthét e Kéis ofggozelt hât, én âneren
dén mat sengem Schwanz Forellen gefangen huet, an esou weider. T'Fusseliss huet
vun Houffert gestonk. Hat hât sech op sengem hönneschte Wuz fun sengem Reck eng
weiss Fletsch wuesse lôst, fir ze imponeieren. Hât et gesin oder heieren dat
Hermelin am Moud wir, hat wollt net zreck stôn.Ouni ze léien hat war ganz
dichteg an allem. Wuerfir koum hat net ënner t'Hauf? Wéi et an dém Alter war,
dat et sollt un t'Bestueden denken, du gouf et Krich an du goufen déi jong
Borschten an der Noperschaft fu Pâschent
all evakuéiert. Bis bei der Deiwel ewech wueren se gelâf. Nemme fir Pâschent
wuer keng Gefôhr. T'Fuesseliss soutz wéi emmer an sengem Schlass. Hat huet et
zwar héiere schéissen, awer dat war beim Liss gewunnegt. Vill Jéer sin ëm
Pâschent erëm geschlach, déi op Schwein an Réh geschoss hun, awer op
t'Fuesseliss, nén, dat guf et net.
Nu
émol Möttes, wéi hat op der Fiescht fum Schlass sutz, do kuem him an de Senn,
dat hat op der Kâlbermillen eng Mattant hätt. An ouni ze iwerléen, dén aneren
Dâg, op an an t'Eslick. Der Mattant hirt Haus lug önner enger Fiels widder der
Our, net weit fun der Kalbermillen. Wéi t'Fusseliss do ukoum, et wâr ufanks
Hierscht an em Hallefnuescht, fonnt hat neischt méi erem. T'ganzt Haus wour
duerch eng Fliegerbom an Atomen zerflunn.Hatt guf sech un t'Kreischen.
Lauschter, wât ass dât? Wât wuer dât? Et rabbelt am dîren Echelâf op dem
Buedem. Richteg, do könnt meng Mattant, esou duecht hat. Nén, et ass én âneren.
Et ass net der Mattant hir Stömm. "Heiiy, Heiiy" rifft et an de
Bösch.Wâts de net erliews, denkt t'Fusseliss, stét jo net do e schéine jonge
Fues fun doiwer firun him, dé wollt hei an der Nuecht seng Geschäfter machen.
T'Fuesseliss huet alt no der Mattant gefrôt well sie Nôper wiren awer mei gudden Jong hien wuer iwer
Halz a Kapp an t'Fuesseliss verléift. Hien höllt t'Fuesseliss op den Arm, léft
mat him an den Touristepâd, hanner en decke Stén an hien huet him do richteg
Schmôd ugedoen an him gefléiwt, hatt soll mat an t'Reich goen.
En
Zaldôt, dén op der Kalbermillen Posten stung, dén hât dem Spillchen
nogelauschtert. Hien schéisst op sie zwéin awer derlanscht.t'Fuesliss léwt erop
an t'Kémecht an sein Freier erem op déi Seit. Vun dém Durchenén kruet
t'Fuesseliss eppes an t'Glidder, an hat war wéi aus dem Kapp. Wochelâng luef et
doremmer ouni richteg ze wössen wou et dru wir. Hat spirt: Du könns net méi op
Pâschent. Hat lount sech do eng Wunneng an der Wemper Rebbecht. Do wou hat esou
e glecklechen Iwerfall hât, do wollt hat an der Nôperschaft bleiwen. Woche
vergin. T'Fuesseliss fu Pâschent hiet Nowues kritt. Zwéin strammer Fiessercher
koumen an hun é fréien Märzdâg hir Mamma geruff. Wien kennt méi Mammefréd?
T'Fuessekanner wuesse séier. T'Fusseliss gét mat de Kanner virun t'Dîr.
Dobaussen lâcht t'Sonn mam ganze Gesîscht.
Eng
Gefuedesch fun der Uelegmillen bei Béler, koum lanscht dem Fuesseliss eng
Wunneng.
Sie
gesuech déi zwé flotter Fiessercher dô. Sie rann, an du hir Mamm gefrôt, wéini
dat de Kanddâf wier. Alles gong an t'Rei. t'Gefoudesch bruech fu Béler aus dem
deckste Bauer sengem Hengerbestand en decken fetten Hun mat, an t'Fest guf
richteg schei gefeiert. Déi zwé jong Borschten guewen Renatus an Hôrmännchen
genannt. E puer Méint duerno, du gesuch én t'Jongen schon an de Stoppelstecker
op der Juegd, no de Meis. De Renatus, den Dichtegsten, dén huet sech och alt un
dem Bruder gemôss an hien t'ennescht t'iewescht den Bierg erof gerullt. Sie
wollte kucken wien dé stârkste wier. E Joer wuer esou erlanscht, an de Krich
nach net aus. T'Flieger déi hun och alt emol am Lichteschein eng Bomm an
t'Noperschaft fum Fuesseliss senger Behausung fâle lôst. Dat wor awer och
alles. Dem Fuesseliss seng Jongen déi sin gewues. Et guewen flott Fiesserscher.
Sie hâten eppes am Blut fun hirem Papp. Sie gongen ouni dat hir Mamm et wuest,
an t'Fuessen H.J. Do krueten se nach de leschte Schlöff. Du konnt én sie all
Muerges mat verschidden anere Gumpels gesin wéi sie an der Rebbechtswiss
Frühsport mouchen. E Fieschter, dém dat Gedésems op Nerve gung, huet de
Borschten du é fréihe Muerge belauert an hien huet dem Renatus direkt e Schoss
an t'Herz gesât.engem aneren én öm dat lenks Ouer. Den Hôrmännchen de luef mat
dénen âneren an t'Dauwendelt, an hun sech do an engem Bréimerdâr verstoppt. Sie
hun sech duerno net méi op der Wiss gewisen.
E
puer Wochen duerno guf verzielt, sie hätten e gratis Erholungsplatz am
Weisbösch zougesôt kritt. Eist Fuesseliss wuer erem eleng. Du koum 44 am
Hierscht t'Rundstedt Offensive. Et huet gerabbelt a gekracht an der Rebbecht.
T'Fuesseliss huet ugefangen ze färten. Sie huet sech agespart an sech nemmen
gewisen wann et énegermôssen rouheg wuer. Esou vill Uniformen hât t'Fuesseliss
nach net gesin. Et wuer onhémlech. T'Fuesseliss huet zreck geduecht un sein
Schlass op Pâschent. Awer wéi dohi kommen. Direkt lächerlech. Et huet gebummst
a gekracht an der Noperschaft O nén, sôt t'Fusseliss, nie méi dohin. Öm Mött
Jenner 1945 kuemen du déi âner, mat Ping an Pang an nach vill aner Sâchen an
déi Eng déi sin hannerrecks gelâf. T'Fuesseliss konnt dât net begreifen. Hat
krut mat der Angscht ze dun. Hat zitt dé schéine weiss gefleckte Schwanz
zweschent seng Fuessebén a riecht iwer t'Ourenermillen op déi âner Seit.
De
Krich gung eriwer. Alles wuer erem rouheg. Fum Fuesseliss guef net méi
geschwât. T'Schlass zu Pâschent guf fun engem weitléfege Newé fun Frobierg
sequestréiert dén huet wahrscheinlech dem Fuesseliss seng Geschicht an
t'Fuessebuch am Fuesseschlass zu Pâschent
geschriwen.
Albert
Regenwetter
Mit mir
reiste der Tod - 18.10.1946
Die
Bahn brachte mich von Süden nach Norden. Schwarz war noch die Nacht, als ich
abfuhr. Vereinzelte Lichter brannten in den Dörfern wo der Zug vorbeibrauste.
Ich sass und lag in meinem Abteil allein. Ich fiel bald vor Langeweile in
Halbschlummer. Ich träumte. Wir rannten in einen Güterwagen, der von einem
Nebengleis geschoben wurde. Der Tod hielt reiche Beute.
Ich
erwachte. Der Zug fuhr ruckweise in einen Bahnhof. Dieser Traum hielt mich die
ganze Strecke gefangen. Ich machte meine Betrachtungen. Ja, der Tod war mein
Begleiter. Ich sah ihn auf Brücken sitzen, die von Minen gesprengt waren. Er
lauerte auf Beute. Der Zugführer war auf der Hut. Der Tod jedoch sprang in die
Böschung und rüttelte das Geäst. Tausende Blätter fielen in einem Atemzug. Wie
grausig! Auf einer kleinen Station im Ösling stieg ich aus. Sprühregen fiel auf
die tote Erde. Ich knöpfte den Mantel zu und schritt fürbass über die vom Regen
frisch gefirnisste Strasse. Zwischen Koppen und Bergen, Hecken und Tannengrün
ging's in die Weite. Kein Mensch der mir Begleiter sein konnte. Ja, doch was
war das? Es raschelte im Laub. Ich dachte an Wegelagerer. Nein, es war der Tod.
Er stürzte sich auf ein Wildkaninchen in der Gestalt eines Wiesels. Ein
gedehnter Laut und aus war das Leben. O Tod, wie bist du erbarmungslos! Weiter
geht mein Weg. Ein isoliertes Haus. In den Fensterhöhlen wohnt das Grauen. Mag
noch jemand da wohnen? Zwei mollige Schafe springen um das Gemäuer. Ich sah ein
altes Mütterlein. Ich frug den kürzesten Weg zum nächsten Dorf. In ihren Augen
blinkten Tränen. Warum? Eben war der Tod in ihrem Hause.
Gott
sei mir gnädig. Dichter Nebel legt sich auf die Flur. Ein weisser Schimmer
leuchtet mir entgegen. Was ist das? Ist es der Tod im weissen Hemd? Die Strasse
machte eine scharfe Biegung. Ein Schild das Gefahr bedeutet, stand an der
Strassenkreuzung. Am Rande ein stummes Kreuz. Auch hier war der Tod gewesen.
Ich hielt meine Schritte an. Orientierte die Himmelsrichtung, erklomm eine Böschung
und lies dann meinen Blick in die Ferne schweifen. Es ist etwas Wunderbares
diese Öslinger Berge. Zu meinen Füssen im dichten Nebel eine Viehkoppel in
Augenhöhe, heller Sonnenschein. In der Ferne die weissgetünchten Häuser eines
Dorfes in allen Farben der Palette des Malers Herbst, oder ist es der Tod, der
hier seinen Pinsel führt. Ein Greis kreuzte meinen Weg. Ein stummer Gruss. Im
Herbste des Lebens schreitet er dem Dorfe zu. Wo ist mein Begleiter Tod? Wartet
er unterwegs auf den Greis, oder auf mich? Er war am Waldesrand verschwunden.
Gott sei Dank. Ich will leben und das grosse Sterben der Natur bewundern. Denn
jeder Tag birgt ein Geheimnis.
(Anmerkung des Chronisten: Diese
Studie wurde von Albert Regenwetter fertiggestellt im Winter 1947 und nie
publiziert. Im Jahr 1970 wurde sie im Briefwechsel mit Herrn Kiefer
ausgetauscht, derzeit wohnhaft in Torigny – Frankreich – Onkel von Maisy
Kiefer, Ehefrau von François Regenwetter, ältester Sohn von A.R.)
Eng Planz bestét aus
· aus der Wurzel
· aus engem Stengel
· aus dem Blâat
· aus der Ble’ih
· aus der Frûcht
· aus der Knosp
Mir wöllen fir d’eischt
t’Wurzel fun der Planz kenne léeren.
· Formle’er
· Wurzel als Nahrungsorgan
· Wurzel als
Speicherorgan
a. Woufir a wé baut
sech t’Planz eng Wurzel?
b. Wé befestegt sech
t’Planz an de Buedem?
c. Nahrung fir des
Planz am Buedem?
d. Ophuelen fun der
Nahrung durch t’Wurzel?
e. Beispiller
zweckme’sseger Nahrung fun der Wurzel als Nahrungsorgan.
T’Wurzel fun enger Planz ass hire
wichtegste Bestanddél. Sie ass dat Organ fun der Planz, dat nie Blieder a
Knospen dréht. Bei dénen nidregen Planzen, we’ Pilzen, Algen a Flechten, kann
én iwerhâpt keng Hâpt- an Niewenorganer ennerschéden. De Moos huet weinenstens
en iwerirdeschen Dél oder Organ, awer keng eigentlech Wurzel. Eso eng Planz
nenne mir an der Planzeléer Thallus oder Lager.
Weider gin t’Planzen dann agedélt an:
Thallophyten dat wellt soen:
Lagerpflanzen ouni Achsenorganen
Kormophyten (Sprosspflanzen) dat
wellt soen: Achsenplanzen mat Achsenorganen.
Dann ennerschéde mer erem Hâpt- an Niewewurzelen.
T’Hâptwurzel ass dé riecht an direkt
Fortsezung fum Stomp, oder Stengel no önnen. Si hécht am Deitschen och
Pfâlwûrzel, wann sie, wat awer net ömmer de Fall ass, vill mé deck ass ewée
t’Niewewurzelen oder t’Wurzelfaseren.
Dann hun mer erem verschidden Arten fun Wurzelformen.
1.
Fuedemförmeg: dönn a lâng, wéi beim Flues z.B.
2.
Réerförmeg: krésronn, wéi bei der Rédercher
3.
Spiralförmeg: lang oder lues a lues mé dönn, wéi bei de
Murten.
Néwewurzelen.
Sin dé seitlech Fortsetzung fum Stengel no önnen. Sie sinn
méschtens dönn a fasereg (beim Gras) knolleg oder handförmeg oder och bédes
z.B. Scharbockskraut.
Dâwurzelen: dé iwer de Buedem lâfen, wé bei den Dënnebém.
Klammerwurzelen: wé bei dem Wantergreng, dem Engelsüss usw.
Loftwurzelen: Figebâm, Philodendron, fun den Äscht bis op de
Buedem.
T’Wurzel stirwt munchmol mat dem Stengel of, soubâl ewé
t’Frucht zeideg ass. T’Planz ass dann éjähreg. Sie kann awer och bis zum zwéten
Hierscht ausdaueren, dann ass se zwéjähreg, wéi Wurzelen, Rommelen an nach
âner.
Sie kann och johrelang am Buedem ausdauern, dann ass sie ewéi
é sét ausdauernd oder éweg.
Wofir a wé baut sech t’Planz nû eng Wurzel?
Hei sichen mir en Ennerschéd zwöschen de Planzen an den
Déieren.
T’Planzen ernähren sech, mat Ausnahmen fun de Schmarotzer
oder de Fäulnisbewohner fun anorganeschen Stoffer. T’Déier dergéint fun
organischen, Planzen an Déieren.
En Déier muss sech seng Nahrung sichen.
