Meconopsis

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Der Tag der Entlassung naht

Die Symphonie kann beginnen

Der Tag der Entlassung naht, nicht ohne schwerwiegende Ereignisse.


Ich sollte am Morgen des Samstags, den 8. Januar entlassen werden. Das war das Ende dieser Militärzeit, die überaus vielseitig für mich gelaufen war. Mit Höhen und Tiefen und wie das so üblich war, wurde mir auch noch für die verbleibenden Tage der Offizierdienst aufgebrummt. Ich musste alle diensthabendenSoldatengruppen zum grossherzoglichen Palais bringen, zu verschiedenen Regierungsgebäuden und auch vor die Pforten der Kaserne. Die Tage nach Weihnachten waren mit Nachtdienst belegt und es gab wenig zu schlafen. Das überbrückte ich durch das Trinken von Coke, weil man anscheinend davon nicht einschlafen kann. Doch sollte man solche leichtsinnigen Bemerkungen vorerst prüfen, bevor man ihnen Glauben schenkt. Am Sylvesterabend schrillte das Telefon spät am Abend. Ich nahm ab. Am anderen Ende meldete sich der Kolonell. Er hatte einen Auftrag für die Nachtwache. „Schicken Sie Punkt 1 Uhr in der Nacht einen Wagen zum Bahnhof um meine Familie dort abzuholen, die aus den Winterferien zurückkommt.“ „A vos ordres, mon colonel!“ war meine Antwort, und ich meldete dem Sergeanten vomDienst, was von uns gewünscht wurde. Der Fahrer wurde, um Zeit zu gewinnen, sofort aus dem Schlafraum in der Kaserne nach oben beordert, wo er schnell erreichbar auf der Wache ebenfalls schlafen konnte. Ich war bereits übermüdet und der Sergeant nicht weniger. Er meinte, er möchte sich ein Stündchen hinlegen. Ich solle nur nicht vergessen den Fahrer zu wecken, sobald die Zeit gekommen sei.

Es kam, wie es nicht kommen sollte. Auf einmal schrillte das Telefon, und noch bevor ich mir richtig bewusst geworden war, dass ich ebenfalls eingenickt war, hörte ich auf der andern Seite die Stimme des Kolonells. „Ist der Fahrer weg?“ Prompt sagte ich „ja, mon colonel“ obschon der Fahrer noch auf der Matratze lag. Ich rannte in den Pennraum, weckte den Fahrer, half ihm in die Schuhe, knüpfte an seiner Weste, er rannte zur Tür hinaus und von dort aus vernahm ich einen herzerweichenden Schrei: „Sauerei“. Ich rannte zur Tür und konnte nur noch feststellen, dass inzwischen Glatteis gefallen war und der Fahrer bereits auf der Treppe zu stolpern anfing und bis hin zu seinem bereitstehenden Wagen rutschte, glücklicherweise ohne zu fallen. Ich hatte nicht einmal Zeit gehabt um mich nach der Uhrzeit zu erkundigen, da klingelte bereits das Telefon zum zweiten Mal. Ich hörte, wie der Sergeant sagte: „Er ist soeben weggefahren.“ Das war etwas anderes als das, was ich dem Kolonell gesagt hatte. Da wusste ich auch, dass der Fahrer nicht rechtzeitig zum Bahnhof gelangen konnte. Wahrscheinlich hatten die Familienmitglieder dem Herrn Kolonell bereits telefoniert, dass ihr „Taxi“ noch immer nicht angekommen sei. Dann klingelte das Telefon zum dritten Mal. Wieder war es der Kolonell. Da wurde mein Name genannt und dabei ahnte ich bereits Schlimmes. Als der Sergeant wieder aufgelegt hatte, schüttelte er seine Hände, als ob er sie am Hörer verbrannt hätte. Der Kolonell verlangt, dass man dich ab Montag für 8 Tage in den Arrest bringt. Der 1. Januar fiel auf einen Samstag, am 8, also am nächsten Samstag sollte ich entlassen werden. Von Montag den 3. Januar, bis Samstag den 8. Januar waren also nur 5 Tage Vollarrest im Bing auf der Soldatenwache, waren also das Resultat dieser Unterlassungssünde.

Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Warum wurde ich bestraft, weil der Kolonell wahrscheinlich entgegen seinen Befugnissen einen Militärfahrer als Taxichauffeur seiner Familie, dies also zu privaten Zwecken, beanspruchte. Ich denke so etwas würde es heute nicht mehr geben. Ich ging am Morgen aufs Büro der Kompanie zum Kapitän Welter und vermeldete ihm, was mir zugestossen war. Dabei bedrängte ich ihn, dass ich keinesfalls die Sonntagsmesse dirigieren könne, dass ich aber auch gar nicht in der Küche helfen dürfe und zu aller guten Letzt, dass ich überhaupt meinen Dienst in dieser Woche nicht mehr verrichten könne.

Kapitän Welter war nicht der so strenge Vorgesetzte, wie er von vielen Leuten gehalten wurde. Bereits um 11 Uhr liess er mich zu sich kommen. Ich habe erreicht, dass sie erst jeden Abend nach 6 Uhr in die Zelle des Bing auf der Wache müssen. Also schön freundlich die Messe noch dirigieren, am Kochtopfmitwirken, sowie dem Staat noch die letzten Stunden Dienst erweisen, als Eskorte der Wachsoldaten.

Ich muss gestehen, dass dieses Angebot passabel war, denn aus Erfahrung wusste ich, dass die Wachkontrollen erst nach 20.00 Uhr auf dem Wachposten erschienen und während der Nacht nicht ein einziges Mal. So war es angenehm auf der Wache noch bis kurz vor 20.00 Uhr mit den Kameraden Karten zu spielen. Dabei hörten wir die Sendung des Soldatensenders mit Pol Leuk. Man solle mich dann aber vorsichtshalber wieder einsperren, mich und noch einen anderen, den es anderswie erwischt hatte,um dann später in der Nacht weiter zu sehen, was sich noch tun lässt.

Dummerweise untersuchte der Nachtdienst die Schlafecke nach Zigaretten, denn diese waren verboten, dabei fand er einen Gedichtsband von Eduard Mörike, der alsdann konfisziert wurde, aber auf der Wache liegen blieb. So konnte ich die „Kerkerung“ ziemlich ungequält überstehen.

Ich habe jede Nacht dort gut geschlafen, auf einem einfachen Strohsack, beim Zigarettenqualm der Wachsoldaten und dem lauten Lärm, verursacht durch das ständige ein und aus der Wachhabenden, die lauten Gespräche am Telefon. Ich hatte nur noch einen Wunsch so schnell wie nur möglich entlassen zu werden, um wieder daheim zu sein.

Schnell war es Samstag.Noch vor Mittag konnte ich die Kaserne in Uniform verlassen. Das Erste was zuhause geschehen würde, war sofort Zivilkleider anziehen.

Als ich noch vor Mittag zuhause eintraf, hatte meine Mutter mir eine Riesenschüssel von meinem Leibgericht zubereitet. Es gab Makkaroni mit Tomatensosse. Herrlich! Endlich wieder zu Hause. Endlich wieder im eigenen Bett schlafen. Endlich die Geliebte jeden Tag sehen und mit ihr sprechen, sich liebkosen. Dieser Lebensabschnitt schien überschwellend prall zu sein von Glückseligkeiten.

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