Meconopsis

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Hausarbeiten und kein Ende

Die Symphonie kann beginnen

Hausarbeiten und kein Ende.

Gebrechen meiner Mutter hatte seine Auswirkungen auch auf uns beide. Mein Bruder und ich mussten ihr recht viel beistehen, besonders bei den Haushaltsarbeiten. Da waren die allwöchentlichen Waschtage. Es machte noch Spass das Feuer unter dem Waschkessel anzuzünden und zu bedienen. Auch standen wir neben unserer Mutter am großen Waschtisch und schrubbten, besonders Strümpfe oder Pullover. Unsere Mutter hatte schnell herausgefunden, dass genau diese Wollsachen, die mit viel Schaum gewaschen wurden, unsere Hilfe stimulierten. Dann kam natürlich auch manch großes Stück, wie die Linnentücher in unsere Hände. Wir hatten 2 große Waschtröge zum Wässern der Wäsche. Der eine diente zum Bläuen der weißen Wäsche, das andere zum Spülen. Wir mussten uns schon schön anstrengen, um diese mit Wasser voll gesogenen Wäschestückeüber den Beckenrand zu ziehen. Dann wurde gewringt und langsam zeigte sich, dass wir bereits begannen, stärker zu werden, als unsere Mutter.
Im kleinen Garten hatten wir Wäscheleinen und zum Trocknen der Wäschemusste die Wäsche in großen Körben nach oben und dann in den Garten gebracht werden. An die Leine reichten wir noch nich,t aber der Mutter ein Wäschestück nach dem andern reichen, das gehörte zum Pensum.
Es kam auch manchmal vor, dass einem von uns beiden die ganze Wäscheaufgehalst wurde, weil es der Mutter unmöglich war, sich in den Keller zu bewegen. Wir haben diese Zeit mit Bravour durchgestanden. Erst als ich etwa 16 Jahre alt war, erhielten wir die erste elektrische Waschmaschine mit Wringer. Der alte Ofen diente zwar noch manchmal, wenn Zwetschgenkonfitüre gekocht wurde, wo wir Buben uns beim Rühren gegenseitig ablösten. Auch das Einmachen von Sauerkraut und Einwecken von Bohnen wurde trotz der Abwesenheit meines Vaters nicht abgesetzt. Ein 80-Liter-Fass war Standardmass für das Sauerkraut und bereits die Vorfreude auf einen Sauerkrautschmaus speziell mit Leberklößen, gekochter Mettwurst, Lyoner undSenf trieb uns an, das Schroten des selbst kultivierten Kohls mit Lust zu vollziehen. Die Bohnen wurden in Glasbokale eingeweckt, oder klein geschnitten in Flaschen gefüllt und ebenfalls eingeweckt. Dasselbe geschah auch mit Obst und Rhabarber.
Kartoffeln schälen, Schuhe putzen, die hölzernen Treppen sowie die Stubenfliesen mit Metallspänen säubern, waren ebenfalls gängige Arbeiten, die wir zu verrichten hatten. Auch das alltägliche Säubern der Kochmaschine, das Spülen oder das Abtrocknen, mitsamt dem Wegräumen des Essgeschirrs, gehörten zu unseren immer wieder kehrenden Beschäftigungen. Meiner Mutter waren all unsere Spielkollegen fremde und potenzielle Verführer. Sie trauten keinem und war immer nur darauf bedacht, uns vor verderblichen Einflüssen zu bewahren. Wir hatten nur wenige Familien, die uns so nahe befreundet waren, dass wir ein oder zweimal im Jahr gemeinsam ein Festessen veranstalteten. Bei uns gab es alsdann das bekannte Sauerkraut mit Leberklöße, Speck, Wurst und „Gesolpertes“.Bei den andern Bekannten waren Schalentiere eine Spezialität doch mussten diese damals noch immer vor dem Kochen von Unrat und den aufsitzenden Ablagerungen gereinigt werden. Heute wissen wir auch welchen Blödsinn wir immer wieder veranstalteten um mit einem silbernen Löffel, besonders vor dem Verzehr von Pilzen, die mein Vater gesammelt hatte, zu testen, ob sich nichts Giftiges im Essen befand. Das geschah auch ganz besonders vor dem Verzehr von Miesmuscheln. Man nahm nämlich an, der silberne Löffel würde sich verfärben, wenn er sich in einem giftigen Milieu befand.
Gartenarbeit war uns keinesfalls fremd, aber besonders wenn Grünfutter für die Kaninchen benötigt wurde, dann mussten wir raus. Meistens zog nur einer allein davon, mit einem beim Nachbarn ausgeliehenen Handwagen und einer Handsichel. Die Wiese, auf welcher wir „krauden“ konnten, lag mindestens 1 km weg von unserm Hause. Mitleidige Menschen erlaubten uns dann auf ihrem Besitz alles Gras zu besorgen, sogar das Heu, das wir für den Winter hereinbringen mussten. Einer der Nachbarn hatte mehrere Dutzend Stallhasen. Er war ein erfahrener Kaninchenzüchter. Wir konnten zwar zuschauen, wenn er eines unserer Kaninchen bei den Bock ließ, haben aber nie so richtig verstanden was da vor sich ging, wahrscheinlich weil Kaninchen dieses Geschäft in Sekundenschnelle