De Planzen könnt se wé e sét „ an de Mont geflun“. T’Bewegung
ass fir eng Planz schiedlech. Repikéeren, wéise an âner Döppe setzen. Eng
Méiglechkét ouni Schued ze machen ass versetzen mat der Mott, dât hécht, mam
Buedem, wouranner se gewues ass. Aner Méiglechkéten bestinn nach durch Ausléfer:
Erdbéer, Weiden durch Abstecklinge.
Planzen ouni Wurzelen get et och.
Dât sin Wasserplanzen, déi am Wasser schwammn an hier Nahrung
net aus dem Schlamm oder dem Buedem bezéien. Sie hun amplâtz, Wuerzelen,
Saugorganer, womatt dat sie sech um Gesteng, oder un aner Organer festhâlen
z.B. Mauraflechten (Parmelia esculata) déi awer nömmen an de Wüsten an bei den
Oasen ze fannen ass.
Wé entsteht eng Wurzel?
All Planz entstét aus engem Keim oder Sôm. E Beispill ass:
Lée mir eng Boun an t’Wasser. 3 Déler entdecke mer, no e puer Dég. T’Sômlappen
an och eng Kéng. Déi léscht leit wonnerbar an engem Sômlapp verkapselt. Esoubâl
dé Sômlappen sech délen, sprengt t’Keng och eraus a rîcht sech direkt dem
Erdbuedem zo’. Lée mir dât ganzt elo an de Buedem, dann buert dé Keng sech ewé
e Buer an de Buedem, a wéesst. Dén Drang ass esou stark, wa mir ons wellen
iwerzégen, kenne mir feststellen, dat dé winzeg Keng e Gewicht fun 90 Gramm op
t’Seit dreckt, oder an t’Luecht hiewt. Fun der Seit erbei, esouguer en Drock
fun 1500 Gramm verdrekt.
Dé Egenschaft ass der Planz ugebuere. Dât ass ént fun den
Weltwonner. Schneide mir eng Weid glâd of, stiechen si dann an den nasse
Buedem, da gesin mer: Sie setzt t’Wurzelen un a wiest firun, net no uewen, nén
no önnen. Dât ass dann och ganz natîrlech. Well all Wésen ass der
Unzéhungskraft fum Erdké önnerworf, wât an der Erd wuesse soll. Alles aner fun
der Planz striwt no uewen (Knospen, Zweiger a Blieder).
1.Geotropismus ass
d’Awirkong fum Schwéerpunkt fun de Planzen.
2.Aerotropismus ass
Awirkong fun der Loft, Licht Sonn op de Wuestem.
3.Heliotropismus ass
Awirkong fun de Gasen op t’Richtung am Wuestem.
1. Sie muss
fir d’éecht och am Buedem leien. Durch den Drock fun de Buedemklömpercher , dé
öm t’Wurzel leien, bilden sech Elementer an der Wurzel, déi dat Bestriewen hun
sech ze verdekken an sech ze festegen. Dé Zellstofffaseren an der Wurzel
verholzen nô an nô, an eso wiest dann t’Wurzel firun.
2. t’Wurzel an
de Stengel sin am önnere Bau bâl gleich. Nömmen t’Wurzel mecht eng kleng
Ausnahm, wât Zugfestegkét ubelangt.
Bei déne Planzen dé en huelen Stengel
hun, ass t’Wurzel nie huel. Zum âneren riicht sech t’Wurzel emmer no dem
Bedierfnes fun der Planz. T’Wasserwurzelen sin net eso stark gebaut ewé
t’Erdwurzelen amplâtz datt dé Wurzelen verholzt solle sin, hun se Faseren déi
mat Loft geföllt sin.
(Saugscheiben zum festhâlen) Dô ass
versetzen an de Buedem méglech, z.B. Fâr, Flechten an esou weider.
3. Dönnfasereg
Wurzelen. Dé hun bâl kémol Muerg, sie können duerfir keng fest Wurzele bilden
oder forméieren.
4.Bei decke Wurzelen
sin Faseren ganz zesummegedreckt. Dât muss och esou sin, soss géif t’Wurzel dem
Zoch fun der Planz baussend dem Buedem net widerstoen.
T’Nodéler beim Erausreissen fun
enger Planz
t’Wurzel
bestét aus der Hâpt- an den Niewewurzelen. Déi kleng oder Niewewurzelen sin
gann dönn a matt dem Erdbuedem verwues, datt, wann sie eraus gerass gett, dé
kleng hoerdönn Ästercher méschtens ewech gerass gin, an dann beim Repikéeren
lang traueren, wât fun groussem Nodél beim Wuestem ass. Do sin dé kleng
Wirzelcher extra bestemmt, fir t’Nahrung aus dem Buedem ze zéien.
t’Wurzel muss
och e Schutzwall hun, fir ouni sech wé ze dinn, an de Buedem eranzekommen. Hätt
sie dât net, géif sie beim Opstoussen op e Stén briechen, an dodurch geif
Ophuelen fun der Nahrung an och de Wuestem verhönnert, oder a Gefôhr bruecht.
Sie huet dorfir un der Spëzt eng Korkschicht, dé ausgeseit ewé e stompecht
Messer. Sie buert sech durch Sand a Stengercher durch. Selbstverständlech ass
t’Ofnotzung och do, eweé bei engem mechanesche Buer an et stirwen och
Enzeldéeler derfun ôf. Durch dat Ofstierwen entstét eng Mass, Schleim genannt,
dé t’Wurzelspöze schmiert, an dann t’Bûren erlichtert. De Wurzellâaf oder
t’Buer ass bei verschidde Planzen, dé der Drechent oft widderstoe mussen, oft
ganz hârt. Dâ schwätze mir sie ass holzeg. Dât gesin mir bei engem Murtestakk,
dén ze fill lâng am Buedem bluef, oder an engem drechenen Summer. Dât huet awer
sein bestömmten Zweck. Soss géif t’Planzesâft verdrechenen fun der Hötzt. Dât
ass de Reservoir. Ass t’Witterung dem Wuestum eso enger Planz gönsteg, ass dese
Wurzellaaf och dém entspriechend hârt oder möll.
Niewewurzelen.
Déi sin net ze zielen un enger Planz, démnô se grouss ass. Om Héiwald, do sin
esouvill Wurzelen am Buedem, ewé Äst an der Lûcht. Sie hun den Zweck, sovill
ewé méglech Nahrung aus dem Buedem ze zéen. De kléng Wurzelen önnerleien net
esou der Schwéierkrâft ewé t’Hâptwurzelen. Den hl. Augustin dén och en
Naturfrénn wuer, sôt: „Wurzelen fun enger Planz sin t’Féiss fun der Planz,
woumatt dât sie dohin sicher geht, wo sie Nahrong denkt ze fannen.“ Sie ass och
un de Féiss ganz kedlöech, dat sie dat allermindest spiert, wât sie reizt.
Hydrotropismus
nennt t’Biologie den iwernatirlechen Driff, all fiecht Plâtz an all Nahrung
opzesichen. Dat gesinn mir am beschten bei engem Asperagusstack am
Blummendöppen. E bedeitende Forscher „Wagner“ erzéelt fun enger Lisèrewurzel,
dé an der Déift, op e morsche Schädel gestouss ass. De Kalek an dem Schädel,
dén huet déi Planz gespirt, an sie huet sech richteg doran agewurzelt. Planzen
dreiwen daks hir Wurzelen 1-2 m déif, wann sie Nahrung do spieren, z.B. de
Quendel, Hauhechel, am weitsten dreiwen ons Lâf- an Dennbém, oft 10-15 Meter,
biergop a biergof hir Wurzelen. Onst Seegras huet esou déif a kräfteg Wurzelen,
dat z.B. 3 Planzen méi Land unhuelen, ewé de gréiste Kamion firunschléft. Kucke
mir emol an a Mouer! An dann déi heichstämmeg Palmen, déi munchem Sandsturm de
Bass hâlen.
Wât wësse mer fun den Stelzwurzelen?
Um Ufer fum Mir gesin mir daks Wurzelen
déi 1 Meter iwrem Buedem erausstinn. Dann kënne mir nach
Säulewurzelen
beim Figgebâm an Indien. Do können 5000 Mann önner Dach stoen, wann et rént.
Da kënne mir nach:
Klâmerwurzelen z. B. beim Wantergreng, beim
Jelängerjelieber. De Luping am Sandbueden huet och déif Wurzelen.
Bei de Wasserplanzen: Lang, zart a stark
verzweigte Wurzelen.
Bei de Moorplanzen: t’Haftwurzelen a
beim Alter önner der Obrfläch
Wurzelen bei den Schmarotzerplanzen:
beim Wuechtelwés, dem Biergflues, beim Augentrost. Beim Mestel op de Bém.
Pilzerscheinungen un de Wurzelen: beim
Dennebâm, bei de Weiden, bei de Peppelen. Do sin iwer 20 Planzefamiljen
bekannt. Ech kann se hei net all nennen, weint der Plâtz. Bekucke mir nemmen e
Bild vun engem Urwald um Fernseh.
Wurzel als Reservoir oder e Speicherorgan
T’Wurzel ass net ömmer dât wichtegst
Organ. Och de Stengel an t’Frûcht droen an der Nout zur Nahrung fun der Planz
bei.
Wé geht nun déi Opspeicherung fir?
Zellwasser léft durch Zellen. Wann
t’Planz ofstierwt, léft Zellwasser zreck an Speicherorgan fun der Wurzel. Am
Fréjohr erem erop an de Stengel an dann an t’Blieder. E puer Beispiller. Beim
Ahorn do kenne mir jo 2 Zorten, den Heckenahorn an de Spitzahorn. Do steigt
Zellewasser am Mé, a bei der Lärch ereischt am Juni.
Zreck gét Zellwasser beim Ahorn Ufank
August, a bei der Lärch Unfangs Oktober.
Einjähreg Planzen hun dat net.
Do ass de Sôm t’Speicherorgan fir die
nei Planz am nächste Joer.
Zwéjähreg Planzen get et bei
Den Rommelen, Ribben, Rout Rommelen a
Kolrawen.
Bei den ausdauernde Planzen
dengen Speicherorganer fir den Obbau fun
neien Zweiger an Sprossen.
Elo kucke mer nach no de Feinden
T’Meis, den Hamster, Maulwurf, Schléken,
Larwen fun déne verschiddenen Käfer, Raupen, Wöld, Wöllschwein, Hirsch a Réih,
Huesen a well Kanengercher.
Feindschafte bei de Planzen
Peffermënz hemmt de Wuestum fum Fenchel
En jongen Apelbâm wiest net wann en eng
Steip fun Eibenholz huet.
Rhus toxicodendron (Perückenstrauch)
erzeugt Blutvergëftungen. Oppassen beim Bâmschneiden op t’Sâft fun den Bém.
Den Drepsschlag fun de Bém kann de
Wuestum oder de Geschmâg beaflossen.
Eng Birk kann an ärem Wues all Grâs
verdillegen.
Och Peppelen an Weiden.
Fenchel vum Wermut.
Liebstock vum Fenchel.
Tomaten a Gromperen net önnert den
Nessert, och keng Bouhn an t’ Noperschaft.
Majoran zweschen Wurzelreihen.
Zwiebelen bei Stangebohnen.
Zalot hällt bei Rédercher t’Fléh weg.
Twiebelen oder Poretten zweschen Wurzelen
Ewéi t’Schuel ass göfteg, harzeg a batter. Aner Feinde sin
nach, Dröchent an t’Hötzt. Hei wieren se sech an dém se an t’Deift wuessen.
E Beispill: Beim Gruewen fum Suezkanal hun se nach Wurzelen
fu Grashellem an 2 Meter Déift festgestallt. Do könnt nach e bedeitende Faktor
fun der Ausbildung fu Wasserbehälter un der Wurzel. Drenkwasser ass
festgestallt gin durch „waterfinders“ Vigel, Dauwen, den Zebrafink an de
Kakadu. Bei der Planz, die se Leroschua nennen wuer et e Ségen fir
Wüstenawunner. Die leit eso em 40 cm önner der Oberfläch, an iwer dem Buedem
weist se sech ewé eng Kuebefieder. Am Buedem awer eng Knoll ewei eng deck
Kéleklatz. Wéi fannen elo die Wüstenawunner dât Wurzelgebild? Sie klappen mat Steng op déi Platz wo sie
esou eng Fieder gesin oder vermudden, an dann héieren sie um Klang op eppes
drönner ass. Da gruewen se 30-40 cm déif, da fannen se t’Knoll. Déi enthällt da
Wasser datt 4-5 Persounen sech sât drenke können. Esou eppes gesin mir och bei
den Asparagussteck. Ronn, länglech Knellercher, voll Sâft an Nahrung. E weise
Rôt fum Schöpfer.
Esou weit fir haut. (Randbemerkung in diesem Brief an C.
Kiefer)
De medezineschen Dél.
E kurzen Iwerbleck iwer t’Wurzelen déi an den Téien ze fanne
sin. Do kenne mir: Hämorhidewurzel, Kalmeswurzel, Bertramswurzel,
Hauhechelwurzel, Angelikawurzel, Queckenwurzel, Hielenterwurzel,
Dreiblâdwurzel, Tormentillwurzel, Bibernellwurzel, Attichwurzel,
Salomonssiggelwurzel an nach âner.
An elo zum Stengel.
Wourauser bestét de Stengel, oder Still fun enger Planz? Wéi
ass hien gebaut?
a) Formeléier
b) De Stengel als Achsenorgan
c) an t’Lucht striewen
d) Festegkét
e)
De Stengel als Leitung fun dem Sâft
f)
De Stengel als Speicherorgan.
De Stengel ass dén Dél fun der Planz,
dén Knospen, Blieder, Bléien an déi aner Organer dréit, déi mat déenen Organen
zesummenhänken. Et get 2 Zorten.
Önnerirdescher an Iwerirdescher.
De Wurzelstack oder Rhizom oder
Rhizoma genannt.
a.
De Wurzelstack ass am Wurt en önnerirdeschen Stengel,
dén a verschidde lang oder kurz Glidder gedélt, mat schuppege Blieder besât,
oder bewues ass. En ass ausdauernd an
dreift un sengem Enn aus, am Hierscht, Stäakknospen, déi t’Fréjoer dreiwen. Ech
hun festgestallt, dat de Stengel fu Jôhr zu Jôhr verschidde Plâzen anhöllt. Bei
verschidde Planzen ass et esouguer opfâllend. Bei der Kuckusblum an der
Méreischen.
b.
Zwiebel: dat ass den önnerirdische Dél. Hien emfâsst
t’Knospen a Blieder fir den Opbau fir t’next Jôhr. Och Brutzwiebelen, déi wann
se deck genug sin, sech trennen fun dem Hâptstack an da weider wuessen.
Ennersichen mir emol ons
Ennen, ons Lilien, den Aronstaf,
Maigleckchen an Poretten.
c.
Knoll: ass och e Stengel, dén am Buedem leit, dén
Knospen oder d’Aen op der Schuel dreht. Déi Knoll stirwt of esou bâl sech
Knospen fir eng nei Planz entweckelen. Déi Knoll, déi enthällt nemmen déi
Nahrung fir t’Knosp bis dat sie aus dem Buedem gewues ass, da stirwt se ôf.
Planz oder villmé de Stengel dén höllt dann seng Nahrung aus der Loft, an aus
der Humusschicht fun der Erd, wou se wiest.
Holzstamm, holzeg ausdauernd.
Beim Bâm: a gewesser Héicht verzweigt
en sech (Bîrebâm)
Strauch: Beim Hieselter z.B. ass
Verzweigung schon op dem Bueden.
Hallefstrauch: Dén önneschten Dél
verholzt, da verzweigen sech an e Stack oder Stronk ewéi bei onse Palmen.
Krautstengel: dé stîrwt all Jôhr of,
bis op dén Dél, dén am Buedem bleiwt, bei säfteg a grengen Planzen z.B. Fâar.
Durch besonnesch Egenschaften hun verschidden Krautstengel en égene Numm kritt.
Hallem: hécht dé Stengel, dén net
verzweigt, huel a krauteg ass: beim Grâas, Fruecht, Kâr z.B.
Schaft: ass net verzweigt, net huel,
awer mat Muerg geföllt, ouni Knuet an ouni Blieder.
Ausléfer: schléit aus, krécht am
Buedem weider a vermehrt sech. (Gromperen, Dahlien).
De Stengel als Achsenorgan oder t’Wuessen iwerhâpt.
Wéi wichteg dât ass, gesi mer un den
Ausléfer, an déi um Buedem kriechend Stengelen. Déi droen nie Blieder,
höchstwahrscheinlech well se kén Licht hun. Déi déi Lîcht hun, dreiwen direkt
baussem dem Buedem Knospen a Bléen. E Beispill: Erdbeer, Fünffingerkraut, den
Hunnefous, de Günsel, de Quendel, den Tormentil. Déne Planzen féhlt de Driff an
t’Luecht. Net wé ons Dennebém an den Héiböscher, wou et oft geschitt, datt wann
eng Spötzt ofbrecht, sech eng nei formeiert. Weiden, Hohnbuch ann Dennen weisen
ons dât. Dé bedeitenden Dichter Goethe dén sech och mat Botanik beschäftegt
huet, hât hei dé schéinen Ausdrock
„Spiraltendenz der Vegetation“. Fuersche mir elo nô, fir dat ze erklären, da
constatéiere mir den Honger nom Liecht oder besser gesôt de positive
Heliotropismus. T’Unzéchen fum Liecht soll dât alles bewirken. Jô awer wéi
kennt et nun dat gewesse Stengelarten, déi keng Bléien ze droen hun fum Licht
net ugezugen esouguer direkt ofgestouss gin? Dat nennen mir en negativen
Heliotropismus. Dât ass awer nemmen eng Mutmassung, keng Erklärung derfir. Dât
verléft alles dem Gesetz fun der Mechanik nô.
Dât ass esou ze erklären, dat
t’Ursach do am önneren Opbau an an dem Gewebe am önneren Bau ze sichen ass. De
Grond duerzou, dén dem Stengel den Ustouss gett, ass bis elo nach net
erforscht.
Den Aronstâf. Eng Knoll fir
önnerirdeschen Stengel, 10 cm déif am Buedem. No der Keimung am Fréjôhr, wann
déi éischt Knollen sech gebild hun, an Keimwuerzelen ofgestuerwe sin,
entweckelen sech déi eigentlech Wurzelen. Déi Wurzelen zéien nun t’Hâptknoll
méi déif an de Buedem. Da stirwen déi Wurzelen âf, wuessen awer direkt als
gesond Wurzelen erëm, wann én z.B. un der Planz zéie géif. Dât ass esou ze
bewerten: Negativen Geotropismus oder positiven Geotropismus! Festegkét fum
Stengel bei héhen Planzen. Do önnerschéde mer am Zellobbau en zwéfacht System.
E méchanescht an e physiologescht.
Mechanesch Zellen sin um Hartholz ze
fannen. Planzen déi am Wâsser schwammen, hun keng mechanesch Zellen. Sie
brauchen keng Festegkétselementer. Dé am Wâsser flutende Stengel sin nömmen der
Zugkrâft fum Wâsser ausgesât. Sie sin an der Mett zesummen gewues, zu engem
Böndel. Dât wöllt soen: Veréent Krâft mecht stark.
Bei déne Planzen déi schwammen, sie
verschiddener, dé mir nömmen gesin, wann se Blieder hun. Dé kommen dann op
t’Oberfläch fum Wasser. Wofir? Well se Chlorophyll (Blaatgreng) fir hir
Assimilation brauchen. Am Hierscht wann t’Bléeder, ewéi bei alle Chlorophyll
haltegen ofstirwen, lét de Stengel sech an de Morast um Grond fum Wasser, an der
Wanterschlôf. Sie gett of bei kâlem Wanter durch Grondeis erausgerass a
fortgeschwemmt. Dât Jôhr duerno sicher mer da vergéwens op der âler Plâtz. Déi
Planze kennt Dir jo all. Et sin, fir e puer ze nennen: Kalmeswurzel, de
Batterkléi an de Moukeprabbeli. Eppes mé un Festegkét hun déi Stengel déi sech
iwer dem Wuessen op dem Buedem opsteipen, oder töschent dem positiven oder
negativen Geotropismus schwanken. Sie steipen sech op der Oberfläch op, dreiwen
dann do duerch Awirkung fum Geotropismus Wurzelen an dann och nés jong Schetz.
Da stirwt den Hâptstengel ôf. Wéi grousarteg!
Wât léiere mer aus der Planz?
De Selbsterhaltungsdriw fun der Art,
an den Fortpflanzungsdriw ouni Rücksicht op sein égent Dasein. Also Dengscht um
Nächsten, enner der Opafferung senger selwer. Et ass ons och bekannt dat et och
e Käfer gett, dén esou fir seng Nokomme suergt (Neerophorus vespillo) de
Do’degriewer nenne mir en. Dé lét seng Är op t’Leich fun enger Maus oder engem
Vugel. Da stirwt hien. Déi Är nun wuessen zu Larwen, a fir Nohkommenschaft ass
gesuergt. Wé gett der Planz, an dem Käfer dé Gedanken? Hun sie Vernunft oder
Verstand? Do kann dach nemmen eng Schöpferhand matwirken.
Déi Planzen de’i riecht stin, hun
straff gespânt Gewebezellen.
(Onerklärlech ass dât wât op der nächster
Seit fun dem Auteur sengem Text stét...
„Fortsetzung von dem letzten Brief!“
an dann könnt des Opzielung. Et muss also niewent der Planzestudie och nach
perséinlech Korrespondenz beigeléen hun)
1)
Stinkkraut
Auch die Farben spielten
eine Rolle
Alle Pflanzen aus dem
Walde wurden danach benannt
Aus dem Wasser kommende
Pflanzen
Dann die Bäume oder
Sträucher
Usw...usw...
Alle diese Namen lassen sich in der
luxemburger Mundart lesen. Auch habe ich dieselben nur in der luxemburger
Mundart gehört. Eine luxemburger Botanik ist so selten, wie die weissen Mäuse.
Vielleicht wird eines Tages eine Aufstellung der Pflanzen in luxemburger
Mundart erscheinen, aber diese Idealisten sind so rar, wie die weissen Mäuse.
Es wurde aber schon davon geredet. Die Küchenkräuter habe ich nur teilweise
genannt, da jeder diese kennt!
Anmerkung des Chronisten:
Im Nachlass von
Albert Regenwetter befand sich allerdings „Die Flora der Heimat.“die er wohl
etwas später von Herrn Hertges geschenkt bekam. Diese Flora hatte Dr. Edm. J. Klein 1897 in Diekirch
herausgegeben und mit einer persönlichen Widmung versehen: „Seinem Freunde
Ern(?) Hertges, der Verfasser.“
Weiter sei hier
bemerkt, dass der Chronist selber diese Flora als eine Sonderbroschüre
der AAT- Garten- und Teichfreunde Luxemburgs zusammengestellt und die
Luxemburger Namen, die sich bereits in dieser Flora befinden, ergänzte er und
die von der Soc. des Naturalistes aufgestellten Häufigkeits- und
Verteilungsliste der Pflanzen wurden hinzugefügt.
Der Chronist selber
erhielt 1999 von Michel Espen ein weiteres Exemplar von dieser ersten Flora von
Luxemburg geschenkt.)
Jôhrelang ausdauernd Holzgespiller:
Awirkong: Klima, Stand an de Buedem.
Och können Hallefsträucher ewé Héed, Molbéer verholzen, démno
t’Awirkungen op de Wuestem ass. Dô bestét dann t’Méglechkét esouguer eng
Bruyèrespeif ze bastelen..
Eng Ausnahm fun der Festegkétszellen
bilden sech un de Palmen an un den tropesche Fârkreider. Ursach: Sie sin oft
dem gréiste Sturm ausgesât. Wo’durch a wo’matt schützen sie sech? Durch
Bastfaseren déi sech am Stengel bilden. De Bast ass bekanntlech ganz elastech.
Drôhfestegkét fum Bast ass 15-25 kg op de Quadratmillimeter. Vergleiche mir
emol t’Festegkét fun dem Bast am Verhältnis zum Goss: 23 kg. Selwer 11 kg.
Kofferdôt 12,1 kg, de Messingdroht 13,3 kg op de Quadratmillimeter.
Gewöhnlechen Bast huet ongeféier Drohfestegkét fum Eisen an der Schmett. Eng
Palm die brecht net, sie sprengt no der stärkster Biegung direkt an seng
Urstellung zreck, eso’bâl den éseitegen Drock ophällt. Et huet sech och
bewiesen, datt déi Stengel déi huel sin, vill méi biegsam sin, ewée déi
geföllt. Dé ganzen Bau ass awer esou geschâffen, datt alles op déi gréist
Zweckméissegkét ageriicht ass.
Et get awer och Stengel, déi net am
Stand sin, aus éegener Krâaft hîrt Lâf, Bléien an Frucht ze droen. Dann huelen
sie aner Hellefsmettelen erbei
Dat sin:
b)
Flechten oder Ranken: Pärdsbeer, Waldmeister, t’Rousen,
Storchschnabel.
c)
Gitterbildend Stengel: Wédâr (Rhamnus pumila) an de
Steng.
d)
Windend Stengel: Bounen, Happ, Wann.
e)
Rankend Stengel: Ierbsen, Drauwen, Wikken, Waldrief.
f)
Kloter Stengel: Ömmergreng Rous, de wölle Wein, den
Efeu, an t’Clematis.
Da stét t’Verzweigung fun den Äst am
Zesummenhang matt der Blâtform. Grouss Blieder, vill Äst a fill Zweiger bei der
Buch, Dänn, an esou wieder.
Zwéi Beispiller iwer Bauart fun engem Stengel.
De Grâshâlem an de Kâtzeschwanz.
Bei de Friechten, dem Kâr, dem Wées
an esou virun muss vill Nahrung durch de Stengel erop kommen, fir de Kär ze
entweckelen an et muss awer och esou vill bleiwen, fir d’Ausbildung oder
t’Forméerung fum Stengel. Déi Aufgab ass net kleng. De Stengel fun onse
Friechten bleiwt ganz dënn. Verhältnis fum Duerchmiesser zur Längt ass ongeféer
1: 720 Zentimeter. Wann en Architekt esou eng Seill giw bauen, misst hien sie
bei engem Duerchmiesser vun engem Fouss (ca.30 cm) och 720 Fous ( ca. 21,6 m)
lang sin. Dât schengt ons jo onméglech. An dach brengt Natur ons dat
Wonner bei allen Kârhellem. De Stengel
ass bekanntlech huel, nemmen a gewessen Ofstänn mat Kniet verbonnen. Déi Kniet
sin fum Buedem aus a groussen Ofstänn forméiert. Vun önnen no uewen, emmer méi
weit fun enén. Dén Eewechten Dél, wou d’Eig drop roud, ass ouni Knuet, fir de
Schwankungen ké Widerstand ze léschten. Hien ass duerfir ganz elastesch a ganz
biegsam. Bekucke mir emol e Grâshallem. En ass net riecht. Bei de Kniet ass eng
Biegung. Zickzackarteg ewée e Knéi. Dât hält den Halem an der Riecht. Durch
Längt fum Hallem, höllt én dât net esou an Uecht. Fir dat den Hallem nû net brecht,
schéist bei all Knuet e Blâd, an dât ass esou könstlech ugewues ewéi é sét, dat
et e Verband duerstellt. De Bestanddél am Hallem ass Kiselärd, dé mecht hien
steif a fest. Dann as hé mat Ausnâm fun de Kniet huel, an dat ass fun 2
Virdéler:
-Erspueren un
Nahrungsstoffer.
-Grouss Festegkét well
huel Kierper sin bei gleichem Durchmiesser vill méi stark wéi geföllter.
De Kâtzeschwanz – Equisetum arvense.
De Kâtzeschwanz huet bekanntlech 2
Stengel. En dén t’Frucht an t’Sporen dréit, an dén onfruchtbaren Stengel. De
fruchtdrohende Stengel huet ké Blaatgreng. Hie kritt seng Nahrung aus dem
Stack. Sei Lieweslâf ass kurz. No e puer Wochen stirwt en of. Seng Missioun ass
erlédegt. Ganz anescht dé chlorophylhaltege Stengel. Hien muss fir t’Nahrung
fum Wurzelstak surgen. Hé forméiert sech ewé e Graashalem, huel zylinderförmeg.
Hien enthält bis zu 90% Kieselseier. De Rescht ass eng Bastschicht.
De Stengel als Leitung fun Sâft.
Ewéi de Kréslâf fum Bludd beim
Mensch, esou ass et och bei der Planz. Op an âf. Och ass Otmen fun de Blieder
wichteg. E Bichebösch fun engem Hektar den 115 Joer âl ass, otemt an enger
Vegetatiounsperiod 2,4 – 3,5 Milliounen Liter Wasser an t’Loft of. Da muss hien
op der ânerer Seit och erëm esou vill anotmen! Net, dât ass interessant. Et
frét én sech nun wéi dâat géht? Lée mer emol e Steck Holz an t’Wasser. Porösitéit.
