Meconopsis

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

Ferien in Meiringen (1960) - Abschiedsgedicht

Die Symphonie kann beginnen

Ferien in Meiringen (1960)

Den Geschwistern Anna und Adele Aeberhard zum Abschied


Zum Abschied möchte ich noch schreiben
Was aus dem Innern will und quillt
Damit noch meine Zeilen bleiben
Wenn Ferne mein Gesicht verhüllt.

Es waren wunderbare Tage
Die ich in Wonne hier verbracht
Derweil ich der vergangnen Plage
Vor Freude ins Gesicht gelacht.

Die Berge sollten mich berauschen,
Die Alpenblumen und der Schnee
Ich durfte manches Tier belauschen
Frohlocken in verträumter Höh.

Doch als Gewalten Fesseln sprengten,
Felsbrocken rissen mit ins Tal
Schlamm über bunte Gärten drängte
Da wurden meine Augen fahl.

Der Anblick weckte stille Trauer
Als ich den Mensch im Kampfe sah’
Und mich umfing ein kalter Schauer
Ich stand der Urgewalt so nah’.

Wenn auch der Himmel wieder blaute
Der Wald in frischer Pracht erstand
War alles was ich um mich schaute
Nur tückisch wunderschönes Land.

Ich werde es im Herzen tragen
Wohin auch meine Wege geh’n
Und jedermann das Schöne sagen
Was ich in Meiringen geseh’n.


PS: Nachdem bei wolkenbruchartigen Regenfällen rundum den Sarnersee, den Brünigpass und bis nach Innertkirchen enorme Wassermassen zusammenflossen, blieb ich mit meiner Familie in Lungern in einer Strassensenkeim Wasser stecken. Ich war auf dem Weg von Einsiedeln nach Meiringen. Wasser im Verteiler, so hatte ich es gelernt! Ich hatte zwar schnell in den ersten Gang zurückgeschaltet, um noch durchzukommen. Vergebens. Als ich die Wagentür öffnete, stand das Wasser unter uns an der Schwelle, und es begann bereits durch die Pedalensschlitze hereinzusickern. Das, was von oben auf uns herab kam, war enorm. Noch konnte ich feststellen, dass diese Überschwemmung über die Eisenbahn einen Ausweg hatte, womit ich meine Familie sofort beruhigen konnte, denn wenn es weiter gestiegen wäre, hätten die Insassen bald nasse Füsse gehabt. Ich war nicht allein im Wasser gestrandet. Vor mir stand ein deutscher Wagen. Eine Mercedes, die schwimmen gelernt hatte. Es war bald stock finstere Nacht, erhellt nur von tausend Blitzen gefolgt von gewaltigem Donnern, das in dem Talkessel zehnfach zurückschlug. Es glich einem Inferno. Kein Licht in der Ortschaft, als man unsern Wagen sofort abschleppte, mit mir am Steuer, meinen Eltern, meiner Frau und unserm ersten Kleinkind, das damals erst 15 Monate alt war.. Das Hotel an der Strassenkreuzung im Ort wollte uns nicht aufnehmen und argumentierte alle Zimmer seien besetzt. Kein Wunder ich sah in den nassen Kleidern nicht gerade einladend aus. Die Hilfe des Polizisten auf der Strassenkreuzung aber war spontan. Er ging mit mir zurück ins Hotel. Er inspizierte mit seiner Taschenlampe das Zimmerbuch und ordonnierte: „Diese Leute übernachten in diesen beiden noch freien Zimmern! Sie wohnen in Meiringen und können nicht dorthin zurück. Der Brünigpass ist verschüttet und es geht auch keine Bahn nach Bern, um über diesen Umweg nach Bürchen zu gelangen, wo sie in Ferien sind, oderrrr.“ Man zeigte uns die beiden Zimmer, worin wir uns sofort hoch erfreut über die polizeiliche Hilfe, bequem und doch recht müde installierten.

