Meconopsis

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Das 7te Jamboree in Bad Ischl

Die Symphonie kann beginnen

Das 7. Jamboree in Bad Ischl.


Ich weiss nicht welcher stümperhafte Pädagoge mich in eine wildfremde Pfadfindergruppe schleuste, nur kann ich hier bezeugen, dass dies wohl keine so gute Idee war, denn ich fühlte mich keinesfalls zu diesen gehörend und machte mich sozusagen selbstständig. Ich war wenig gebunden und

konnte mich entfernen wann und wohin ich wollte. Doch an den gemeinsamen Fahrten, auf den Feuerkogel und an der Schifffahrt auf dem Wolfgangsee nahm ich selbstverständlich teil.

Ich traf im „Weissen Rössel“ den Korrespondenten der Associated Press, dem ich bereits im Camp begegnet war. Dort trug er eine Pfadfinderuniform. Heute war er in Zivil. Und auch er erkannte mich wieder und wir kamen sofort in ein freundschaftliches Gespräch: „Weiss du, wer dort in der Veranda sitzt?“ so fragte er mich. Natürlich konnte ich es nicht wissen. „Das ist Ralph Benatzki, der Schöpfer des Singspiels „Im weissen Rössl“, möchtest Du einige Worte mit ihm sprechen?“ Natürlich war ich begeistert. Benatzky stammt aus Tschechien. Er verstarb 6 Jahre nach diesem Treffen (16.10.1957).

„Das wäre eine herrliche Gelegenheit, um von diesem weltbekannten Mann ein Autogramm zu bekommen“, antwortete ich. Schon war der Kollege unterwegs und durch die Glastür hinein in die Veranda. Ich sah, wie er mit dem Komponisten sprach, wie dieser an ihm vorbei in meine Richtung schaute und mich zu ihm winkte. „Von wo kommen Sie denn, junger Freund.“ „Aus Luxemburg“. „Ah, dann sind wir ja Nachbarn.“ Das verwirrte mich zwar im ersten Augenblick, aber ich hatte bereits mein Notizbüchlein zur Hand und bat um ein Autogramm. „In Erinnerung an das Weisse Rössl am Wolfgangsee.“ So schnell und so knapp war unsere Unterhaltung. Da der gute Mann noch andere Leute bei sich am Tisch sitzen hatte, verabschiedeten wir beide uns schnell und kehrten zu unsern Getränken zurück. „Der Herr Benatzky wird wohl nicht wissen, wo Luxemburg liegt, wenn er meint, wir wären dann Nachbarn. Er lebt ja in der Schweiz und bestimmt hat er Luxemburg mit Lichtenstein verwechselt.“ „Du kannst recht haben“ meintemein neuer Freund.“

Ich musste mit der Truppe weiter. Die Maultrommel auf der obigen Plakette sowie der zum Sprung ansetzenden Gämsbock sollten mich später noch etwas beschäftigen.

Am Abend traf ich ihn wieder, meinen Pfadfinderfreund, diesmal hatte er wieder die Pfadfinderuniform an. Wir sassen in einem rauchgeschwängerten Lokal mit vielen Gästen. Neben mir eine stramme, ja rassige Ungarin, auch in Girlguide Uniform. Diese schien sich an mir zu interessieren oder mich einwickeln zu wollen. Mein Korrespondent zog mich am Armzipfel hinaus zur Toilette und meinte dort: “Lass deine Finger von dieser Göre, die jeden anmacht. Sie treibt ein gefährliches Spiel.“

Darauf hin schaute ich eben etwas mehr zu meiner Linken und sprach mit der korpulenten Kellnerin, die sich etwas Ruhe zu gönnen schien und soeben dort Platz genommen hatte. Wie es sich herausstelle aber anscheinend auch, um dem interessanten Gespräch zuzuhören, oder hauptsächlich um mich anzumachen. Mir wurde auf einmal klar, welche Rolle ein Mann in einer Welt zu spielen scheint, die durch den letzten Krieg arm geworden war an Männern und so umschwärmten die Bedürftigen, ja eher sollte man sie als lustgetriebene Weibsbilder bezeichnen, besonders die Jugendlichen und damit die männlichen Gäste aus aller Welt. Aus dem Radio erklang immer wieder das Lied dieses Camps: „Brüder auf, nun hört die Melodie. Österreich ruft zum 7. Jamboree“.