Richteg. Wasserleitungsréier. Bei festem Holz oder Muerchzellen, do ass et
t’Schuel oder eng Bastschuel dé des Missioun besuergt. Dann huet och all Planz
Loftschächt, fir ze otmen. Sauerstoff aus der Lucht. Iwerméisseg vill. Nun awer
keng Angscht et bleiwt genug fir t’Mönschen. Durch Gottesfügung iwerall
ausgeglach, durch t’Awirkung fun verschidenen ânere Gasen an der Lucht.
Ofgestuerwen Planzen an Déieren, dé
der Fiechtegkét an der Loft ausgesât sin, verzieren oder zersetzen sech
schnell. De Sauerstoff an der Luecht mat dem Kuelestoff fum Kierper bilden dann
Kouleseier, mat dem Wasserstoff. T’Waasser, de Waasserstoff mat Stickstoff, den
Ammoniak.
Dat nennt én an anere Wieder
Verwésung. De Gestank gett alt erem duerch t’Planzen ageotemt a filtréiert a
verbessert. Wann all Vegetatioun fun der Erd verschwanne géif, t’Déieren an
t’Ménschen awer viru liewen, déten sie no 100 Jôhr nach ké Mangel un Sauerstoff
feststellen, déiten awer fréih stirwen duerch den Iwerschoss fun
Kueleseier.
Ganz eng Rechercher mat mei groussen
Erweiterungen „Wasser à Loft“ t’Unzeien fum Wasser durch Loft an ëmgedreht.
Gerad esou ass et beim Bâm. E Bâm kann a 24 Stonnen esou vill Wasser an
t’Luecht zeien ewéi hé schwéer ass. Wé kennt nun eng Planz duerzo’? Ass et
Verstand oder Vernunft? Ass et net Gotteshand, dé do wirkt?
De Stengel als Speicherorgan.
Scho bei der Wuerzel hun mer gesin,
ewei eng Planz op wonnerbâr Art a Weis sech Nahrung opspeichert, de Wanter
durch, an der Wurzel festhällt a verarbecht, fir sie am Fréjôhr eröm flesseg ze
mâchen. Et ass eppes, ewé eng Spuerkées am menschleche Liewen. Mir fannen déi
Zellen, wou dé Nahrungsmettelen lageren, an dénen önnerirdischen Stengelarten.
An der Zwiebel, der Knoll a bei dénen iwerirdischen Arten, önner der Schuel, an
am Muerg. An onsen Geigenden fanne mir dâat am Bösch, wou lokkere humusreichen
Buedem ass. Op déne Plâtzen, do wuessen gären Schneeglëckercher, den Aronstâf,
de Bärlauch an nach ânerer. Wât dobei interessant ass, do bléien déi éischt am
Fréjôhr. Zeitlech am Summer schon sin se verbléet. Och hun ech festgestallt am
Eisleck an engem Wisegronn. Rechts a lenks war Hohbesch. Lenks am Bierg war et
weiss fun weissen Anemonen, a riets giel fun gielen Anemonen. Iwerall dé
gleiche Buedem. Do huet t’Gesetz fum Aerotropismus eng Roll gespillt. Rechts
koum bâl keng Sonn hin, a lenks war t’Sonn bâl de ganzen Daag. So’lang t’Sonn
op de Buedem schengt, wéest Planz a steht önner dem Gesetz fum Heliotropismus,
wann t’Sonn fehlt! (??????Im Original wurde hier wahrscheinlech bei der
Abschrift etwas übersehen). Hir Zeit ass bestemmt. Och wa mir sie an de Gârd
versetzen, wo ömmer t’Sonn schengt. Dô gesi mir: Wuer onser Hergott eppes
setzt, do muss er sein Liewen fristen, an t’Hand fum Mönsch kann neischt do
änneren. Wann am Bösch neit Lâf do ass, an iwerall Schied, da kommen déi
Planzen déi keng oder weineg Sonn brauchen, ewei Pilzen. Nuetsschied, an âner Schmarotzerplanzen,
déi erem eng âner Missioun, an dem Verwésungsprozess fun der Humusbildung. An
dénen Zonen, wo lang a kahl Wantere sin, geschitt et och, datt déi frébléiend
Planzen iwerhâpt net bléien, bis dât Jôhr derno, bis dat Wieder mé gönsteg ass.
Do wuessen erem âner déi en holzartegen Stengel hun, wuessen esou guer durch de
Schnéi. Eweé den Seidelbast z.B. Emgekéiert, an déne wârmen drechene Länner
bleiwen sie, durch de Mangel u Fiechtegkét, ënner der Erdkrusst, bis dass eng
Répériod kennt, an dann iwer Nuecht sin se dô, a volle Blé. Wé widerstin sie
dann deser Hetzt? Sie enthâlen eng Substanz ewei Ueleg, an dén verdrechent net.
Bekucke mer emol eng Zwiebel an ënnersiche mer hir Schéel. Sie ass wéi mat
ueleg gedränkt. Dann ass et ze verstoen, dat an déne wârme Länner, am méschten
Zwiebelen gezillt gin. Dat ass alt eröm ganz wichteg. Dalien a Peischtrousen,
déi schützen sech durch Ausdonstung durch fest Knollen oder durch Verholzung.
Den iwerirdeschen Dél oder Stengel schützt sech durch déi iewescht Schuel, oder
Borken, Där, Hôer, oder Pech. Dat sin alles schlecht Wärmeléder. Eng pecheg
Schuel schützt geint Raupen. T’Hôr géint Hésprenger a Wirem. Nenne mir elo nach
e puer Stengelarten, déi sech selwer schützen geint alles fun baussen. De
Weiss- a Schwârzdâr, Schwarzbier, t’Kréichelen, t’Rousen an esou wieder.
T’Planzen an der Wüst a verschidden Zorten fu Grâs.
De Mönsch stét do onmächteg
géigeniwer, duerfir ass et erem logesch, dat all Déier do matt enger Panzerhaut
bekléd ass, wou t’Planzen hinnen neischt undoe können. T’Kamel dat frösst awer
déi Planzen leiwer wéi Hé. Sie hun esou eng rau Zong an hire Mô dén ass
speziell duerop geschâffen. Sie hun eng Gâl, déi déi Planzen direkt an der Maul
schmiereg mecht, an da rötscht dât gené wéi bei on de Brei. De Kampf em
t’Existenz. Planz géint Planz. Planz géint Déier, an esou wieder. Dat
zweckmässegt Schaffen a Wirken fun der Natur, wéi könne mir ons dât
virstellen oder erklären. Huet t’Natur
sech dât selwer erschâaft? Nén, en Zweck setzen an duerno liewen, kann nemmen
en intelligent Wiesen! Ass eng Planz intelligent? Do sidd der jo alleguerten
d’accord. Nén! Also huet onser Härgott daat esou erschâft. Eng Brenndestel kann
duerfir eleng all aner Thesen an Theorien op Kopp werfen, dé ons haut dé
méchanesch materialistesch Welt, wöllt firmâchen.
Begreff: t’Blaat ass ausgebrét, flächenarteg, méscht
greng gefirwt Unhängsel fun dr Planz, dât
durch Achsenorganser an aus Knospen entsteht, fun Nerven an Oderen
durchzun ass, an am Gronn fortwiest.
1.
Blâatschéed den önneschten Déel fum Still. Sie ömfasst
de Stengel, léft derlanscht, ass obgedriewen, oder gespâlt oder och net
gespâlt.
2.
Blâatfläch. De baussechten Dél.
3.
De Blâatstill. De Verbindungsdéel zweschent Blâatschéit
a Blâatspréed.
Et ennerschéd én 3 Hâaptarten :
1.
Keimblieder: dé der jonger Planz zur Nahrung denglech
sin (Boun)
2.
Stengelblieder: Otmongs- oder Transpirationsorganenen
(Lanscht de Stengel)
3.
Bléiebléeder: dé de Kellech an dt’Blé schützen.
Stengelblieder, dé gin erem
önnerschéd an Nieder- oder Wurzelblieder. Sin oft nemmen Schuppenarteg, net
greng an och ouni Nerven.
Héichblieder. Déi lanscht de Stengel
erop wuessen oder aus déne Bléie kommen. Sie héschen och Deckblieder.
Nieweblieder. Blâatheitchen, weiss an
duerchsichteg.
Lâafblieder, déi sin greng an fun
Nerven durchzun. No der äusserer Form gin sie erem opgedélt an einfach an
zesummegesât, je nodém e Still, éng oder mé Blaatflächen huet. Wât fum einfache
Blâat gesôt, gelt och fum zesumme gesâtenem.
A) De Rand fun engem Blâat ass
entweder ganz, wann et kén Aschnett huet oder wann et der huet, dann hécht et
1.geséet: Aschnett an Zänn Attech, Bamnëss, Peppel
2.gezännt:
stompeg Angelika, Anserine, Bibernelle
3.gekirft:
spatz: Veilchen, Guckucksblumm
4.däreg Pärdsdestel
an esou weider
B) Groos Aschnett, et hécht dann
1.buchteg:
Aschnett an Zänn Eéch, Platan, Wéwarte
2.Schrootséeförmeg Brenndestel
3.Handförmeg Waldmeister
1. Éformeg Alant,
Andorn, Berberitze, Botterklöe etc.
2. Spartelförmeg Raute
3. Eliptesch Majoran
4. Lanzeförmeg Abbis,
Aloe, Aneis, Burekaascht asw.
5. Linealförmeg Fiecht,
Thymian
6. Nôleförmeg Lärch,
Wakelter, Siewebâm.
7. Herzförmeg Eselsfuess,
Hirschzong, Lannebléder
8. Niereförmeg Gundermännchen
9. Pfeilförmeg Wellkuer
10.Spiessförmeg Stechâpel,
Datrua stramonium
1. Streifennerweg
2 Astnerveg
3. Fangernerveg Sanikel,
Fünffingerkraut.
1. Gefiedertes
2. Onpuereg
3. Puereg, duebel an
dreifach gefangert z.B. de Käschtebâm.
Mei Blieder op gleicher Héicht: = Géigeständeg
Kreizweis iwerenén: = Kreizständeg
Quirlständeg: = wa méi wéi 2 Blieder op
gleicher Héicht stin
Wiesselständeg: = wann
t’Blieder nëmmen no 2 Seite kucken
Zersprét: = wann t’Blieder no
alle Richtunge kucken.
T’Blieder ennerleien och engem Spiralgesetz.
Déi méscht fâlen den Hierscht. Da sin
se Summergreng.
Wann se de Wanter greng bleiwen:
Wantergreng (Walddestel, Wakelter asw.)
1 Ranken e stengelarteg
Gebild -
Stengelranken bei der Drauw
Blâatranken wann sie um Blâatstill sech entweckelt
2. Där Sauerdâar,
Schléiwendâar, Weissdâar, asw.
3. Stachelen bei de Rousen
4. Hoer op dem Blâat, bei
der Schwarzbeer, Hambeer
5. Drüsenhâar déi eng
apart Flëssegkét enthâlen, weiss
Brennessel.
Wofir esou fill Zorte Bléeder? Wofir
esou vill Formen?
Wofir gleicht ké Kraut dém âneren? Do
losse mer e puer dichteg Forscher schwätzen.
Cesalpino: 1516-1603. E réimeschen
Dokter behâpt, de Wuestem fun de Bléeder entsteht an de verschiddenen
Gewebeschichten fum Stengel.
De Jungnis: 1527-1657. berühmten Botaniker sét, dass Gestaltung fun
de Keimblieder, aus sech, lues a lues a verschidde Formen bilden.
De Linné: 1707-1778, Botaniker behâpt
démno Nahrung, démno Lâf, a kurze Wieder.
Déi
ganz Geschicht fum Blâat ass ons keng Iwerzégung, et ass nömmen eng Mutmassung.
Net direkt bewiesen. Da streiden nach âner Forscher wéi: Wolff, Goethe, Göbel, Westermaier.
Steinzeit an Tertiärzeit léieren ons, datt alles fun Ufank un do war, an net
fun ongefeier kom ass.
a) Otmung fun der Planz durch t’Blieder
b) Verdonstung durch
t’Blieder
c) Assimilatioun fun
der Nahrung aus der Loft.
Et ass zwar richteg, dat de Stengel och helleft, awer 90%
fâlen dem Blâat zur Arbecht. Do sin och verschidden Faktoren déi do awirken.
T’Sonn oder de Schéed. Drechen oder fiecht, wandstöll oder Sturm. T’Gréist ass
Festegkét fun der Planz, an déi verschidde Fest- oder Schnellegkét am Wuestem.
Déi Bléeder, dé net un der Assimilatioun hellefen, sin och net greng. Bei déne
Planzen, ass Nahrung nëmmen organesch Stoffer. Sie brauchen ké Chlorophyll.
Aner Fonktiounen fum Blâat.
-Kletterarichtung durch t’Ranken
-Schwammarichtung bei de
Wasserplanzen
-t’Arichtung fir Zo’ufur
fum Wasser zum Stengel an de Wurzelen.
-Ömbildung fum Blâatrand
oder der Oberfläch ass Waff géint onnerwârt Gäscht.
T’Blâat entweckelt sech ewei all âner Planzendéler aus enger
Knosp. Opfälleg ass bei enger Knosp, dat fir t’eischt Blieder wuessen. Aus der
Sômknosp wuessen Keimblieder, aus der Zweigknosp Blâadspetzen, aus der
Bléiknosp déi schützend Hüllblieder fum Kelleg an der Kroun. Elo froe mir ons,
woifir entstin aus dem Stengel oder den Zweigknospen fir d’eischt Bléeder? Dât
ass awer liescht ze beäntweren. Eng Planz brauch eweé en Déier, Nahrung a Loft.
Datt eischt bezitt t’Planz aus der Wuerzel. Den Zweig âwer bleiwt domatt zârt a
géhlbléich. T’Sonneliecht kann et net verdroen. Duerfir fir t’eischt
Schutzbléedercher. Dé wuessen am Hierscht schon. Wann dât âlt Blâat eroffällt,
ass dat neit schon do. Am Fréijôhr, wann de Stroum fum Sâaft durch t’Atmosphère
an t’Lucht gezu get, dann entweckelen sech Knospen a firwen sech durch t’Sonn
lues a lues. T’Lucht an t’Loft sin Hâaptbedingungen duerzo. T’Lucht ass fir
t’Blâatgreng, an t’Loft fir t’Assimilatioun. Fir t’ Ophuelung fun der Loft ass
speziell t’Blâat do, de Sauerstoff aus der Loft ass eng Otmung an t’Kueleseier
aus der Loft dengt zur Assimilatioun. Beim Opbau fum Blâat selwer, gett emmer
fir d’eischt Gerüst opgebaut, an dât sin t’Nerven. De Rescht lagert sech dann
un de Nerve fest. T’Entwecklung fum Blâat ass ganz komplizeiert. Bekucke mer
emol eng Knosp fun onser Késcht. En énzelt Blâat oder villmée t’Umhüllung fun
der Bléih verdéelt sech a siewen Gefässböndelen, a vervielfältegt sech esou
gleichméisseg, fir esou sécher wé méglech desen Uspresch gerecht ze gin. Bei
ânere Planzen, déi aus dem Buedem keimen, kent et fir, datt die éischt Blieder
briechen, dann iwerhuelen déi Nieder- oder Önnescht Blieder déi Missioun fir
sech durch ze setzen.
Dât ass déi
ongleichméisseg Ausbildung fun de Blieder.
Blütenblau. Dât ass schold, datt Blâd ofstirwt. Awer am
Fréijôhr och fun Notzen, fir de Chlorophyll géint déi sengent Sonn ze schützen.
Wofir fâlen t’Blieder? Net duerch Kélt oder Hetzt. Nemmen durch t’Ausdrechnen
fum Buedem, an op déi Manéier gett der Planz oder villmée der Wurzel t’Sâft
entzunn. Sie muss awer onbedengt gleichméisseg erneiert gin, dann zitt t’Wurzel
t’Sâaft aus de Blieder, an da stirwt t’Blâad of. Gett emol engem Blumestak net
déi néideg Fiechtegkét, fâalen Blieder of, och am Fréijôhr. Ze bemierken ass:
„Net all Blieder fâalen! Nôlen fun den Dënnebém, dem Wantergrengm der
Walddestel. An den Alpen an bei ons am Eisleck fâlen t’Blieder op de Bierger
éischter of wéi am Gudland.
T’Blâatsâaft an der Planz, ass ewéi t’Blut am Menschekierper.
Rout a weiss Kirpercher durchschwammen eist Blut. Bei der Planz sin et
Chlorophyllkärecher, déi bis an t’Blâat durchlâafen ewéi an onsem Härz. An
enger Zell, déi jo verhältnesméisseg kleng ass, sin 20-100 Chorophyllkärecher.
E bedeitenden Forscher huet festgestallt, datt aus enger Rizinusstaud op 1
quadrat Millimeter 92000 Chlorophyllkärecher kommen. Dofunnen können mir eis
mam blo’esen  ké Begreff mâchen. Dé Stofft, woraus e Chlorophylkärchen
besteht, ass de Protoplasma: E ganz komplizéierten Eiweissstoff, an Eisen. Dé
Farbstoff ass nie eleng, d.h. getrennt fun de Kärecher. Dé Farbstoff kann
liecht ôfgezun gin. Schneit emol jonk Blieder ganz kleng, bréet se dann am
Wasser, lét dann déi ofgebréete Blieder a Weingéescht oder Benzin. Direkt
fierwt den Benzin sech greng, an t’Blieder gin bléch, hell an duerchsichteg.
Vun engem Quadratmeter Bléeder kritt en z.B. ½
Chlorophyll.
Randumierkung: Fortsetzung fum 19.7.1970
(En ontrügliche Beweis dass die Seiten nodreiglech vum
Original nei bearbecht si gin fi den Här Kiefer).
Sie ass bedengt duerch t’Lucht. Ons Gromperen am Keller, déi
kengen weiss géehl. Brenge mer sie awer un Dâgliicht, dann formeiert sech an
der Keng de Chlorophyll. Am emgekéierte Fall, forméiert sech de Clorophyll an
Etiolin, an t’Planz gett erem ganz bléech. Dann erem an t’Luecht, verwandelt
sech erem den Etiolin an Chlorophyll.
Wärmebedürfnis dât wellt soen, déi néideg Hetzt fir können ze
wuessen ass z.B. bei enger Boun, 6 Graad, beim Graas 1,5 – 3,5 Graad, bei der
Lärch 0,5 bis 25 Graad.
Déi Frô ass bis elo nach net geléist. Forscher well ech
zitéieren, déi sech matt dér Frô beschäftegt hun: Stephan Hales (1727) Bonnet
(1754) Priestley (1771) Jean Senbier /1782-88) Jungen Hauss (1796). E richtegt
Beispill ass mir bis elo onbekannt.
Den Daubruy, den Draper, de Pfeffer, de Sachs an nach aner
Forscher hun sech domatt beschäftegt. T’Botaniker nennen t’Chlorophyllkären ons
déglecht Brout. Wann déi Arbecht fun der Assimilatioun fun den Planzen émol
gief ophéieren, dann hätt fir all Wiesen déi lescht Stonn geschloen. Nemmen
Chlorophyllkärecher können déi anorganesch Stoffer an organescher ömwandelen.
De Mönsch an all Déier sin un déi Arbecht fun der Planz ugewiesen. Matt wât fir
enger Vitesse gett an déne Fabrekken geschafft. Dâag an Nuecht. Am Dô, wann
t’Liecht do ass, da gin aus der Kouleseier, der Loft Kuelehydrate, Stéerk an
Zocker fabrizéiert. An der Nuecht gin déi Stoffer weider geléet bis an
t’Wurzelen fun de Planzen. E Beispill: “An 10000 Liter Loft sin 4-5 Liter
Kueleseier, am Gewicht fun 8- 10 Gramm. Dofun sin 8/11 Sauerstoff an nemmen
3/11 oder 2 g. Kuelestoff. Eng Enzeg Dënn, am Besch fun 50000 Kilo
Dreschegewiegt enthällt 2500 kg Kuelestoff d.h. de Bâm muss 1.250.000 x 10000
Liter Loft fun der Kueleseier befreit oder emgesât hun, fir un dât Gewiecht ze
kommen. Nô dem Forscher Brown, hellt eng Planz an enger Stonn op 1 Meter
Blâatfläch 1 Gramm u Gewiescht zô. Dât Zohuelen fum Gewiescht berout op der
Bildung fun Kuelenhydraten, déi durchschnettlech 1,55 g oder 755 cm3 Kueleseier
verlângen. Dât alles muss fun dem Quadratmeter Blâat aus der Loft gezu gin, déi
nemmen 3 Déeler Kueleseier fun 10000 Déler enthällt. Dât ass eng immens
Arbecht.
Dé gréisste Feind fun den Chlorophyllkären ass t’Liecht.
T’Liecht ass zwar fir t’Bildung fun den Chlorophyllkären néideg awer och zevill
Liecht ass schiedlech. Beobachte mer emol t’Eech, t’Rous, Drauweblieder an de
Wengerten: Routbrong Blieder. Wofir? Well t’Bildung fum Chlorophyllkären net am
Verhältnis ass fum Liecht, dât op se awierkt an elo op der âner Seit ass erem dé
routbronge Fârwstoff e Schutzmöttel gént giehl Lichtstrahlen. Dé matte
Lichtschimmer, dén nach an den Zellschichten ass, an erakönnt, dé genügt nach
fir Chlorophyllkärecher ze bilden, an no enger kurzer Zeit hun sech Blieder
erem erholl. Déi brong Fârw ass fort an Bléeder sin erem greng. An ânere Fäll,
bei der Blutbuch, der Héselnoss, der Berberitz, do iwerhöllt e rouden Zellsâft
déi Schutzmettelroll an der Iwerhaut. Bekucke mir nach e Geraniestack hanner
enger Glasfenster.
(Randumierkung – Ende dieser Folge - Fortsetzung folgt)
En zwéte Feind fum Chlorophyll sin Planzeseieren.
Die sin an all Zell ze fannen. Fir dât awer esouvill ewéi
méglech ze verhönneren, sin all énzel Kärchen matt engem Protoplasma
verkapselt. Bei den Dännebém, do ditt den Terputéin, de Chlorophyll
zerstéieren, wann dât net de Fall wir.
All Planz hellt Eisen an sech op, wât am Wâaser
enthâlen ass. Déi wichtegst Ablagerungsorgan fum Eisen, ass de Sôm an
t’Blieder. T’Eisen ass nemmen indirekt néideg, fir de Chlorophyl ze bilden. Wo’
soll nu Planz t’Eisen hierhuelen? Dat ass awer namol durch t’Schöpfung esou
agericht datt dâat ganzt reibungslos funktioneiert. Op der ganzer Erd ass Eisen
a minimale Spuren. So vill ewé eng Planz es braucht, do wo’ se stét. An
organescher Substanz ass et jo net vill ze fannen, awer an anorganescher,
masseg. Fir doriwer ze schwättzen, misste mir nach Chemie fun de Planzen
studéieren. Da kimme mer nach zu kengem richtegen Beweis, wo’fir, a wé eng
Planz all déi Stoffer assimileiert.
2. Déel.
Blâatârten
Niederblieder
bei éjährege Planzen. Gréng Blieder. Eng éjähreg Planz huet keng Zeit fir
bléech Nidderblieder ze bilden. Sie muss schaffen fir t’Knosp, t’Bléih an de
Sôm ze entweckelen.
Niederblieder bei
méijährege Planzen. Dé dreiwen önnerirdesch Knospen, a schützen Planz oder
t’Wurzel, scho fir t’näxt Jôhr. Sie suergen och fir déi éischt Nahrung. Sie
brauchen kén Chlorophyll.
Deckblieder sin nemmen e
Schutzorgan.
Nieweblieder. Spillen eng grouss Roll bei der Entweckelung
fun der Knosp, wât Beliechtung ubelangt. Ass hir Missioun erföllt, fâlen sie
méschten ôf. Bei der Éech a Buch gesin
mir dât schon ufanks Juni. Mir mengen dann et wir Bléiestöpps. Am Hierscht
iwerhuelen déi Nieweblieder, die hänke bleiwen, direkt t’Missioun, fir déi nei
Knosp ze schützen.
Blâatdéeler
T’Lâf bestét
aus der Fläch, dem Still, an der Schéd. De Still an Schéed können och fehlen,
wann sie kén Zweck hun. Wât ass nun den Zweck fun der Fläch? Fir matt der
Atmosphär a Kontakt ze kommen. Sie huet zwou Seiten an zwou verschidde Farwen.
E verschiddenen Zweck fir t’Assimilatioun. Den éweschten Dél fir Assimilatio’n,
den önneschten Déel für t’Ausdünstung an de Gâsaustausch. Dât ass eng wichteg
Missioun, well domatt hängt och t’Sâaftbewegung am Blâat of. Planzen déi am
Schied oder am Fieschten wuessen, déi hun donkelgrengt Lâaf. Dât zerspréte
Liecht am Bösch, dât muss richteg ausgenotzt gin. Dofir sin déi Blieder och
verhältnisméisseg mé brét, ewéi déi, déi am Liecht direkt stin. Pestwurzel
(Petasites) oder wé mir soen, de wölle Rhubarb, dé kritt oft meterbréd Blieder.
Planzen op de Fielsen, Dréescher, an eso weider hu schmuel Bléeder, fir dass
hir Verdonstung net soll esou grouss sin. Dann hun déi Planzen nach eng âner
Waff géint Ausdonstung. Sie si gefirnist, liederarteg, fetteg oder mat klengen
Häarcher bewues, déi t’Blâat schützen.
Nu wéi ass et
da matt de Wasserplanzen? Déi hun och brét Blieder. Dô léeft t’Ausdonstung
paralell mat der Opsaugung fum Wâsser, ewell t’Blâat jo op dem Wasser leit.
De Blâatstill.
Ass ganz
önnerschiddelech. Bâal lâng, bâal kurz. Oft dönn, dann erem stärk entweckelt.
Beim Fâr esouguer mat enger Bastschicht verstéerkt. Am Still lâfen
t’Gefässbündelen zu engem Stronk zesummen, ronn eckeg, oder rilleförmeg. Sie
hun och déi Missioun, fir t’Nahrung, déi Blâad ophelt, weider bis zur Wurzel ze
léden. Studéiere mir emol t’Reizbewegungen fun engem Mimoseblâat! Kucke mir
verschidde Planzen muerges am Dâ, an der Mettesstonn, an ôwes, wann t’Sonn
önner gét. Mir machen dann interessant Feststellungen a Bezug op t’Richtung fum
Blâatstill mam Blâat. Eng interessant Feststellung gesi mir bei der Peppel.
T’Peppel wiest nemmen am morastesche Bueden, oder no beim Wâasser.
Transpiratioun ass démentspréechend grouss durch t’Bléeder. De Still hei fun de
Blieder ass lang an denn, mä ganz élastesch. En Hauch fu Wand, dét Blieder scho
wibbelen. Eppes wât wibbelt drechent och emmer séier. T’Ulmen, t’Äschen hun dât
net. Sie hun dofir Wâsserspalten, wou t’Wasser besser verdonste kann. Déi
Rispen gesi mir och bei der Peppel wann Bléeder nach jong sin, an nach net
ziddere können.
T’Blâatschéd.
Dé muss
t’Blâat mam Still verbannen. Sie ass oft Turteförmeg em de Still gewues. Dât
huet sein Zweck, den fir den Dâ nuets opzefänken, an esou firun ze léden.
Bekucke mir ons Doldebléeher an onst Grâs, da gesin mir allerhand
interessantes. Dô huet Blâatschéd allerhand Missiounen. Emol fir ze schützen,
dann erem fir t’Nahrung wieder ze léeden an esou weider. Bei de Lilien, der
Aspidistra, der Clivia, do sin t’Blieder anenén geschachtelt fir déi jong
Blieder ze schützen.
Randumierkung:
am nächste Bréef 31.1.1970
Dé iewescht Haut fum Blâat.
Dé ass an
hîrem Bau, no hirer Bedeitung déels als Festegkétsmettel, déls als Regulator
fun der Transpiratioun, an dem Liecht gebillt gin. Sie ass oft durchsiechteg,
fett, deck, léederarteg, schmuel, hârt oder mell, demnô, wé sie dem Wand an dem
Wieder ausgesât ass. Eng Wâasserplanz z.B. huet keng esou deck Blieder, wéi
wann se um Land wiest. De Ranunculus aquatilis (Hunnefous) de Myosotis
palustris (Vergissmeinnicht) als Beispill. Dôdurch ass et ze verstoen, dat
Transpiratioun erlichtert oder erschwéiert gett. Dann ass t’Blâat och de
Regulator fum Liecht an de Wâasserréservoir. Wofir dé Arichtung? Wéi ass nun Stellung
fun de Blieder, a wât fir en Zweck hun sie?
