Meconopsis

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Auf Probe

Die Symphonie kann beginnen

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Die Hüttenherren kauften auch keine Katze im Sack. Sie hatten zwar schriftliche Belege, durch mein bestandenes Aufnahmeexamen, doch sollte dieses Beweisstück wiederum neue Probleme aufwerfen. Der Bürochef, dem ich unterstellt wurde, im Personalbüro, wo auch die Krankenkasse der Beamte war, hatte sich vom Laufjungen zu diesem Posten emporgearbeitet. Er hatte sich selber, in der französischen Sprache weiter gebildet, doch lag greifbar neben ihm auf dem Pult ständig ein entsprechendes Wörterbuch.

Ich muss gestehen, dass die Arbeit mir gut von Hand ging. Es war zum Beispiel sehr interessant im Streit zwischen Krankenkasse und Versicherung die Korrespondenz zu führen, um diejenige Instanz ausfindig zu machen, die einen bestimmten Fall betreffend die Unkosten zu übernehmen hatte. Ich hatte mich schnell eingelebt und dazu brachten die neuen elektronischen Geräte einen stürmischen Umschwung bei den Büroarbeiten. Ich wollte mich vom ersten Tag an dieser neuen Maschinen bedienen. Bei der Verwaltung der Sparbücher unserer Belegschaft bahnte sich ein kompletter Umschwung in den Arbeitsmethoden an. Vergessen waren die minutiösen Eintragungen per Hand der Prämien, die Berechnung der Zinsen, die Summierung sowie die alljährlichen persönlichen Auszüge der bestehenden Konten, die finanzielle Abrechnung usw. Zuerst musste ich noch Striche auf den mekanographischen Karten streichen, um alle Sparbuchinhaber zu erfassen, dann erst kamen die Buchungen an die Reihe. Bereits im ersten Jahr der Umstellung hatte ich das ganze Pensum bewältigt und brauchte nicht mehr wochen- ja monatelang Eintragungen von Handoder Listen auf der Schreibmaschine zu erstellen. Und diese Entwicklung ging rapide voran.

Dabei entstand eigentlich sehr viel Freizeit, die ich damit verbrachte, indem ich mir meine Lieblingslektüre unter die Dossiers schmuggelte oder die Lösungen von Kreuzworträtsel suchte.

Das ist natürlich meinem Chef nicht entgangen und so begann er mich zu beschäftigen mit Schreibmaschinenarbeit. Kopien von Briefen oder von einer Sicherheitsvorschrift erstellen, das wurde so eine alltägliche Beschäftigung. Eines Tages aber merkte ich, dass diese Kopien, die ich soeben erstellt hatte, zerrissen im Papierkorb lagen. Jetzt wusste ich, dass ich einer Beschäftigungstherapie unterworfen worden war. In demselben Gebäude arbeitete ein Kollege von mir. Dort hatte der erste Fotokopierer bereits Einzug gehalten. Es wurde zwar noch belichtet und daraufhin auf einer Wärmplatte entwickelt, doch mir schien das Ende des Kopienschreibens gekommen zu sein. Der nächste Auftrag war schnell auf der neuen Maschine kopiert und ich händigte das Resultat sofort aus mit den Worten. „Oben befindet sich ein neues Gerät. Da schiebt man das zu kopierende Dokument hinein und sofort erhält man eine oder mehrere Kopien. Meinem Chef blieb die Spucke weg. Die Aufträge wurden daraufhin äusserst selten und blieben in einem verständlichen Massstab. Es fiel mir auch immer öfter auf, dass er mit breitem Mund und rötlichen Wangen daherkam. Am Telefon wurde er wahrscheinlich nicht immer richtig verstanden, wenn er seinen Namen nannte. Dann rief er in die Muschel „Kikeriki“. Er hiess nämlich Haan.

Doch die Entwicklung ging rasant weiter. Ich wollte absolut eine elektrische Schreibmaschine haben, sowie wie ich sie bereits beim Militär habe benutzen können. Die Anfrage ging an meinen direkten Chef. Der sagte nicht Nein, wollte sich die Sache aber überlegen. Die Tage vergingen und er schien sich immer noch zu überlegen, da machte ich seinen Vorgesetzten, J.P. Zahlen auf meinen Wunsch aufmerksam. Dieser war sehr ehrlich zu mir und er verriet mir, dass mein Chef ihm verraten habe, ich käme mit einer solchen elektrischen Schreibmaschine nicht zurecht. „Wenn sie aber darauf bestehen, dann machen sie einen Bestellschein. Ich werde sofort unterschreiben.“ Das war natürlich Wasser auf meine Mühle. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, was man mit mir vorhatte. Die Maschine wurde geliefert und sofort begann ich mich, mit dem neuen Arbeitsgerät zu befreunden.

J.P. Zahlen erhielt kurz darauf einen Lehrauftrag an einer Pariser Universität. Er war einer der Pioniere der neuen mathematischen Wissenschaft „Econométrie“. Bald hatte ich die neue elektronische Schreibmaschine so gut im Griff, dass ich ihm seine Vorlesungsvorbereitungen, ganz besonders die mathematischen Formeln, fast vollständig tippen konnte. Schwierige Zeichen wie Klammern, Akkoladen usw. wurde immer nachträglich von Hand hinzugefügt. Das war für mich eine hochinteressante Beschäftigung.Es war zwar Privatarbeit, aber die Direktion duldete diese Nebenbeschäftigung sicher, weil der Dozent ein Aushängeschild für die Firma war. Doch schon damals dopte sich mein Vorgesetzter mit Buer Lecithin, was mir persönlich aber zu teuer war, um meine geistigen Fähigkeiten noch zu erhöhen. Die deutsche Buer-Lecithin-Forschung nennt heute 4.5 Gramm pro Tag, die der Mensch einnehmen soll für seine geistige Vitalität, das sei ausreichend und zugleich unbedenklich.

Inzwischen hatte man mir beigebracht den Mann im Annahmebüro, bei dessen Abwesenheit zu ersetzen. Die Arbeiten bei der Krankenkasse waren manchmal ziemlich eintönig und auch langweilig. Zuerst war es sehr schwierig die Schrift aller Ärzte entziffern zu können, denn bei der Rückzahlung der Krankenzettel musste jedes Medikament akribisch bearbeitet werden. Ich musste genau wissen, ob das verschriebene Medikament rückzahlbar war oder nicht. Das erfordert nicht nur genaue Kenntnisse der Statuten der Krankenkasse, sondern auch das komplette Repertoire der gängigen Medikamente, besonders jener die nicht vergütet wurden. Das wurde natürlich zur Routinearbeit.

Abwechslung bahnte sich an, wenn Betriebsausschusswahlen stattfanden. Dann lief die ganze Organisation bis zur Stimmen Zusammenfassung über unser Büro. Das Personalbüro war also zum Hauptwahlbüro geworden, das für den ganzen Ablauf des Wahlgeschäftes zuständig. Das bedeutet auch, dass die Wahlplakate in unserm Büro angefertigt wurden. Natürlich ging dies nicht ohne Überstunden und so verbesserte sich mein Einkommen ein wenig. Am Zahltag wurden die Lohntüten mit flüssigem Geld in jedem Betrieb von einer Vertrauensperson persönlich an die Arbeiter ausgehändigt. Auch das brachte ein zusätzliches Einkommen.

Eine andere Beschäftigung, die jedes Jahr über die Bühne ging, war die Jubiläumsfeier. Mit 25 Dienstjahren erhielt jeder Arbeiter und Beamte eine Uhr sowie die erste Sparbuchprämie, die alsdann jedes Jahr fällig wurde. Für 40 und 50 Jahre Dienst in der Firma gab es ebenfalls Uhren und Prämien. Die Statistik des Personals zu führen um diese Jubiläumsfeierlichkeiten zu organisieren waren natürlich die erste Voraussetzung. Dann wurden die Listen angefertigt und es musste schon sehr früh im Jahr festliegen, wer welche Uhr erhielt und was auf jede Uhr eingraviert werden sollte. Um diese Arbeit einwandfrei zu bewerkstelligen, mussten dauernd Kontrollen gemacht werden speziell die Rechtschreibung der Namen unter denen viele ost- und südeuropäische Familiennamen vorkamen, deren Rechtschreibung nur anhand von amtlichen Belegen möglich war.

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