erledigen. Ihnen waren Quickies kein Begriff, sie verstanden jedoch die notwendigen spezifischen Spielregeln und praktizierten sie perfekt. Herr Weisgerber allein, so hieß der Mann, schlachtete unsere Kaninchen, wenn dieses notwendig war. Als Lohn konnte er den Pelz behalten. Es zog lange Zeit vorher noch immer ein Scherenschleifer durch die Straßen, der dann auch mit markanter Stimme rief „Pelzä, Pelzä“. Der schliff auch Messer und reparierte Regenschirme. Das notwendige Handwerkszeug hatte er auf seine fahrbare Schmiede montiert, die er auf einem Stellbock transportierte. Wenn er weiter fuhr, nahm er den Riemen von dem großen Rad, das er über ein Tretpedal antrieb und dann schob er den ganzen Kram auf diesem Rad rollend vor sich her.
Einmal tauchte auch ein Straßenhändler mit Kruzifixen und Rosenkränzen sowie mit getrockneten Wacholderbeeren auf. Sein Geschäft ging schlecht und er pflegte dann zu bemerken: „T’ass keen Daiwel deen Härgotte keeft!“
Nachbar bereitete die Pelze (seine Vorfahren müssen schon was davon verstanden nahmen, woher sonst stammte sein Namen Weiss Gerber) selber über einen Drahtbügel, bis sie fast wie Leder aussahen. Er bot sich auch jedes Mal an, wenn es galt eine größere Grasfläche abzumähen. Das Gras wenden, aufladen und heimkarren oblag uns beiden. Wir taten es ohne Murren, denn wir hatten reelles Mitleid mit dem Gebrechen unserer Mutter.
Es muss im Jahr 1944 gewesen sein, als wir im Hochsommer gegen Abend gerade dachten die täglichen Pflichten wären zu Ende, da erschien völlig außer Atem ein Bekannter bei meiner Mutter: „Das Heu in der Wiese müssen Sie sofort heimholen, denn es wird ein Gewitter geben, sonst ist die ganze Arbeit futsch.“
Die Deutschen Besatzer hatten aber ein Verbot erlassen, dass die Kinder am späten Abend nicht auf die Straße durften, und verboten war es auch Kinder mit solch schweren Arbeiten zu beschäftigen.
Doch mussten wir an den Wintervorrat für die Kaninchen denken und so machten wir beide uns allen Geboten und Verboten zum Trotz mit dem 4 Rad Wagen auf den Weg. Kaum waren wir in der uns zugeschriebenen Wiese angekommen, da begannen die Leute aus der Nachbarschaft eiligst uns zu helfen, denn die drohenden Gewitterwolken zeigten sich bereits über der nahen französischen Grenze. Unser Wagen wurde etwa 3 Meter hoch beschichtet und alles Material mit Seilen festgebunden. Wir liefen fast über die Hauptstraße nach Hause, wenigstens wo es bergab ging. Etwa hundert Meter von unserm Haus entfernt hielt uns jedoch einer der SS-Leute, die in der Nachbarschaft wohnten, an. Er notierte unsere Namen. Wir konnten dann schnell nach Hause und drückten gerade noch rechtzeitig den Wagen mitsamt Heu in den Kellerraum hinein, als draußen ein lang andauernder Wolkenbruch mit gewaltigem Platzregen niederging. Natürlich waren wir stolz auf unsere Glanzleistung, aber als wir der Mutter die Begegnung mit der SS berichteten, da begann die verängstigte Frau sich sofort große Sorgen zu machen. Was sollten die Folgen sein?
Am andern Morgen klingelte bereits sehr früh ein SS-Mann an unserer Haustür.Er kam mit einem Vorladungsbefehl für meine Mutter. Sie müsse zur Kommandantur kommen, um sich dort zu rechtfertigen. An diesem Tag wurde das Mittagessen nicht mit der üblichen Sorgfalt zubereitet. Meine Mutter entschloss sich kurzerhand, der Nachbarin die ganze Sache an zu vertrauen. Dabei ging es natürlich nicht ohne Weinkrämpfe ab und die Nachbarin war offensichtlich recht betroffen, dass ihre Landsleute so mit uns Luxemburgern umsprangen. Sie entschloss sich kurzerhand und machte sich sofort auf den Weg um ihren Ehemann, der am BahnhofDienst verrichtete, davon in Kenntnis zu setzen, damit er sich als Fürsprecher einsetzen sollte.Er tat es und das mit Erfolg. Ab diesem Tag veränderten sich die Beziehungen zu unsern deutschen Nachbarn schlagartig, denn bereits am Nachmittag klingelte der Nachbar höchstpersönlich an der Haustür, um meiner Mutter mitzuteilen, dassdie Vorladung zu den Akten gelegt worden sei. Er hatte sich persönlich eingesetzt um im SS-Büro, das sich neben dem Bahnhofsgebäude befand, die recht beschwerliche Situation in unserer Familie zu erklären. Von diesem Tag an bekam „Heidi“, der Nachbarhund,der bisher auf tiefstem Rang der Freundschafteingestufte Fox Terrier, manchmal auch einen Knochen dargereicht, was dessen Gereiztheit uns gegenüber wiederum entsprechend milderte.

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