Blâatstellung
Interessant
ass de mathematesch gené ausgerechent Stellung fun de Blieder. Esou e grousse
Botaniker wéi den Darwin sôt zu dem Botaniker Gray aus Amerika: „ Wann dir mech
fum Doud errette wöllt, da sôt mir woufir t’Blâatstellungen, wenkelarteg, am
Verhältnis zu ½, 1/3, 2/5, 3/8 virkommen an net anescht. Dât gét duer fir de
gescheite Mönsch verreckt ze mâachen. Wât fireng Bedeitung huet elo
t’Blâatstellung? Bei allem Wössen, ass t’Symmetrie beim Opbau ganz wichteg. Dât
ass ons all verständlech. Bei der Planz ass et och esou. T’Ausnotzung fum
Liecht, de Widerstand am Wuessen, t’Gleichgewicht fun der Lâast, de Bléeder
auswirken, an esou weider (Blâatrosetten, Dennebém). Wât könne mir gesin? Déi
önnescht Bléeder am Verhältnis zu dénen ieweschten. Entweder sin déi ennescht
mé grouss oder méi kleng ewé de iewescht. Entwidder fahlen dé önnescht of, oder
sie wuessen méi grouss. Dé Gesetzméissegkét an der Blâatstellung weist sech net
nemmen bei dénen ausgewuessenen Blieder. Mir gesin dâat schon bei der Knosp,
wou t’Liecht nach net zur Wirkung kent. Wé könne mir dât erklären? E bedeitende
Forscher behâapt t’Blâatstellung wir op t’Belichtung zreck ze féieren, an dât
wir wonnerbârer Weis schon esou an der Knosp bestömmt. Déi Plâatz, wo’ e Blâat
soll wuessen, hängt secher net fum Zoufall of, oder si mir net déer
Usiicht? Dât leit ganz bestömmt an der
markanter Idee fum Schöpfer, nodém et héescht, datt all Kristall oder Planz, wé
et erschâafen oder agericht ass, sein Zweck an seng Bestemmung erfölle kann. Dé
wonnerbâr Zweckméissegkét, déi sech iwerall weist, deit drop hin, datt den
Urheber fun der Natur an hirer Arichtung, kén âneren ka sin, ewé onsen
allweisen Schöpfer. Dofir zerbrichen ons bedeitend Forscher sech de Kapp, sie
kommen op allerhand Idien, si hun net de Mut, fir anzegestoen, dass mé e
gescheite ewéi sie, dât alles esou erschâfen huet. Speziell déi Forscher déi
net chreschtlecher Uschauung sin! Dach ass et awer kloer, eng Verwiesselung ass
net ubruecht, wou Tatsachen doleien. Nemmen well én dé Tatsâchen légnen, ewell
sie nun eben zu onser Härgott féere géif?
Randumierkung:
Nächster Bief am 24.12.1970.
T’Wâasserplanzen
T’Wâasserplanzen
ze studeieren ass och ganz interessant. T’Upassung fun de Bléeder un t’Wâsser
an esou weider. Eschtens wé stét dé Planz zum Liecht? Liecht fällt ungefeier 90
Meter deif an t’Wasser. Un der Küst fum Mier, könne mir gesinn, dât do och nach
greng Planzen wuessen. Nemmen et ass festgestalt, datt an 30 Meter Déift och
nach Chlorophylhalteg Planze wuessen. Domatt verstin mir, datt t’Planzen aus
den Deiften fir ons wertlos sin. Nemmen mé déif sin och nach Planzen, dé die
anorganesch Stoffer assimiléieren, obschon é bei déne ké Chlorophyll geseit.
Wéi huet sech do déi Planz gehollef? Déi schéinsten Blummen an dem Mier héschen
Floridéen. Si hun op hiere Oberfläch eng rout Fârw (Erytrophyll) dé kräfteg
phosphorezeiert. Sie saugen déi gebrachen Strâhle fum Wâsser op, verwandelen se
a mé stârker, an notzen op dé Manéier der Plânz zu enger Chlorophylmeschung, an
esou ass fir Assimilatioun gesuergt. Och geseit én wé z.B. de Miertang an
t’Algen ganz dënn Ästecher bis op T’Oberfläch wuesse lossen., fir op déi
Manéir, der Planz dén néidegen Sauerstoff zou ze féieren. Dé léft dann durch
déi dönn Sträng bis un t’Hâptplanz. Déi Blieder suergen dann och fir
Transpiratioun. Versetze mir de Planzen an eng kleng Bâch, da wuessen hinnen
schon keng Ausléfer mé. Bei déne Planzen önnerschéede mir zwéerlé Blieder: „
Schwammblieder a Loftblieder“. De Blâatstill bei déne Planzen ass ganz dem
Wâasser ugepasst.
T’Loftplanzen
T’Lôftplanzen
dé op de Bémn wuessen, zeien hir Nahurng méschtens aus der Fiechtegkét fum Bâm,
wou se drop wuessen. De Moos an t’Algen können och bei grousser Drechent
verdrechnen. Awer bei dem Niewel oder Dâ schon nés opwuessen. De Blieder fun
déne Luftplanzen fällt keng grouss Missioun zo. De Mestel, dé gitferén kennt,
bezitt seng Nahrung méschtens aus dem Stamm, wou hien drop wiest. Well mer
t’Tropeplanzen net genügend studeiere können, well ech nömmen drop hiweisen,
dat déi Planzen zu 80% aus Wâasser bestin. Hier Blieder sin méscht fläscheg a
liederarteg, esou dat Verdonstung ganz lues fir sech gét. Déi Planzen, déi mir
do am beschte kennen sin ons Kaktussen.
T’Alpeplanzen oder die nordesch
Planzen
Dé zwou Zorten
sin sech bâl gleich. Allen zwou widderstin der Witterung, durch hire gerengen
Wassergehalt. Sie verdroen am Verhältnis
fun onse Planzen um flache Land
Temperaturen fun 20-25 Grad Kélt, woubei dé um flache Land da schon erkâalt
sin. Da sin se jo och nach geschützt durch de Schnéi. De Sôm fun déne Planzen
huet och eng bastarteg Haut, dé hien fum Freieren schützt. Wât nach interessant
ass: Alpenplanzen sin durchwegs niedreg. Sie hun mam éiwegen Schéi scho Schutz
genuch. T’Birken an der Arktis gin z.B. nemmen 12 cm grouss. Hei könne mir dât
och feststellen, an der Schneifel an um Héige Fenn. Sie sin zwar méi grouss
ewéi 12 cm, awer net am Vergleich zu onser Birk hei. Déi âner Vegetatioun ass
an der Eifel och dem Klima ugepasst. T’Wisenhäng an de Bierge sin am Fréjôhr
eng Pracht. Nemmen Schlösselblummen a Krokussen. De Frauenmantel (Alchemilla)
lét sech op de Buedem, well de Buedem méi wârm ass wé t’Loft. Dann ass t’Loft
an dénen verschiddenen Héichten och verschidden, an zu gleicher Zeit
Fiechtegkét an der Loft. Déi höllt
bekanntlech an den Héichten ôf. T’Loft gett ömmer mé dënn. T’ Bewölkerung an de Bierger ass méschtens och verschidden
Krankhéten ennerworf, déi um flâche Land ganz séle sin. Den Halskrapp, z.B. Dât
berôut op dem Fiechtegkétsgehalt an der Loft. An den Alpen kann én sech nâkeg
an de Schéi léen, ouni sech ze erkâlen. Probeieren mir et awer net hei. Bei
déne Planzen an den Alpen, do gin t’Blieder eng schleimarteg Substanz fun sech.
Dât verhönnert eröm d’Ausdonstung. Bekucke mir e Blâat vum Enzian (Gentiana
alpinum). Dann déi Planzen déi de ganzen Wanter greng bleiwen, hun op der
önneschter Seit fum Blâat eng blôlech Fârw. (Erytrophyll). Sie zéien domadden
déi donkelwârm Strahlen un. Dât können mir och schon bei ons am Eisleck
studeieren um Moss an und de Flechten
Randumierkung:
Näschter Brief 24.1.1970
T’Planzen an Déieren.
Dât Thema ass
grouss, an ech well et nemme kurz beschreiwen. Wé de Planzen, dé mir kennen,
sech géint Déiere schützen. All Planz ass schliesslech dô fir de Mensch an fir
Déieren. Hier Blieder sin esou säfteg. Et ass fir t’Déier, wât fir ons Zalot
ass. Wât mische mir ouni Grâas fir ons Béischten? Gewess, Planzen sin awer zu
hierer Erhâlung, an den Fortbestand oder villméei hir Gesondhét op hier Blieder
ugewiesen. Dofir mussen sie sech selwer gént de Frâass fun den Déieren
schützen. Et ass jo net wichteg, wann e Blâat oder dât âanert ofgebass gett.
Datt gett erem ersât, awer déi grouss Mass, muss bleiwen. Déi Schutzmöttel fun
de Bléeder sin oft méchanescher oder chemescher Naturf.
Zu dénedne
Eischten, dé hun eng hârt, liedereg verkallekt oder verkieselt stacheleg,
däerech oder pechech Iwerhaut, an dann hir Unhängsel sin dicht Hôr oder
Brennhoer, zu déne leschten, déi gin un hiere Blieder eng Flëssegkét fun sech,
déi entweder Seieren, Gierwstoffer, äthereschen Ueleg oder esouguer Geftstoffer
sin. Sou z.B. gin t’Brennesselen nie fun den Deiere gefriess. Och t’Blieder fun
der Taubnessel (Lamium album), fun verschiddenen Campanullen (Klacckeblumm).
Bekucke mir eis Kichekreider. Wiefill gin der fun den Deiere gefriess, wann se
am Freie stin? Den Thymian, t’Johanniskraut fir der e puer ze nennen. Am Esleck
gesin mir ganz Bierger, eng Blum un der âner, an et ass keng Kôuh déi se fresst.
Déi mechanesch Schutzmëttel.
Dât sin Dären
an Stachelen. De wölle Bîrebâm, de Spakelter, de Schléwendâr. Stechpalm. Bei
déer leschter hun ech festgestallt, dat bei héige Gestreicher, dé önnescht, wou
De’eren dru réchen, nemme stacheleg sin. Déi Iewescht sin ganzrandeg. Do sin vill âner Planzen esou. Den Hauhechel
(Anonis spinosa) huet och nëmmen Där, iwer dem Buedem. Wann t’Kouh dru kennt,
gét se mat der Maul ewech. Bekuckke mer emol Destelen um Feld. Déi vieleg
Zorten. T’Stachelplanzen gin fun de Botaniker op 500 verschidden taxéiert. Da
sin och Nôlenhölzer, eweé de Wakelter. (Junpiperus) den Thuya, de Siewebâm, an
esou wieder. Eng interessant Geschicht. Gött enger Géés, Taubnessel am Dâg. Sie
gét net drun. Gett hier se an der Nuecht, da fresst se se begierlech well se
dann net geseit op sie pickt oder net. Sie gleicht am Dâg der Brenndestel
(Lamium ursinum). Nach eng Waff ass den äthereschen Ueleg an dem Geranium, am
Peffermenz an nach bei âner Planzen.
Déerewelt zu der Entwecklung fun
der Planz
Dé fun de
Deieren ausgestoussene Gas durch Otmen a fun den Extrémiteiten verbessert de
Buedem. Dann déi Planzefriessend Planzen, déi Insekten „verschlecken“ 400 Zorte
sie bekannt. De Sonnentau (drosera) z.B. Déi Planzen mussen Fléesch fun den
Déiere hun fir hiren Opbau. Interessant sin och Milbeplanzen. Bekucke mir am
Summer ons Lanneblieder. T’Ameiseplanzen. An engem Ameisennascht gufen an engem
Dâg 100.000 Insekten verdillegt. Liese mer emol e Buch iwer t’Ameisen. La vie
des Fourmis (Maetterlick). Den Adlerfâr ass z. B. eng Ameiseplanz, ânerer sin
nach de Spargel, verschidden Zorte Lilien. Saubounen, de Hélenter, Peischtrous,
de Weisdâr an esou wieder. Zu enger Zeit get dem Déier gedenkt, an zu der
ânerer Seit bleiwt munche Kär irgend wou leien, a fir Vermehrung ass gesuergt.
Mir fassen dannt’Liewe zu den Planzen an den Déieren an dém Sâtz zesummen: „Et
ass esou agericht an der Natur, dat all Wiesen sein Undél kritt, wann de
gescheite Mönsch net mat sengem Besserwessen derzweschent greift. Déi Hand déi
dât alles lét a féert ass mé mächteg a gecheckerlech wé dé fum Mönsch.
Mannegfaltegkét fun der Form, a fun der Stellung fun der Planzeblieder si mir
nu eben zur Verschéinerung fun der Natur do, an t’Natur gét dem Ideal och nô,
an dô scheitert all Klughét fun den Atheisten.“
Randumierkung:
Der nächste Brief.
T’Blé fun der Planz
Begreff:
T’Bléi ass e klengen, matt égentümleche
Bliedercher besâten Zweig, mat der Bestemmung, déi nei Fruecht ze bestömmen.
Déeler: Déi vollständeg Bléi
begreift 4 Déler:
1.
Staubgefässer oder Pollen
2. Stempel
3. T’Kroun
4. de Kellech
-a) Vollstänneg
Bléien, wann all 4 Déler do sin
-b) Onvolltstänneg
Bléien, wann én Dél félt
-c) Egeschlechtlech
Bléien, wann é wésentlechen Dél félt.
Beim Fall c) nenne mir se Staubgefässbléien, wann nëmmen
Staubgefässer do sin.
Stempelbléien, wann nëmmen én Stempel do ass.
Déi eigentlech Bléien sin entwidder
a)
einhéfeg wann T’Stempel a Staubgefässbléihen getrennt
oder allen zwé op derselwegter Bléih virkommen.
b)
Zwéhéfeg, wann de getrennte Stempel a
Staubgefässbléihen och op verschidde Bléien verdélt sin.
c)
Zwitterbléien oder zwégeschlechtlech Bléien, wann zwé
wésentlech Déler an enger Bléi do sin.
d)
Polygonesch Bléien, wann Zwitterbléien an
égeschlechtlech Bléien an enger Bléi do sin.
e)
Onfruchtbar Bléien, wa keng wésentlech Bestanddéler vun
der Bléi do sin, z.B. bei ganz geföllt Bléien.
De Kellech ass den baussenden Dél.
Krés fun der Bléi, an ass do fir déi önnescht Déler ze schützen.
T’Kroun
T’Kroun ass den zwéten Krés fun der
Bléi. En ass méi zart gebaut ewéi de Kellech. Et get én- an méibliedreg Arten.
Eénbliedreg .
Do önnerschéde mir 3 Déler.
1. De Rand
2. De Kanal, den
öneschten Dél an
3. Den Hals oder villmé
t’Öffnung vum Kanal.
Do ennerschéde mir erem regelméisseg an unregelméisseg
Formen.