Ein Pfadfinderkollege aus Oberkorn trat kurz in dieses Lokal ein, schaute sich um, und als er mich erblickte, sagte er mir er hätte einen Fahrer mit Auto. Ob ich nicht gerne mit ihm nach Bad Ischl fahren würde. Ich hätte dies wohl gerne getan, wollte aber zurück in den Camp, um dort zu schlafen, denn es war bereits dunkel.

Plötzlich begann ein unheimliches Gewitter loszubrechen und die Wassermassen, die damals über das weit ausgebreitete Campingfeld mit Hügeln und Tälchen niedergingen, verwandelten alle Zufahrtwege in grosse Seeflächen und mein Versuch an diesem Abend in unser Lager zurückzukehren, musste ich vergessen. Ich hatte keine Taschenlampe bei mir, nur etwas Licht vom Zeltlager erleuchtete die Schlammlöcher, durch welche ich hoch wollte. Ich hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen und diese unters Hemd verstaut. Als das Wasser mir bereits bis an die Hosenbeine reichte, gab ich mein Vorhaben auf und ging zurück in die Kneipe, wo ich mir in der Toilette die Beine vom Schlamm befreite und dann wieder Strümpfe und Schuhe anzog.

Mein Korrespondent sass noch immer am gleichen rustikalen Tisch. Die Ungarin war verschwunden, nur die korpulente Kellnerin lachte mir bereits zu, als ich mich zu ihr setzen wollte. Der Mann von der Associated Press erblickte mich auch und fragte sofort: „Bist du nicht mit nach Bad Ischl gefahren?“ Natürlich erklärte ich ihm mein Vorhaben, da ich aber sehr gerne auch Bad Ischl kennenlernen möchte und sofort erhob er sich, nahm mich beim Arm und wir verabschiedeten uns.

In seinem Wagen fuhren wir in die Stadt. Wir kehrten ein in einem Lokal, was eher eine Bar war, wo eine Jodlerin die bei der Radiostation Blauweissrot (?) angestellt war, ihre Lieder vortrug. Eine kleine Kapelle unterhielt die Anwesenden mit flotter Ländlermusik. Ich erinnere mich mehr der Farbenfolge im Namen der Rundfunkanstalt.

PS. Es kann auch sein, dass der Sender Rot weissblau geheissen hat. Es gibt ihn heute nicht mehr, es könnte aber sein, dass der heutige Sender „Grün-weiss“ ein Nachfolger geworden ist.

So geschah es, dass mein Kollege die Jodlerin sofort interviewte und wir beide uns dabei näher kennenlernten. Ein schottischer Pfadfinder im Kylt kam auf uns zu und wollte die Jodlerin ebenfalls kennenlernen. Da er kein Deutsch und sie kein Englisch sprechen konnten,musste ich mich als Dolmetscher anbieten. Der Wirt hatte schnell mitbekommen, was sich da in sehr kurzer Zeit abspielte, weil die Jodlerin immer länger wartete, bis sie wieder einen Jauchzer von sich gab. Er redete mich an, und als er erfuhr, dass ich Luxemburger sei, da ging er kurz weg und kam mit seiner Frau zurück, die irgendwie Verwandtschaft in Luxemburg zu haben schien und mit mir sprechen wollte, über das bereits mehrmals von ihr bereiste Land. Das hätte eigentlich nicht passieren dürfen. Auf der Stelle bot der Wirt mir freies Getränk an, wenn ich in seinem Lokal als Dolmetscher behilflich sein wollte, denn es verkehrten so viele Ausländer hier, mit denen es ihm schwer fiel sich zu verständigen, zumal wenn sie besondere Wünsche hatten. Ich willigte ein. Er veranlasste die Kapelle einen Tusch auf mich zu spielen und kurz darauf spielte man den „Hämmelsmarsch“, in der Annahme unsere Nationalhymne zu spielen. Das hatte man so eingeprobt, um bei den vielen Ausländern Eindruck zu schinden. Zum Spass setzte ich mich auch in die Kapelle und spielte eine dieser tausendmal heruntergeleierten Etüden aus meiner Klarinettistenzeit, aus purer Protzerei. Auch das schindete Eindruck und so geschah es, dass ich als einen der Ihrigen betrachtet wurde. Natürlich begeisterte das alles die anwesenden Gäste. In einem Nebenraum wurde mir alsdann aufgetischt, natürlich gratis. Zum Glück gab es nicht dieselben gekochten Kartoffeln im Essig, die man uns am Feuerkogel serviert hatte. Ich kann vieles Probieren und verweigere selten Hausmanns Kost. Doch diese Kartoffeln im Essig bekam ich nicht weg.Heute esse ich sehr gerne diese platten Kartoffelscheiben aus der Bratpfanne, in Entenschmalz gedünstet mit Zwiebeln, Lorbeerblättern und einem Schuss Essig darüber.

In diesem Nebenraum sassen und assen auch manche Einheimische. Diese wollten alles Mögliche über unser Land erfahren und dann das Gespräch auf die Politik bringen. Es wunderte mich, als der Wirt mich sofort beim Arm nahm und mir anriet mich nur gar nicht in ein solches Gespräch ein zu mischen, denn hier sassen, frühere Nazis, Tiroler Separatisten, echte Österreicher und was noch alles von Meinungsvertreter möglich war. „Sonst wird es auf einmal hier Mord und Totschlag geben“, meinte der gut gelaunte Wirt!

Ich war gewarnt. Natürlich war ich begeistert von den aparten Bekleidungsstücken, die von den Einheimischen als Volkstracht getragen wurden. Einer in der Runde hatte einen Tirolerhut mit Gamsbart und genau so einen Gamsbart wollte ich haben. Bald hatte ich das Gespräch in diese Richtung gebracht und man erzählte mir als verfehlten Förster im grossen Eifer, wie in diesem Land gewildert wird, welches Wild noch in den Bergen geschossen werden kann und dann begannen die Jagdleute sich ihrer Trophäen zu rühmen. Einen der mir scheinbaren Angeber, der meines Erachtens sich am meisten hervortat mit seinen gesammelten Gamsbärten, den nahm ich mir aufs Korn und meinte: „Ich glaube Sie übertreiben wohl mit all diesen Gamsbärten.“ Da hätte man hören sollen, was auf einmal los war. „Mit soviel Gamsbärten könnten sie doch einem Pfadfinder einen Gefallen tun und ihm einen verkaufen, doch werde ich wohl das Geld dafür nicht aufbringen können.“ Diese Aussage hatte einen unerwarteten Erfolg. Aller Augen waren jetzt auf den Gehetzten gerichtet. Jedermann stachelte ihn an, sich doch endlich erweichen zu lassen. Er geriet immer mehr in die Bedrängnis. Dann sprang er auf: „Bleib hier Cowboy, ich fahre jetzt nach Hause und werde dir meine Sammlung zeigen.“ Gesagt getan. Sein Kollege hatte ein Motorrad vor der Tür stehen. Beide schwangen sich hinauf und los ging die Fahrt. Als sie nach geraumer Zeit zurückkamen, ich hatte bereits vermutet, dass dies nicht mehr geschehen würde, hatte ich bereits wieder meine Dolmetscherrolle spielen müssen, zwischen dem Schotten und der Jodlerin. Die Jodlerin wollte unbedingt wissen, was für eine Wäsche erunter dem Kylt trage. Ich ahnte bereits Skandalöses, doch der rothaarige Schotte scheute sich nicht, erhob sich von der hölzernen Bank und hob seinen karierten Rock hoch und zu sehen war eine ebenfallsbunt karierte Unterhose aus denen kräftige Oberschenkel hervorstanden. Nahezu das ganze Lokal war auf den Beinen um sich zu überzeugen, dass die üble Nachrede, alle Schotten würden keine Unterhosen unter dem Kylt tragen, überhaupt nicht stimme.

Die Jodlerin küsste ihren neuen Freund und schmetterte einen separaten Jodler a capella, der uns allen in den Ohren schallte. Auch meinem Freund mit dem Gamsbart waren die Stielaugen wieder zurückgestellt und er zog mich hinein in die Räumlichkeiten, die nur der einheimischen Stammklientel reserviert war. Dort zog er drei verschiedene Gamsbärte aus seinem Jagdbeutel und meinte etwa so ähnlich: „Do, such dir einen raus, d’kannst ihn behalten. Du kriegst ihn umsonst, weil du so’n extra feiner Karl bischt.“ Die Einheimischen gratulierten ihm für seine heldenhafte Tat und das Geschenk, das er mir machte. Ich war natürlich überaus begeistert.
Ich kam nicht aus dem Staunen heraus und als ich meinen Pfadfinderhutmit dem Gamsbart schmücken wollte, da war er mir dabei behilflich. Er müsse an den Riemen festgebunden werden, damit er nicht leicht verloren gehe oder geklaut werden kann. Noch immer schmückt diese, meine Bad Ischler Jagdtrophäe, die ich soeben ergattert hatte, mein Pult in meinem Büro, und wenn ich ihn etwas näher in Augenschein nehme, dann schmücken ihn auch noch einige herrliche Gräser aus der Puszta Ungarns, die mein Freund mir geschenkt hatte.

In dem Lokal war wahrlich die ganze Nacht über etwas los, aber je näher es gegen Morgen ging, je öfter fielen mir die Augen fast zu und erst gegen 4 Uhr in der Frühe brachte mich der Wirt mit seinem Wagen bis vor die Tore des inzwischen zum Schlammboree gewordenen Campingfeldes. Er ging auch mit diesem Beinamen in die Weltgeschichte ein.

Den beiden Liebhabern musste ich meine Adresse geben, damit ich die geschriebenen Liebesbriefe übersetzt weiter leiten konnte. Ich muss gestehen, dass ich diese Verantwortung leichtfertig übernommen hatte, was sich aber als immer schwieriger herausstellte. Denn das was der draufgängerische Schotte seiner Jodlerin schrieb, war alles als nicht galant, wenigstens in meinen Augen, und so kam es, wie es kommen konnte. Erstens ohnmächtig die eher schlüpfrigen Nuancen bedeutungsgerecht zu übersetzen und dann die meist, aus meiner Sicht jedenfalls belanglosen Alltagsbemerkungen z. B., wie das Wetter sei, oder die Temperaturen draussen, trieben mich verführerisch dazu meine eigenen Gedanken und Bemerkungen, in eher romantischen Art, in die Briefe an die Jodlerin einzuschmuggeln, was auf die Dauer aber immer unhaltbarer wurde, wenn die Jodlerin dann auf diesen Wortlaut antwortete und der Schotte überhaupt keine Ahnung hatte, wovon sie schrieb. Eine solche Kupplerei wollte ich mir jedenfalls nie mehr aufhalsen, soviel hatte ich bei diesem Experiment gelernt. Doch der clevere Schotte hatte sich zu einem deutsch Studium hinreissen lassen und die Jodlerin ihrerseits, versuchte sich in englischer Sprache, sodass auf einmal der Briefwechsel von Liebesbezeugungen über eine Zwischenstation in meinem Dolmetscherbüro nicht mehr erwünscht war. Ich habe nie erfahren, welches Ende diese Liebschaft genommen hat.

Als ich an diesem frühen Morgen vor den Toren des Camps stand und mich,barfuss den Schlamm durchwatend, zu meinem Zelt vor arbeitete, überfiel mich eine solche Müdigkeit dass ich, ohne mich auszuziehen, wie ein Sack auf meinen Schlafsack fiel und einige Stunden später fast nicht wach wurde, als allgemeines Wecken war. Natürlich konnte ich mich immer wieder herausreden und behaupten ich wäre so lange bei meiner eigenen Truppe gewesen, was bei dem schlechten Wetter schnell als bare Münze verstanden wurde.


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