Das geschah alles bei Kerzenlicht, grellen Blitzen, grollendem Donner und noch immer mächtigem Dauerregen. Schon früh am Morgen jedoch konnte ich vom Fenster aus sehen, dass mein Wagen bereits wieder flott war. Der Himmel war wolkenfrei und die Morgensonne bog bereits ihre ersten Strahlen über die Berggipfel, oberhalb Engelbergs. Wir konnten unsere Hausleute in Bürchen nicht telefonisch erreichen, um ihnen unsern Zwangsaufenthalt zu erklären oder um sie wenigstens zu beruhigen, dass wir nicht unter den am Brünig herunter gegangenen Schlammlawinen zu suchen seien.Als wir beim Frühstückstisch sassen, erschienen die Frau und der Mann, die das Hotel führten. Sie entschuldigten sich für den Vorfall vom Vorabend. Sie gaben sich recht herzlich und doch etwas beschämt. Ich konnte in meinem ungeschriebenen Tagebuch vermerken, dass ich hier den ersten Enzianschnaps meines Lebens getrunken habe. Er hat mir und meinem Vater exzellent geschmeckt. Und er war uns als Trosttropfen gespendet worden. Damals glaubte ich noch, dass der Schnaps aus dem blauen Enzian hergestellt wurde, so wie das Bild auf der Flasche ihn zeigte. Erst später erfuhr ich, dass er nur aus Gentiana lutea wird dem Gelben Enzian, der ein Meter hoch und noch mehr werden. Er wir meistens in Tees verwendet und es wird ihm nachgesagt seine Bitterstoffe wären wirkungsvoll bei Erkältungen der Atemwege. Ich habe nicht geruht, bis ich ihn aus Samen herangezogen hatte und er in meinem Garten wuchs. Darüber jedoch mehr in dem Beitrag Enziane in meinem Garten.

Trotzdem mussten wir an diesem Morgen den Umweg über Thun - Interlaken in Richtung Sustenpass fahren, um von dort nach Meiringen zu gelangen. In den Meiringer Geschichtsbücher ist vermerkt, dass die dortige Kirche bereits 7-mal auf die vorhergehende aufgebaut wurde, weil Schlamm und Gesteinslawinen und Überschwemmungen das Dorf zerstört hatten. Als wir in Meiringen ankamen, herrschte hier grosse Aufregung und Hektik. Alles, was sich bewegen konnte, war auf den Beinen um das breite und gemauerte Bett des ehemaligen Rinnsals durch das Dorf, das bis oben an den Rand gefüllt war mit Geröll, von diesem Schutt zu befreien. Mit speziellen Wasserpflügen, auf welche sich die Kinder setzten, um sie zu beschweren, wurden Abflussrinnen in den Schutt gezogen, damit das Wasser nicht über die kleine Brücke geriet und dann die Ortschaft zum Teil überschwemmen würde. Dort arbeiteten Schaufelbagger und machten den weiteren Abfluss bis hinunter zur Aare frei.Etwas näher zum Alpbach Wasserfall hin, waren manche Häuser arg beschädigt, von den tonnenschweren Felsbrocken, die mit unvorstellbarer Fliehkraft einfach durch die Häuser hindurchgebrochen waren. Brocken, die grösser waren als die Schaufeln der Bulldozer.Unser Quartier lag so nahe an dem Wasserfall, der so imposant und friedlich, an der Ostseite des Tales aus über 100 Meter in die Tiefe stürzte. Wir hörten ihn sehr gut im Hause und bewunderten ihn jeden Morgen beim Kaffeetrinken auf der gemütlichen Veranda. Den ganzen Tag über aber glänzten seine Wassermassen nicht mehr. Sie waren dunkel und noch immer mit Schlamm und Geröll vermischt. Dass so ein zumeist friedlicher Bach gewaltige Kräfte freisetzen kann, das haben wir sehen können und es war mir für alle späteren Bergwanderungen eine ausgezeichnete Lehre. Ich habe immer Sorge getragen aus der möglichen Gefahrenzone, besonders aus den schluchtartigen Tälern heraus zu sein, bevor ein Gewitter über uns hereinbrach.