Zwélippeförmeg ass de Salbei an de
Ginst
Regelmässeg oder Rousenarteg sin t’Rousen, t’Erdbier
Kreizförmeg
de Wisseschaumkraut
Nelkenarteg
t’Oiellets.
Onregelméisseg. De Ginst, t’Erdbier,
Wicken, Saubounen, Akazienbléien.
T’Niewenorgane fum Kellech a fun der Kroun.
Niewenorganer sin t’Niewekroun; Spôr;
Hängech Drüsen; Niewestëpsfiedem.
Bestin aus Stöpsfiedem, de
Stöpsbeidel. Da können si zwémächteg, véiermächteg, ébriedereg, zwébriedereg,
dreibriedereg, vielbriedereg an och Gesellschaftsbléier sin.
Ass dem bannenzechten Krés fun der Bléih.
Hie besteht aus 3 Déler.
1. Dem Fruchtknuet
2. dem Griffel
3. an der Narw.
Ass Verénegung an Onurdnung fun de Bléien an engem Zweig no
bestemmte Gesetzer.
Déi wichtegst Bléiestänn sinn:
a)
Äecht: bei der Kärefrucht, dem Wegerich
b)
Kätzercher: Bei der Hieselnoss, dem Nossbâm, de Weiden
c)
Dolden: Bei der Kuckucksblum, Méreischen
d)
Zäpfchen: Bei der Dänn, dem Happ
e)
Drauw: Ehrenpreis, Preisselbier, Môlbier
f)
Doldendrauw: Bierekâscht oder Kresson
g)
Keppchen: Nelchesblum
h)
Kirfchen: Bettsécher, Margretchen, Ziegenbârt.
i)
Griffel: Hornkraut
j)
Kélchen: Bei de Kleizorten
k)
Rispe: Bei der Huewer, Göscht an esou weider.
Forscher wéi den Rudolf Jakob
Camerarius 1665 – 1721
Gottlieb Koelreuters 1732 – 1806
Konrad Sprengels 1750 – 1816
Dann den Darwin, den Hildebrand, den
Hermann Müller, den Axell, de Kerner, den Delpino, de Waming, de Kurth, de Löw,
de Ludwig an nach vill aner hun sech mat der Frô Bestäubung beschäftegt. Nô der
Léier fun déne Forscher bestéht Missioun fun der Bléih, eng Frucht ze bilden.
Dât kann awer nëmmen geschéien:
1.durch Bestäubung
2.durch Befruchtung.
De Kellech an t’Kroun hun eigentlech
net fill Zweck. Sie mân eigentlech nemmen dé néideg Reklam fir déi Insekten, dé
dann gesin wou eppes fir hier Maul ass. Sie kommen masseg, jidfereng nô hierem
goût. Dén én huet gär batter, dén anere gäre séis. Da geschitt nach durch der
Wand: Wandbestäubung, Wasserbestäubung, Insektebestäubung an dan och nach durch
Selbstbestäubung.
Dé hun mir bei den Nôlenhölzer,
Eechen, Buchen, Birken, Erlen, Peppelen, Héselter, Nesserten, Môlbeer,
Platanen, Palmen, Grâs, Hallefgrâs, Lensen, Binsen oder Jenken, Hanf Happ,
Brenndestel, Wegerich, déi verschidde Laichkraider an nach âner, gin méschten
fun dem Wand bestäubt. Verschidden âner déi Hunneg droen, gin fun den Beien
bestäubt. Wann awer fill Loft ass, félen Beien an Insekten, ass Wieder roueg,
da sin sie erem dô, dann ass méechtens t’Bestäubung geschitt.
Drechene Stöps. De Wand jét hien wuer
hie wöllt. Dât âner ass da begreiflech. Milliarden Kärecher fléien durch
t’Lucht. T’Hand Gottes lét se zu hierem Zweck.
Sin no der Usiecht fun de Forscher
neischt anescht ewei emgeformt Blumeblieder. Wât ass t’Ursâch nun fun der
Umformung? T’Staubgefässer a Stempel hun sech net eréischt am Lâf fun den
zeiten entweckelt, aus de Blumeblieder, wéi behâpt get. Nén sie sin nédeg fir
t’Bildung fun der Fruecht. Et ass dann och verständlech dat Staubgefässer an de
Stempel scho fun Ufank un do wâren oder sin. Wé kann beweisen dat et soll
anescht gewiescht sin. Fir t’Bestäubung durch de Wand, ass de Staubfuedem do.
Dé geréit bei Loft ann eng zidderarteg Bewegung an da fällt de Bléiestöps erof
oder fléit durch t’Lucht. Bekucke mir eng Wiss, wa geméit get. Oder e Besch am
Mé, wa fill Loft ass.
De Bléiestepps setzt sech dann op
t’Nârw fun enger anerer Bléih. Verfollege mir de Gang. A fille Fäll, fällt de
Pollen fir t’eischt op eng Dreche Plâtz, wou hier leie bleiwt, bis dat de Wand
hien erécht. Da bléist dén hien fort, an t’Ongewesst. Dât ass esou agericht bei
verschiddene Planzen, dat et groussarteg ass nozekucken. Wann de Pollen net als
énzege Kär verfléien, dann hun sie och nach déi néedeg Arichtung, dat sie
eréischt önner Wé de Bléestöps entweckelen, an dann önnerwé ausschéeden. Et
gief zefill Zeit banspruchen fir dat gené ze schilderen, mir léeren dat aus dem
prakteschen. Bei de Käschten, der Weid, der Fiecht, dem Wakelter an esou
wieder. Et ass dann och ganz komisch festzestellen, datt de Bléestöpps net
önner Wé opgehâle gett. Dât ass alt erem eng Bestömmung, déi e Rätsel fir ons
bleiwt. T’Bléi ass bei dene méschte Planzen firun de Blieder do, soss giefen dé
hönneren, dat de Stëps konnt fortfléien. Da gesi mir, dat de Bléiestöps wéi eng
Wollek an t’Luecht flitt, an dann sech lues a lues erem nidderléist, wéi den
Niewel, an dann ass keng Nârw déi net hier Portioun ofkritt. Ech schwetzen elo
selbstverständlech, nömmen fun den Wandbléier. Ech hun ugangs jo bemierkt, dat
Bestäubung, och durch Insekten an durch Wasser virgeholl gett.
De Wandbléieg Planzen hun och nie
léweg a richeg Bléen. An da sin dé Bléien och méschtesn ouni Huneg oder arm un
Huneg. Hir Blieder sie meschtens kleng. T’Insekten dé uechten se net vill.
T’Insekten déi giefen an dém Fall mé schueden wie notzen.
Dé ass ähnlech ewé bei de Wandbléier.
Nemmen ass de Pollen esou erschâffen, dat hien op dem Wâsser schwamme kann,
wann hén net direkt seng Wielplâtz fönnt. Bei grousse Planzen greift eng Blé an
dé âner, oder sie gött richteg erbeigezun, bis dat den Zweck erréscht ass. Dât
dauert oft Déglang, bis dât errécht ass. An de Môoren sin et oft Insekten déi
déi Missioun iwerhuelen. Och Peiperlekken sin do interessant.
T’Insekten sin nömmen Daseinsberechtegt
durch Planzen. Sie liewen nemmen dofun. Vill Blumen hun eppes un sech, wât
entwéder den Insekte schmâcht oder wât si unzitt. Ass nun hier Scheinhét oder
hire Geschmâch? Op déi Maneier iwerdroen si de Bléiestöps oder de Pollen fun
enger Blum op déi âner. E Forscher huet de Versuch op 310 Planzen gemach an sie
mat engem Pinsel bestäubt. Eng gleich Zuel huet hien den Insekten iwerloss. E
gleicht Resultat op zwou Seiten, obschon Bestäubung fun den Insekten durch
schlecht Wieder verhönnert wuer. Mir kennen och Planzen déi nömmen durch
Insekten bestäubt oder befrucht könne gin z.B. Tulpen, Iris an verschidde
Kléisorten. Wéi könne mir ons dann die Bestäubung firstellen? Dât wichtegst ass
t’Insekt. Dât ass esou erschâffen, datt et un de Fées an dem Kierper ganz zart
Häercher huet. Hatt léft oder trëppelt iwer t’Narw fun der Blé oder iwer
Stöppsfiedem weg. De Bléiestöpps bleiwt un dénen zarten Härecher hänken, op
enger ânerer Blum nés verschmiert oder verluer, an esou gét Bestäubung oder Befruchtung fir sech. Mir önnerschéeden
dann net eleng Insektenbestäubung och Schlékebléier an Vigelbléier. De Kolibri
nährt sech nëmmen fun Blumenhinneg. Wéi nu Insekten beschâfe sin, gehéiert op
eng âner Plâtz. Bekucke mir dât an der Natur selwer, a studeiere mir dât op der
Plâtz. Käferen, Mecken, Peiperlecken, t’Beien an t’Ameisen.
Welle mir festhâlen, dat bis elo 500
verschidden Gericher bekannt sin. Wéi nun Insekten drop réagéieren, ass e
Kapitel fir sech. Et ass eng Bestömmung fum Schöpfer, dat en Insekt net op all
Bléi fléit, nén, nömmen op bestemmten Zorten, déi him zousoen. Kucke mir émol
enger Hummel no!
80 Dég mat déglech 3 Stonnen. Dat ass
awer alles op den Afloss fum Wieder ze bestömmen. Wéi dréit sech nun Planz datt
t’Insekt se geseit oder de Geroch kritt? Ass dât gewollt oder e Gesetz fun der
Natur? Hei stin mir erem firun onsem Schöpfer, dén alles lét a féiert nô sengem
Wöllen, dén nemmen Ségen fir t’Ménschhét ass.
Nodém Linnésche Prinzip gett et 20
Klassen Planzen, matt Zwitterbléien, bei dénen Staubgefässen an de Stempel, dé
baussent Fortpflanzungsorganer bei enén verénegt ze fanne sin. E gewessen
(Kerner) huet eng Vermeschungetheorie
opgestallt a festgestallt, datt déi méschten Planzen sech selwer bestäuben. De
Kerne nennt dât: Geitogami. T’Bestäubung gett do vollzun durch Loftströmungen
oder Insekten. Awer och t’Bewegungen fun enger Bléi lanscht dé âner.
Stodéiere mir elo Vereinsbléier,
Doldebléier, Köpfchen, Knäuel, Ähren an Drauwebléier. Wât stelle mir fest? Wéi
gét Selbstbestäubung do fir? Durch de Wuestem, durch Andrechenen fun der Kroun,
durch Biegung zouenén, durch Verkirzen, Verlängeren oder och durch
Zesummerullen. Kucke mir emol de Gentiana asclepiadea, de Pedicularis (Leiskraut)
de Crepis (Pippau) Leontodon, de (Bettsécher) ons Grompereblum an esou wieder.
Fîr dât gené ze beschreiwen, geif ons ze fill weit féieren. Duerzo geheiert
erem eng speziell Studie.
Arichtungen geint Netzt.
Schutz fir de Pollen, de Stöppsbeidel an Stöppsfiedem,
t’Nârw an t’Blumeblieder.
T’Aussonderung widderlecher Stoffer
aus de Bléien
T’Oflenkung fun den Besicher.
Zeitweileg ophéieren vum Lackelen
T’Ofwehr durch mechanesch Arichtungen
Isoleierung fun de Bleihen durch
t’Wasser
Ofwiehren durch Kliefstoffer
Ofwieren durch Stachelen an Hoer
Ofwierung durch Kremmung
Verbrédung an t’Opstapelen fun
Blumendéler.
Formelleier
1 zweckméisseg Arichtung fir Befruchtung an Fruecht
2. T’Ordnung fun de Fruechtdéler
3. Verbédung fum Sôm
4. t’Keimen
Begreff. T’Fruucht ass de vollkommenen ausgwuesenen Fruechtknout oder Stempel.
a)
Dem Sôm oder Somknosp
b)
Dé Fruchtblieder oder Fruechthüls
.
Fruechthüls. Do ass de lateineschen Num. (Pericarpium) dé
félt bei den Nôlenhölzer.
Do erkenne mir 3 Schichten:
Epicarpium: déi baussecht Haut
Mesocarpium:
Mettelschicht oder Flésch
Endocarpium:
Bedeckung fum Sôm.
De Sôm bestét erem aus 2 Déler.
-Sômhaut
-den égentlech Kär
Fruchtarten.
Et gett eschter an oneschter: Echt Frucht = Kapselfrucht
opsprangend
Kapsel zwé a méjähreg
(de Pavot)
Balgkapsel :
éfächereg Sumpfdotterblum.
Schotten
oder Schéken: Kabes, Wiesenschaumkraut, Hirtentäschel.
Hülsen:
Efächereg: Ierbessen, Kléi asw.
Spaltfriechten.
Gliederschatten (Radieschen) Schleissfrucht drechen ömmer zo.
Esômeg = Pissenlit, Bettsécher
Gras a Schuelefrucht, Kâr, Wés, Hûwer
Nossfrucht: Bâmnoss, Hieselnoss, Kescht, t’Erdnoss
Fliegelfrucht: Ahorn, Ulmen
Fléschfrucht
Bierefrucht = Kréischelen, Drauwen
Stéfrucht= Kieschten, Prommen, Quetschen asw.
Sammelfrucht= Hambier, Schwarzbier.
Énzel Friechten.
Dé aus enger Bléi gebild gin: Äppel an all Käruebst, Erdbier,
Hagebutten, Spakelter,
Dé aus méi Bléien entstinn sin, Figen (Feigen)
a)
Befruchtung, Bestäubung, Pollen, Nârweflëssegkét
b)
Frucht entsteht aus dem Sôm der Somenhüls oder der
Fruchthüls oder dem Schutzorgan fum Sôm. Liewensdauer fum Sôm.
c)
De Widerstand fun der Kélt beim Sôm.
118 Dég, all Dâg 8-20
Stonnen bei 42-53 Grad Kélt hun nô der Prouf neischt fun hirer Keimfähegkét
agebéisst. Mimosasôm nach no 60 Jôhr keimfäheg.
Bounesôm nach no 100 Joer
Jôhr.
Un 1850 Zorte Sôm gufen
Experimenter gemâch, dé schon 150 Jôhr agespârt lugen. Sie woren all keimfäheg.
An de Pyramiden hun se Sôm fontt fum Gibbskraut a fum Pavot. Dé wor mé wéi 1500
Jôhr âl, an nach keimfäheg.
Verbrédung fum Sôm.
Dât wés jo all
Gärtner.
Verbrédung
durch de Wand. Bei Wâsser a Riedplanzen, durch Wasser z.B. Iris an nach 250
âner Zorten. Sie gin agedélt an 250 verschidde Zorten oder an 12 verschidde
Gruppen z.B. Spiesförmeg, Karförmeg, blaseg opgedriwen, Harförmeg,
Scheiweförmeg, Walzeförmeg. Plattförmeg.
Fallgeschwendegkét
De Pavot 5 cm
an der Sekund.
Pinus
sylvestris 0,43 cm an der Sekund.
Önnerschéd am Fâlen an am Fléien
Verbrédung
durch Déieren:
Bei de
Mamendéieren (Säugedéieren) = gleich Null
Bei de Vigel: Bei
der Dréischel, der Routbröschtgen, an dem Krommesfull 75% bis 88% méglech.
Bei de Fösch: 100 %
Seerosen, Froschlöffel, Laichkrautarten.
Bei den Insekten: 30 bis
40 Zorten Sôm.
Bei de Mönschen: Kletten,
Destelen, Benediktinerkraut, Sômen déi mussen durch de Mô fun engem Vugel, ir
hén keimfäheg ass. Duerfir geheieren Vugel a Fruecht zesummen.
Durch de Rén:
Mauerpfeffer, Engelsüss, Moosârten.
Durch t’Mier: Durch
Stréimungen fum Mier (Strandplanzen)
Verbrédung durch
Egebewégungen.
Schleiderfrucht:
Storchenschnabel
Sprangfrucht: Springgurke
Spritzfrucht: Spritzgurke.
A fiechtem
Buedem direkt oder no enger Roupaus fun Dég oder durch eng bestemmt Arichtung
géint Netzt a Kélt geschützt wuessen all Sômen, entwéder no önnenen oder no
uewen. Dât berout erem op déne verschiddenen Begreffer.
Aerotropismus,
Heliotropismus, Geotropismus an dann dem Anthokyan, dén de Sôm virum Verdirwe
schützt. Alles an allem e Wonner Gottes, wou de Mönsch lanscht gét a net fir e
Wonner hält, well et all Jôhr erem kent. An dach ass et e Wonner.
Hémlech schaffend, ömmer
wirkend, ouni dât Wierken ké Sôm aus sengem Schlôf oder Schlummer erwecht get.
a) Formeleier
b) Bedeitung an Aufgab fun der Knosp
d)
Schutzmettel fun de Knospen
e)
Entfalteng fun de Knospen.
Eng Knosp, ass dât aus dem Stamm oder
Âst herauskommend Gebild zu engem neien Planzendéel. Sie bestét aus engem
verkierzten Stengelgebild an e puer dicht zesummen hâlend Bléeder. Önnersiche
mir eng Knosp fun engem Bichenzweig: 4 Reihen, zilleförmeg deckend brong
Blédercher, 18 brong Schuppen hun mir mat der Lupe gezielt, da gin Bliedercher
ëmmer méi zart. Wa mer färdeg sie mat zielen, leien 32 Schuppen firun ons.
Bekucke mir, ewé dat ganzt verpâkt ass. Nach ömmer mat der Lupe. Anescht sin natirlech
de önnerirdesch Knospen gebaut, wéi mir spéder gesin, an och t’Knospen fun
eisen Zwiebelplanzen. Do ennerschéde mir nô der Art, fu feinen entweckelten
Organer: t’Wurzel, de Stamm, t’Blâd, Drôh- a Sômknospen.
Drôhknospen wo direkt e ganzen Zweig
eraiswiesst (Bîrebâm) No dem Stand fun der Planz önnerschéde mir dann
1.
Spetzt- oder Endknospen un engem Zwéeg;
2.
Seiten- oder Achselknospen zwöschen dem Blâat an dem
Still
3.
Néwen- oder Adventivknospen, beim Drauwestack, Dâwurzel.
4.
Schlof- oder Proventivknospen, beim Drauwestack a bei
de Bichen
5.
Stockknospen. An onsen Louhhecken, de Lannen, de
Prommen.
6.
Brutknospen oder Brutzwiebelen, bei de Poretten,
Amarylissen.
Déeler fun der Knosp.
1.
Verkirzte Stengeldél
2.
Knospenhüll
3.
Knospendeckel
4.
Knospenschuppen.
- Durch Ableger bei der
Weiriew, den Nelken, de Rousen
- Durch Stecklinge bei der
Weiriew, Johannis- a Krëschelbier, Weiden
- Durch Wurzelpatten bei
de Prommen, Hambier
- Durch Verédlung mam
Edelreis praffen, Okuleieren, Kopuleieren.
Praffen: März, Abröl 3-4 Knospen op engem Reis. Bast op Bast. Splint
op Splint. Bâmwues. Eng Meschong fun Wues, Hârz, Terpetin, Bâmôleg a Fett. Mat enger lenge Fatz
verbannen.
Koppeléeren. Edelreis derselweschter Deckt wéi de Wildling.
Gené passen, soss wéi beim P
Praffen. Emme sichen Art op Art z e kréien, soss ass den
Erfolleg a Frô gestallt.
T’Knosp ass fir t’Planz t’Hoffnung an t’Endziel fum Liewen.
Eng Planz huet 2 Mëttel sech ze erhâlen, dât ass Knosp an de
Sôm. De Sôm kennt awer aus der Knosp, folglech ass t’Knosp den Embryo fun der
Planz. Esou verplanzen mir eng Planz durch t’Knosp an en ânert land. Durch
Stecklingen, t’Gromperen durch t’Knospen. Sie dengt dem Wuestem an t’Längt, an
t’Héicht an an de Buedem. Knosp ass Dreiwkrâft fir t’Liewen fun der Planz an
e Formbildende Prinzip. Hir Lâg ass
gesetzméisseg geregelt, nô dem Habitus fun der Planz.
Dât ass erem eng Schöpfung fum Herrgott. De Schutzmettelen
sin:
a)
blâatarteg Gebilder;
b)
aus den Déler fun Drôhblâat
c)
aus der Schuel
d)
aus Hôr
e)
aus Drüsen.
Knospenhüll, déi baussegt Bléder, sie regelen t’Heizung fu
baussen a fu bannen. Da kommen ganz kleng Hôr (Weidekätzchen) Loft a
Fiechtegkét. Am Fréjôhr fâlen déi Schutzblieder of. Och dei Néweblieder, sin
Schutzblieder. (Hülsenfrüchte) Steinobst. Rosestack. Kéruebst.
Bekucke mir emol eng Knosp. Bei de Weiden sin et durchsichteg
Härecher, dé sech de Wanter verdecken. Bei de Peppelen, dem Feldahorn, der
Kornelkiescht, do emschleissen sie becherarteg, Knosp. T’Schuel fun Drohblâad
ass och e wirksamt Schutzmëttel. Beim Wantergreng hëlleft esouguer de
Blâatstill mat. T’Schiel hëlleft net esou vill. Villmé lét t’Knosp sech önner
t’Schéel an eng Vertiefung.
Filzhoer schützen t’Knosp firun dem Dâ an dem Rén.
Géint Netzt schützt t’Knosp sech och nach durch Drüsen op der
Oberfläch. Dé Drüsen enthâlen eng ueleg, fetteg Substanz, wou t’Loft, Kélt an
t’Netzt neischt un sie brengen. Och géint t’Insekten ass dât e wonnerbare
Schutz. Déi Stoffer sin batter an onappetitlech. Sie gin esouguer fum Wöld
gehâsst. Déi kleng Insekten giewe gären dran krauchen fir do hier Eer ze léen,
awer sie sin munchmol hârt an net funnenén ze kréien. Eng léscht Arichtung a
bezug op Knospenentwicklung soll nach gesôt sin: „ Et gett och Planzen dé keng
Endknospen dreiwen.“
Wé sollen déi nun am Fréjoer wuessen? Durch Achselknospen.
Dât gesi mir bei der Ulmus campestris (Ulm) Carpinus betulus, Betula alba,
Weissbirk, Rubus, Robinia an esouweider.
T’Lâg fun de Bliedercher an der Knosp.
Ass konstréich, zweckméisseg. Mir önnerschéden klappech
deckend, gerullt, gefâlt, spiralförmeg, gelagert Bliedercher. Dei einfachste
Lach ass déi klappeg beim Flieder, deckend beim Môlbier, a Riedgrâs, déi
gerollte Lâg gesi mir bei de Graszorten, Faltong bei de Käschten, Erlen an Ulmen. Déi
spiralförmeg Lâg, Knospenlâg bei de Fârkreider.
Sie léden de Knospenschleim an de Knospenhârz ôf. Un den
Dennespetzt sin déi Zellen, déi den Hârz an de Schleim enthâlen a verarbechten.
Kucke mir do emol de Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) an de Sanguisorba
officinalis (Wiesenknopf) an nach âner. An anere Fäll verwandelt sech
Zännspetzt an eng geférwten Drüs öm. Z.b. beim Héselter, Prommen, Quetschen, an
aner Prunusarten.
All Knosp bild sech schon am Hierscht. De Wanter rouen sie am
Wanterschlôf. Iwerirdesch esougudd ewéi önnerirdesch.
Wir et fleicht méi zweckmeisseg, wann sie sech am Fréjôhr
bilde géifen? Nén, dât ass Zeit verloscht. Esou ass et am beschten. Am Fréjôhr
ass dé Arbecht färdeg, an t’Planz kann direkt wuessen. Eng zwét Frô. Wé
bestemmt den Zeitpunkt fun der Entwecklung fun der Knosp? Hei gesin mir e geheimt
Gesetz. Bei derselwegter Temperatur schléiwt sie am Hierscht, wou sie am
Fréjôhr wiest. Da wârt sie erem am Fréjôhr esou lang bis dass keng Gefôhr méi
bestét fir ze erkâlen. Méschtendéls.
Wann de Bildungsprozess um Enn ass geschitt dât Wonner fum Wuessen. Och
am südleche Klima fun der Riviera wuessen t’Ulmen an Keschten och eréischt am
Abrel. Och Lannen, Birken an Buchen. Obschon sie am Februar schon eng
Temeparatur fun 9-10 Grâd hun. Och d’Eech duerf net firun der Zeit hirt Lâf
weisen, soss sting sie am Summer ouni Lâf. Well alles ass nô der Zeit geregelt.
Am Fréjôhr an t’Blâat am Hierscht derfun. Dât watt an t’A fällt sin
Keimbleiher, déi önnerschéde sech erem fun de Bâmbleiher oder Loftbléier. Dât
ganz Gebild fun der Knosp erönnert ons un t’Liewen fun de Peiperlekken.
Onscheinbâr a wé dout, leien sie virun ons. Kennt én awer mam Fanger drun, da
wibbelt et. E scheint Bild fun eiser Auferstehung nô dem Doud.
Moral fu menger Studie: „Alles no Gottes Well.“
Geschriwen am Wanter 1947.
Eine Rückantwort von Herrn Kiefer aus Torrigny am 27.12.1970
Lieber Freund!
Der letzte Brief für 1970. Wie die Zeit so schnell ergeht.
Die Uhr zurückdrehen ist ja nicht möglich. Eigentlich ist es eine richtige
Sache. Wenn man an Altwerden herankommt u. mit etwas offenen Augen um sich
schaut, dann brauch es einem nicht leid zu tun, aus so einem Schlamssel
auszuscheiden. Dafür doch nicht lebensmüde, bin also noch immer froh mit zu
machen. Gott sei Dank die Liebe zur Natur in uns geweckt zu haben. Bin der
festen Überzeugung das hilft leichter durch das Leben zu gehen. Wie immer, hat
ihr letzter Brief mich riesig gefreut und belehrt. Wahrlich die Geheimnisse der
Natur sind unendlich. Können auch mir für den tiefen Beobachter nur bei der
Gottheit ein Endziel haben. Der Aufschluss über den „R“ habe ich jetzt erkannt
und begriffen. Nun sage ich mir aber auch: Habe schon jahrelang Knoblauch von
Juni bis August (die ohne R Monate) immerdurch Knoblauch gegessen und
vielleicht doch nicht vergiftet dabei. Auf jedenfall weiss ich heuer was Authaziane darstellt, der
beste Beweis sieht man an den Kartoffelkeimen. Merke mir also das Einstellen
von Knoblauch u. alten Kartoffeln ab Mai.
Der Ausruf von Darwin bezüglich den Stand der Blätter nach 4 Bruchstellungen,
findet auch sicher nur die Erklärung beim Kosmischen Ausgang, wo wir arme
Geschöpfe nicht mitkommen. Eins geht mir durch den Sinn: In einem nächsten
Erdendasein sollen Sie Professor in der Naturlehre sein, ich nur noch immer ein
Anfänger, ein Schüler. Es ist schon eine Leistung nur den Weg dazu antreten.
Nun glaube ich auch nicht gern: dass es richtige Forscher gibt, ohne an eine
Schöpfung zu glauben. In ihrem tiefsten Innern zweifeln sie nicht daran. Die
materiellen Zugeständnisse sind Macherei und Prahlerei. Habe Ihnen schon mal
geschrieben: Die Menschen stehen vor einer grossen Wand, und ausser Verstand
ist nicht geschaffen für hinter die Wand zu sehen. In der Weihnachtsnacht hat
es zum ersten mal gefroren. Das Gemüse im Garten, Veilchen, Primeln und Rosen
lassen die Köpfe hängen. Das war der erste Wintertag. Anstatt mit dem Rad mache
ich jetzt schon 2 Tage Fusswanderungen einsam allein sein soll mich nicht
drücken. Das ist auch etwas was gelernt werden muss, sich mit sich selber
begnügen. Bald kommt das neue Jahr. Was birgt es in seinem Schoos? Für uns Alle
jung und alt. Lustig drauf los steuern, heisst die Parole. Wird es noch ein
lehrreiches botanisches Jahr sein für uns?
In dieser Hoffnung und Zuversicht wünsche ich Ihnen von
ganzem Herzen, alles erreichbare Himmels- u. Erdenglück.
C. Kiefer
Die handschriftlichen Notizen zeigen weiterhin eine
Auflistung von 180 Teepflanzen auf mit lateinischen, französischen, deutschen
und luxemburgischen Namen.
Zwischen den einzelnen Themen die noch für Vorträge behandelt
wurden befand sich folgende
Der Kohlkopf stand neben einem Rosenstock
Und schaute verliebt wie ein Ziegenbock
Tagtäglich der Rose blühende Pracht
Und eines Tages – das heisst bei der Nacht
Da hält der Kohlkopf es nicht mehr aus,
Er musste aus seinem Kohlherz heraus.
Er kniete nieder, er seufzte und schwur
Ich liebe dich Rose, ich liebe Dich nur.
Und hat wie das so zu geschehen pflegt
Der Rose sein Kohlherz zu Füssen gelegt.
Und die Rose? Im Dunkeln hats niemand gesehen
Was weiter zwischen den beiden geschehen.
Im nächsten Jahr – was war da wohl?
Stand neben der Rose ein Rosenkohl!