Und doch hat eine spätere Erfahrung gezeigt, dass man in den Bergen immer wieder mit Überraschungen rechnen muss. Jahre später rannten wir auch aus dem wunderschönen Bietschtal hinaus in Richtung St.German. Wir hörten das Donnern, das schnell sich näherte und der Himmel verdunkelte sich zusehend. Kaum sassen wir im Auto, als das Gewitter sich über unseren Köpfen entlud. Weil jeder von uns so richtig ausser Atem gekommen war, da argumentierte man wir hätten doch das Ende des Gewitters in einem der beiden Tunnels abwarten können, durch welche der Wanderweg führt. Wir waren jedoch froh im Auto zu sitzen und erst am nächsten Tag als wir wieder auf diesen herrlichen Wanderweg hochstiegen, wurden wir eines besseren belehrt, dass nämlich ein Tunnel wohl eine sichere Überdachung bieten kann, aber heimtückische Gefahren lauern trotzdem in so einem Unterschlupf. Als wir in die Nähe des Tunnels kamen, war der Wanderweg etwa 2 Meter hoch von der rechten Bergseite herunter wie ein Kegel bis weit hinab ins Tal verschüttert. Eine Staub-Schlammlawine war auf beiden Seiten des Tunnels heruntergegangen. Schon wollten die teilnehmenden Wanderer wenden, da offensichtlich der Weg ab hier versperrt war. Allen mich begleitenden Warnungen zum Trotz, und vor allem des schönen Wanderwetters wegen,versuchte ich als Erster in den Schuttkegel einen Pfad zu treten, indem ich vorsichtig die Füsse senkrecht zum Schuttkegel stellte und den Boden unter mir stampfte. So erreichte ich den Eingang des Tunnels und prüfte beim Rückweg, ob dieser neue Pfad auch nirgends so locker war, dass man noch hätte abrutschen können. Ich nahm einen Wegbegleiter nach dem anderen bei der Hand und führte sie alle hinüber an die Öffnung des Tunnels. „Quelle aventure“ meinte die Francine. Sie spricht zwar unsere Sprache sehr gut, aber wenn Elektrizität in der Luft war und es spannend wurde, dann schaltete sie immer auf ihre Muttersprache um.

Ich merkte aber zuerst nicht, dass sich auch im Innern des Tunnels sich manches verändert hatte. Der Weg dort hindurch schien mir auf einmal so holprig, und als wir ganz hindurch waren, da merkte ich, an dem weniger umfangreichen Schuttkegel am anderen Ende, was sich dort während des Gewitters ereignet hatte. Währendem die Staub- und Schlammlawinen an den beiden Öffnungen des Tunnels vorbei mit wahrscheinlich gewaltiger Geschwindigkeit ins Tal brausten, entstand im Tunnelinnern ein Sog. Nur so konnten sich die dort angehäuften Staubschichten erklären lassen. Das gab mir natürlich die Möglichkeit jedem Teilnehmer meine Vermutungen zu erklären und zu schlussfolgern, dass bei einem Aufenthalt in diesem Tunnel, während dem an beiden Seiten Schuttlawinen herunterdonnerten, wir wahrscheinlich zuerst einem stark veränderten Luftdruck ausgesetzt worden wären, die unsere Lungen hätten zum Platzen bringen können, was man schon bei Lawinen beobachten konnte, oder wir uns des Staubes beim Einatmen nicht hätten vollauf erwehren können. Die Eingänge hätten verschüttet werden können, doch sollte man allen möglichen Katastrophenformen mit ruhigem Blut und Objektivität begegnen.

Bergwanderungen können einen unbeschreiblichen Genuss darstellen, doch ist es vorsichtig sich dauernd der möglichen Gefährlichkeit einer jeweiligen Situation bewusst zu sein, in der man sich jeweils befindet.









Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü